Rolf Fliegauf, Küchenchef im Giardino Ascona. Mit 31
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Rolf Fliegauf, Küchenchef im Giardino Ascona. Mit 31
Rolf Fliegauf, Küchenchef im Giardino Ascona. Mit 31 Jahren der jüngste Zwei-Sterne-Koch Europas. Vor einem Jahr weilte der gebürtige Deutsche im Noma in Kopenhagen, dem «besten Restaurant der Welt» – und liess sich stark von der naturnahen Küche inspirieren. 52 10I2011 Food & Beverage Küchenporträt Ristorante ECCO Ascona Rolf Fliegauf, kopieren Sie jetzt das «Noma»? Er war der erste und einzige Koch in der Schweiz, der sich der Molekularküche verschrieb. Mit seinen 31 Jahren ist er der jüngste Zwei-Sterne-Koch Europas. Rolf Fliegauf, Küchenchef im Giardino Ascona. Von den molekularen Abenteuern hat sich der gebürtige Deutsche verabschiedet, dafür setzt er nun auf eine naturnahe, regionale Küche, wie sie im «besten Restaurants der Welt» (Noma Kopenhagen) mit unglaublichem Aufwand und höchster Präzision zelebriert wird. Interview und Bilder: Hans R. Amrein 10I2011 53 Karamellisierte Waldpilzmilchhaut, präsentiert auf Moos («ich verbinde den Duft von Wiese und Moos»). 54 10I2011 R Food & Beverage Küchenporträt olf Fliegauf, wie würden Sie Ihre heutige Küchenphilosophie umschreiben? Ich würde Sie als einen «kreativen Streifzug durch die Natur» beschreiben. Haben Sie sich nun endgültig von der sogenannten Molekularküche verabschiedet? Das kann man so sagen, wobei wir nie eine reine Molekularküche gemacht haben. Will heissen: Wir haben die Grundprodukte nie verfälscht oder gar manipuliert. Nun, die letzten zwei Jahre hat sich viel getan, wir haben uns stets weiterentwickelt, und ein Schlüsselerlebnis hat auch meine Einstellung zum Kochen stark verändert. Das Schlüsselerlebnis heisst Noma. Sie weilten vor einem Jahr im Noma, dem «besten Restaurant der Welt», in Kopenhagen und haben dort ein vierwöchiges Praktikum gemacht. Was haben Sie dabei gelernt? Viele Dinge haben mich beeindruckt! Es war vor allem die Denkweise und Philosophie von Rene Redzepi. Und natürlich die unheimliche Präzision in der Küche. Kommt hinzu, dass die 36 Mann starke Brigade einen fast unvorstellbaren Aufwand betreibt, jedes Detail wird haargenau festgelegt und definiert. Das Noma hat meine Auffassung von Kochen stark verändert. Deshalb war das für mich eben ein Schlüsselerlebnis. Was hat Sie besonders beeindruckt im Noma? Die Köche leben und arbeiten zu hundert Prozent mit der Natur, mit den Produkten, die in ihrer Umgebung wachsen oder erhältlich sind. Sie sollten mal sehen, wie die mit dem Gemüse, mit den Tomaten, den Kräutern umgehen! Jede Zwiebel, jedes Salatblatt wird fein säuberlich analysiert und kunstvoll verarbeitet. Unglaublich! Die Köche gehen selber in den Garten und pflücken die Kräuter. Die haben zu jedem Blümchen eine emotionale Beziehung. Was ich da gesehen habe, ist wirklich einmalig. Und nun versuchen Sie im Ecco, das Noma zu kopieren oder mindestens zu interpretieren? Nein, die Noma-Küche kann man nicht kopieren! Dies ist unmöglich und auch nicht in unserem Sinne. Wir gehen unseren eigenen Weg. Die Küche im Ecco soll meine Handschrift tragen. Wobei ich ehrlich sagen muss: Viele Dinge haben mich schon inspiriert. Vor allem die Tatsache, dass die in Kopenhagen eine regionale Küche mit einheimischen Produkten zelebrieren. Wie sind die Reaktionen der Gäste auf Ihre heutige Natur-Küche? Was gefällt besonders? Die Resonanz ist ausgesprochen gut. Kritische Stimmen über die Entwicklung unserer Küche gab es bisher kaum. Was Sie im Ecco bieten, ist ja alles andere als eine konventionelle Küche. Sie bieten Ihren Gästen ein kulinarisches Abenteuer, bestehend aus überraschenden Effekten und unerwarteten Aroma-Kombinationen. Und geht es um Genuss, Kreativität und Emotionen. Trotzdem sollen die Gäste satt werden. Das 10I2011 ist mir ganz wichtig. Es wäre mir wirklich unangenehm, wenn ein Gast das Restaurant verlässt und dann anschliessend an der Bar einen Teller Pasta oder ein Club-Sandwich bestellt. Regionale Produkte sind «in» – globalisierte Lebensmittel, die man überall auf der Welt findet, sind «out». Oder wie sehen Sie das? In erster Linie versuchen wir, perfekte Grundprodukte zu finden. Wenn diese aus der Region kommen, super! Wenn aber ein regionales Produkt qualitativ nicht unseren Ansprüchen genügt, verarbeiten wir überregionale Produkte. Wer sind Ihre Lieferanten? Kräuter, Salate und Gemüse stammen von örtlichen Bio-Bauern. Viele bauen die Produkte extra für uns an. Fisch und Fleisch beziehen wir von kleinen, lokalen Lieferanten, die uns höchste Qualität bieten. Das Brot stammt von zwei äusserst kreativen Bäckern aus der Region. Vor einem Jahr haben Sie den zweiten MichelinStern erhalten. Gault/Millau gibt Ihnen 15 Punkte. Kochen Sie vor allem für Punkte und Sterne – oder für den Gast? Wenn wir für Punkte und Sterne kochen würden, wären wir sicher nicht da, wo wir jetzt sind! Wir versuchen jeden Tag, das Beste zu geben, egal wer im Restaurant sitzt. Jeder Gast hat ein Recht darauf, Höchstleistungen zu erwarten, egal ob im Restaurant ein Tester sitzt. Mal ganz ehrlich: Was bedeutet Ihnen der zweite Michelin-Stern? Eine grosse Auszeichnung, aber auch jede Menge Verantwortung. Die Gäste kommen mit ganz anderen, sehr hohen Erwartungen zu uns. Der Druck auf die Küche nimmt zu. Trotzdem ist das eine grosse Ehre für unsere Crew. Wer ist Rolf Fliegauf? Als Rolf Fliegauf 1997 seine Ausbildung im Dehner Blumen Hotel (Rain, Deutschland) begann, ging er nicht wirklich davon aus, einmal Küchenchef im schönsten Garten am Lago Maggiore zu werden. Ebenso konnte er sich schwer vorstellen, dass er mit seiner über die folgenden Jahre ent wickelten eigenen Aromenküche einmal die Kritiker vom Guide Michelin überzeugen würde. Heute jedoch ist der gebürtige Schwabe nicht nur kulinarischer Herr der beiden zum Luxus-Hotel Giardino gehörenden Gourmetlokale Ecco und Aphrodite, sondern mit seinen 31 Jahren auch der jüngste Zwei-Sterne-Koch Europas. Nach seiner Lehrzeit im Dehner Blumen Hotel kochte Fliegauf unter anderem in der Traube Tonbach bei Harald Wohlfahrt auf Sylt (Restaurant Veneto) und im Lenkerhof. Dann schaute er während einer achtmonatigen, selbst organisierten Road Tour den grossen, oftmals mit drei Sternen prämierten Küchenmeistern in London, Madrid, Frankfurt und Wolfsburg über die Schulter. Sein Ziel, einen eigenen und vor allem ausgezeichneten Stil zu entwickeln, hat er nachweislich erreicht. Seine moderne Aromenküche ist weit über das Tessin hinaus bekannt. www.giardino.ch Derzeit haben Sie «nur» 15 Punkte im Gault/ Millau. Ihr Ziel? 16, 17 oder gar 18 Punkte? Unser Ziel ist es, die Gäste zu begeistern und eine gute Auslastung des Restaurants zu erzielen. Zudem will ich die Küche stets weiterentwickeln. Viel Geld ist in der gehobenen Gastronomie nicht zu verdienen. Stehen Sie unter finanziellem Druck? Muss Ihr Ecco Gewinne erzielen? Für mich und die Hoteldirektion steht fest: Auch ein Restaurant mit zwei Sterne muss nach wirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Natürlich ist das nicht einfach! Aber wir setzen alles daran, dieses Ziel zu erreichen. Blick hinter die Restaurant-Fassaden. Moos, Kresse, Salate, Kräuter, Steine, Stroh und Heu – Rolf Fliegauf setzt nun auf eine naturnahe Küche. Der Traum vom eigenen Restaurant – ein Thema für Rolf Fliegauf? Im Moment bin ich im Giardino sehr glücklich! Man hat mir hier eine tolle Chance gegeben. Ich kann mich hier als Küchenchef voll entfalten. Über ein eigenes Restaurant mache ich mir derzeit keine Gedanken. Was möchten Sie als Koch und Küchenchef unbedingt noch erreichen? Mir geht es darum, unsere Küche laufend zu verfeinern, zu perfektionieren und immer kreativ zu bleiben. H Erd-Praline, bestehend aus Petersilienwurzel, Kartoffel, Rote Beete und Perigord-Trüffel. 55