Nach dem Husten dampft der Kaffee

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Nach dem Husten dampft der Kaffee
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5. Januar 2013
Lokales
www.Vlothoer-Anzeiger.de
VA-Thema: Vlothos erste Apotheke
Das Apothekenprivileg gibt es schon seit Ende
des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Ob deshalb
eine der bekanntesten Apotheken der
Weserstadt keine Patienten mehr bedient, sei
dahingestellt. Immerhin gibt es sie noch.
Restauriert und im Zustand von 1907. Günter
Schölzel hat die Geschichte der RathsApotheke jetzt für seine Internetseite
aufgearbeitet.
Die Apothekereinrichtung von 1907 ist erhalten, das Gebäude gehört heute zu den schönsten der Stadt.
Fotos: VA-Archiv
Nach dem Husten dampft der Kaffee
Günter Schölzel arbeitet die Geschichte der Vlothoer „Raths-Apotheke“ auf / Meinhard Edwin Schröder war der erste Pharmazeut Vlothos
Von Oliver Plöger
Vlotho (va). Und wieder wird
im Kontor der Apotheke laut
gehustet. Hat sich etwa jemand verkühlt? Eher nicht.
Der Husten ist vielmehr ein
Signal an Hausdame Erika:
Apotheker Adolf Walter
möchte seinen Kaffee.
In der Tat: Noch gibt es ein
paar schöne (und leider auch
weniger schöne) Erinnerungen
an die Vlothoer Apothekengeschichte. Und die ist in den frühen Jahren auch deshalb einigermaßen überschaubar, da
nach offiziellem Edikt nur eine
Apotheke pro Stadt erlaubt
war. „Man konnte eine Konzession erwerben, die nach
dem Tod verfiel. Investierte
man in ein so genanntes Privileg, konnte dieses Recht an die
Nachfahren vererbt werden“,
weiß Willi Koppelmeier, lange
selbst Apotheker kurz vor Vlothos Bliekenend.
Fest steht: Meinhard Edwin
Schröder war der erste Apotheker der Weserstadt. Seine
Dienste bot er um 1690 an der
Langen Straße an, heute bekannt als Haus Adriani, Nummer 71. Schröder starb 1708 im
Alter von gerade mal 48 Jahren. Er wurde auf dem alten
Friedhof beigesetzt, sein Grabstein später bei Bauarbeiten an
der Apotheke genutzt. Allerdings, so weiß es Günter
Schölzel, „mit der Inschrift
nach oben“ und nicht lesbar.
Apotheker damals war Dr. Do-
Stillstehen fürs Bild: Adolf Walter senior (rechts) mit zwei seiner
Gehilfen um 1909.
Das Apotheker-Ehepaar Adolf und Hilde Walter wohl in den
fünfziger Jahren.
Fotos: pr/Archiv Günter Schölzel
ench, und der war – trotz der
Schieflage des Steins – ein
schlauer Mann. Schölzel:
„Zum Glück hat Dr. Doench
im Jahre 1830 im Mindener
Sonntagsblatt den Inhalt der
Inschrift wiedergegeben und
zugleich auch über die Geschichte der Apotheke berichtet.“
Genau das macht Günter
Schölzel jetzt auch – auf seiner
viel besuchten Internetseite gsvlotho.de.
Meinhard Schröder wirkte
danach von 1690 bis 1708, wie
Karl Großmann bereits in seiner Geschichte der Stadt Vlotho (1971) berichtet hatte. Um
1751 – so die Forschungen des
Anton Steiner. Günter Schölzel: „Diese Übernahme wurde
möglich, da er eine reiche
Kaufmannstochter geheiratet
hatte.
Karoline-Margarethe,
die Gretchen genannt wurde,
gebar vier Kinder, Helmut,
Kurt, Adolf junior und Ilse.“
Vlothoer Mediziners Dr. med.
Ulrich Malz – hieß der Apotheker Johann Eberhard Ludewig,
danach
E.H.
Wehrmann.
Schließlich gab es einen Kollegen, der namentlich nicht
überliefert ist. Erst Doench ist
als fünfter Apotheker wieder
konkret nachweisbar. In seine
Amtszeit fiel die zweite Verlegung der Apotheke von Hausnummer 65 nach 71. Erbaut
1619 ist es heute eines der ältesten und gut erhaltenen Vlothoer Fachwerkhäuser und
steht in einer Art Vlothoer Museumsinsel.
Der Bremer Adolf Walter senior kaufte das Haus mit der
dortige Apotheke 1893 von Dr.
Apotheke und Wohnhaus
gleichermaßen
Für die nächsten 14 Jahre
war das Haus Apotheke und
Wohnhaus der Familie gleichermaßen. Dann ließ Walter
1907 im Garten nebenan das
Gebäude Lange Straße Nummer 69 errichten. Das „alte“
Haus ging an den Rechtsan-
walt Erich Adriani, dessen
Sohn Dr. Hans Adriani dort
später seine Kanzlei hatte.
Adolf Walter fiel als Offizier
im Ersten Weltkrieg. Sein Witwe war laut Schölzel sehr liebevoll, wurde aber angeblich
von den Hausverwaltern der
„großen herrschaftlichen Apotheke“ um Geld betrogen.
Schölzel: „Aber sie war dennoch geschäftstüchtig und
gründete eine Art Mädchenpensionat in der Apotheke, um
sich und ihre vier Kinder weiter zu finanzieren.“
1923 übernahm Sohn Adolf
Walter die gut laufende Apotheke. Die alte Vorzugsstellung büßte sie erst nach Ende
des Zweiten Weltkrieges ein.
„Noch bis in die 50er-Jahre
waren die nächsten Apotheken erst in Bad Oeynhausen,
Hausberge und Minden zu finden“, sagt Willi Koppelmeier,
der bereits als Student in der
Walterschen Apotheke gearbeitet hatte. Nach Adolf Walters Tod 1959 ging das Unternehmen an Willi Koppelmeier,
der es zunächst bis 1971 als
Pächter, dann als Eigentümer
(nach dem Tod von Hildegard
Walter) führte.
Koppelmeier verpachtete die
Apotheke 1989/1990 an Karin
Volkmann. Bis 2006 leitete sie
das Unternehmen weiter, gab
dann aber nach sinkenden Patientenzahlen an einer für
Apotheken heute eher ungünstigen Lage auf. Es gebe zwar
eine größere Zahl an Stammkunden, ansonsten aber sei das
Pflaster vor der Apotheke oft
menschenleer, meinte sie damals zum Vlothoer Anzeiger.
Heute ist die Apotheke als
„historische Apotheke“ weiter
vorhanden und kann im denkmalgeschützten Haus besichtigt werden. Die Einrichtung
von 1907 ist komplett erhalten,
die Räumlichkeiten vor fünf
Jahren von Restaurator und
Tischlermeister Olaf Wegener
und seiner Mitarbeiterin Rebecca Dühren erneuert worden.
Erst zum Hausbesuch des
Kreisheimatvereins im November hatten Willi und Marianne
Koppelmeier altes Inventar der
ehemaligen Apotheke wieder
ans Tageslicht befördert und
restaurieren lassen. Aus dem
Nachlass von Edith Tente, eine
geborene Walter, erwarb das
Ehepaar einen ApothekerSchauschrank, um ihn wieder
herrichten zu lassen. Ulla Kixmöller, ebenfalls eine WalterTochter, stellte für die Veranstaltung historisches Bildmaterial zur Verfügung.
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„Die Medizin muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts“ – um bittere Tropfen geht es auch beim Spruchbanner in der Raths-Apotheke.
Foto: Schölzel
Informationen und weitere
Fotos im Netz auf
gs-vlotho.de

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