Der Vollblutpolitiker und gewiefte Taktiker
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Der Vollblutpolitiker und gewiefte Taktiker
l l l Winterthur 15 der landbote d onnerstag, 18. februar 2010 Der Vollblutpolitiker und gewiefte Taktiker Nicolas Galladé gilt als politisches Naturtalent und liebt die Debatte. Nun drängt der 34-Jährige in die Exekutive. Eigentlich wollte Nicolas Galladé gar nicht in den Kantonsrat gewählt werden. Doch dann schaffte er bei den Wahlen im Frühling 2007 den Sprung vom siebten auf den zweiten Listenplatz. Über den persönlichen Erfolg freuen konnte er sich nicht: Die Stadtpartei, die er präsidierte, sackte um 9,3 auf 22,1 Prozent ab und wurde in Winterthur von der SVP als wählerstärkste Partei abgelöst. Galladé übernahm im Kantonsrat gleich den Fraktionsvorsitz. Kein einfacher Job nach dem Debakel. Er führe die Fraktion, «die immer auch eine Ellbogengesellschaft ist, mit bemerkenswerter Ruhe und Offenheit», sagt SP-Kantonsrat Martin Naef. Er wirke integrierend, «weil er das Gegenteil eines verbohrten Ideologen» sei. Über die Parteigrenzen hinweg hat Galladé den Ruf eines «talentierten Politikers», der zuhören und auf sein Gegenüber eingehen könne, sagt FDPFraktionschef Thomas Vogel. Diese Fä higkeiten attestiert ihm auch Hans Frei (SVP): «Doch zuweilen droht sein Engagement ins Ideologische zu kippen.» Politik ist sein Beruf: Seit 2003 arbeitet Nicolas Galladé für die Parteizentrale der SP in Bern, am 7. März will er in die Stadtregierung gewählt werden. Bild: Stefan Schaufelberger Der Sprung in die Exekutive bringt doch einen Rollenwechsel mit sich. Ihre Verkehrspolitik beschränkt sich Klar gibt es Unterschiede zwischen auf Bus, Stadtbahn und Velo. Kann einem Parlamentasich eine Stadt rier und einem Rewie Winterthur gierungsmitglied. vor den ProNatürlich kann ich Im Stadtrat beiblemen auf dazulernen. Es ist noch Hauptstrassen spielsweise kann man nicht einfach und Autobah kein Stadtrat nur fordern, sonnen drücken? vom Himmel gefallen dern muss eben Nein, aber man auch mit finanzielmuss die richlen Sachzwängen tige Lösung umgehen können. dafür finden. Man hat einige geprüft – die tiefergelegte Vogelsangstrasse Als Stadtrat wären Sie auch Chef einer oder die Südostumfahrung zum BeVerwaltungsabteilung. Warum trauspiel. Beide bringen nichts oder könen Sie sich das zu? Ihnen fehlt weitgenen nicht finanziert werden. Jetzt hend die Führungserfahrung. brauchen wir dringend neue Ansätze. Nein. Ich habe sie mir in der Politik angeeignet. Momentan führe ich eine Zum Beispiel? Fraktion mit 36 Mitgliedern, die zum Auf der A1 müsste man das Tempo Teil bereits 15 Jahre im Kantonsrat auf 80 reduzieren, zudem braucht es sitzen. Zudem war ich sieben Jahdie Standstreifenbewirtschaftung. In re lang Präsident der SP Winterthur. Oberwinterthur ist eine EntlastungsAber bestimmt kann ich noch viel dastrasse wirklich nötig. zulernen. Es ist schliesslich noch kein Stadtrat vom Himmel gefallen. Temporeduktionen, kaum neue Strassen: Sind Sie ein Autofeind? Keine Angst, einen Chefbeamten hart Ich fahre zwar nicht selber Auto, anfassen zu müssen, der schon viele habe aber gar nichts gegen Autos. JeStadträte kommen und gehen sah? der Verkehrsexperte wird aber bestä- « » tigen, dass bei Tempo 80 mehr Autos über die Autobahn fahren können. Wie fast alle Stadtratskandidaten plädieren auch Sie für eine Stadtbahn. Ziemlich bequem: Sie wird ja vom Zürcher Verkehrsverbund bezahlt. Es freut mich, dass sich plötzlich alle für eine Stadtbahn aussprechen. Wir müssen gemeinsam dafür einstehen. Nur so können wir den Verkehrsverbund überzeugen, dass die Stadtbahn nicht nur eine Winterthurer Lösung ist, sondern auch eine kantonale. 100 75 25 h sc r hu Nicolas Galladé SP tz res e Migra triktiv litik tionspo Sie fordern nicht nur eine Stadtbahn, sondern auch mehr sozialen Wohnungsbau. Ist das eine populistische halb für 400 Franken darin wohnen Reaktion auf Vorwürfe einiger Genoslassen. Das ist zu billig. Nun kommt sen, Stadtpräsident Ernst Wohlwend der plötzliche massive Anstieg, den es wolle nur Reiche in die Stadt holen? eigentlich zu vermeiden gilt. Nein. Die Politik des Stadtpräsidenten ist übrigens richtig. Wir brauIn der Wohnbaupolitik kann man chen noch immer Wohnungen im noch so viele wohlklingende Fordemittleren und oberen Segment, dürrungen aufstellen. Am Ende bauen vor fen die anderen aber nicht aus den allem Private und selten die Stadt. Augen verlieren. Die Stadt muss Schliesslich muss frühzeitig auf die die Mischung Besitzer und InIn Oberwinterthur stimmen. vestoren zugebraucht es hen. Zu nutzen Es gibt in Wingilt es gestaltenwirklich eine terthur also noch de Elemente wie Entlastungsstrasse genügend beden Arealbonus zahlbare Wohund die Möglichnungen? keit eines GestalDas Problem ist nicht, dass es zu wetungsplans. Schliesslich muss es genige günstige Wohnungen gibt, sonsamtstädtisch die beste Lösung gedern dass viele saniert werden müssen ben. In Zürich zum Beispiel hat ein und darum die Mieten steigen. Auch Investor in einer Siedlung die Kindie Stadt hat einige Häuser zu lange derkrippe übernommen, ein anderer nicht saniert und muss die Mieter desdie Erschliessung. Es braucht einfach « » w Lib irtsc er h al i 50 e m lt we Um Welches Verhalten würden Sie als Departementschef gar nicht dulden? Wenn jemand die Spielregeln verletzt, die man gemeinsam definiert hat. e ich ftl ung a h ier s enpolitis auss ffnung che Ö restriktive Finanzpolitik Angst habe ich keine. Respekt hatte ich bisher vor jedem Amt. Ich würde mich sehr freuen, mit allen Chefbeamten und Mitarbeitenden die gesteckten Ziele zu erreichen. SMARTVOTE-PROFIL VON NICOLAS GALLADÉ e ch tli ng af ieru s Als Kantonsrat und SP-Fraktionschef sind Sie gerne angriffig. Wie sehr müssten Sie Ihre Debattierlust in einem kollegialen Gremium zügeln? Kaum. Es gibt nur einen Nicolas Galladé. Ich sage meine Meinung, weise auf Widersprüche hin. Das würde ich im Stadtrat genauso tun und erwarte das auch von meinem Gegenüber. Schmiede Galladé Kompromisse, verliere er sein Ziel nicht aus den Augen, sagt Helg. Sein Gespür für den rich La w QUELLE: © WWW.SMARTVOTE.CH l GRAFIK: HES «Mit gezieltem Lobbying wäre der Kanton für die Stadtbahn zu gewinnen» Fussballtrikot oder Anzug tigen Auftritt beweist er auch im Wahl kampf. Dieser hat für ihn bereits früh begonnen, weil er sich in einer Vorausscheidung nach amerikanischem Vorbild gegen drei Konkurrenten durchsetzen musste. Galladé positioniert sich jetzt als Garant für die bisherige Regierungspolitik und preist sich zugleich als Vertreter «der Generation Gaswerk» an. Er weiss, wann er sich im Fussballtrikot in den Ratssaal setzen muss und wann der Anzug gefragt ist. lMARISA EGGLI UND FELIX REICH Or de r Im Gemeinderat politisierte Galladé von 1998 bis 2007. In seine Zeit als Präsident der Stadtpartei fiel die Er oberung des Stadtratspräsidiums 2002, litiker, der seine Politik gut verkauft». Auch Felix Helg (FDP) attestiert ihm taktisches Geschick: «Er kennt alle politischen Tricks und weiss, mit welchen Allianzen er seine Ziele erreichen kann.» Die politische Debatte führe Galladé hart in der Sache, bleibe aber auch in der Niederlage sportlich. & www.landbote.ch/wahlen Er kennt alle politischen Tricks aber auch zwei Sitzverluste im Parlament bei den Wahlen vor vier Jahren. Stark engagiert hat sich Galladé für eine Fanmeile inklusive Kulturprogramm während der Euro 08. Die Vorlage fiel beim Volk klar durch. Damals habe Galladé zu hoch gepokert und zu wenig Kompromissbereitschaft gezeigt, sagt Gemeinderat Josef Lisibach (SVP), der mit ihm in der vorberatenden Kommission gesessen war. Generell sei Galladé aber kein Fundamentalist, sondern ein «linker Realpo- ges Lib ells er c al i Der «Landbote» zeichnet das poli tische Profil aller Stadtratskandi daten. Die gezeigte SmartvoteGrafik beruht auf 64 Fragen. Ein Wert von 100 bedeutet starke Zustimmung zum formulierten Ziel, 0 keine Zustimmung. Details zur Berechnung: www.smartvote.ch. Im Kantonsrat hat Galladé ein Dringliches Postulat, zwei Interpella tionen sowie zwei dringliche Anfragen eingereicht. Darin ging es um Steuerpolitik, Medienvielfalt oder um die Frage, ob Rita Fuhrer nun «Schützenpräsidentin oder Regierungsrätin» sei. ausgebauter Sozialstaat Zehn Kandidaten eine aktivere Planung durch die Stadt und die Liegenschaftenbesitzer. Sie fordern einen sozialen Wohnungsbau, wollen mehr Buslinien, eine Stadtbahn. Nur: Die Stadtkasse ist leer. Natürlich verspreche ich nichts. Im Rahmen des Machbaren stehe ich aber für all diese Forderungen ein. Gerade für eine Stadtbahn könnte man mit gezieltem Lobbying und echtem Willen viel erreichen. Welches ist Ihr Wunschdepartement? Das Soziale genauso wie der Bau. Für Sie persönlich wären nach der Wahl steigende Mieten kein Problem: Ein Stadtrat verdient 245 000 Franken. Ein sehr guter Lohn. Berücksichtigt man Verantwortung, Abwählbarkeit und den Ärger, den man sich mit Medien, mit anderen Parteien – und der eigenen – einhandelt, ist er gerechtfertigt. lMARISA EGGLI und FELIX REICH