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Es liest sich wie die
Beschreibung des idealen Partners: Bleibt in
brenzligen Situationen
ruhig und gelassen, liest
seiner Reiterin praktisch
jeden Wunsch von den
Augen ab und sieht
obendrein noch gut aus.
Kaum eine Rasse erfüllt
die Ansprüche, die eine
Reiterin an ihr Traumpferd stellt, so umfassend wie das Quarter
Horse:
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Quarter Horses – Wenn
PFERDE & REIT ERWELT EN
E
s gibt mehr Quarter Horses auf
der Welt, als es Pferde von irgendeiner anderen Rasse gibt. Mit mehr
als viereinhalb Millionen Vertretern ist das
Quarter Horse die beliebteste Pferderasse. Und das, obwohl es sie noch gar nicht
so lange gibt. Erst seit Gründung der
American Quarter Horse Association im
Jahre 1940 wird die Zucht systematisch
betrieben. Und nicht nur in Amerika: Vor
allem in Deutschland wächst ihre Zahl. Bereits seit einigen Jahren gibt es nirgendwo
außerhalb von Amerika so viele Quarter
Horses wie bei uns. 2008 wurde das
30.000. American Quarter Horse in
Deutschland registriert und jedes Jahr
kommen über 1500 Fohlen hinzu. Zum
Vergleich: Die weltweite Population von
Islandpferden beläuft sich auf 200.000,
davon leben circa 100.000 in Island und
50.000 in Deutschland. Der Hannoveraner
Verband schätzt, dass von seiner Rasse
80.000 Vertreter weltweit vorhanden sind.
LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK
Dabei kommen viele ihrer Fans erst auf
Umwegen zu den Westernpferden – als
Umsteiger von anderen Rassen, mit denen
sie schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Paradoxerweise sind Quarter Horses, obwohl sie so weit verbreitet sind, eine Art
Geheimtipp unter den Reitern. Denn bisher sind Schulbetriebe, die Reitunterricht
auf Quarter Horses anbieten, eher die
Ausnahme. Aber wer einmal ein Quarter
Horse geritten ist, will kein anderes Pferd
mehr unter dem Sattel haben. Doch warum erobern die amerikanischen Erfolgspferde die Herzen sowohl von Turnier- als
auch von Freizeitreiterinnen und Kindern?
Träume wahr werden
Die Erscheinung der Quarter Horses ist
imposant und dieser erste Eindruck zählt
wie immer in Begegnungen. Ihre großen
Augen, die kleinen, beweglichen Ohren,
die breite Stirn, kräftige Brust, schräge
Schulter und vor allem die stark bemuskelte Hinterhand strahlen Kraft und gleichzeitig Eleganz aus. Dazu sind sie, im Vergleich zu deutschen Warmblütern, eher
klein (etwa 145 bis 160 Zentimeter) und
wirken deswegen nicht so unhandlich und
furchteinflößend, sondern überschaubar
und vertrauenerweckend. Sie sind kompakter, beweglicher und wendiger als
großrahmige Pferde. Das äußere Erscheinungsbild spielt in jeder Beziehung eine
Rolle, doch für Reiterinnen geht es vor
allem auch um innere Werte. Und mit denen begeistern Quarter Horses. Ihr Äußeres hält, was es verspricht. Sie sind gelassen und nervenstark, auch im Verkehrslärm,
Wolfgang Rabe (2)
ZUVERLÄSSIG UND BEEINDRUCKEND
01/2010 I 69
STECKBRIEF
Rasse:
Größe:
Farben:
Quarter Horse
1,45 bis 1,60 Meter
alle außer Schecken,
hauptsächlich Füchse,
Braune und Falben
Exterieur: kompakter Rahmen,
gut bemuskelte Brust und
Hinterhand, schräge Schulter,
kurzes Röhrbein
Charakter: arbeitseifrig, nervenstark,
leichtrittig
vielseitig einsetzbar: vor allem
Western- und Freizeitreiten,
aber auch alle anderen
Disziplinen
Quarter Horses
sind extrem
wendig und agil –
die perfekten
Eigenschaften, um
Kühe zu treiben.
Auch, wenn
Quarter Horses
vor allem bei
Westernreitern
beliebt sind,
machen sie
ebenso in der
Dressur eine
gute Figur.
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PFERDE & REIT ERWELT EN
bei aufflatternden Vögeln, in dichtem Menschengedränge oder vor schreiendem Publikum: Nichts bringt sie aus der Ruhe. Auf dem
Rücken ihres Quarter Horses fühlt sich die Reiterin so sicher wie in Abrahams Schoß. Doch
Nervenstärke ist nicht alles. Sonst könnte sie
sich schließlich genauso gut auf einen Kaltblüter oder Haflinger setzen.
INTELLIGENT UND VIELSEITIG
HIM, Klaus-Jürgen Guni (4)
Ebenso ausschlaggebend für die Beliebtheit
der Quarters ist ihr immenser Arbeitseifer. Die
Reiterin hat ihre Freude an einem Quarter Horse, wie es in Sekundenschnelle von null auf
hundert beschleunigt, aus vollem Galopp anhält, in einem Sprung auf der Hinterhand wendet und wie ein Pfeil in die andere Richtung
wieder losschießt. Sein Muskelspiel zeugt von
Kraft und Stärke gepaart mit katzenartiger Eleganz und sportlichem Auftreten. Dieser Partner
springt wendig hin und her, liegt schräg in der
Kurve und fixiert das Hüteobjekt schärfer als
jeder Border Collie. Wer einem Quarter Horse
etwa bei der Arbeit am Rind oder in einer Reining-Prüfung, der Dressurdisziplin der Westernreiter, zugesehen hat, kann sich der Faszination der Rasse nur schwer entziehen. Es sieht
so aus, als wäre dem Pferd selbst genauso viel
wie – oder sogar mehr als – seiner Reiterin daran gelegen, seinen Job gut zu machen. Sie
sind bemühter als andere Rassen herauszufinden, was ihre Reiterin von ihnen will. Und ist es
nicht genau das, wovon wir Reiterinnen träumen? Von einem Begleiter, der verlässlich und
einfühlsam ist? Haben sie verstanden, was sie
tun sollen, machen sie sich mit Feuereifer an
jede Aufgabe, ohne großes Aufheben darum zu
veranstalten. Nicht umsonst heißt der Werbeslogan für die Rasse „Quarter Horses do it with
a smile“. Egal, was die Reiterin von ihnen verlangt, ob diese sie entspannt durchs Gelände
tragen, eine Kuh einfangen oder ein Wettrennen gewinnen sollen, Quarter Horses sind immer mit vollem Einsatz bei der Sache.
Und wünschen wir uns nicht auch einen intelligenten Partner? Quarter Horses lernen
schneller. Sie gelten als leichter trainierbar und
lernfähiger als viele andere Rassen. Das ist
auch ein Grund, warum sie so vielseitig einsetzbar sind. Trittsicher finden sie in Trailprüfungen ihren Weg durch einen Parcours, in
dem sie im Schritt, Trab und Galopp über Stangen, Brücken und Gräben laufen. In der
Western-Disziplin Working Cowhorse dirigieren sie eine freilaufende Kuh im Galopp in
mehrere Richtungen. Beim Cutting sondern sie
selbstständig und fast ohne reiterliche Führung
ein Rind aus seiner Herde aus und verhindern,
dass es wieder zu ihr zurückkehrt. In der Disziplin Hunter under Saddle präsentieren Reiterinnen ihre Quarter Horses mit englischem Sattel und Zaumzeug, um Lektionen der
klassischen Dressur zu absolvieren. In PleasurePrüfungen überzeugen Quarter Horses durch
ihre weichen Gangarten und Übergänge, in
der Western Riding zeigen sie fliegende Galoppwechsel, beim Reining stoppen sie aus
vollem Galopp auf der Hinterhand und führen
die schnellsten Hinterhandwendungen der
Welt aus. Bei Barrel Races rasen sie im Slalom
um Fässer und auch bei Galopprennen treten
sie gegeneinander an.
Schließlich überzeugt das Quarter Horse
auch durch seine Vielseitigkeit. Im richtigen
Rahmen ist das ebenfalls eine Eigenschaft, die
seine Reiterinnen schätzen. Es gibt nämlich
auch genug Amazonen, die mit ihren Quarter
Das Quarter Horse:
ein zuverlässiger Partner
Horses ganz klassische Turniere gewinnen –
oder andere alternative Wettbewerbe wie Gelassenheitsprüfungen – oder einfach nur in der
Freizeit reiten. Auch in Distanzritten sieht man
sie häufig. Abseits der Turnierplätze werden sie
wegen ihrer Ausgeglichenheit und ihres menschenfreundlichen Wesens gerne zum therapeutischen Reiten herangezogen. Sie können
also auch Balsam für eine verletzte Seele sein
und das (Selbst-)Vertrauen in sich und Beziehungen wieder aufbauen.
ZUVERLÄSSIG UND TREU
Woher kommen diese Eigenschaften – die
Nervenstärke, die Einsatzbereitschaft und die
Quarter Horse-Züchter in Deutschland
Volker Sichler
Zimmernerstraße 48
78658 Zimmern/Horgen
www.s-breeders.com
Gestüt Leckebusch
Geringhauser Mühle 14
51588 Nümbrecht
www.leckebusch.com
Volker Laves
Heidberg 21
31638 Wenden (Kreis Nienburg/Weser)
www.circle-l.de
Vielseitigkeit – , mit denen Quarter Horses die
Welt erobert haben? Sie sind weniger durch
gezielte Zuchtselektion entstanden, sondern
haben sich eher zufällig ergeben – aufgrund
der Geschichte der Rasse: Das Quarter Horse
ist eine bunte Mischung aus den Pferden, welche die Einwanderer nach und nach mit in die
USA gebracht haben. In Amerika waren Pferde
ausgestorben, bevor die Europäer sie wieder
importierten. Zwar entwickelte sich das Pferd
auf dem amerikanischen Kontinent zu seiner
heutigen Form, doch aus ungeklärten Gründen überlebte dort keine einzige der Evolutionsformen. Die verschiedenen Stadien wanderten immer wieder über die Landbrücke im
Beringmeer nach Europa, bevor sie in Amerika
ausstarben, vermehrten sich dort und wanderten dann zurück, wann immer die Brücke
nicht überflutet war. Das ging so bis zur letzten
Eiszeit. Danach setzten Pferde erst wieder mit
den spanischen Konquistadoren einen Huf auf
amerikanischen Boden.
Das Quarter Horse vereint in sich jedoch
nicht nur die iberischen Rassen der Spanier
und die Berber und Araber, die durch die maurische Herrschaft in Spanien heimisch geworden waren. Es vermischte sich auch mit den
Vollblütern der Engländer, den Ponys der Iren
und den Kaltblütern der Franzosen. Nur die
zähesten unter ihnen überlebten die Reise
über den Atlantik und kamen anschließend mit
den harten Lebensbedingungen auf dem neuen Kontinent zurecht. Dort setzten die Siedler
sie in allen Arbeitsbereichen ein: Sie pflügten
ihre Äcker mit ihnen, ließen sie Planwagen
nach Westen ziehen, die mit dem Hausrat ganzer Familien beladen waren, trieben mit ihrer
Hilfe Kühe quer durchs Land, trugen Kämpfe
auf ihrem Rücken aus und setzten sie am Wochenende für Pferderennen ein. Diesen Rennen verdankt die Rasse auch ihren Namen: Die
Strecke betrug eine Viertelmeile (quarter: zu
Deutsch Viertel), das entspricht etwa 420 Metern. Über diese Distanz, die kürzer ist als die
der englischen Rennstrecken, halten die Quarter Horses auch heute noch den Weltrekord,
denn sie beschleunigen schneller als Vollblüter.
Früher musste jedes Quarter Horse, das in den
Rasseverband aufgenommen werden wollte,
die Distanz in sage und schreibe weniger als 23
Sekunden laufen können. Der Rekord liegt bei
19 Sekunden.
Wenn Ihr Traumpferd cool und lässig sein
soll, aber bei Bedarf voll aufdreht, kräftig und
zugleich elegant aussieht, leichtrittig und weich
zu sitzen ist und zudem überaus arbeitswillig
Ihre Wünsche erfüllt, dann haben Sie es gefunden. Das alles klingt zu schön, um wahr zu sein.
Aber ein Quarter Horse entspricht in der Tat
Ihren Erwartungen, bereitet Ihnen Freude und
Entspannung anstatt Ärger und Frust, ist Ihr
Begleiter in allen Lebenssituationen und lebt
mit Ihnen diesen Kindheitstraum von der
Freundschaft und Liebe zwischen Mensch und
Pferd.
Sabine Anders
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