Freie Presse, Erscheinungstag 20130327, Seite MLe

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Freie Presse, Erscheinungstag 20130327, Seite MLe
B8 Freie Presse
LESER-OBMANN
Erste
Schritte
REINHARD OLDEWEME
TELEFON: 0371 656-65666 (10-12 Uhr)
TELEFAX: 0371 656-17041
E-MAIL: [email protected]
M
anchmal fragen mich
Leute, was ich an meiner
Arbeit besonders mag,
und dann sage ich: die Diskussion
mit Lesern über weltanschauliche
und philosophische Perspektiven.
Denn ich bin davon überzeugt: Jeder
Mensch hat für sich selbst einen Kodex an Prämissen und Maximen, an
denen er seine Meinungen und Haltungen orientiert sowie sein Handeln ausrichtet. Und darüber lässt
sich nun mal vortrefflich debattieren, vor allem auch dann, wenn es
um soziale, wirtschaftliche oder politische Themen geht, über die gerade gestritten wird.
Weil ich am Telefon daraus kein
Geheimnis mache, möchte ich heute drei meiner Grundsätze nennen,
die ich in den vergangenen Wochen
häufiger bei Gesprächen mit den Lesern erwähnt habe. Die Beispiele
sind weniger konkret als sonst, weil
es teilweise sehr persönliche Unterhaltungen waren. Nächste Woche
möchte ich den Pressekodex vorstellen, weil man mit dem Wissen darüber viele Dinge leichter verstehen
kann, warum Zeitungen welche Regeln haben.
Beim ersten Beispiel geht es um
die Ernährung, weil viele Leser mit
mir aufgrund des Pferdefleischskandals auch darüber gesprochen haben, wobei sie dann von mir gehört
haben: Ein gesunder Geist in einem
gesunden Körper. Zunächst mag das
wenig miteinander zu tun haben,
doch ich habe die Anrufer gefragt,
was sie von meiner Einstellung halten: Wer sich selbst sowohl körperlich als auch geistig nur Gutes tun
will, isst keine Fertig-Lasagne, die
weniger als zwei Euro kostet.
Um die Goldene Regel, einem
Grundsatz der praktischen Ethik,
geht es beim zweiten Beispiel. Sie besagt: Behandle andere so, wie du von
ihnen behandelt werden willst. Davon habe ich immer dann gesprochen, wenn Leser am Telefon geschimpft haben; nicht über eine Sache, sondern über andere Menschen, wobei die Wortwahl dann alles andere als respektvoll war.
„Wenn die anderen dasselbe über
Sie sagen und den gleichen diskreditierenden Vergleich verwenden
würden, das würde Sie doch auch
treffen, oder nicht?“, fragte ich dann.
Das dritte Beispiel hat seinen Ursprung weniger in Theorien, sondern mehr in meinen Erfahrungen:
Auch die längste Reise beginnt mit
dem ersten Schritt. „Es ändert sich
doch sowieso nie etwas“, sagte eine
Leserin, als es um Naturschutz und
die Sünden verantwortungsloser
Zeitgenossen ging, während ein Leser mich fragte, nachdem wir über
die Gefahren der Massentierhaltung
gesprochen hatten: „Was kann ich
schon als Einzelner dagegen tun?“
In beiden Fällen habe ich erwidert:
„Sie machen das richtig, eine klare
Position und der Mut zum Erheben
der eigenen Stimme sind immer ein
erster Schritt, damit sich überhaupt
etwas ändern kann.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich
bin in diesem Fall ein höchst neugieriger Mensch: Haben auch Sie solche
oder ähnliche Prämissen und Maximen? Rufen Sie mich doch mal an,
ich würde mich wirklich freuen.
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LESERFORUM
Mittwoch, 27. März 2013
Erneuerbare Energien sorgen für Streit
Strompreise nicht ins Uferlose steigen. Von dieser Aussage ist nichts
geblieben. War es ein Trugschluss,
eine Beruhigungsspritze oder eine
Lüge, vielleicht ein Versuch mit einem blauen Auge davonzukommen? Nach dem Reaktorunglück in
Fukushima musste euphorisch und
überlegungslos gehandelt werden.
Es wurde der dritte Schritt vor dem
ersten getan. Statt die Katastrophe
zu analysieren, wurden kopflose
Entscheidungen getroffen. In der
Tschechischen Republik hat man logischer und sinnvoller gedacht und
weiter den Bau eines Atomkraftwerks in Angriff genommen. Wohlüberlegt hätte Deutschland keine
solche, bald nicht mehr zu beherrschende Energiewende starten müssen. Sinnvoller wäre es, die Sicherheit der Atommeiler zu verbessern,
bessere Möglichkeiten der Restmüllentsorgung zu schaffen und die Höhe der Strompreise wieder auf einen
vertretbaren Preis zu setzen.
Brigitte Sera, Kirchberg
Zum Bericht „Sachsen
reduziert Klimaziele und
will Windkraft eindämmen“ haben uns Leser ihre
Meinung mitgeteilt; sie
unterscheidet sich teilweise sehr von der offiziellen.
Diese Haltung ist ignorant
Einen Fehler sollte man kein zweites Mal begehen, lernt man bereits
als Kind. Genau dies passiert im Freistaat. Die Fotovoltaikbranche wurde
mit den Kürzungen der Einspeisevergütung nicht fertig, was zu Kurzarbeit und Konkurs von Firmen
führte. Nun ist die Windkraft ins Visier der Wirtschaftslenker geraten.
Die Aussage von Minister Morlok,
dass die Menschen die Landschaft
nicht durch Windräder verschandeln wollen, stimmt nicht. Er sollte
mit Menschen sprechen, die in der
Nähe von Braunkohletagebauen leben. Es gibt auch in Sachsen Regionen und Landstriche, wo die Windkraft willkommen ist und man sie
nicht als Feindbild propagiert. Folgerichtig wäre, wenn die Kommunen
selbst entscheiden könnten, ob man
für oder gegen Windkraft ist, und
keine übergeordnete Planungsbehörde es vorschreibt. Zu einer solchen Haltung kann sich selbst die
FDP nicht durchringen. Die Aussage, wenn andere Bundesländer über
das Ziel hinausschießen, kann sich
Sachsen zurücklehnen und abwarten, ist ignorant.
Bert Voigtländer, Chemnitz
Gründe nicht nachvollziehbar
Wie wichtig will sich die sächsische
Regierung darstellen, besser gesagt:
Für wie dumm hält sie die Bürger?
Die Bundesregierung beschließt den
Ausbau der erneuerbaren Energien.
Auch sächsische Bundestagsabgeordnete haben zugestimmt. Glauben Minister Morlok und die Regierung, dass Sachsen nun davon abweichen kann, eine Ausnahmegenehmigung erhält, nur weil in der
Bevölkerung hier eine besonders
starke Ablehnung von Windrädern
herrscht? Und die Begründung, dass
diese unschönen, hohen Windmüh-
Die Gegner meinen: Windräder sind vor allem für Zugvögel wie Kraniche eine große Gefahr.
len in anderen Bundesländern aufgebaut werden und wir sie deshalb
verhindern können, ist die Krönung. Glaubt man wirklich, dass die
Bevölkerung dort die Anlagen optisch schön einschätzt? Wenn unsere Regierung so mächtig ist, wie sie
sich versucht darzustellen, dann soll
sie das Gesetz im Bundestag und in
Europa kippen. Aber das wird man
bestimmt nicht erreichen.
Gert Oeser, Neuhausen
Minister verdient einen Orden
Der Wirtschaftsminister verdient einen Orden, weil er den Ausbau der
Windenergie bremst und Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit,
Umweltverträglichkeit und bezahlbaren Strom in den Vordergrund
stellt. Offenkundig wird immer
mehr Politikern die milliarden-
schwere Geldverbrennung durch
das EEG bewusst. Das eindringlichste Beispiel für diese Geldvernichtung ist dieses: An Tagen mit hohem
Windaufkommen und niedriger
Stromnachfrage wird Windstrom,
der den Betreibern der Anlagen vergütet werden muss, an der Strombörse verschenkt. Der Stromkunde
zahlt dies über die Umlage. Dann
wäre es also günstiger, keinen Strom
durch Windkraft zu erzeugen. Das
verbietet das EEG. Windstrom muss
in jedem Fall vorrangig eingespeist
werden, ob er nun gebraucht wird
oder nicht. Noch schlimmer wird es,
wenn wir die gesamte Energie aus
Windenergie decken wollten. Weil
nun mal eine Windkraftanlage
übers Jahr gerechnet nur zirka 20
Prozent ihrer installierten Leistung
wirklich erzeugt, müssten wir, um
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA
rechnerisch den Energiebedarf zu
decken, die fünffache Anzahl an
Windanlagen installieren. Aber was
tun bei Starkwind mit der fünffachen Menge an Strom? Oder bei landesweiter Flaute? Stromspeicher
gibt es nicht im Ansatz genug. Was
uns das dann wohl kostet?
Dirk Hager, Neukirchen
Kopflose Entscheidungen
Sachsen will das Erzgebirge und das
Vogtland nicht auch noch verschandeln, aber Morlok mutet genau das
anderen Bundesländern zu. Kann
man sich wirklich vorstellen, dass
der Gebirgskamm Thüringens, der
Harz oder große Feldflächen im
norddeutschen Raum sich so etwas
antun würden? Einst wollte die
Kanzlerin die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern, damit die
Rechnung zahlen unsere Enkel
Sachsen geht hier einen eigenen
Weg, aber es ist einer, der uns 60 Jahre zurückwirft. CDU und FDP haben
sich für die Braunkohle entschieden. Diese Entscheidung reiht sich
ein in eine lange Kette restriktiver
Maßnahmen, die zuletzt in der Erhebung einer Sondersteuer für Wasserkraftanlagen gipfelte. Aber was bedeutet Strom aus Braunkohle? Zunächst wird mit riesigem Energieaufwand die Braunkohle gefördert.
Bis zu 100 Meter Deckschicht sind
zu entfernen. Der Grundwasserspiegel muss dauerhaft abgesenkt werden. All das verbraucht Unmengen
an Strom. Dann wird die Braunkohle mit schlechtem Wirkungsgrad
verbrannt. Die Rohkohle hat einen
Wasseranteil von über 50 Prozent.
Von der Wärmeenergie gehen zirka
60 Prozent über die Kühltürme in
die Atmosphäre. Beim Verbraucher
kommt nur ein Bruchteil an. Sind
die Tagebaue erschöpft, werden mit
großem Energieaufwand die Mondlandschaften rekultiviert. Was
bleibt, ist ein Raubbau an Ressourcen, eine sinnlose Energieverschwendung. Die Rechnung dafür
zahlen unsere Enkel und Urenkel.
Steffen Mothes, Schwarzenberg
Kein Fernsehereignis des Jahres
Immer eine Alternative
Zum Bericht „Eine schmerzliche
Zeitreise zurück“ über den TVMehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“:
Zum Artikel „Neue Partei schlägt
geteilte Eurozone vor“:
Meiner Meinung nach ist das Fernsehereignis des Jahres eine Wiederholung oder Zusammenfassung vieler Filme, Dokumentationen und
Veröffentlichungen; damit auch die
Steigerung der Darstellung aller
Grausamkeiten. Wie zu DDR-Zeiten
geht es auch hier hauptsächlich um
den Krieg gegen die Sowjetunion, sicher Höhepunkt aller Grausamkeiten. Ich lese gerade den Roman
„Winter der Welt“ von Ken Follett.
Hier werden die Nazizeit und der
Zweite Weltkrieg aus der Sicht der
Nationen Deutschland, Sowjetunion, Großbritannien und USA beschrieben. Das ist für mich interessanter. Mein Eindruck ist, dass hier
ein teures Kunstwerk geschaffen
wurde und es deshalb, gewissermaßen zur Rechtfertigung, mit einem
Medienhype vermittelt wird. Ich
weiß, dass das ZDF vermutlich auch
damit keine jungen Zuschauer erreichen wird. Leider kommt das ZDF
selbst bei meinen Kindern (30 und
33 Jahre alt) kaum an. Schon allein
deswegen, weil in diesem Alter Fernsehen eine viel geringere Rolle spielt
als bei Älteren. Abschließend kann
ich sagen: ein guter Film mit jungen,
bemühten Darstellern, aber kein
Fernsehereignis des Jahres.
Ursula Huse, Zwickau
Die von den im Bundestag vertretenen Parteien verkündete Alternativlosigkeit zu den Themen Euro,
Atomkraft oder Zuwanderung hätte
in einem demokratischen System
längst zur Gründung einer neuen
Partei geführt, wenn nicht der von
Altachtundsechzigern dominierte,
links-liberale mediale Mainstream
dies verhindert hätte. Eva Herman
und Thilo Sarrazin, aber auch HansOlaf Henkel, Hans-Werner Sinn und
Frank Schäffler wurden öffentlich
demontiert und persönlich diskreditiert. Wer Alternativlosigkeit predigt, wird Alternativen ernten. Dem
Vorwurf, die neue Partei sei die „institutionalisierte Angst vor der Zukunft“, muss man entgegenhalten:
Die Bundestagsparteien praktizieren die institutionalisierte Verdrängung der sichtbaren Gefahren.
Gert Kreiselmeier, Chemnitz
Eurokraten lassen die Katze aus dem Sack
Dass die Bürger auf
Zypern zur Rettung des
Landes vor der Staatspleite herangezogen werden
sollen, finden die meisten
Leser nicht richtig.
Wahre Volksvertreter
Zyperns Parlament sagt Nein und
verhindert, dass Kleinsparern ein
Teil ihrer Guthaben abhandenkommt. Egal wie die ganze Sache
letztendlich ausgeht, die Parlamentarier Zyperns haben sich den Namen Volksvertreter in diesem Fall
redlich verdient. Endlich wehrt sich
einmal ein, wenn auch kleiner EUStaat gegen die Diktatur der an
Weltfremdheit kaum zu übertreffenden Eurokraten. Und wenn die
Existenz gefährdet ist, macht man
eben auch mal einen Pakt mit dem
Teufel und will sich das Geld anders-
wo besorgen, in diesem Fall eben bei
russischen Oligarchen. Sind es nicht
gerade die immer komplizierteren
und eigenartigeren EU-Regelungen,
die nicht nur jeden einzelnen Bürger, sondern auch die Staaten in die
finanzielle Enge treiben?
Uwe Straube, Zschopau
Müsste Kleinsparer nicht treffen
Ganz egal, was bei der Abgabe auf
Sparguthaben von Bürgern nun herauskommt: Allein der Versuch offenbart die Heuchelei und Verlogenheit von dem, was uns zur Krise bisher stets versichert wurde. Und vergessen wir nicht: Es ist die Regierung
Merkel, die nicht nur in Zypern, sondern auch in Griechenland, Spanien,
Portugal oder Italien eine Sparpolitik fordert, die den Bürger treffen
kann. Warum das geschieht? Weil
deutsches Kapital und Banken an
der wachsenden Armut anderer Völker sparen und davon profitieren.
Wenn seit langem auch von Ökono-
nicht treffen. Und jetzt sind es deutsche Regierende, die gerade das von
anderen fordern. Auch eine Frage
der wirklichen Demokratie.
Roland Winkler, Aue
FOTO: KATIA CHRISTODOULOU/DPA
Kein Bedauern
Die Zwangsabschöpfung der Kunden zypriotischer Banken ist zwar
schmerzhaft, aber warum sollen andere EU-Staaten für deren Systemfehler geradestehen? Ich finde die lächerlichen Zinsen von 0,5 bis zwei
Prozent bei unseren Banken ebenfalls als eine Art Zwangsabschöpfung. Erst wenn das geändert wird,
kann ich die Zyprioten wirklich bedauern.
Karl Strunz, Jahnsdorf
men mehr Sach- und Fachverstand,
vielleicht auch mehr Moral und die
Verstaatlichung der Großbanken gefordert wurde, wurde stets geschrien
und Mitgefühl für die Kleinsparer
geheuchelt. Dabei müsste es die gar
Breite Masse darf nicht bluten
Jetzt ist es also soweit. Die Eurokraten in Brüssel lassen die Katze aus
dem Sack. Die breite Masse soll direkt bluten für das Versagen der Politik und für die Gier der Finanzhaie.
Die Bürger auf Zypern wehren sich.
Dabei haben die meisten Menschen
das Dilemma nicht mal verursacht.
Trotzdem sollen sie geschröpft werden. Heute Zypern und morgen vielleicht Deutschland. Ich glaube, der
wildgewordene Kapitalismus und
der Zerfall des gegenwärtigen Europas mit dem Euro lassen sich mit der
jetzigen Politik nicht mehr aufhalten und bändigen. Die Politiker rennen mit ihren halbherzigen Beschlüssen und Gesetzen den Problemen hinterher und merken wahrscheinlich nicht mal, dass es diesen
an Wirksamkeit mangelt und sie oft
nicht greifen. Sie berauschen sich an
kurzzeitigen, kleinen Erfolgen in einigen Ländern, die morgen schon
wieder ganz anders aussehen können. Wann begreift man endlich,
dass wir grundlegende neue Gesellschaftskonzepte benötigen? Es
bleibt abzuwarten, wie lange die
Menschen noch ruhighalten und
der soziale Frieden gewahrt bleibt.
Joachim Berger, Chemnitz

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