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Es liest sich wie die Beschreibung des idealen Partners: Bleibt in brenzligen Situationen ruhig und gelassen, liest seiner Reiterin praktisch jeden Wunsch von den Augen ab und sieht obendrein noch gut aus. Kaum eine Rasse erfüllt die Ansprüche, die eine Reiterin an ihr Traumpferd stellt, so umfassend wie das Quarter Horse: 68 I 01/2010 Quarter Horses – Wenn PFERDE & REIT ERWELT EN E s gibt mehr Quarter Horses auf der Welt, als es Pferde von irgendeiner anderen Rasse gibt. Mit mehr als viereinhalb Millionen Vertretern ist das Quarter Horse die beliebteste Pferderasse. Und das, obwohl es sie noch gar nicht so lange gibt. Erst seit Gründung der American Quarter Horse Association im Jahre 1940 wird die Zucht systematisch betrieben. Und nicht nur in Amerika: Vor allem in Deutschland wächst ihre Zahl. Bereits seit einigen Jahren gibt es nirgendwo außerhalb von Amerika so viele Quarter Horses wie bei uns. 2008 wurde das 30.000. American Quarter Horse in Deutschland registriert und jedes Jahr kommen über 1500 Fohlen hinzu. Zum Vergleich: Die weltweite Population von Islandpferden beläuft sich auf 200.000, davon leben circa 100.000 in Island und 50.000 in Deutschland. Der Hannoveraner Verband schätzt, dass von seiner Rasse 80.000 Vertreter weltweit vorhanden sind. LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK Dabei kommen viele ihrer Fans erst auf Umwegen zu den Westernpferden – als Umsteiger von anderen Rassen, mit denen sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Paradoxerweise sind Quarter Horses, obwohl sie so weit verbreitet sind, eine Art Geheimtipp unter den Reitern. Denn bisher sind Schulbetriebe, die Reitunterricht auf Quarter Horses anbieten, eher die Ausnahme. Aber wer einmal ein Quarter Horse geritten ist, will kein anderes Pferd mehr unter dem Sattel haben. Doch warum erobern die amerikanischen Erfolgspferde die Herzen sowohl von Turnier- als auch von Freizeitreiterinnen und Kindern? Träume wahr werden Die Erscheinung der Quarter Horses ist imposant und dieser erste Eindruck zählt wie immer in Begegnungen. Ihre großen Augen, die kleinen, beweglichen Ohren, die breite Stirn, kräftige Brust, schräge Schulter und vor allem die stark bemuskelte Hinterhand strahlen Kraft und gleichzeitig Eleganz aus. Dazu sind sie, im Vergleich zu deutschen Warmblütern, eher klein (etwa 145 bis 160 Zentimeter) und wirken deswegen nicht so unhandlich und furchteinflößend, sondern überschaubar und vertrauenerweckend. Sie sind kompakter, beweglicher und wendiger als großrahmige Pferde. Das äußere Erscheinungsbild spielt in jeder Beziehung eine Rolle, doch für Reiterinnen geht es vor allem auch um innere Werte. Und mit denen begeistern Quarter Horses. Ihr Äußeres hält, was es verspricht. Sie sind gelassen und nervenstark, auch im Verkehrslärm, Wolfgang Rabe (2) ZUVERLÄSSIG UND BEEINDRUCKEND 01/2010 I 69 STECKBRIEF Rasse: Größe: Farben: Quarter Horse 1,45 bis 1,60 Meter alle außer Schecken, hauptsächlich Füchse, Braune und Falben Exterieur: kompakter Rahmen, gut bemuskelte Brust und Hinterhand, schräge Schulter, kurzes Röhrbein Charakter: arbeitseifrig, nervenstark, leichtrittig vielseitig einsetzbar: vor allem Western- und Freizeitreiten, aber auch alle anderen Disziplinen Quarter Horses sind extrem wendig und agil – die perfekten Eigenschaften, um Kühe zu treiben. Auch, wenn Quarter Horses vor allem bei Westernreitern beliebt sind, machen sie ebenso in der Dressur eine gute Figur. 70 I 01/2010 PFERDE & REIT ERWELT EN bei aufflatternden Vögeln, in dichtem Menschengedränge oder vor schreiendem Publikum: Nichts bringt sie aus der Ruhe. Auf dem Rücken ihres Quarter Horses fühlt sich die Reiterin so sicher wie in Abrahams Schoß. Doch Nervenstärke ist nicht alles. Sonst könnte sie sich schließlich genauso gut auf einen Kaltblüter oder Haflinger setzen. INTELLIGENT UND VIELSEITIG HIM, Klaus-Jürgen Guni (4) Ebenso ausschlaggebend für die Beliebtheit der Quarters ist ihr immenser Arbeitseifer. Die Reiterin hat ihre Freude an einem Quarter Horse, wie es in Sekundenschnelle von null auf hundert beschleunigt, aus vollem Galopp anhält, in einem Sprung auf der Hinterhand wendet und wie ein Pfeil in die andere Richtung wieder losschießt. Sein Muskelspiel zeugt von Kraft und Stärke gepaart mit katzenartiger Eleganz und sportlichem Auftreten. Dieser Partner springt wendig hin und her, liegt schräg in der Kurve und fixiert das Hüteobjekt schärfer als jeder Border Collie. Wer einem Quarter Horse etwa bei der Arbeit am Rind oder in einer Reining-Prüfung, der Dressurdisziplin der Westernreiter, zugesehen hat, kann sich der Faszination der Rasse nur schwer entziehen. Es sieht so aus, als wäre dem Pferd selbst genauso viel wie – oder sogar mehr als – seiner Reiterin daran gelegen, seinen Job gut zu machen. Sie sind bemühter als andere Rassen herauszufinden, was ihre Reiterin von ihnen will. Und ist es nicht genau das, wovon wir Reiterinnen träumen? Von einem Begleiter, der verlässlich und einfühlsam ist? Haben sie verstanden, was sie tun sollen, machen sie sich mit Feuereifer an jede Aufgabe, ohne großes Aufheben darum zu veranstalten. Nicht umsonst heißt der Werbeslogan für die Rasse „Quarter Horses do it with a smile“. Egal, was die Reiterin von ihnen verlangt, ob diese sie entspannt durchs Gelände tragen, eine Kuh einfangen oder ein Wettrennen gewinnen sollen, Quarter Horses sind immer mit vollem Einsatz bei der Sache. Und wünschen wir uns nicht auch einen intelligenten Partner? Quarter Horses lernen schneller. Sie gelten als leichter trainierbar und lernfähiger als viele andere Rassen. Das ist auch ein Grund, warum sie so vielseitig einsetzbar sind. Trittsicher finden sie in Trailprüfungen ihren Weg durch einen Parcours, in dem sie im Schritt, Trab und Galopp über Stangen, Brücken und Gräben laufen. In der Western-Disziplin Working Cowhorse dirigieren sie eine freilaufende Kuh im Galopp in mehrere Richtungen. Beim Cutting sondern sie selbstständig und fast ohne reiterliche Führung ein Rind aus seiner Herde aus und verhindern, dass es wieder zu ihr zurückkehrt. In der Disziplin Hunter under Saddle präsentieren Reiterinnen ihre Quarter Horses mit englischem Sattel und Zaumzeug, um Lektionen der klassischen Dressur zu absolvieren. In PleasurePrüfungen überzeugen Quarter Horses durch ihre weichen Gangarten und Übergänge, in der Western Riding zeigen sie fliegende Galoppwechsel, beim Reining stoppen sie aus vollem Galopp auf der Hinterhand und führen die schnellsten Hinterhandwendungen der Welt aus. Bei Barrel Races rasen sie im Slalom um Fässer und auch bei Galopprennen treten sie gegeneinander an. Schließlich überzeugt das Quarter Horse auch durch seine Vielseitigkeit. Im richtigen Rahmen ist das ebenfalls eine Eigenschaft, die seine Reiterinnen schätzen. Es gibt nämlich auch genug Amazonen, die mit ihren Quarter Das Quarter Horse: ein zuverlässiger Partner Horses ganz klassische Turniere gewinnen – oder andere alternative Wettbewerbe wie Gelassenheitsprüfungen – oder einfach nur in der Freizeit reiten. Auch in Distanzritten sieht man sie häufig. Abseits der Turnierplätze werden sie wegen ihrer Ausgeglichenheit und ihres menschenfreundlichen Wesens gerne zum therapeutischen Reiten herangezogen. Sie können also auch Balsam für eine verletzte Seele sein und das (Selbst-)Vertrauen in sich und Beziehungen wieder aufbauen. ZUVERLÄSSIG UND TREU Woher kommen diese Eigenschaften – die Nervenstärke, die Einsatzbereitschaft und die Quarter Horse-Züchter in Deutschland Volker Sichler Zimmernerstraße 48 78658 Zimmern/Horgen www.s-breeders.com Gestüt Leckebusch Geringhauser Mühle 14 51588 Nümbrecht www.leckebusch.com Volker Laves Heidberg 21 31638 Wenden (Kreis Nienburg/Weser) www.circle-l.de Vielseitigkeit – , mit denen Quarter Horses die Welt erobert haben? Sie sind weniger durch gezielte Zuchtselektion entstanden, sondern haben sich eher zufällig ergeben – aufgrund der Geschichte der Rasse: Das Quarter Horse ist eine bunte Mischung aus den Pferden, welche die Einwanderer nach und nach mit in die USA gebracht haben. In Amerika waren Pferde ausgestorben, bevor die Europäer sie wieder importierten. Zwar entwickelte sich das Pferd auf dem amerikanischen Kontinent zu seiner heutigen Form, doch aus ungeklärten Gründen überlebte dort keine einzige der Evolutionsformen. Die verschiedenen Stadien wanderten immer wieder über die Landbrücke im Beringmeer nach Europa, bevor sie in Amerika ausstarben, vermehrten sich dort und wanderten dann zurück, wann immer die Brücke nicht überflutet war. Das ging so bis zur letzten Eiszeit. Danach setzten Pferde erst wieder mit den spanischen Konquistadoren einen Huf auf amerikanischen Boden. Das Quarter Horse vereint in sich jedoch nicht nur die iberischen Rassen der Spanier und die Berber und Araber, die durch die maurische Herrschaft in Spanien heimisch geworden waren. Es vermischte sich auch mit den Vollblütern der Engländer, den Ponys der Iren und den Kaltblütern der Franzosen. Nur die zähesten unter ihnen überlebten die Reise über den Atlantik und kamen anschließend mit den harten Lebensbedingungen auf dem neuen Kontinent zurecht. Dort setzten die Siedler sie in allen Arbeitsbereichen ein: Sie pflügten ihre Äcker mit ihnen, ließen sie Planwagen nach Westen ziehen, die mit dem Hausrat ganzer Familien beladen waren, trieben mit ihrer Hilfe Kühe quer durchs Land, trugen Kämpfe auf ihrem Rücken aus und setzten sie am Wochenende für Pferderennen ein. Diesen Rennen verdankt die Rasse auch ihren Namen: Die Strecke betrug eine Viertelmeile (quarter: zu Deutsch Viertel), das entspricht etwa 420 Metern. Über diese Distanz, die kürzer ist als die der englischen Rennstrecken, halten die Quarter Horses auch heute noch den Weltrekord, denn sie beschleunigen schneller als Vollblüter. Früher musste jedes Quarter Horse, das in den Rasseverband aufgenommen werden wollte, die Distanz in sage und schreibe weniger als 23 Sekunden laufen können. Der Rekord liegt bei 19 Sekunden. Wenn Ihr Traumpferd cool und lässig sein soll, aber bei Bedarf voll aufdreht, kräftig und zugleich elegant aussieht, leichtrittig und weich zu sitzen ist und zudem überaus arbeitswillig Ihre Wünsche erfüllt, dann haben Sie es gefunden. Das alles klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber ein Quarter Horse entspricht in der Tat Ihren Erwartungen, bereitet Ihnen Freude und Entspannung anstatt Ärger und Frust, ist Ihr Begleiter in allen Lebenssituationen und lebt mit Ihnen diesen Kindheitstraum von der Freundschaft und Liebe zwischen Mensch und Pferd. Sabine Anders 01/2010 I 71