Biographie von Charles de Foucauld

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Biographie von Charles de Foucauld
Charles de Foucauld
geboren am 15. September 1858 in Straßburg
gestorben am 1. Dezember 1916 in Tamanrasset
seliggesprochen am 13. November 2005 in Rom
Wer ist dieser Charles de Foucauld, im Deutschen Bruder Karl genannt? Er ist ein Spätzünder
– ein Rebell – ein verlorener Sohn – ein Lebemann – ein Draufgänger – ein Forscher – ein
Gottsucher – ein Pilger – ein Mönch – ein Einsiedler – ein Priester – ein Verteidiger der Menschenrechte – ein Mann des Heiligen Geistes – ein großer Beter – ein Bruder der Menschen –
ein Mystiker – einer, der neue Horizonte erschließt – einer, der herausfordert. Sein Leben liest
sich wie ein Abenteuer. Jesus gilt seine große Liebe. Ihn will er nachahmen und nimmt das
Evangelium beim Wort. Wer ihn verstehen will und seine Impulse aufzugreifen sucht, sollte
zunächst seine Geschichte mit all' ihren Tiefen und Höhen kennenlernen.
Am 15. September 1858 wird Charles de Foucauld in Straßburg als Sohn adliger Eltern geboren. Gleich nach der Geburt empfängt er das Sakrament der Taufe. Die geborgene Kindheit
wird 1864 jäh zerstört. Seine Eltern sterben kurz hintereinander. Der Sechsjährige kommt mit
seiner drei Jahre jüngeren Schwester Marie zum Großvater. Seine Schulzeit verbringt er in
Nancy und dann bei den Jesuiten in Paris. In dieser Zeit entfernt er sich immer mehr vom
Glauben. Mit 16 Jahren bedeutete ihm Gott nichts mehr. Später schreibt er: „Ich entfernte mich
immer weiter von Dir, mein Gott. Jeglicher Glaube verschwand aus meinem Leben.“
Nach dem Abitur beginnt er eine Militärkarriere in der berühmten Offiziersschule Saint Cyr.
1878 stirbt sein Großvater. Das große Vermögen, das er erbt, verschleudert er mit rauschenden
Festen. Aber glücklich ist er nicht: „Eine schmerzliche Leere, eine Traurigkeit, wie ich sie nur
damals empfunden habe. Sie kehrte jeden Abend wieder, wenn ich allein in meiner Wohnung
war.“ Auch in Mimi, seiner Geliebten, findet er keinen Halt. Sein ausschweifender Lebenswandel, seine Disziplinlosigkeit und sein Stolz führen zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus
der Armee.
Als Jude verkleidet, auf Forschungsreise in Marokko
Im Juni 1881 erfährt er aus der Zeitung, dass sein Regiment in Tunesien in gefährliche Kämpfe
verwickelt ist. Er verlässt Mimi, bittet um Wiederaufnahme in die Armee und schließt sich einem neuen Regiment südlich von Oran an. Während der nächsten 8 Monate erweist er sich als
exzellenter Offizier, geschätzt von seinen Vorgesetzten wie von den Soldaten. Doch dann verlässt er die Armee wieder und lässt sich in Algier nieder, um sich auf eine Forschungsreise
durch Marokko vorzubereiten. Er setzt seine Arabisch-Studien fort und lernt hebräisch. Die
neuen Herausforderungen, denen er sich stellt, verändern Schritt für Schritt sein Leben. Aus
dem gelangweilten Lebemann wird ein entschiedener, willensstarker und zielstrebiger Forscher.
- 2 In Begleitung des Rabbiners Mordechai reist er, als Jude verkleidet, durch Marokko. Mehrere
Male ist sein Leben bedroht. Der Glaube und das Gebet der Muslime machen auf ihn einen
starken Eindruck. Er erschließt auf seiner Forschungsreise ca. 3000 km des Landes bis weit in
die Sahara hinein. Das spricht sich herum. Nach seiner Rückkehr verleiht ihm die Französische
Geographische Gesellschaft die Goldmedaille für die hervorragenden wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Arbeit. Mit einem Schlag ist er ein berühmter junger Mann geworden. Wie geht
es weiter?
1886 lässt er sich in Paris nieder. Seine Verwandten nehmen ihn herzlich auf. Die Güte und
Klugheit seiner Cousine Marie de Bondy bringen ihn ins Nachdenken. „Da diese Frau so klug
ist, kann die Religion, an die sie so fest glaubt, nicht eine Torheit sein, wie ich meine.“ Er beginnt, sich für das religiöse Leben zu interessieren. Er besucht Kirchen. Obwohl er sich als ungläubig bezeichnet, betet er: „Mein Gott, wenn es Dich gibt, dann lass mich Dich erkennen.“
Ende Oktober 1886 betritt er die Kirche Saint Augustin in Paris. Er will dort Abbé Huvelin,
den seine Cousine ihm empfohlen hat, um religiöse Unterweisung bitten. Dieser gibt ihm zur
Antwort: „Beichten Sie!“ und „Kommen Sie zur Kommunion!“ Charles de Foucauld beichtet
und empfängt die Kommu-nion. Er hat zum katholischen Glauben zurückgefunden. Sein Ausspruch „Sobald ich erkannte, dass es einen Gott gibt, konnte ich nur noch für ihn leben“ markiert die radikale Wende im Leben dieses leidenschaftlichen und hingebungsfähigen Mannes.
Er will „das verborgene Leben Jesu in Nazaret“ teilen.
Es beginnt für ihn eine intensive Suche nach dem Willen Gottes. Er macht es sich nicht leicht.
Dezember 1888-Januar 1889 lebt er im Heiligen Land. Nazaret fasziniert ihn. Zurück in Frankreich, vermacht er seiner Schwester seinen Besitz. Er fühlt sich berufen, „das verborgene
Leben Jesu in Nazaret“ nachzuahmen. Er will klein und arm ganz für Gott dasein. Wie Jesus in
Nazaret unerkannt unter den Menschen lebte, einer der ihren war, brüderlich teilte, keine Privilegien für sich in Anspruch nahm, sich eins in Gott, seinem Vater, wusste, so will auch er
leben. Ohne Worte, in Stille, durch sein Leben soll Gott bekannt werden.
Am 15. Januar 1890 tritt er bei den Trappisten in Notre Dame des Neiges/Frankreich ein, um
dann sechs Monate später in das um vieles ärmere Tochterkloster in Akbes/Syrien zu gehen.
Charles träumt von kleinen Gemeinschaften, die das Leben Jesu von Nazaret nachahmen. Er
entwickelt Regeln für sie. Abbé Huvelin, der bis zu seinem Tod 1910 Charles ein väterlicher
Freund und geistlicher Berater ist, schlägt die Hände über den Kopf, als er diese Regeln liest:
Viel zu streng!
Weil es ihm bei den Trappisten noch nicht arm genug war, lässt er sich von den Gelübden entbinden und lebt als Hausknecht in einer Gartenlaube bei den Klarissen in Nazaret. Er schreibt:
„Mein Herr Jesus, wie schnell wird arm sein, wer Dich aus ganzem Herzen liebt! Denn er wird
nicht ertragen, reicher zu sein als der Geliebte.“ Intensiv feiert er die Eucharistie mit, betrachtet das Evangelium und nimmt sich Zeit zur täglichen Anbetung.
Auf Drängen der Schwestern entschließt sich Charles, Priester zu werden. Am 9. Juni 1901,
mit 42 Jahren, wird er zum Priester geweiht. Noch immer hat er seinen Platz nicht gefunden.
Die bewegende Suche geht weiter. Dabei behält er Jesus im Blick: „Jesus genügt, wo er ist,
fehlt nichts.“
- 3 Die Wüste als Ort der Gegenwart Gottes
Er geht in die Wüstengarnison Beni-Abbès an der Grenze zu Marokko. Dort lebt er unter den
Ärmsten der Armen und sucht die Menschen durch Güte, Gebet und Gastfreundschaft, für Gott
zu gewinnen. Er macht Freunde und Verantwortliche in Politik und Armee auf das Unrecht an
den Sklaven aufmerksam und kauft selbst mehrere Sklaven frei. Er notiert: „Wir dürfen keine
stummen Hunde sein.“ Dabei lässt er sich leiten von dem Grundsatz: „Sich in allem fragen,
was Jesus an unserer Stelle denken, sagen, tun würde – und so handeln.“ Aber auch BeniAbbès ist für ihn noch nicht „Endstation“.
1905 lässt er sich in Tamanrasset im Hoggar-Gebirge unter den Tuareg nieder. Er teilt ihren
Alltag, begegnet ihnen in aufmerksamer Freundschaft, lernt ihre Sprache und beginnt, das
Evangelium für sie zu übersetzen. Er erforscht ihre Sprache und ihre Gebräuche, ihre Lieder
und ihre Gedichte. Alles hält er schriftlich fest. Akkurat ist seine Schrift. Durch sein Leben
möchte er den Tuareg die Liebe Gottes nahe bringen und so Jesus nachahmen: „Ich kann nicht
begreifen, wie man lieben kann ohne ein gebieterisches Verlangen nach Gleichgestaltung, nach
Ähnlichkeit und vor allem nach Teilhabe an aller Mühsal des Lebens.“
Im Januar 1908 ist er völlig erschöpft und wird schwer krank, kann sich selbst nicht helfen und
spürt den Tod. Die Tuareg retten ihm das Leben, indem sie das bisschen Ziegenmilch, das
ihnen in der Dürrezeit bleibt, mit ihm teilen. Charles, den sie liebe- und respektvoll den
„christlichen Marabut“ nennen, ist völlig abhängig von ihnen. Er, der „Bruder aller Menschen“ werden will, erfährt, wie die Tuareg zu seinen Schwestern und Brüdern geworden
sind.
1909 – 1911 – 1913 macht er drei Reisen durch Frankreich, um sein Projekt einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern vorzustellen, die durch ihr Leben das Evangelium sichtbar
machen und die Liebe Jesu bezeugen. Er möchte dazu Christen aller Stände gewinnen. Für ihn
wird der Blick von Jesus her auf die Kleinen und Geringen, auf die Verachteten und Ausgegrenzten immer intensiver. Gegen Ende seines Lebens schreibt er: „Ich glaube, kein Wort aus
dem Evangelium hat einen tieferen Eindruck auf mich gemacht, keines hat mein Leben mehr
verändert als dieses: 'Was ihr einem dieser Geringsten tut, das tut ihr mir'. Wenn wir bedenken, dass dies die Worte der ewigen Wahrheit sind, die Worte dessen, der gesagt hat: 'Das ist
mein Leib, das ist mein Blut', dann kann es uns nur zunehmend antreiben, in diesen Geringsten
und Armen Jesus aufzuspüren und zu lieben.“
Am 1. Dezember 1916 wird Charles de Foucauld bei einem Raubüberfall von aufständigen
Nomaden erschossen. Am gleichen Tag hat er seiner Cousine Marie de Bondy noch geschrieben: „Unser Zunichtewerden ist das mächtigste Mittel, das wir haben, um uns mit Jesus zu
vereinen und Gutes zu tun.“
Scheinbar kann er am Ende nichts vorweisen.
Er stirbt mit leeren Händen. In den Augen der Welt kann er am Ende seines Lebens nichts vorweisen: keine Bekehrungen und keine Gemeinschaft, die sein Vermächtnis aufgreift. Doch die
Saat seines Lebens geht auf. Das Wort Jesu erfüllt sich: „Wenn das Weizenkorn nicht in die
Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, dann bringt es reiche Frucht.“ Am 13.
November 2005 wird er in Rom selig gesprochen. 19 verschiedene Gemeinschaften von Laien,
Priestern und Ordensleuten bilden inzwischen die Geistliche Familie Charles de Foucauld.
Davon gibt es einige Gruppen auch im Bistum Essen.
- 4 Ich bin dankbar, schon im Studium von Bruder Karl gehört zu haben. Angesprochen haben
mich seine Suche nach Gott und nach seinem Platz in Kirche und Welt, seine Liebe zu Jesus
Christus und zu den Menschen, seine Güte und Brüderlichkeit, sein Mut, Neues zu entdecken
und zu leben, seine Einfachheit und Entschiedenheit. 1968 trat ich der Priestergemeinschaft
JESUS-CARITAS bei, die versucht, sich vom Charisma Bruder Karls anstecken zu lassen und
Impulse aus seinem Leben aufzugreifen. Wohltuend finde ich dabei seine Haltung: „Betrachten wir die Heiligen nicht, um sie nachzuahmen, sondern um Jesus nachzuahmen.“ Für Bruder
Karl ist „Jesus das eine (einzige) Maß“.
Warum fühlen sich in unseren Tagen Menschen vom Leben Bruder Karls angezogen? In seinem Leben läuft nicht alles glatt, er erlebt Flauten und Krisen, Umwege und Wendepunkte –
das macht ihn sympa-thisch. Er ist kein glatter und angepasster Typ. Er sucht das Wesentliche.
Das setzt Kräfte in ihm frei, führt zur Eigenverantwortung und zu Initiativen. Wie aus dem
Draufgänger und Forscher ein leiden-schaftlicher Gott-Sucher wird, das fasziniert und wird zur
Anfrage an die eigene verschüttete Sehnsucht nach Gott, nach dem Sinn des Lebens und der
persönlichen Berufung. Wie er in Abbé Huvelin einen väterlichen Freund und geistlichen Begleiter gefunden hat, suchen heute viele eine geistliche Begleitung für ihr Leben.
Die Impulse seines Lebens gehen weiter.
Statt Zersplitterung und Beliebigkeit: Konzentration auf das Wesentliche. „Zurück zum Evangelium! Wenn wir nicht aus dem Evangelium leben, lebt Jesus nicht in uns.“ Statt Stagnation
und Resignation: „Jesus ist der Meister des Unmöglichen“ und „Die Schwäche der menschlichen Mittel ist eine Ursache der Stärke“. Statt Aktivismus die lebendige Feier der Eucharistie, das Gebet und die Anbetung. Statt „von oben herab“ Geschwisterlichkeit: „Bringen wir
den Menschen, die Gott an unsere Seite gestellt hat, liebevolle Aufmerksamkeit entgegen – wie
Geschwister, die einander gut sind, wie eine Mutter, die ihre Kinder herzlich liebt.“
Bruder Karl hat als Zeichen für sein Leben das Herz und darüber das Kreuz gewählt. Sie
stehen für die Erfahrung der Liebe Gottes in seinem Leben und für seine Freundschaft zu Jesus
Christus und zu den Menschen. Sie stehen für Herzlichkeit und Wagnis, für Leben und Hingabe. Sein Gebet „Mein Vater, ich überlasse mich Dir...“ (Gotteslob Nr. 8, Abschnitt 7) fasst all
das zusammen.
Gerd Belker, Pastor
Im Schlagholz 11
45149 Essen
Tel. 0201 – 87 18 112
mail: [email protected]