Deutsche aus Russland – Gewinn für Bayern

Transcription

Deutsche aus Russland – Gewinn für Bayern
Deutsche
aus Russland Gewinn für Bayern
Herausgegeben
von der Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland e.V.
mit Unterstützung
des Bayerischen Staatsministeriums
für Arbeit und Sozialordnung,
Familie und Frauen
über das Haus des Deutschen Ostens (München)
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Inhaltsverzeichnis
Grußwort des Bayerischen Ministerpräsidenten
Dr. Günther Beckstein
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Grußwort der Staatsministerin für Arbeit
und Sozialordnung, Familie und Frauen,
Christa Stewens
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Grußwort des Bundesvorsitzenden
der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland,
Adolf Fetsch
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Andreas Prediger, Johannes Sommer,
Vladimir Karius
Anna Hergert, Nadja Fuchs
Sport
Andreas Weitzel, Andreas Schenke
Marina und Alexander Ruppel, Igor Weber
Thomas Janke, Waleri Weinert,
Fußball-Aussiedlerpokal in Fürth/Nürnberg
Viktor Friedrich, Johann Eitel, Christian Walter
Vorwort des Vorsitzenden der Landesgruppe Bayern
der Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland, Eduard Neuberger
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Porträts
Ehrenamt
Johannes Kirschmann, Alfred Bitzer
Dr. Johannes Hörner, Juri Heiser,
Waldemar Eisenbraun
Anton Bosch, Viktoria Wesner, Aljona Heiser
Valentina Weissenberger, Robert Rudi,
Ilona Laitenberger
Beruf und Selbständigkeit
Dr. Michael Retzlaw, Elli Colosof, Irina Schmidt
Waldemar Weber, Ella Schindler,
Elvira Billmann und Ida Bakurin
Irene Fitz, Artur Grauberger, Andreas Axt
Victor Dukart, Natalia Wegner,
Anna Dondörfer
Kultur
Willi Bunkowski, Tatjana Domme
Robert Weber, Reinhold Leis, Andreas Peters
Alexander Fitz, Nadja Runde, Marina Kondrasch
Lina Neuwirt, Viktoria und Heinrich Lein,
Dr. Andreas Meier
Alexander Schröder, Familienorchester Hubert,
Ewald Oster
Regina Scheiermann, Waldemar Keer,
Nikolai Lagoida
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Geschichte: Deutsche aus Russland ein langer Weg voller Hoffnung
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Die Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland und ihre
Landesgruppe Bayern
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Weiterführende Literatur
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Impressum
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Wir bedanken uns ganz herzlich beim Bayerischen
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und beim Haus des Deutschen
Ostens in München mit seinem Direktor Dr. Ortfried
Kotzian für die Unterstützung beim Zustandekommen
der vorliegenden Broschüre.
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Ebenso herzlich bedanken wir uns bei den Ortsgruppen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland
in Bayern für ihre Hilfe bei den Recherchen und ihre
aufschlussreichen Informationen über das Engagement der Deutschen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in den Bereichen Ehrenamt, Beruf und Selbständigkeit, Kultur und Sport.
Für weitere Informationen und Fotos geht der Dank
auch an Sabine Aschenbrenner (Diakonisches Werk
Passau), Conny Baumann (Würzburg, “Integration
durch Sport”), Roland Dörfler (Heinersreuth), Swetlana Hartmann (Würzburg), Olga Knaub (Roth/Röhn),
Alexander Thomas (Nürnberg) und Isolde Schmidt
(Würzburg).
Die übrigen Fotos der Broschüre stammen aus dem Archiv der Landsmannschaft (“Volk auf dem Weg”, Ortsund Landesgruppen) sowie aus Privatarchiven der vorgestellten Personen.
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Die Titelseite zeigt von links oben im Uhrzeigersinn: Anton Bosch, Adolf Fetsch, darunter Dr. Johannes Hörner, Eduard Neuberger, Mitglieder der Tanzgruppe “Birkenhain”, Viktoria Lein (rechts) und ihre Gesangsschülerin Alwine März, Ella Schindler und
Johannes Sommer. Über alle diese Personen berichtet die Broschüre.
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Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Grußwort
des Bayerischen Ministerpräsidenten,
Dr. Günther Beckstein
Z
usammenhalten – in Bayern
Zukunft gestalten“ lautet das
Motto des zentralen Treffens
der Deutschen aus Russland in Augsburg Ende August 2008. Dieses Motto ist ein Appell zum Zusammenhalt
ebenso wie eine Beschreibung dessen, was die Deutschen aus Russland
in ganz besonderem Maße kennzeichnet: Sie wissen aus eigener, oft
leidvoller Erfahrung in der Sowjetunion, wie wichtig der Zusammenhalt ist, wie viel sich bewegen und
gestalten lässt, wenn man gemeinsam die eigenen Anliegen verfolgt.
Das Band, das die Deutschen aus
Russland eint, ist das Bewusstsein
um die gemeinsame Geschichte und
Kultur, um das gemeinsame Schicksal, das man in der Sowjetunion
durchlebt und durchlitten hat. Sie
können mit Stolz auf die großartigen
zivilisatorischen Leistungen ihrer
Vorfahren in Russland seit dem 18.
Jahrhundert blicken. Sie sind aber besonders geprägt vom Bewusstsein
und der Erinnerung an den Leidensweg, den sie nach dem Oktoberputsch von 1917 und erst recht seit
1941 unter Stalin und seinen Nachfolgern durchmachen mussten. Sie
mussten diesen jahrzehntelangen
Leidensweg gehen und wurden kollektiv in Haftung genommen für etwas, was weit weg von ihnen geschah, für die NS-Diktatur und den
Angriff Hitlers auf die Sowjetunion.
Zigtausende von ihnen fanden bei
den Verschleppungen und Deportationen nach Sibirien durch Hunger,
durch Seuchen und Erschöpfung den
gen ist, ihre kulturellen und religiösen Wurzeln und Traditionen zu bewahren.
Wir in Bayern können beispielsweise
im Haus der Heimat in Nürnberg erleben, wie reichhaltig diese Kulturtradition ist und mit wie viel Liebe
die Deutschen aus Russland zu ihr
stehen. In vielen Veranstaltungen
zeigen sie den Bürgerinnen und Bürgern den Facettenreichtum und die
Schönheit ihrer Volksmusik, ihres
Volkstanzes, ihrer Trachten, ihres
Brauchtums. Sie ergänzen und bereichern damit das kulturelle Leben
Bayerns.
Dr. Günther Beckstein
Tod. Zigtausende wurden Opfer unmenschlicher, willkürlicher Massaker. Alle Deutschen wurden damals
in der Sowjetunion zwangsenteignet
und erlebten schwerste Repressionen. Sie wurden bis weit in die 80er
Jahre hinein daran gehindert, ihre
deutsche Muttersprache zu sprechen
und ihre deutsche Kultur weiter zu
pflegen. Die Sprache und das kulturelle Leben einem Menschen zu rauben, bedeutet, ihn seiner Identität zu
berauben. Denn Sprache und Kultur
sind die Wurzeln der Identifikation,
sind das Innerste und Tiefste, was
eine Persönlichkeit prägt. Es verdient
hohen Respekt und große Anerkennnung, dass es den Deutschen auch in
Russland trotz aller Unterdrückungen, trotz aller Widerstände und
trotz aller Entfernung und Trennung
vom deutschen Kulturraum gelun-
3
Die Deutschen aus Russland haben
sich aber weit über die Kultur hinaus
auch in vielen anderen Bereichen mit
großem Erfolg engagiert. Eine Reihe
von Persönlichkeiten stellt diese Broschüre vor. So gibt sie einen Einblick
in die Vielzahl und Vielfalt dessen,
was die Deutschen aus Russland an
Kreativität, Innovationskraft und
Know-how zugunsten unseres Landes eingebracht haben.
Ich wünsche dieser Broschüre viele
Leser unter den Deutschen aus Russland, aber ebenso unter allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.
Die Lektüre weitet unseren Blick für
die Deutschen aus Russland, für ihre
Geschichte und ihre Leistungen. In
diesem Sinne ist sie auch ein guter
Beitrag für ein gemeinsames Miteinander und für mehr Kenntnis über
die Deutschen aus Russland in unserem Land.
Dr. Günther Beckstein
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Grußwort
der Bayerischen Staatsministerin
für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen,
Christa Stewens
D
ie Integration von Aussiedlern und Spätaussiedlern mit
ihren Familien aus den Staaten der ehemaligen UdSSR ist für
Bayern und seine Bürger eine von Erfolg geprägte Geschichte. Beide Seiten, die deutschen Zuwanderer wie
die Einheimischen, leisten hierzu ihren wichtigen Beitrag: Die Zuwanderer vor allem dadurch, dass sie ihre
deutschen Sprachkenntnisse verbesssern und sich mit den hier geltenden
Werten und Normen identifizieren,
die Einheimischen, indem sie den
Zuwanderern mit Offenheit begegnen und ihre Leistungen anerkennen.
Dort, wo ein gegenseitiges Anerkennungsverhältnis entsteht, ist die
Integration auch gut vorangekommmen. Bayern bietet allgemein gute
Voraussetzungen für die berufliche
und gesellschaftliche Integration.
Dazu haben die seit vielen Jahren tä-
Ganz wesentlichen Anteil an diesem
Erfolg hat die Landsmannschaft der
Deutschen aus Russland e. V., insbesondere der Landesverband Bayern.
Hierfür möchte ich dem Landesvorstand und allen Aktiven ganz herzlich danken. Gerade die Hilfestellungen der Landsmannschaft durch bürgerschaftliches Engagement sind bei
der Integration sehr wirkungsvoll,
führen sie doch zu sozialen Kontakten und Orientierung zwischen der
einheimischen und der zugewanderten Bevölkerung.
Ich wünsche Ihnen und uns allen für
die Zukunft persönlichen Erfolg im
gemeinsamen Bemühen, diesen Weg
weiter voran zu schreiten.
Christa Stewens
tigen Vereine, Initiativen sowie die
staatlichen und kommunalen Dienste
einen wertvollen Beitrag geleistet.
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Christa Stewens
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Grußwort
des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland,
Adolf Fetsch
M
land geborenen Ausländer mit 65,9
Prozent und reicht fast an die Erwerbsquote der einheimischen Bevölkerung heran, die bei 75 Prozent
liegt. Es ist also klar, dass Deutsche
aus Russland trotz erschwerter Bedingungen keineswegs überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind.
it der vorliegenden Broschüre ist ein Herzenswunsch der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland
und ihrer Landesgruppe Bayern in
Erfüllung gegangen: Anhand zahlreicher Einzelbeispiele zeigt sie einer
breiten Öffentlichkeit, dass sich die
Aufnahme der Deutschen aus Russland im Freistaat Bayern gelohnt hat
und ihre Integration ohne jeden
Zweifel als Erfolgsgeschichte anzusehen ist.
Wichtig ist diese Broschüre vor allem
in einer Zeit, da die Akzeptanz der
Deutschen aus Russland in der Bevölkerung nachgelassen hat. Eine
Tendenz, die wir mit großem Bedauern seit dem sprunghaften Anstieg
der Zahlen deutscher Aussiedler aus
der ehemaligen Sowjetunion ab Ende
der 1980er Jahre zur Kenntnis nehmen mussten.
Bis dahin waren Deutsche aus Russland in der Bundesrepublik willkommen, wurden als fleißige Arbeitskräfte geschätzt, gingen reibungslos in der einheimischen Gesellschaft auf und leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum
und Wohlstand des Landes.
Spätestens ab Mitte der 1990er Jahre
war jedoch immer häufiger von Integrationsschwierigkeiten und Problemen die Rede, die mit den Deutschen aus Russland angeblich nach
Deutschland gekommen seien. Sie
wurden mit völlig haltlosen Vorwürfen konfrontiert und zum Opfer von
Ressentiments und negativen Vorurteilen, die nicht zuletzt durch einseitige Berichte in den Medien verursacht und geschürt wurden.
Ähnliches gilt für die Kriminalitätsrate der Deutschen aus Russland, die
entgegen besonders gern verbreiteten Vorurteilen nach wie vor nicht
über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Adolf Fetsch
Anhand einiger Beispiele will ich erläutern, wie haltlos diese Vorwürfe
waren und sind:
Wie aus offiziellen Statistiken hervorgeht, sind Deutsche aus Russland
auch in finanzieller Hinsicht keinesfalls eine Belastung für die Bundesrepublik. Als ausgesprochen junge und
arbeitswillige Bevölkerungsgruppe
zahlen sie nämlich erheblich mehr in
die öffentlichen Sozial- und Rentenkassen ein, als sie diesen entnehmen.
Das ist leider nur wenigen bekannt.
Ebenso wie die Tatsache, dass laut
Angaben des Statistischen Bundesamtes Deutsche aus Russland besser
in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integriert sind als andere Zuwanderergruppen. Was die Erwerbsquote anbetrifft, liegt die Gruppe der
Deutschen aus Russland mit 73,7
Prozent deutlich über der Gruppe
der zugewanderten oder in Deutsch-
5
Und dass Deutsche aus Russland mit
ihrem ausgeprägten Leistungswillen
auch auf kulturellem und vor allem
sportlichem Gebiet eine Bereicherung sind, sollten wir immer wieder
mit Stolz berichten. Künstler aus unseren Reihen wie die erfolgreichen
Sängerinnen Helene Fischer und Julia Neigel oder Sportler wie die Fußball-Nationalspielerin Renate Lingor,
die beste deutsche Volleyballspielerin Angelina Grün, Boxweltmeisterin
Ina Menzer oder die deutsche Siebenkampfmeisterin Lilli Schwarzkopf sind die beste Werbung für die
Volksgruppe.
Ich hoffe deshalb, dass die Broschüre
weite Teile der Bevölkerung des Freistaates erreicht und so manches zurechtrücken kann, was sich an Fehlinformationen über die Deutschen
aus Russland zu verfestigen droht.
Dem Bayerischen Staatsministerium
für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen sowie dem Haus des
Deutschen Ostens danke ich ganz
herzlich für die Unterstützung bei
der Publikation der Broschüre.
Adolf Fetsch
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Das Potential an Kompetenz, Erfahrungen und Talenten verstärkt nutzen
D
ie Deutschen und ihre Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion, die in mehr
als 50 Jahren nach Deutschland ausgewandert sind, haben ein beachtliches
Potential an Erfahrungen, Kenntnissen
und Können mitgebracht. In verschiedenen Lebensbereichen der deutschen
Gesellschaft sind sie mit ihren Kompetenzen und Talenten vertreten.
Im Mittelpunkt ihres Lebens hier in
Deutschland steht nach wie vor die berufliche Integration. Sollen sie sich neu
orientieren, den Einstieg in den alten
Beruf wagen oder eine beliebige Beschäftigung annehmen, um die Familie
durchzubringen? Jede dieser Möglichkeiten ist mit Startschwierigkeiten,
Umdenken und Anstrengungen verbunden.
Leider wird der Einstieg in den früher
ausgeübten Beruf der Spätaussiedler
seitens der Politik und der Behörden
nicht ausreichend unterstützt. Zu viele
Lehrer, Ingenieure oder Wissenschaftler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion finden auch in Bayern keinen Anschluss an ihren früheren Beruf,
ihr persönliches und berufliches Potential wird nicht ausgeschöpft und verkümmert oft einfach.
Und doch schaffen es nicht wenige, vor
allem durch eigene Motivation und
Tatkraft, auch beruflich Fuß zu fassen.
Über Generationen mussten die Deutschen aus Russland in verschiedenen
Orten sesshaft werden und ihr Leben
neu organisieren und gestalten. Nicht
von ungefähr sind sie auch hierzulande Spitzenreiter im “Häusle“-Bauen,
leben ihre Tatkraft, Eigeninitiative und
Kreativität in den verschiedensten Bereichen der Selbständigkeit aus und
schaffen dadurch sogar Arbeitsplätze.
Bundes- und bayernweit betreiben
Deutsche aus Russland mit steigender
Tendenz Arztpraxen, Sprach-, Kunst-,
Musik- und Sportschulen, Verlage, Friseursalons, Bauunternehmen, Reisebüros, Fahrschulen, Lebensmittelgeschäfte oder Metzgereien. An vielen Hochschulen kommen zahlreiche motivierte
Studenten aus Aussiedlerfamilien, die
junge Generation der Deutschen aus
Russland erschließt sich zunehmend
Forschungsgebiete wie Mathematik,
Eduard Neuberger
Naturwissenschaften, Politologie oder
Medizin.
Einer der Wege, sich im neuen Land
nicht zu verlieren sowie die mitgebrachten Erfahrungen und Kompetenzen einzubringen, ist das Ehrenamt.
Vor allem in der kulturellen Breitenarbeit, der Sport-, Kinder- und Jugendarbeit und der Sprachförderung sind
Deutsche aus Russland mit ihren
Sprach- und Fachkompetenzen nicht
wegzudenken. Zunehmend bringen sie
sich auch in das Vereinsleben und die
Kommunalpolitik ein.
Besonders zahlreich sind russlanddeutsche Talente in den Bereichen Musik, bildende Kunst und Choreographie vertreten. Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion haben Musik-,
Kunst- und Tanzschulen eröffnet, leiten und gründen Chöre und Orchester.
Sie vertreten Deutschland bei internationalen Wettbewerben und gehören
zu den Preisträgern bei Wettbewerben
bundes- und landesweit. Mit ihrem
klassischen, aber auch internationalen
Repertoire mischen sie in der Kulturlandschaft vor Ort mit. In den Gebieten
Literatur, Verlagswesen, Theater und
Film, wo neben Begabung und Fleiß
insbesondere Sprachkenntnisse gefragt
sind, zeichnet sich ebenfalls ein positiver Trend ab - eine junge Generation ist
6
im Kommen, der bundesweite Anerkennung zuteil wird.
16 Sportler aus den Reihen der Deutschen aus Russland haben Deutschland
erfolgreich bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 vertreten, und auch
dieses Mal in China mischen sie kräftig
mit. Besonders in Sportarten wie Boxen, Ringen oder Gewichtheben, aber
auch beim Fußball, in der Leichtathletik oder beim Kunstturnen glänzen sie
vor allem in den Nachwuchskadern
mit guten Leistungen. Junge Spätaussiedler trugen dazu bei, dass Sportvereine wieder auflebten oder neue Abteilungen gründen konnten. Zahlreiche
Trainer aus der GUS arbeiten in dem
bundesweiten Projekt “Integration
durch Sport” mit.
Ein Kapitel dieser Broschüre befasst
sich mit der Aus- und Rückwanderung
der Russlanddeutschen sowie den Aktivitäten der Landsmannschaft der
Deutschen aus Russland in Bayern in
Vergangenheit und Gegenwart.
Darin wird unter anderem die gegenwärtige Situation der Deutschen aus
Russland verdeutlicht, die in vielerlei
Hinsicht nicht immer zufriedenstellend ist. In diesem Sinne kann die Broschüre eine Plattform für gegenseitiges
Kennenlernen, einen Erfahrungsaustausch und Dialog bieten und somit
eine Hilfestellung für das Zusammenwachsen der einheimischen Bevölkerung und der Deutschen aus der
GUS sein.
Zahlreiche Deutsche aus Russland haben längst ihren Platz in der deutschen
Gesellschaft gefunden. Sie sind erfolgreich und tragen mit ihren Fähigkeiten
und Leistungen zum Wohlstand und
zur gesellschaftlichen und kulturellen
Vielfalt des Landes bei. Die nachstehenden Biographien aus verschiedenen
Lebensbereichen stehen dafür. Überall,
wo Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion zu Hause sind, trifft man auf
weitere Erfolgsgeschichten, aber auch
auf Menschen, die noch unsere Unterstützung brauchen. Auch deswegen
lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Eduard Neuberger, Vorsitzender
der Landesgruppe Bayern
der Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland e.V.
Ehrenamt
Johannes Kirschmann (83), Landshut
und Alfred Bitzer (76), Reisbach
Kompetente und langjährige Mitarbeiter
der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland
Mit Johannes Kirschmann und Alfred
Bitzer sind zwei der verdientesten ehrenamtlichen Mitarbeiter der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft
im Regierungsbezirk Niederbayern
zu Hause. Trotz vorgerückten Alters
sind beide nach wie vor als berufene
Bundessozialreferenten der Landsmannschaft im Einsatz.
Johannes Kirschmann wurde 1925 in
dem Dorf Saratow (Balatzki), Gebiet
Odessa, geboren.
Er besuchte dort
die Schule, erlebte 1938 die
Russifizierungswelle der Kommunistischen
Partei und 1941
den Einmarsch
der Deutschen
Wehrmacht. 1943
wurde er zur
deutschen Armee
Johannes
Kirschmann
eingezogen und
im
September
desselben Jahres an die Ostfront geschickt. Für ihn war der Krieg im Februar 1945 zu Ende. Es folgten zehn
Jahre Haft in Rumänien, in der Ukraine
und schließlich in den gefürchteten
Goldgruben bei Swerdlowsk.
Als ihm nach vielen vergeblichen Versuchen endlich 1976 die Ausreise nach
Deutschland erlaubt wurde, engagierte
er sich sofort innerhalb der Landsmannschaft für seine Landsleute. Er
war Vorsitzender der Ortsgruppe
Landshut sowie Mitglied des Vorstandes der Landesgruppe Bayern und des
Bundesvorstandes.
Bis zum heutigen Tag gilt Johannes
Kirschmann als sehr erfahrener Sachwalter der Deutschen aus Russland
und als hartnäckiger Verfechter ihrer
Anliegen im Kampf um ihre verbrieften Rechte. Er tritt bei vielen Gelegenheiten energisch für die Pflege der
deutschen Sprache und Kultur ein, er
Die Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland
im Internet:
Homepage:
www.deutscheausrussland.de
E-Mail:
[email protected]
ist jedoch durchaus auch in der Lage
und bereit, Landsleute, die Schwierigkeiten mit dem Deutschen haben, in
russischer Sprache zu beraten.
Für seinen selbstlosen Einsatz wurde
Johannes Kirschmann mit der goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft
ausgezeichnet.
Ein paar Jahr jünger als Kirschmann ist
der 1931 in Mühlhausen im Gebiet
Cherson geborene Alfred Bitzer, der
dort als ältestes von acht Geschwistern
der Familie eines Kolchosschmieds zur
Welt kam. Er hatte kaum vier Schulklassen beendet, als seine Familie die
Heimat verlassen musste, und im Januar 1944 wurde er wie viele Deutsche
des Schwarzmeergebietes in den Warthegau evakuiert. Wenig später folgte
die Flucht nach Sachsen, wo die Familie jedoch von der Roten Armee eingeholt und im September zurück nach Kirow im hohen Norden des europäischen Russlands verschleppt wurde.
Auch für Alfred Bitzer dauerte es lange, bis er mit seiner Familie 1977 endlich die Ausreisegenehmigung erhielt
und im Grenzdurchgangslager Friedland eintraf. Und auch er engagierte
sich bereits kurz nach seiner Ankunft
in Deutschland innerhalb der Landsmannschaft. Er prägte die Geschicke
der Ortsgruppen München und Dingolfing-Landau als Vorstandsmitglied
bzw. Vorsitzender in ganz erheblichem
Maße mit und ist gegenwärtig stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Bayern. Darüber hinaus wirkt
er seit 1983 innerhalb der Union der
Vertriebenen.
Bitzers große Stärke ist die Sozialarbeit,
bei der er sich von keinem etwas vormachen lässt und jedem deutlich
macht, dass sein Herz für seine Landsleute aus der ehemaligen Sowjetunion
schlägt.
Alfred Bitzer ist Träger der goldenen
Ehrennadel der Landsmannschaft der
Deutschen aus Russland und erhielt
am 11. April 2008 für seine verdienstvolle Arbeit bei der Landsmannschaft
und der Union der Vertriebenen die
Verdienstmedaille des Verdienstordens
der Bundesrepublik Deutschland. Wer
ihn kennt, wird sich gerne den Worten
von Landrat Heinrich Trapp bei der
Überreichung des Ordens anschließen:
“Menschen wie Sie engagieren sich aus
einem inneren Bedürfnis heraus.”
Landrat Heinrich Trapp (2. von rechts) überreichte Alfred Bitzer (3. von links) die Verdienstmedaille. Links neben Bitzer seine Ehefrau Elisabeth; im Hintergrund der
Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Adolf Fetsch (links), und der Bürgermeister
von Reisbach, Sepp Steinberger; ganz rechts die Vorsitzende der Ortsgruppe Dingolfing-Landau, Rita Palmer.
7
Ehrenamt
Dr. Johannes Hörner (55), Ingolstadt
Engagement in der Kommunalpolitik und im Vereinsleben
Geboren und aufgewachsen ist Johannes Hörner in Kasachstan. Dorthin waren seine wolgadeutsche Mutter und sein schwarzmeerdeutscher
Vater vertrieben worden.
Nach dem Medizinstudium arbeitete
Dr. Johannes Hörner bis 1986 in Karaganda, als Oberarzt in der Frauenklinik
und danach als Facharzt für Urologie.
Seit 1987 lebt der dreifache Vater in
Deutschland, wo er als Gynäkologe
und Geburtshelfer am Klinikum Ingolstadt praktizierte, zuerst als Oberarzt
und zuletzt als leitender Oberarzt.
Seit 1995 betreibt Dr. Hörner eine eigene Praxis, in der einige Fachärzte, mehrere Hebammen und Arzthelferinnen
tätig sind. Seine Frau Anna ist Krankenschwester im Klinikum Ingolstadt
und unterstützt ihren Mann in der Praxis. Die Tochter Katharina arbeitet seit
2007 als Fachärztin in der Praxis.
Einen guten Ruf genießt Dr. Johannes
Hörner auch dank seines vielfältigen
ehrenamtlichen und wohltätigen Ein-
Engagement im Vereinsleben
und in der Kirche,
kandidierte für den Stadtrat
Dr. Johannes Hörner
satzes. Er ist Vorsitzender der Ortsgruppe Ingolstadt der Landsmannschaft und aktiv in der Arbeitsgruppe
“Politik und Landsmannschaft”. Seit
Jahren engagiert er sich parteipolitisch
(CSU) und in der Kommunalpolitik.
Vor zehn Jahren gründete Dr. Hörner
den Verein “Hilfe für Waisenkinder in
Sibirien” zur Unterstützung des Waisenhauses “St. Nikolaus” in Nowosibirsk, der als Förderverein für die Diözese “Verklärung des Herrn” Spenden
für die Katholiken in Sibirien sammelt.
www.dr-hoerner.de
Juri Heiser (45), Augsburg
Im Einsatz für eine bessere Integration der Deutschen aus Russland
Juri Heiser wurde 1963 in Kasachstan
geboren, in einem deutschen Ort mit
dem russischen Namen Neljubinka.
Nach Mittlerer Reife und Militärdienst
besuchte er von 1983 bis 1986 die Technikerschule in Frunse, Kirgisien, die er
als Maschinenbautechniker abschloss.
Ein Ökonomiestudium in Kustanai,
Kasachstan, brach er 1991 ab, da er in
diesem Jahr die Gelegenheit hatte, nach
Deutschland auszuwandern.
Aufgrund seiner deutschen Sprachkenntnisse und seiner beruflichen Ausbildung erhielt er bereits nach einer
kurzen Neuorientierungs- und Umschulungsphase eine Stelle bei MANNutzfahrzeuge, wo er bis heute als Angestellter mit kaufmännischen und
technischen Aufgaben beschäftigt ist.
Ab September 2008 steht die Übernahme einer neuen Stelle als Länderreferent für die GUS-Länder an.
Trotz der beruflichen Beanspruchung
findet der zweifache Familienvater genügend Zeit und Kraft, sich ehrenamtlich in vielfältiger Weise zu engagieren.
Zum Einsatz in der Landsmannschaft
hat ihn die Überzeugung motiviert,
dass sich die Integration der Deutschen
aus Russland mit mehr Wissen über
Waldemar Eisenbraun (34),
Regensburg
Juri Heiser
die Struktur der deutschen Gesellschaft schneller und einfacher gestalten
ließe. Inzwischen ist er nicht nur Vorsitzender der Orts- und Kreisgruppe
Augsburg, sondern auch Mitglied des
Bayerischen Landesvorstandes und
auch auf Bundesebene in mehreren
Gremien aktiv. Für die CSU trat er heuer zum zweiten Mal bei den Bayerischen Kommunalwahlen an und verpasste (vorläufig!) nur ganz knapp den
Einzug in den Augsburger Stadtrat.
8
Waldemar Eisenbraun
Waldemar Eisenbraun war 16, als seine Familie 1990 aus Dschambul, Kasachstan, nach Deutschland auswanderte – der nationalistische Druck war
auch für Deutsche unerträglich geworden.
Nach einem Intensivsprachkurs in Rothenbuch holte er die Mittlere Reife
nach und machte danach das Fachabitur mit Schwerpunkt Wirtschaft an einer Fachoberschule. Nach einer dreijährigen Ausbildung bei einem Regensburger Systemhaus, das mittelständische Betriebe betreut, wurde er 1998
übernommen. Inzwischen arbeitet er
dort seit zehn Jahren als Softwareberater und Projektmanager.
Seinen Traum von einem akademischen Abschluss hat sich der dreifache
Vater durch ein Betriebswirtschaftsstudium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Ostbayern im Frühjahr 2004 ebenfalls erfüllt.
Auch Eisenbrauns ehrenamtliches Engagement kann sich sehen lassen. Er ist
Vorsitzender der Kreis- und Ortsgruppe Regensburg der Landsmannschaft und stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern. Außerdem engagiert er sich im Aussiedlerbeirat der
Stadt Regensburg und im Kirchenvorstand der evang. Gemeinde Burgweinting, sitzt im Kreis- und Bezirksvorstand des BdV und im Kreisvorstand
der UdV. Als Redakteur der Zeitung
“Meine Stadt” setzt er sich für ein besseres Image seiner Landsleute ein.
www.ldr-regensburg.de
Ehrenamt
Anton Bosch (73),
Nürnberg
Ehrenamt bei der Landsmannschaft,
gründete den “Historischen
Forschungsverein
der Deutschen aus Russland”
Anton Bosch
Kandel bei Odessa, Wartheland, Pettstadt bei Leipzig und ein Arbeitslager
in Udmurtien, Westural, nach 1945 gehören ebenso zu den Lebensstationen
von Anton Bosch wie seine berufliche
Laufbahn in der Nachkriegszeit.
Bis zur Auswanderung nach Deutschland 1974 arbeitete er als Elektromechaniker, Leiter eines Elektrokraftwerks und später Chefingenieur in der
Energieversorgung von Karaganda,
Kasachstan. In Nürnberg war er 23 Jahre lang in einer Elektrofirma tätig.
Schon in den 60er Jahren engagierte
sich Bosch für die Familienzusammenführung der Deutschen aus Russland;
die Integration seiner Landsleute stand
im Mittelpunkt seines Ehrenamtes bei
der Landsmannschaft. Viele Jahre war
er Vorsitzender der Orts- und Kreisgruppe Nürnberg-Fürth, Mitglied des
Bundesvorstandes und Vorsitzender
des Kulturrats der Landsmannschaft.
2001 schloss er sein Studium an der
Universität Erlangen-Nürnberg in den
Fächern Geschichte, Slawistik, Neue
und Neueste Geschichte als Magister
Artium ab. 1999 gründete er den “Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland”, den er bis 2007
unter dem Motto “Heimat ist Geschichte und Geschichte ist unser Auftrag!”
leitete.
Für seine Verdienste wurde Anton
Bosch 2004 mit der goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft gewürdigt.
www.hfdr.de
Viktoria Wesner (58), Bayreuth
Breites Engagement in der Stadt und bei der Landsmannschaft
In Russland studierte Viktoria Wesner als Dolmetscherin und Übersetzerin für Deutsch und Englisch in Moskau und später Deutsche Sprache und
Literatur an der Pädagogischen Hochschule Omsk. Danach war sie 27 Jahre
als Deutschlehrerin und Konrektorin
an einer Höheren Mittelschule tätig.
Seit 1993 lebt sie mit ihrer Familie in
Bayreuth und ist Lehrerin für Förderunterricht an der Albert-SchweitzerSchule. Außerdem unterrichtet sie seit
zwölf Jahren in Sprachkursen.
Schon in Nowosibirsk setzte sich Viktoria Wesner als Vorsitzende der Gebietsorganisation “Wiedergeburt” für
ihre deutschen Mitbürger ein. Aufgrund ihrer guten Deutschkenntnisse
und ihrer menschlichen Qualitäten
konnte sie auch vielen Landsleuten in
Bayreuth helfen, als Sozialreferentin
der Landsmannschaft und im Vorstand
der Kreis- und Ortsgruppe Bayreuth.
Seit 2002 ist Viktoria Wesner Vorsitzende der Kreis- und Ortsgruppe und
sorgt dafür, dass sich Aussiedler und
Einheimische durch Kulturveranstal-
Viktoria Wesner
tungen näher kommen. Darüber hinaus ist sie seit sechs Jahren Mitglied
des BdV-Vorstandes im Kreis Bayreuth.
2008 kandidierte Viktoria Wesner auf
der CSU-Liste für das Stadtparlament.
Aljona Heiser (43), Augsburg
Attraktive Chormusik, Leiterin des Chors “Heimatmelodie”
Vor ihre Ausreise 1991 studierte
Aljona Heiser Musik in Swerdlowsk. Im Hauptberuf Rechtsanwaltsfachangestellte (beim Bischöflichen Ordinariat Augsburg), engagiert sie sich seit Jahren ehrenamtlich für die Chormusik der Landsmannschaft.
1998 übernahm sie den Chor
“Heimatmelodie” der Orts- und
Kreisgruppe Augsburg. Seitdem
haben die 48 Sängerinnen und
Sänger des Chors bei den verschiedensten Veranstaltungen geAljona Heiser
glänzt.
Bei der Chorolympiade 2004 mit 360 Zusammen mit Anna Hosmann, LaChören und 18.000 Sängern wurden rissa Beller und Tatjana Zier hat Aljona
Aljona Heiser und ihr Chor (mit Wal- Heiser 2001 das Vokalquartett “Rudedemar Ungurs und Alexander Fertig mus” ins Leben gerufen.
auf dem Akkordeon) in der Kategorie Die zweifache Mutter findet außerdem
“Volkslieder mit Instrumentalbeglei- Zeit zum Komponieren; einige Lieder
tung“ mit der höchstmöglichen Punkt- hat sie zu Texten von Landsleuten wie
zahl und einem Silberdiplom bedacht.
Philippine Baumstark, Hartmut Beck
Der Chor tritt 30mal und häufiger pro und Johann Kampen verfasst.
Jahr auf. Sein Repertoire besteht aus ca. 2006 erhielt sie für ihr ehrenamtliches
50 Liedern in Deutsch, Russisch, Ukrai- Engagement den Ritterschlag des Ornisch und Latein (Kirchenlieder).
dens des Heiligen Georgs von Burgund.
9
Ehrenamt
Valentina Weissenberger
(54), Bad Kissingen
Engagement in der Kinder- und
Jugendarbeit bei der djo
Robert Rudi (52), Ingolstadt
Jugendarbeit mit Aussiedlern mit Schwerpunkt Suchtprävention
Beruflich umsatteln musste Robert
Rudi nicht nur einmal in seinem Leben. In Karaganda, Kasachstan, studierte er Agronomie und arbeitete im
Bereich Ackerbau und Landwirtschaft. 1993 reiste der zweifache Vater
mit seiner Familie nach Deutschland
aus, wo er sich auch beruflich neu
orientieren musste.
Valentina Weissenberger
Die ehemalige Lehrerin aus Kasachstan, Valentina Weissenberger, engagiert sich bereits seit Jahren ehrenamtlich bei der djo – Deutsche Jugend
in Europa.
In Bad Kissingen hilft Valentina Weissenberger Kindern und Jugendlichen
mit Migrationshintergrund bei ihrer
Integration. Sie unterstützt Grund- und
Hauptschüler bei den Hausaufgaben
und fördert sie durch Angebote der
sprachlichen Integration, wobei ihr vor
allem die Vermittlung von Lernhilfen
und Lerntechniken (“Lernen lernen”)
wichtig ist. Die Eltern werden in diese
Arbeit mit einbezogen.
In einem von ihr gegründeten “Mädchentreff” wird differenziert auf die
Wünsche und Bedürfnisse von Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren eingegangen. Einmal im Monat trifft man
sich dort mit einer Dipl.-Sozialpädagogin vom Gesundheitsamt für den Bereich sexualpädagogische Mädchenarbeit.
Neben den Gruppenangeboten gestaltet Valentina Weissenberger unterschiedliche offene Angebote für Kinder
und Jugendliche im Jugendtreff. Die
Elternarbeit ist auch in diesem Bereich
sehr intensiv und erfolgreich; Valentina
hat Kontakt zu allen Eltern, deren Kinder die Einrichtung besuchen.
Ihr vorbildliches Engagement ist ein
Beispiel dafür, wie russlanddeutsche
SpätaussiedlerInnen ihre mitgebrachten Fähigkeiten und Kompetenzen
zum Gemeinwohl einbringen können.
Rudi ließ sich bis 1998 zum Heizungs-,
Gas- und Wasserinstallateur ausbilden
und arbeitete danach in diesem Beruf
in Eichstätt und Ingolstadt.
Seit 2003 wirkt er erfolgreich in einem
anderen Bereich: Er ist Mitarbeiter der
“Sozialen Stadt” und im Gesundheitsamt Ingolstadt für das Modellprojekt
“Zur Suchtprävention und Betreuung
drogengefährdeter russischsprechender Aussiedler“ zuständig. 2004 bis
2007 absolvierte er eine Fortbildung
zum “Geprüften Sozialberater” mit
Schwerpunkt Migrationssozialarbeit
und ließ sich für die Mitarbeit in der
Suchtkrankenhilfe ausbilden.
Unter dem Dach des “Freundeskreises
Blaues Kreuz Deutschland” gründete
Robert Rudi
Rudi die Selbsthilfegruppe “Jugendliche Deutsche aus Russland” in Ingolstadt, die jungen Aussiedlern und Migranten hilft, sich von Drogen und Alkohol fernzuhalten. Am eigenen Beispiel
und mit verschiedenen Freizeit- und
Sportangeboten zeigen die Mitglieder
des Vereins, dass man ohne Drogen
und Alkohol besser leben kann.
www.jugendarbeit-ei.de/pages/jdr/
Ilona Laitenberger (36), Fürth
Engagement in der Kinder-, Jugend-, Eltern- und Multiplikatorenarbeit
Die Diplomsozialpädagogin
Ilona Laitenberger lebt seit
1992 in Deutschland. Im Herkunftsland Usbekistan hatte
sie begonnen, Psychologie in
Taschkent zu studieren. In der
neuen Heimat setzte sie ihre
Ausbildung fort und schloss
ein Studium der Sozialpädagogik an der FH Nürnberg ab.
Berufliche Erfahrungen sammelte sie beim Internationalen
Bund Fürth von 1994 bis 2002
im Arbeitsfeld “Eingliede- Ilona Laitenberger
rungshilfe für jugendliche
Aussiedler” sowie bei der Betreuung men Familie, Erziehung und Schule zuvon Mädchen- und Jugendgruppen.
ständig.
Seit Jahren engagiert sich die dreifache In den Jahren 2006 und 2007 engagierMutter auch ehrenamtlich in der Kin- te sie sich im Mütterzentrum Fürth in
der- und Jugendarbeit, unter anderem den Bereichen “Interkulturelle Koordibei der Landsmannschaft der Deut- nation” und Unterstützung von Frauen
schen aus Russland, wo sie Vorstands- mit Migrationshintergrund. Seit vorimitglied der Ortsgruppe Fürth ist.
gem Jahr kümmert sich Ilona LaitenIlona Laitenberger leitet seit 1999 eine berger bei “elan GmbH“ als KoordinaErziehungs- und Familienberatungs- torin der “Fürther Initiative für schulstelle in Fürth und ist dort für Beratun- pflichtige (Spät-)Aussiedler” (FISS) um
gen in russischer Sprache zu den The- Eltern- und Multiplikatorenarbeit.
10
Beruf und Selbständigkeit
Elli Colosof (46),
Fürth
Irina Schmidt (47),
München
Fachärztin für Allgemeinmedizin,
Inhaberin
einer hausärztlichen Praxis
Zahnärztin
mit deutscher Approbation,
betreibt eine eigene Praxis
30 Jahre ihres Lebens hat Irina
Schmidt der Medizin gewidmet, 19
davon der Zahnheilkunde. Von jung
auf war der Arztberuf ihr erklärtes
Traumziel.
Dr. Michael Retzlaw
Dr. Michael Retzlaw (58),
München
Leitender Oberarzt
in einem großen
Kinderchirurgischen Zentrum
Wer sein Kind den Händen von Dr.
med. Michael Retzlaw anvertraut,
kann sicher sein, dass er mit ihm einen Arzt mit höchstem medizinischem Wissen und fachmännischem
Können, mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein, Erfahrung und
Fingerspitzengefühl vor sich hat.
Seit Jahren genießt der Kinderchirurg
in München den besten Ruf. Geboren
wurde er in einer deutschen Familie im
nordsibirischen Peleduy. Nach der
Schule begann er sein Studium der Medizin in Alma-Ata, Kasachstan, und absolvierte die Hochschule mit Auszeichnung. Darauf folgte eine Ausbildung in
der Fachrichtung Kinderchirurgie an
der Uniklinik Alma-Ata. Seitdem ist
die Kinderchirurgie ein Gebiet, auf
dem sich der Chirurg immer mehr profiliert hat.
Nach der Ausreise in die DDR 1977
setzte Michael Retzlaw seine Ausbildung als Kinderchirurg in Leipzig und
Chemnitz mit Abschluss als Facharzt
erfolgreich fort. 1983 promovierte er
zum Doktor der Medizin; dabei erfand
er eine neue Darmanastomose-Technik
und erhielt dafür den Wissenschaftlichen Preis der DDR.
Seit 1989 lebt Michael Retzlaw in der
Bundesrepublik. 1993 ließ er sich in
München nieder, wo er inzwischen als
leitender Oberarzt in einem großen
Kinderchirurgischen Zentrum tätig ist.
“Ich bin sehr stolz, in Deutschland zu
leben”, sagt er.
Elli Colosof
Seit über einem Jahr betreibt Elli Colosof, Fachärztin für Allgemeinmedizin, eine hausärztliche Praxis in Fürth
bei Nürnberg. Vor der Ausreise nach
Deutschland 1999 hatte sie sich vorgenommen: “Wenn es die kleinste
Chance gibt, werde ich alles dafür
tun, um sie zu nutzen.”
Ihren geliebten Beruf wollte die Dipl.Ärztin aus dem sibirischen Barnaul
auf gar keinen Fall an den Nagel hängen; für den schlimmsten Fall hatte sie
noch das Krankenschwesterndiplom
parat.
Ganz schnell erkannte sie die harte Realität: Integration funktioniert nur,
wenn man sich selbst helfen will.
Deutschkurs, sechs Monate Theorie am
VIA-Institut für Bildung und Beruf von
Dr. Matthias Klug, ein Praktikum im
Krankenhaus St. Josef in Buchloe im
Ostallgäu, wo sie anschließend dreieinhalb Jahre arbeitete, und dann die Praxis von Dr. Romagnoli in Nürnberg alles Stationen auf dem Weg ihrer beruflichen Eingliederung.
Im September 2006 legte Elli Colosof
ihre Prüfungen ab. Sechs Jahre hatte
sie gebraucht, um hier das zu werden,
was sie vor der Ausreise bereits war.
Trotzdem ist sie heute überzeugt:
“Das war notwendig. Ohne die Kenntnis der hiesigen Gesetze, Strukturen
und Fachbegriffe hat man hier keine
Chance.”
Zuwanderer aus der GUS stellen den
Großteil ihrer Patienten, aber auch Türken, Griechen und Italiener sitzen in
der Warteschlange. Entsprechend vielsprachig sind auch die Praxishelferinnen an der Rezeption.
11
Irina Schmidt
Nach der Schule versuchte die Tochter
deutscher Eltern aus Kasachstan ihr
Glück im damaligen Leningrad. Ihr
erstes Brot verdiente sie als Sanitäterin,
dann folgte die Medizinische Fachschule und erst danach die Medizinische Hochschule mit Diplomabschluss
als Zahnärztin.
Nach Spezialisierungen im Bereich der
Prothetik arbeitete Irina Schmidt in St.
Petersburg, wo sie ab 1993 eine eigene
Praxis aufbauen konnte, und ab 1995
musste sie sich wieder durchsetzen,
diesmal in München. Seit zehn Jahren
ist sie dort als Zahnärztin mit deutscher Approbation tätig, seit zehn Jahren in der eigenen Praxis.
Ein neues Heim finden, die Sprache erlernen, sich in einem neuen Berufssystem zurechtfinden, Prüfungen und
Assistenzzeit hinter sich bringen, eine
neue Existenz aufbauen und sich einen
Namen erarbeiten - das alles hat die engagierte Frau bereits hinter sich. In ihrem Knochenjob musste sie viel Ausdauer, Geduld, Kraft, Optimismus und
Risikobereitschaft an den Tag legen.
“Trotz all dem sehe ich mich als einen
glücklichen Menschen, der seinen Beruf und das Leben liebt. Ich kann jedem nur raten, an den eigenen Träumen festzuhalten”, sagt Irina Schmidt.
Beruf und Selbständigkeit
Ella Schindler (31),
Nürnberg
Journalistin – Redakteurin
bei der “Nürnberger Zeitung”
Elvira Billmann (58)
und Ida Bakurin (51),
Nürnberg
Privatsprachschule ELVIDA ein gefragtes Sprachund Integrationszentrum
Seit ihrer Gründung im Sommer 2003
hat sich die private Sprachschule
ELVIDA, eines von zehn Sprachinstituten in Nürnberg (Kornmarkt 6), zu
einem gefragten Sprach- und Integrationszentrum entwickelt.
Waldemar Weber
Waldemar Weber (63),
Augsburg
Autor, Publizist, Übersetzer
und Verleger, Herausgeber der
“Deutsch-Russischen Zeitung”
Für den Autor, Publizisten, Übersetzer und Verleger Waldemar Weber
sind Sprache und Literatur Mittel der
Aufklärung und Umgestaltung. Er
studierte Germanistik und Slawistik
in Moskau, arbeitete als Kulturjournalist und machte sich einen Namen
als Übersetzer und Herausgeber westeuropäischer Lyrik und Prosa.
In mehreren Anthologien hat Weber so
gut wie die gesamte Klassik des deutschen Gedichtes des 20. Jahrhunderts
in russischer Sprache zugänglich gemacht. In den 90er Jahren leitete er ein
Seminar für Poetik und literarische
Übersetzung am Gorki-Literaturinstitut Moskau, hatte Gastprofessuren in
Wien, Innsbruck, Graz und Passau,
publizierte in russischen, russlanddeutschen, österreichischen und deutschen Periodika. 2002 erhielt er den
“Liechtenstein-Preis” des PEN-Clubs
Liechtenstein.
Vor einigen Jahren gründete er den
Verlag Waldemar Weber, den er zusammen mit seiner Frau Tatjana, einer
Germanistin, betreibt. Die Bücher des
Verlages behandeln Aspekte der russlanddeutschen und gesamtdeutschen
Geschichte. Einige Jahre war Weber Juryvorsitzender des Russlanddeutschen
Kulturpreises des Landes BadenWürttemberg.
Nachdem er bereits Mitte der 90er Jahre eine zweisprachige Zeitung herausgegeben hat, erscheint nun seine
“Deutsch-Russische Zeitung” seit Januar 2008 wieder in neuem Gewand.
Ella Schindler
In der Ukraine geboren und aufgewachsen, übersiedelte Ella Schindler
1992 im Alter von 16 Jahren mit ihrer
Familie nach Deutschland.
Schon in der Ukraine hatte Ella Schindler zwei Leidenschaften: Schwimmen
und vor allem Schreiben. Doch in der
neuen Heimat angekommen, musste
sie sich zuerst der Herausforderung
Sprache stellen, denn sie verfügte damals über keine Deutschkenntnisse.
Nach einem Sprachkurs sowie dem
Hauptschul- und Realschulabschluss
beendete sie ihre schulische Laufbahn
mit der Fachhochschulreife. Sie studierte Sozialpädagogik in Nürnberg
und arbeitete anschließend in England.
Zurück in Deutschland, sammelte Ella
Schindler Erfahrungen in der Presseund Öffentlichkeitsarbeit. Durch ein
Praktikum bei der “Nürnberger Zeitung” hatte sie ihren Jugendtraum wieder entdeckt: “Ich will Journalistin
werden!” Am 1. Oktober 2004, exakt
zwölf Jahre nach ihrer Ankunft in
Deutschland, schloss sich für sie der
Kreis, indem sie ein Volontariat bei der
“Nürnberger Zeitung” begann. Inzwischen arbeitet sie bei der Zeitung als
Redakteurin im Ressort “Die Region
und Bayern”.
Ella Schindler ist ein Mensch geworden, der sich in mehreren Sprachen
und Ländern heimisch fühlt. In vielen
Situationen hat ihr der Satz ihres ukrainischen Schwimmtrainers aus der Jugendzeit Mut gemacht: “Ich will, ich
kann, ich werde.”
12
Ida Bakurin (links)
und Elvira Billmann.
Um der harten Konkurrenz standzuhalten, bemühen sich die Schulgründerinnen Elvira Billmann und Ida Bakurin mit eigener Unterrichtsmethodik,
die vorwiegend auf Kommunikation,
viel Power und Kreativität basiert, den
Sprachunterricht für Zuwanderer aus
der GUS und vielen anderen Ländern
möglichst effizient und lebensnah zu
gestalten.
Wie der Schülerbestand in den derzeit
laufenden zehn Kursen ist auch das
Team der Schule international: Im
Sprachzentrum arbeiten zehn Deutschlehrer aus verschiedenen Herkunftsländern, eine Sozialberaterin steht
Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur
Seite.
Das Kürzel “ELVIDA” steht für “Elvira” und “Ida”, die nach langem Überlegen den Sprung in die Selbständigkeit
wagten. In vielen Berufsjahren sammelten sie Erfahrungen nicht nur als
Pädagogen, sondern auch hinsichtlich
der Organisation und Geschäftsführung einer Sprachschule.
Elvira Billmann, seit 1988 in Deutschland, unterrichtete viele Jahre Deutsch
in Perm und Alma-Ata, Ida Bakurin,
seit 16 Jahren in Nürnberg, arbeitete im
sibirischen Krasnojarsk als Lehrerin
und Übersetzerin. Beide konnten ihre
beruflichen Erfahrungen unter anderem an verschiedenen Sprachinstituten
erweitern.
ELVIDA Nürnberg
Tel./Fax: 0911-6608511
Beruf und Selbständigkeit
Irene Fitz (54), München
Generaldirektorin der Medizinischen Brücke GmbH
Mit Fleiß, großer Willensstärke und
ehrgeizigem Organisations- und
Kommunikationstalent hat Irene Fitz
reiche Erfahrungen gesammelt und
sich eine ganz neue Existenz aufgebaut: Sie ist Generaldirektorin der
Medizinischen Brücke GmbH.
Zusammen mit ihrem Mann, dem Journalisten Alexander Fitz, und zwei
Töchtern (eine dritte wurde in
Deutschland geboren) kam Irene Fitz
1991 nach Deutschland. Obwohl sie
Diplomabschlüsse als Theaterwissenschaftlerin und Psychologin in der Tasche hatte, wurde ihr schnell bewusst,
dass es keinen Sinn hatte, sich auf diese Bereiche zu konzentrieren.
1996 übernahm sie deshalb einen Begleitservice von Patienten, die aus den
Republiken der ehemaligen UdSSR zur
Kur hierher nach Deutschland kamen.
Rasch erweiterten sich dabei ihre Kontakte zu Kuranstalten und Medizinern
nicht nur in Deutschland, sondern
auch in Österreich und der Schweiz.
Als das Unternehmen sichere Erfolgsaussichten zeigte, beschlossen Irina
und Alexander Fitz, eine GmbH zu
gründen, die sich inzwischen auf verschiedene Dienstleistungen in den bes-
Irene Fitz
ten privaten Unikliniken Deutschlands
spezialisiert hat.
Die erfolgreiche Tätigkeit der GmbH
wird durch enge Kontakte mit führenden deutschen Kliniken und Herstellern medizinischer Technik gefördert,
aber auch durch eine enge Zusammenarbeit mit medizinischen Kapazitäten
europa- und weltweit.
www.med-most.de
Selbständiger Unternehmer, betreibt seit zehn Jahren ein Bauunternehmen
rfahrungen
als selbständiger Unternehmer und Manager hat der Bauingenieur für
Industrie-und
Zivilbau Artur
Grauberger bereits in seiner
alten Heimat,
dem sibirischen
Krasnojarsk, erArtur Grauberger
worben. Dort
baute er von 1991 bis zur Ausreise
1995 eine eigene Baufirma auf.
Dieses Wissen konnte er in Deutschland gut gebrauchen, um in seinem alten Beruf Fuß zu fassen. 1996 bis 1998
absolvierte er Meistervorbereitungskurse und legte die Prüfungen bei der
Handwerkskammer München und im
Ausbildungszentrum Bau der Elias
Holl lnnung in Augsburg ab.
Existenzgründung im Bereich
Telekommunikation, betreibt
das Technikcenter INTEAL
Andreas Axt
Artur Grauberger (54), München
E
Andreas Axt (36),
Augsburg
Seit 1998 betreibt der zweifache Vater
das mittelständische Bauunternehmen
Grauberger Bau mit einem Jahresumsatz von bis zu 2,5 Mio. Euro. Wie
Grauberger selbst stammen auch seine
Mitarbeiter, 16 bis 20 zuverlässige
Fachleute, aus der ehemaligen Sowjetunion.
Erfahrung und fachliche Kompetenz
werden in dem Unternehmen besonders hoch geschätzt. In den Jahren
2002 und 2004 hat es den Münchner
Fassadenpreis im Bereich Altbausanierung und Renovierungsarbeiten gewonnen.
2004 positionierte sich die Firma als
Generalunternehmer für schlüsselfertige Wohnanlagen im Großraum München, und vor über einem Jahr hat
Grauberger seinen Betrieb umstrukturiert: Von den bis dahin vorherrschenden Altbausanierungen stieg das
Unternehmen auf Neubau bzw.
Schlüsselfertigbau um.
www.grauberger.net
13
Mit dem von ihm selbst gegründeten
Technikcenter INTEAL hat Andreas
Axt das seltene Glück, einen Beruf zu
haben, der auch noch Spaß macht - in
einer Branche, die für ihn eine der allerinteressantesten ist, der Telekommmunikation.
Inzwischen hat er die meisten seiner
Träume verwirklicht. Neben dem beruflichen Erfolg gehören dazu ein Eigenheim, eine Familie mit zwei Kindern und nicht zuletzt die Möglichkeit
zu reisen: An der adriatischen Küste
hat er zusammen mit seinem Vater ein
Schnellboot liegen. “Schade nur, dass
ich nicht öfter als fünf bis sechs Tage im
Jahr am Steuerrad stehen kann. Die Arbeit wächst einem ständig über den
Kopf”, bedauert er. “Andererseits ohne Arbeit auch kein Spaß”, so sein
Motto.
In dieser Bemerkung ist ein wesentlicher Teil der Mentalität der Deutschen aus Russland enthalten: Fleiß
und Eigeninitiative sind Eigenschaften,
die bereits die Vorfahren in den ehemaligen Siedlungsgebieten hatten.
Mit 20 kam Andreas Axt nach Deutschland, suchte sich nach dem Sprachkurs
eine Arbeit und bildete sich gleichzeitig im Bereich Telekommunikation und
Existenzgründung weiter. Es war nicht
leicht, in der fremden Umgebung ein
sicheres Selbstvertrauen zu entwickeln,
eigene Erfahrungen zu sammeln, sich
auf dem Markt zu behaupten und Lücken für eigene Angebote zu finden.
Aber Andreas Axt hatte ein festes Ziel
vor Augen, in seiner Familie einen stabilen Rückhalt und einen unverwüstlichen Charakter.
www.inteal.de
Beruf und Selbständigkeit
Victor Dukart (50), Bad Abbach
Erfolgsschmiede - private Musikschule mit besten Noten an die Spitze
Victor Dukart kann auf viele Erfolge
in seinem Leben zurückblicken - die
private Musikschule in Bad Abbach
gehört dazu. Seit 1992 lebt der gelernte Musiker mit seiner musikalischen
Familie in Bayern; auch seinen drei
Kindern liegt die Musik im Blut.
Angefangen hat Victor Dukart mit
Sprachkurs und Aushilfsjobs, die Musik wollte er dabei jedoch nicht an den
Nagel hängen. 1999 übernahm er die
kommunale Musikschule mit 100 Schülern; seitdem hat sich die Zahl der
Schüler mehr als verdoppelt. Sie werden von zwölf qualifizierten Pädagogen unterrichtet.
Das Fächerangebot kann sich sehen
lassen: Akkordeon, Blockflöte, Chor, EGitarre, Gitarre, Keyboard, Klavier,
Knopfakkordeon, Melodica, Querflöte,
Schlagzeug, Violine, Gesang (Rock,
Pop, Jazz), Klarinette, Saxophon und
musikalische Früherziehung.
Bei Musikwettbewerben wie “Jugend
musiziert”, “Fränkischer Harmonikatag”, “Fröhliche Harmonika” oder
“Landesentscheid Deutscher Akkordeonmusikpreis” haben die Jungtalente
aus Bad Abbach ihr Können schon
mehrmals unter Beweis gestellt. Beim
“Fränkischen Harmonikatag” im Okto-
ber 2006 in Solnhofen erspielten sich
Victor Dukarts Schüler knapp die Hälfte der Preise - rund 20 Pokale nahmen
sie mit nach Hause!
Ein Beweis, dass er mit seiner Schule
auf dem richtigen Weg ist, ist ein
Sonderpokal, den er von seinen Schülern mit der Aufschrift “Victor Dukart.
Der beste Musiklehrer der Welt” bekommen hat.
TU-Absolventin, forscht im Bereich Biochemie und Immunologie
Natalia Wegner
in die Wissenschaft.
Nach der Grundschule besuchte sie das
Gymnasium Viktoriaschule in Darmstadt. 2003 belegte Natalia Wegner
beim Landeswettbewerb “Jugend
forscht” den 1. Platz im Fachgebiet Biologie und erhielt ein Forschungspraktikum für Polar- und Meeresforschung
beim Alfred-Wegener-Institut in Bre-
Stellvertretende Stationsleiterin
im Altenheim,
Ehrenamt in der Landsmannschaft
Victor Dukart
Natalia Wegner (24), München/London
Der hessische
Landeswettbewerb “Jugend
forscht” war für
die Abiturientin Natalia Wegner, die 1990 im
Alter von sechs
Jahren mit ihren
Eltern aus Kasachstan nach
Hessen
gekommen war,
das Sprungbrett
Anna Dondörfer (51)
Bayreuth
merhaven. Im gleichen Jahr sicherte sie
sich beim Bundeswettbewerb “Jugend
forscht” den 2. Platz.
Es folgten ein vierwöchiger Aufenthalt
am Smith College in der Nähe von
Boston, ein Empfang durch Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin
und der Umzug von Darmstadt nach
München, wo Natalia Wegner, gefördert durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, Biochemie an der Technischen Universität
München studierte.
Nach dem Studiumabschluss mit Auszeichnung im Herbst 2006 absolvierte
sie in London als Beste des Jahrgangs
ein forschungsbasiertes Master-Jahresstudium der Biochemie am Imperial
College London, einer weltweit hoch
angesehenen Universität. Seit 2007 arbeitet Natalia Wegner an der Medizinischen Fakultät des Colleges an ihrer
Doktorarbeit auf dem Gebiet Immunologie.
14
Anna Dondörfer
Deutschlehrerin von Beruf, arbeitete
Anna Dondörfer mehrere Jahre als
Schuldirektorin in Kasachstan. Seit
1992 lebt sie mit ihrer Familie in Bayreuth. Hier absolvierte sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin und ist
heute stellvertretende Stationsleiterin
in einem Altenheim.
Seit 1995 engagiert sich Anna Dondörfer bei der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und ist seit sechs
Jahren 2. Vorsitzende der Ortsgruppe
Bayreuth. Dort gilt ihr Hauptinteresse
der Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit;
sie moderiert die meisten Veranstaltungen, organisiert Ausflüge und Reisen
für Aussiedler und Einheimische.
Auch bei allen anderen landsmannschaftlichen Aktivitäten wirkt sie aktiv
mit: Auf Initiative der Ortsgruppe und
in Zusammenarbeit mit der Familienbildungsstätte, der Caritas, der Kirchen
und der Stadt Bayreuth beteiligte sie
sich an der Planung und Durchführung von Projekten wie “Integration
durch Bildung” und “Computerkurse
für junge Aussiedler” sowie Veranstaltungen wie Seniorentreffen, Heimatnachmittage, Jugendtreffen, Integrationsveranstaltungen oder Tanzabenden zusammen mit einheimischen
Deutschen. Bei der Organisation der
Interkulturellen Wochen und von Zusammenkünften mit bekannten Schriftstellern und Künstlern ist ihr Engagement ebenfalls nicht wegzudenken.
Kultur
Willi Bunkowski
(59), München
Künstler und Pädagoge,
leitet seit 25 Jahren
eine Kunstschule
Seit bald zwei Jahren hat die Kunstschule von Willi Bunkowski, die er
1983 in München ins Leben gerufen
hat, ein neues Ambiente in der Ottobrunner Straße 3: Im großen Außenbereich der Villa können sich die
Kunststudenten von der Natur inspirieren lassen.
Die Kunstschule, die mit vier Schülern
in der Schwanthaler Straße begonnen
hat, ist heute eine beliebte Lehrstätte
für Profis und Liebhaber. Das Konzept
kann man dem Programm entnehmen:
gegenständliches Zeichnen, Farb- und
Kompositionslehre, Aktzeichnen und
Anatomiestudien ebenso wie Kunstund Designgeschichte sowie Grafikdesign. In klassischer akademischer Tradition wird hier das grundlegende
Handwerk des Künstlers vermittelt.
Wie wichtig das ist, weiß der in Syktywkar, Republik Komi, geborene Bun-
Willi Bunkowski
kowski aus eigener Erfahrung. 1972
kam er nach Deutschland und setzte
sein Kunststudium an der Staatlichen
Akademie der bildenden Künste Stuttgart fort, das er 1980 als Dipl.-Grafik-
designer abschloss.
Danach sammelte er
Erfahrungen in einem Grafikatelier, bei
der Trickfilmproduktion und im Fernsehen.
Die Schule hatte im
Laufe der Jahre immer mehr Erfolg, u.a.
bei der Vorbereitung
auf weiterführende
Hochschulen
und
Akademien. Neben
dem täglichen Ausbildungsbetrieb werden dort auch Kurse
für Kinder und Jugendliche oder Ausstellungen
durchgeführt.
Willi Bunkowski, seit
1983 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler München, ist selbst produktiver Künstler,
beteiligt sich zusammen mit anderen
Künstlern an Gruppenausstellungen
und veranstaltet Einzelausstellungen.
www.arte-factum.net
Tatjana Domme (54),
Würzburg
Lehrerin aus Leidenschaft,
leitet ehrenamtlich
ein Kindertheater
Aus Kasachstan brachte die Lehrerin
Tatjana Domme bei ihrer Ausreisenach Deutschland im Jahr 1992 eine
kleine Bibliothek russischer Klassiker und eine 13-jährige berufliche Erfahrung mit. Von ihrem Traum, auch
hier Kinder zu unterrichten, musste
sie sich allerdings zunächst verabschieden.
Nach einem Arbeitsamtkurs für Altenpfleger arbeitete sie im Juliusspital,
Russisch und russisches Theater
unterrichtete sie ehrenamtlich in den
Volkshochschulen am Heuchelhof und
in Lengfeld.
Doch dann traf Tatjana Domme eine
Entscheidung fürs Leben: In Nürnberg
bestand sie 2002 die Prüfungen zur
staatlich anerkannten Russischlehrerin
in Deutschland, und heute ist die passionierte Lehrerin offiziell im Auftrag
des Schulamtes der Stadt Würzburg tätig und unterrichtet an drei Schulen
Russisch für ca. 120 Kinder aus der
ehemaligen Sowjetunion.
Auch ihre Leidenschaft Theater gibt sie
weiter: Mit ihrem Kinder- und Jugend-
Tatjana Domme und einige ihrer Schüler.
theater (über 50 Teilnehmer) tritt Tatjana Domme nicht nur in Schulen und
Kirchen auf, sondern auch bei Veranstaltungen der Ortsgruppe Würzburg
der Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland. Aufgeführt werden russische Märchen und Theaterstücke
15
nach Werken bekannter russischer Autoren.
Seit 2003 gibt Tatjana Domme in der
VHS Russisch auch für einheimische
Deutsche. Ihre Schüler sind zwischen
18 bis 70, und jeder hat seine Gründe,
die “schwere Sprache” zu erlernen.
Kultur
Robert Weber (70),
Augsburg
Reinhold Leis (68),
Landshut
Andreas Peters (50),
Bad Reichenhall
Dichter, Prosaiker, Übersetzer
und Herausgeber
Lyriker und Übersetzer – schreibt
Gedichte, Fabeln und Märchen
Lyriker und Erzähler –
Publikationen und Auszeichnungen
Robert Weber
Reinhold Leis
Andreas Peters
Robert Webers Weg in die Literatur
führte über einige Um- und Irrwege:
Ausbildung als Elektriker, Jugendtraum Schauspieler, Medizinstudium,
erste Schritte in der Poesie... 1961-1966
Sprachstudium (Deutsch und Englisch) in Moskau und Lehrtätigkeit.
Der Lyriker und Übersetzer Reinhold
Leis wurde 1941 als Kleinkind von
der Wolga nach Sibirien deportiert.
Seit 1977 lebt der Lyriker und Erzähler, Kinderbuchautor und Liedermacher Andreas Peters in Deutschland.
Mit 15 wurde er Schlosserlehrling und
anschließend Schlosser in einer Reparaturwerkstatt. 1962 bis 1966 studierte
Reinhold Leis Deutsche Sprache und
Literatur an der Pädagogischen Hochschule Omsk und war anschließend
Dozent an der Pädagogischen Hochschule Koktschetaw, Nordkasachstan.
Er verfasste zahlreiche methodische
Abhandlungen zum Deutschunterricht
in den Schulen und ein Lehrbuch zur
deutschen Literatur. Ab 1986 war er
Mitarbeiter der deutschsprachigen Zeitung “Freundschaft“ in Alma-Ata.
Seit 1992 lebt Leis in Landshut. 45 Jahre lang ist er literarisch tätig, schreibt
Gedichte, Fabeln und Märchen, übersetzt Dichter aus dem Russischen. Ein
feiner satirischer Ton beherrscht seine
Parabeln auf das Alltagsleben und die
Fabeln über soziale Missstände und
menschliche Schwächen. Zahlreiche
Veröffentlichungen in Zeitungen, Almanachen und Sammelbänden.
Aus seiner früheren Schaffensperiode
ist das Sonett “Die Muttersprache” bekannt. In den letzten 30 Jahren wurden
weitere seiner Werke verlegt, unter anderem “Pflichttreue. Gedichte” (AlmaAta, 1978), “Reimmärchen” (Alma-Ata,
1980), “Gedichte” (Moskau, 1986), “Die
Flügel erstarken im Flug” (Alma-Ata,
1987), “Prinzessin mit knusperbraunen
Fingern. Märchen” (Alma-Ata, 1989)
und “Das Tier-Alphabet von A-Z”
(Selbstverlag Landshut, 1994).
Er studierte Theologie, Philosophie
und Krankenpflege in der Schweiz, in
Gießen und Frankfurt/Main. Als Pfleger und Seelsorger war er an der Universitätsklinik Gießen tätig, gegenwärtig ist er Pastor der Evangelischen Freikirche Bad Reichenhall und Pfleger an
der Nervenklinik Salzburg.
Peters ist Mitglied des Literaturkreises
der Deutschen aus Russland und hat
mehrere Buchveröffentlichungen aufzuweisen: “Einmischung in innere Angelegenheiten. Erzählungen” (2001),
“Einspruch, Euer Ehren! Gedichte”
(2001), “Dichten und Trachten. Gedichte” (2002), “Kinder, Narren und die
Wahrheit. Kindergeschichten” (2005),
“Atemwege und Speiseröhren. Gedichte” (2005), “Menschenkinder. Erzählungen und Gedichte“ (2006), “Hinterm Kreuz die Lichtung - Schatten
über Bad Reichenhall. Die EishallenTragödie” (2007), “Der Frost stellt Bilder aus” (2008).
Die Anregungen für seine Gedichte
und Geschichten sind aus dem Leben
gegriffen, und sie nehmen Bezug auf
eigene Befindlichkeiten – Erinnerungen aus der alten Heimat Kirgisien und
Erfahrungen eines Lebens verweben
sich zu einer Einheit.
2005 erhielt Peters den Literaturpreis
“Preis des Lebens” und war Preisträger
bei “best german underground lyriks”.
Lesungsanfragen:
[email protected]
Damals hatte er sich mit seiner kühnen
Dichtkunst schon einen Namen gemacht. 1967 wurde Weber literarischer
Mitarbeiter der deutschsprachigen
Zentralzeitung “Neues Leben”; jahrzehntelang prägte er die Wochenschrift
mit seiner Dichtung, seinen Prosawerken und publizistischen Schriften.
Die thematische Spannbreite der Poesie
Robert Webers reichte von Liebes- und
Gedankenlyrik über Heimatgedichte
und Naturlyrik bis zur politischen und
gesellschaftlichen Bekenntnislyrik. Seine Dichtkunst überraschte durch frische Bilder und unerwartete Kontraste,
durch leidenschaftliche Aussagekraft
und gewagte Metaphern – das hatte
Seltenheitswert in der damaligen russlanddeutschen Literaturszene.
Johann Warkentin bezeichnete Weber
als die “Galionsfigur unserer zaghaften
sowjetdeutschen Moderne” und als Repräsentanten der russlanddeutschen
Lyrik schlechthin. Als Mitglied im
Schriftstellerverband der UdSSR war er
mehrere Jahre Vorsitzender der Kommission für russlanddeutsche Literatur.
Seit einigen Jahren lebt er in Augsburg,
wo er sein früheres Faible für Übersetzungen entdeckt hat. Er verfasst Liedertexte und beteiligt sich an Lesungen.
16
Kultur
Alexander Fitz (60), München
Publizist, Prosaiker, Drehbuchautor - Auszeichnungen und Literaturpreise
Der Publizist, Prosaiker und Drehbuchautor Alexander Fitz studierte
Journalismus an der Universität
Taschkent und arbeitete danach in
verschiedenen Zeitungen in Mittelasien.
Ab Mitte der 80er Jahre war Fitz aktiver
Teilnehmer der Bewegung für die
Wiederherstellung der Rechte der repressierten Völker in der Sowjetunion
und Delegierter der ersten beiden Kongresse der Deutschen in der UdSSR.
1991 reiste er mit seiner Familie nach
Deutschland aus. Als Journalist arbeitet er für Publikationen in Deutschland, Russland und den USA. Seine
russischsprachigen Bücher thematisieren u.a. das folgenschwere Schicksal
der Russlanddeutschen.
Fitz ist Mitglied der Schriftstellerverbände Russlands und Deutschlands.
Sein herausragender Beitrag zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland wurde mit der Tjutschew-Medaille (2003),
dem Lomonossow-Orden (2005) und
Marina Kondrasch (41),
Straubing
Klavierlehrerin
und Kirchenmusikerin,
betreibt das “Musikstudio Julia”
Alexander Fitz
der Puschkin-Medaille (2007) gewürdigt. Er ist Preisträger des Allrussischen Nikolaj-Rubzow-Literaturpreises (2005) und wurde mit der “Goldenen Jessenin-Medaille” des Russischen
Schriftstellerverbandes ausgezeichnet.
2008 erhielt er für sein Buch “Die Rückkehr des verlorenen Deutschen” die
“Goldene Feder von Moskowien“ des
Schriftstellerverbandes Russlands.
www.pereplet.ru
Nadja Runde (37), Dingolfing
Die Autorin erzählt phantasievolle Geschichten für Kinder
In den Versmärchen von Nadja
Runde geschehen die wundersamsten Dinge: ein Teig geht
spazieren (“Das Märchen vom
Hefeteig”), ein Wal schluckt eine
ganze Flotte (“Potti der Wal”),
und auch in ihrem neuesten
Buch “Das weiße Krokodil” mit
Reimmärchen für Kinder geht es
spannend zu.
Eva Rönnau, Viktor Heinz, Reinhold Leis und Ulrich Henkys haben ihre Märchen und Verse aus
dem Russischen übersetzt. Die Nadja Runde
hübschen Illustrationen stammen
von Ljubov Jerjomina.
Kinderbuches erhielt die Dichterin eine
In ihren Büchern (alle im Verlag Robert UNESCO-Auszeichnung, 2000 war sie
Burau erschienen) geht es meist um eine der Preisträgerinnen des InternaTiere. Mit Tieren und Büchern ist sie in tionalen Kulturfestivals in Kasachstan.
Kasachstan aufgewachsen; dorthin Seit sieben Jahren lebt Nadja Runde
wurden ihre deutschen Vorfahren aus mit ihrer Familie in Dingolfing, wo sie
dem Kaukasus deportiert.
ein Theaterstudio für Kinder ins Leben
Schon ganz früh wusste Nadja Runde, gerufen hat. Sie ist Mitglied des Literadass sie Schriftstellerin werden will. Sie turkreises der Deutschen aus Russland,
studierte in Kustanai Russische Spra- bekommt Anerkennung für ihre Büche und Literatur, arbeitete danach als cher und wird zu Lesungen eingeladen.
Lehrerin. 1996 erschien ihr erster Lyrikwww.litkreis.de
band. Für den Entwurf ihres ersten
www.bmv-burau.de
17
Marina Kondrasch
Nach der Mittelschule in Karaganda,
Kasachstan, studierte Marina Kondrasch bis 1987 an der Musikfachschule “Soduron Kolisa” in Leninabad,
Tadschikistan; Abschluss Klavier mit
der Qualifikation als Lehrerin für
Kindermusikschulen und Konzertmeisterin.
Bis zu ihrer Ausreise im Jahr 1995 nach
Deutschland arbeitete Maria Kondrasch als Klavierlehrerin an einer Kindermusikschule in Kairakkum, Tadschikistan.
Ihr Abschluss wurde in Deutschland
gleichgestellt mit der staatlichen Musikreifeprüfung im Hauptfach Klavier
an einer deutschen Fachakademie für
Musik bzw. einem deutschen Konservatorium. In den Jahren 1996 bis 2000
absolvierte die zweifache Mutter zusätzlich ein Orgelstudium bei der Dekanatskantorin Ulrike Steinmetz an der
Evangelischen Gesamtkirche Regensburg mit Abschluss als Kirchenmusikerin.
Seit Januar 1997 ist sie Organistin bei
der Evangelischen Kirche Bogen.
Gleichzeitig arbeitete sie bis 1998 als
Klavierlehrerin an der Musikschule
Rieder in Straubing, danach als Klavierlehrerin am Privaten Musikinstitut
Ostbayern und an der Privaten Musikschule Bad Abbach. Seit über zwei Jahren betreibt Marina Kondrasch das
“Musikstudio Julia” in Straubing.
Ihre Schüler nehmen regelmäßig am
bundesweiten Musikwettbewerb “Jugend musiziert” teil und gehören immer zu den Preisträgern.
Kultur
Lina Neuwirt (58),
Möttingen
Sängerin und Liederautorin,
Auftritte bundesweit
Viktoria (34) und Heinrich Lein (44), München
Musiker und Entertainer, betreiben die Künstleragentur Lein-Up
Seit Jahren begeistert das
“Münchner Duo“ Viktoria und Heinrich Lein das
Publikum mit musikalischer Unterhaltung. Beide
sind ehemalige Schauspieler des Deutschen
Theaters Alma-Ata, Kasachstan, und seit 1994 in
Deutschland; in München
betreiben sie die Künstleragentur Lein-Up.
Lina Neuwirt
Durch ihre Auftritte machte sich die
Sängerin und Liederautorin Lina
Neuwirt schon in der ehemaligen Sowjetunion einen guten Namen.
1989 gründete sie die Volkskunstgruppe “Morgenlicht” in Sowetskoje,
Gebiet Nordkasachstan, mit der die
Musikerin (Studium an der Pädagogischen Hochschule Omsk) Regionen
Kasachstans und Sibiriens bereiste.
Das Ensemble interpretierte überwiegend Lieder, die Lina Neuwirt komponiert hatte, aber auch alte deutsche
Stimmungslieder gehörten zum Programm. Das Lied “Mein Heimatdorf”
von Lina Neuwirt wurde zum Lieblingslied vieler Russlanddeutschen.
Ihre Gruppe sang u.a. beim Festival der
Deutschen Kultur in Alma-Ata 1990,
bei den “Wiedergeburt”-Kongressen in
Moskau und wurde 1992 zum Bundestreffen der Deutschen aus Russland
nach Stuttgart eingeladen.
Mittlerweile sind alle ehemaligen Sänger der Gruppe in Deutschland. Lina
Neuwirt lebt seit 1993 in Bayern; einige
Jahre sang sie in einem einheimischen
Chor in Nördlingen, trat bei landsmannschaftlichen Wanderausstellungen und anderen Veranstaltungen auf,
auch mit neuen Liedern wie “Bayern
ist schön” oder “In Nördlingen bin ich
verliebt”, die immer gut ankommen.
Inzwischen hat sie eine Ausbildung als
Erzieherin absolviert und arbeitet in einem privaten Förderzentrum der “Lebenshilfe”. Hier leitet sie den Kinderchor “Singende Herzchen”, mit dem
sie in Krankenhäusern und Altenheimen auftritt.
Das Duo tritt auf, präsentiert andere Künstler und Viktoria und Heinrich Lein
fördert junge Talente. Als
Musiker und Entertainer bieten Vikto- Songs und tritt viel auf. Seit 2003 beria und Heinrich Lein ein umfangrei- geistert die Sängerin beim Schülerfestiches Programm für Show-Events, Ga- val “Young and Free” in Nürnberg.
las und Feste.
Sie gibt erfolgreich Gesangunterricht;
Viktoria Lein war schon mit 19 Vokal- unter anderem stammt Gracia Baur
repetitorin am Deutschen Schauspiel- (“Deutschland sucht den Superstar”)
theater Alma-Ata und sang deutsche aus Viktorias Gesangsschmiede. Die
Schlager in der Musikgruppe “Rhyth- Hälfte ihrer Schüler kommt aus russmus-72” in Batamschinsk, Aktjubinsk, landdeutschen Familien, etwa die
deren Mitbegründer und Solisten ihre Nachwuchstalente Alwine März, Maria
Eltern waren. Sie spielt Klavier, Key- Musaev, Iris Beirith oder Julia Bauer.
board und Gitarre, schreibt eigene
www.leinup.de
Dr. Andreas Meier (54), Fürth
Die Liebe zur Musik liegt in der Familie
Das Interesse für das Akkordeon entwickelte sich bei Dr. Andreas Meier
schon in früher Kindheit - sein Großvater spielte das Instrument leidenschaftlich gern.
Er absolvierte die Musikschule in Pawlodar, Kasachstan, studierte danach an
der Musikfachhochschule Alma-Ata
(Dipl.-Musiklehrer für Akkordeon und
Klavier) und an der Kunsthochschule
Frunse, Kirgisien, mit Abschluss als
Dipl.-Musikpädagoge für Akkordeon,
Klavier und Orchesterleitung.
Während seiner Wehrdienstzeit spielte
er im “Tanz- und Gesangsensemble der
Sowjetarmee”. Danach war Andreas
Meier zehn Jahre lang Dozent und Dekan an der Kunsthochschule Frunse.
1988 bis1993 promovierte er in Moskau
am Lehrstuhl für Psychologie und Pädagogik.
Seit 1993 leben die Meiers in Fürth und
beteiligen sich aktiv am öffentlichen
Leben. Von 1998 bis 2006 leitete Dr.
Meier das Akkordeonorchester in
Oberasbach. Von Anfang an war er als
Musiklehrer und -therapeut tätig.
18
Dr. Andreas Meier
Zwölf seiner Musikschüler haben bereits mit Erfolg am Wettbewerb “Jugend musiziert” teilgenommen. Seit 14
Jahren arbeitet Dr. Andreas Meier als
Musiktherapeut im Bezirksklinikum
Ansbach.
Seine Kinder Arthur (Studium Dipl.Musikpädagoge, Altsaxophon) und
Christine (Studium Dipl.-Musikerin,
Violine; bekam den Talentpreis des
Theatervereins Fürth) sind in die Fußstapfen des Vaters getreten.
Kultur
Alexander Schröder (53), Würzburg
Virtuose auf dem Akkordeon, betreibt eine Akkordeonschule
Ewald Oster (57),
Schweinfurt
Mit Musik durchs Leben,
engagiert bei der Landsmannschaft
Als sich die Familie Schröder
1993 in Würzburg niederließ,
hatte Alexander Schröder zwanzig Berufsjahre als Musiklehrer
hinter sich.
Wenige Monate nach dem
Sprachkurs unterrichtete er hier
bereits an einer Musikschule
Akkordeon und gab Privatunterricht. Seit 1999 ist er selbständig und betreibt eine Akkordeonschule.
Seine Kinder folgen ihm musikalisch nach. Lilli und Alexander Alexander Schröder mit seinen Kindern Lilli und
jun. lernten in Kasachstan Geige Alexander.
und Akkordeon und waren so
gut, dass sie ihre Musikausbildung in lerweile sehr beliebt, treten bei KulturWürzburg fortsetzen konnten.
festen und landsmannschaftlichen VerZum Beruf will aber nur Alexander die anstaltungen auf. In ihrem Repertoire
Musik machen; er studiert Akkordeon haben sie klassische Werke aus vielen
an der Hochschule für Musik Nürn- Ländern sowie Volksmelodien aus
berg. Lilli dagegen hat ein Jurastudium Russland und Deutschland. Vater Alean der FH Aschaffenburg mit Schwer- xander leitet außerdem ein Kinderpunkt Wirtschaftsrecht absolviert.
Akkordeonorchester der Musikschule
Die Schröders sind in Würzburg mitt- und seit 2001 einen Aussiedlerchor.
Familienorchester Hubert, Bayreuth
Spielt Klassik in allen Variationen, Auftritte bundesweit und im Ausland
Als die Huberts 1993 aus Nowokusnezk, Sibirien, nach
Deutschland kamen, spielten
von den 31 Mitgliedern der
Großfamilie 16 im Orchester.
Bereits am vierten Tag ihres
Aufenthalts musizierten sie
in der Kirche des Aufnahmelagers.
Bald beeindruckte das Familienorchester die Zuhörer in
Bayreuth, Nürnberg, Stuttgart, Wiesbaden und anderswo mit Musik vom Barock bis Auftritt beim Bundestreffen der Landsmannschaft in
zur Gegenwart und perfektem Wiesbaden 2007.
Zusammenspiel von Violinen,
Bratschen, Celli und Kontrabass.
bekannt wurde. Mit den NowosibirsAls Familienorchester waren die Hu- ker Philharmonikern reisten die Huberts schon in Russland bekannt. Die berts sogar nach Rom. Mehrfach spielEltern Peter und Erna Hubert sorgten te das Hubert-Orchester bei Festivals
dafür, dass ihre sieben Kinder eine ge- der deutschen Kultur.
diegene Musikausbildung erhielten: Auch in Deutschland sind viele MusiFrieda und Ferdinand spielen Akkor- ker aus der Familie pädagogisch tätig
deon, Albert, Richard, Erika und Emi- und spielen im Familienorchester, das
lia Geige, Eduard Klavier.
aus dem kulturellen Leben Bayreuths
Später arbeiteten fünf Geschwister in nicht mehr wegzudenken ist. 2007
einer Musikfachschule und gründeten sorgte das Orchester beim Bundestrefein Kammerorchester, das durch Auf- fen der Landsmannschaft für den mutritte, auch im Fernsehen, landesweit sikalischen Rahmen der Feierstunde.
19
Ewald Oster
Als Kind zog Ewald Oster mit seinen
Eltern aus Russland nach Usbekistan,
wo er aufwuchs und im Kulturhaus
von Tschirtschik bei Taschkent begann, Musik zu machen.
Dort wurde das 15-jährige Musiktalent
als Kandidat für eine musikalische Militärausbildung (vergleichbar mit einer
Musikfachschule) entdeckt, die er 1964
bis 1966 in der Fachrichtung Trompete
absolvierte. Danach folgten einige Jahre Armeedienst als Musiker im Militärorchester. 1976 spielte Oster im “Musik-Chol“ der Usbekischen Philharmonie und zog mit Konzerten durch die
Sowjetunion.
1977 wanderte er mit seiner Familie
nach Deutschland aus und siedelte sich
in Unterfranken an. Fast 20 Jahre arbeitete er in der Logistikabteilung der Firma FAG. In dieser Zeit musizierte er
auch mit namhaften deutschen Künstlern, darunter Marianne und Michael,
Franz Lang, Winfried Stark und seine
Steigerwälder, das Struwwelpeter Sextett und der Elmus Express. Zusammen mit diesen Musikern ging er auf
Auslandstourneen, die ihn beispielsweise nach Florida, Los Angeles, Ungarn und Holland führten. Zurzeit betreibt er eine Toto-Lotto-Annahmestelle.
Seit 30 Jahren ist Ewald Oster aktiv in
der Landsmannschaft, seit 2001 Vorsitzender der Orts- und Kreisgruppe
Schweinfurt. 2008 kandidierte er auf
der “Schweinfurter Liste” für den
Stadtrat.
Kultur
Regina Scheiermann (30),
Würzburg
Musikerin, Sängerin, Chorleiterin Engagement
in der Kinder- und Jugendarbeit
Regina Scheiermann
Als die Familie Scheiermann 1987 aus
Usbekistan nach Deutschland kam,
war Regina erst neun. Gesangs- und
Musikunterricht hatte sie bereits bei
ihrer Mutter Margarita, einer Musikpädagogin.
Die Liebe zur Musik gehört zur Familientradition: Schon der Großvater mütterlicherseits war Orchesterleiter, die
Großmutter Sängerin.
Als Schülerin stand Regina ihrer Mutter, die ehrenamtlich musikalische Kinderarbeit leistete, stets als Sängerin
oder instrumental zur Seite. Nach dem
Abitur studierte sie an der Hochschule
für Musik in Würzburg (Instrument
und Gesang) mit Abschluss als Diplom-Musiklehrerin. Ihre Vokalausbildung setzte sie in Nürnberg fort und
erhielt ein “Diplom als Künstlerin”.
Schon als Studentin trat Regina Scheiermann mit Opernarien und klassischem Gesang auf. Ehrenamtlich leitete
die engagierte Musikerin einen Kinderchor, unterrichtete Klavier, Gitarre und
Flöte. Inzwischen unterrichtet Regina
an der Städtischen Sing- und Musikschule Würzburg Musikalische Früherziehung, Flöte, Klavier, Gesang und
andere Fächer und leitet einen Kinderchor.
Neben der pädagogischen Tätigkeit
gibt sie Solokonzerte und tritt zusammen mit anderen Künstlern auf.
Sie beeindruckte mit ihrem Können bereits Musikfreunde in Polen, Ungarn,
China und Japan.
Waldemar Keer (54), Landau/Isar
Musiker und Sammler von Liedtexten und Musiknoten
In Zelinograd (heute Akmola) absolvierte Waldemar Keer eine Musikschule (Posaune). Anschließend studierte er zwar Bauwesen und war bis
1988 in der Baubranche tätig, doch die
Musik blieb seine Passion.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion studierte Keer außerdem Gitarre und arbeitete als Musiklehrer.
Die Gründung der russlanddeutschen
Gesellschaft “Wiedergeburt” 1989 in
Zelinograd eröffnete Keer ein neues
Betätigungsfeld. Ehrenamtlich leitete
er das Kinderensemble “Nachtigall”,
den Jugendchor “Rosmarin” und den
Seniorenchor “Späte Blumen”. Zum
Repertoire gehörten deutsche Volkslieder, klassischer Gesang und Lieder zu
Höhepunkten des Kirchenjahres. Im
deutschen Café “Hannover”, dessen
Mitbegründer er war, leitete Keer eine
Unterhaltungskapelle. Vor der Auswanderung nach Deutschland Ende
1997 unterrichtete er “Theater und
deutsche Volkskunst” am deutschen
Gymnasium in Akmola.
Waldemar Keer
Keer spielt einige Musikinstrumente,
schreibt Sätze und Arrangements für
Akkordeon und Gitarre sowie Sätze für
Chor und Ensembles, darunter der Orchesterverein Dingolfing-Landau.
Außerdem ist Keer ein leidenschaftlicher Sammler von Liedtexten und
Musiknoten und hat mehr als 1.000
Volkslieder zusammengetragen.
Nikolai Lagoida (42), Würzburg
Kunstmaler und Raumgestalter mit zahlreichen Ausstellungen
Nach seiner Ausbildung an der
Kunstfachschule Krasnodar mit Abschluss als Diplomfachlehrer für
Zeichnen und Malen arbeitete Nikolai Lagoida als Designer und Auftragskünstler in Iwanowo, Russland.
Seit 1995 lebt Lagoida mit seiner Familie in Ochsenfurt; seine Frau Elena ist
Mediengestalterin in einem Verlag und
eine kreative PR-Managerin. Im Kolping-Bildungszentrum Schweinfurt
hatte er 1996 zum ersten Mal die Möglichkeit, seine Arbeiten der Öffentlichkeit vorzustellen. Seit 1999 arbeitet er
als freischaffender Künstler.
Er ist nicht nur ein renommierter Ausstellungskünstler, sondern auch ein
hochgeschätzter Auftragsmaler für
Porträt- und Wandmalerei. Er beteiligt
sich regelmäßig an Ausstellungen,
Künstlersymposien (Deutschland, Italien, Russland) und Kunstaktionen in
Würzburg.
Seine Werke (Ölbilder, Porträts, Grafiken, Aquarelle, Wandmalereien und
Raumgestaltungen) zeigen unter dem
Motto “Schönheit rettet die Welt” seine
neue fränkische Heimat und Spuren
20
Nikolai Lagoida
der Vergangenheit. Sie waren bei vielen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen zu sehen. Lagoidas Bilder sind
in Galerien und Museen in Russland
sowie in Privatsammlungen in den
USA, in Israel, Russland, Kanada,
Tschechien und Frankreich vertreten.
www.lagoida.meinatelier.de
Kultur
Andreas Prediger (81), Bad Reichenhall
Auf den Spuren der Leidensgeschichte der Russlanddeutschen
Vladimir Karius (50),
Nördlingen – Nürnberg
Vielseitiger Künstler
mit Lust zum Experimentieren
Die russlanddeutsche Leidensgeschichte hat einen
festen Platz im Schaffen von
Andreas Prediger. Hungersnot, Tod ihm nahe stehender
Menschen,
Zwangsarbeit
und Erniedrigungen – das
alles hat der deportierte Wolgadeutsche selbt miterlebt.
Von seinem 17. bis 28. Lebensjahr war er Zwangsarbeiter in
einer Kohlengrube bei Kemerowo. Trotzdem schaffte er
es, seinen Traum vom Künstlerberuf zu verwirklichen. Er Andreas Prediger
ließ sich zum Lehrer für Malen und Nachbarn zu rufen. Auch die Natur
Zeichnen ausbilden und arbeitete als seiner neuen Heimat hat er inzwischen
Kunstlehrer in der Schule und als De- in drei Einzel- und zahlreichen Grupkorateur in Prokopjewsk.
penausstellungen präsentiert.
Ab 1967 stellte er mehrfach aus, 1991 Andreas Prediger ist Mitglied des “Arbei der ersten Ausstellung russland- beitskreises bildende Kunst” der
deutscher Künstler in Moskau.
Landsmannschaft und seit 1998 im
Seit 1993 ist Prediger in Bad Reichen- “Künstlerverband der Laufener Palethall ansässig und hat es sich zur Auf- te”. 2000 wurde ihm die “Ehrengabe
gabe gemacht, mit seiner realistisch- des Kulturpreises für bildende Kunst”
plakativen Kunst das Schicksal der des Russlanddeutschen Kulturpreises
Volksgruppe in das Bewusstsein seiner des Landes Baden-Württemberg verlieLandsleute und der einheimischen hen.
Johannes Sommer (86), Amberg
Bildhauer aus Sibirien - lässt die Kunst für die Aufklärung arbeiten
In Russland hatte Johannes Sommer
mehr als 30 Ausstellungen in Rayonzentren und Städten der Altairegion und Sibiriens. Dabei musste der
Zeitzeuge, der an der Wolga und in Sibirien alle Schrecken des stalinistischen Terrors erlebte, immer wieder
erzählen, dass die Deutschen, die in
der Sowjetunion lebten, einmal eine
autonome Republik an der Wolga
hatten und nicht Kriegsgefangene
oder deren Nachkommen waren.
Als er 2003 mit seiner Familie aus Barnaul nach Deutschland kam, organisierte er mit der VHS Amberg-Sulzbach eine Wanderausstellung, die inzwischen in Dutzenden Orten des
Kreises weilte. Mit seinen Plastiken
und Plakaten berichtete er über das
Kollektivschicksal der Volksgruppe.
1958 hatte Sommer die Kunstuniversität in Moskau absolviert und konnte
in seinem Beruf als Bildhauer Anerkennung genießen. 1975 wurde er in
den Kunstverband aufgenommen und
erhielt 1997 den Ehrentitel “Verdienter
Johannes Sommer
Kulturschaffender der Russischen Föderation”.
Im Mittelpunkt seiner Kunst steht der
schaffensfreudige Mensch in seiner
ganzen Vielfalt. Sommer hat 14 Monumente und Denkmalkomplexe sowie
über 150 Porträts und Kompositionen
seiner Zeitgenossen geschaffen. Über
40 seiner Werke befinden sich in Kunstgalerien und Museen Russlands und in
einigen deutschen Privatgalerien.
21
Vladimir Karius
Vielfältigkeit und Experimentierfreude liegen in der Natur von Vladimir
Karius; so entsteht Schönes in Holz,
Farbe oder Stein. Mit besonderer Vorliebe arbeitet der Künstler mit Holz
und Wurzelstöcken von Bäumen.
Im sibirischen Barnaul erlernte er den
Beruf eines Diamantenverzierers, studierte später Architektur und arbeitete
danach als Dekorateur und industrieller Formgestalter in Betrieben, zuletzt
als Restaurateur des Feuerwehrmuseums.
Seit 2002 lebt Karius mit seiner Familie
in Deutschland, zunächst in Nördlingen und jetzt in Nürnberg. Hauptberuflich restaurierte er alte Möbelstücke
in einer Tischlerei und schuf dann
Steinplastiken in der Steinwerkstatt
Löffler.
Seine Schnitzereien, Wurzelplastiken,
Steinskulpturen, Aquarelle und Ölbilder zeigte Karius bereits mehrmals bei
Gruppenausstellungen mit der Russisch-Deutschen Künstlergesellschaft
Nürnberg, wo er seit 2005 Mitglied ist.
In Reimlingen stellte er zusammen mit
Alexander Wachtel aus Kasachstan
und Wladimir Barantschikov aus Kirgisien aus. In Nördlingen präsentierte
er sich mit Sergej Belosjorow-Österlein,
der wie er selbst aus Sibirien kommt.
Bei den Deutschen Baumpflegetagen in
Augsburg stellte er mit einheimischen
Künstlern aus, und von April bis Ende
Juni 2008 zeigte Karius, unterstützt
vom Steinmetzbetrieb Löffler, seine
kreative Palette im Bildungs- und Tagungshaus Reimlingen.
Kultur
Anna Hergert (31),
Bad Neustadt a.d. Saale
Tanzgruppen “Crazy Dancer” –
Jugend engagiert sich
Fünf Tanzgruppen sind unter dem
Namen “Crazy Dancer“ vereint. 2001
wurden sie von der Tanzleiterin Anna
Hergert gegründet und trainieren seither beim TSV Brendlorenzen. Die
Tanzgruppen sind Mitglied der djo Deutsche Jugend in Europa und vereinen ca. 80 Teilnehmer im Alter von
fünf bis 24 Jahren.
Seit Jahren ist der Name “Crazy Dancer” durch Auftritte bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen bestens
bekannt. Vorgeführt werden moderne,
klassische, internationale, Kinder- und
Jugendtänze. Anna Hergert, die aus
Kasachstan stammt und seit 1997 in
Deutschland lebt, will dadurch die mitgebrachte Kultur erhalten und die
gegenwärtige vermitteln.
Die Gruppen traten beispielsweise
2006 in Würzburg bei der Präsentation
der Länder Spanien und Russland zur
Fußballweltmeisterschaft auf, zeigten
ihr Können beim Bundestreffen der
Landsmannschaft in Wiesbaden 2007,
beim Wettbewerb “Wir für uns – Jugend engagiert sich” (Gemeinschaftsaktion des Bayerischen Sozialministeriums) und beim Jahrmarkt der Kulturen
in Kaliningrad, Russland, 2007.
Unterstützung kommt von der djo,
dem TSV Brendlorenzen, dem Programm “Integration durch Sport”, dem
Bezirksjugendring Unterfranken sowie
den Jugendämtern Bad Kissingen und
Rhön-Grabfeld.
www.djo-bayern.de
(djo Unterfranken)
Anna Hergert mit ihren Tänzerinnen und Tänzern.
internationale Kinder- und Jugenddarbietungen und russlanddeutsche Folklore.
Seit Jahren ist der Name “Grazie”
durch Auftritte bei Veranstaltungen in
Bayern, aber auch in Karlsruhe oder
Wiesbaden bekannt. Unterstützt werden sie von der djo, dem TSV Aschbach, dem BLSV durch das Projekt “Integration durch Sport”, dem Bezirksjugendring Oberfranken und dem Kreisjugendring Bamberg.
2004 hat Nadja Fuchs, die im deutschen Dorf Podsosnowo in der Altairegion, Russland, aufgewachsen ist,
außerdem die Folkloregruppe “Birkenhain” ins Leben gerufen.
Nadja Fuchs,
Aschbach
Tanzen mit “Grazie” und
“Birkenhain” –
Auftritte landesweit
Die Tanzgemeinschaft “Grazie” wurde im Januar 1998 von der Choreographin Nadja Fuchs gegründet. Mittlerweile besteht sie aus vier Kinderund Jugendgruppen mit ca. 60 Mitgliedern, die beim TSV Aschbach
trainieren.
“Grazie” ist außerdem Mitglied der djo
– Deutsche Jugend in Europa. Zum Repertoire der Gruppen, das etwa 60 Tänze umfasst, gehören moderne und
Die Gruppe “Birkenhain”.
22
Auch die anderen Tänzer von “Birkenhain” kommen aus Podsosnowo; sie erhalten die Volkstänze und das Brauchtum, die in der damaligen deutschen
Siedlung gepflegt wurden, lebendig
und vermitteln sie der Öffentlichkeit.
Zu sehen waren sie u.a. bei den
Bundestreffen der Deutschen aus Russland 2004 (Karlsruhe) und 2007 (Wiesbaden), bei den “Tagen der Russlanddeutschen Kultur” in Berlin 2007, beim
Jahrmarkt der Kulturen in Bad Salzuflen 2008. Um die Jahreswende 2007/
08 beteiligte sich “Birkenhain” an einer
Konzertreise nach Argentinien.
www.djo-bayern.de
(djo Unterfranken)
Sport
Andreas Weitzel (33), Augsburg
Gründer und Leiter der Systema Akademie Augsburg
Seit elf Jahren gibt es
die “Systema Akademie Augsburg” von
Andreas Weitzel. Seine Schule basiert auf
der
altrussischen
Kampfkunst “Systema” (Selbstverteidigung und Gesundheitsförderung), die
sich im russisch-ukrainischen Raum bis
heute erhalten hat.
Andreas
Weitzel
stammt aus der Ukraine und begeisterte sich
schon von jung auf für Andreas Weitzel (Mitte) mit seinen Freunden und Sportkollegen Danil (links) und Michail Ryabko.
Kampfsportarten. 1991
reiste er mit seinen Eltern in die schen Schwertkampf sowie GesundBundesrepublik Deutschland aus und heitstraining.
machte sein Hobby zum Beruf, wurde Weitzels Schüler glänzen mit Erfolgen
Bundestrainer der European Systema bei Samboturnieren. Die Schule ist MitAssociation. Inzwischen ist seine Schu- glied im Sambo Verband Bayern; 2004
le weit über die Landesgrenzen hinaus wurde dort der Sambo-Bayernpokal
bekannt.
ausgetragen. Bei der 5. Deutschen SamSystema lebt von Entspannungs-, bomeisterschaft in Heidenau siegten
Atem- und Bewegungstechniken und drei Sportler von Systema, Bernd
ist ein effektives System zur Abwehr Orend, Eduard Bykadorov und Viktor
von Gegnern. Die Schule bietet Trai- Wenz, und bei der jüngsten Bayeriningsgruppen in Systema und Ring- schen Sambomeisterschaft erkämpften
kampf für Erwachsene, Kinder und Ju- die Augsburger zwei Gold-, vier Silbergendliche an, außerdem Selbstverteidi- und drei Bronzemedaillen.
gung für Frauen und Mädchen, historiwww.andreas-weitzel.info
“Integration durch Sport”
F
ür eine langfristige Integration
bietet der Sport mit seinen weitreichenden individuellen Chancen
und sozialen Möglichkeiten ein
wichtiges Handlungsfeld.
“Integration durch Sport” ist ein Programm des Deutschen Olympischen
Sportbundes. In der Umsetzung sind
die Landessportbünde eigenverantwortlich angegliedert – in Bayern ist
es der Bayerische Landessportverband. Zentrales Ziel des Programms
ist die Integration der Zuwanderer in
die Aufnahmegesellschaft und in den
organisierten Sport.
Das Programm wird vom Bundesministerium des Innern gefördert und
fügt sich in das Gesamtkonzept der
Integrationsförderungen der Bundesregierung ein.
Das Programm arbeitet mit verschiedenen Integrationsmodulen, die sowohl die bestehenden Angebotsstrukturen des traditionell organisierten Sports als auch neue, alternative Formen des Sports beinhalten
und nutzen.
Durch die Angebote des Programms
haben auch viele Spätaussiedler aus
der ehemaligen Sowjetunion, Sportlehrer und Trainer, die Möglichkeit,
in den früheren Beruf einzusteigen
oder sich zumindest ehrenamtlich in
verschiedensten Sportbereichen und
der Jugendarbeit zu engagieren.
Weitere Informationen:
www.integration-durch-sport.de
Andreas Schenke (41), Bamberg
Ehrenamtlicher Sporttrainer,
Vorsitzender des Sambo Verbandes Bayern
Sambo (Selbstschutz ohne Waffen) ist
eine weit verbreitete Kampfsportart
in der ehemaligen Sowjetunion. Auch
in Deutschland ist die Sportart dank
dem Engagement von Deutschen aus
Russland auf dem Vormarsch. 2003
wurde der Deutsche Sambo Verband
gegründet (Initiator und Präsident Josef Bart).
Andreas Schenke ist Vorsitzender des
Sambo Verbandes Bayern mit über
zehn Samboclubs, in denen an die 800
Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahre
trainieren. Sie werden vom Programm
“Integration durch Sport” und durch
Sportvereine vor Ort unterstützt.
Fünfmal fanden bereits Bayerische
Meisterschaften statt, in Augsburg
kämpften die Samboka um den Bay-
ernpokal. Die bayerische Landesauswahl gehört zu den drei stärksten
bundesweit. Bei der Germaniade 2005
in Dresden holten die Bayern den 2.
Platz und bei der 5. Deutschen Meisterschaft in Heidenau mit über 300 Sportlern gewannen sie Bronze.
Schenke, der vor der Ausreise als Trainer in einer Sportschule tätig war, lebt
seit 1995 in Bayern. 1998 gründete er
im SC Lichteneiche bei Bamberg eine
Samboabteilung. Seit 13 Jahren engagiert sich der Versicherungsfachmann
leidenschaftlich für die Entwicklung
des Sambosports in Bayern. “Mit unseren offenen Angeboten finden wir Zugang zu vielen jungen Spätaussiedlern
und Migranten, die bisher kaum erreicht werden konnten”, sagt er.
www.samboka.de
23
Andreas Schenke (rechts) mit Waldemar
Horn, Deutscher und Bayerischer Sambomeister.
Sport
Marina und Alexander Ruppel, Memmingen
Zirkusgruppe “Quirlige” - hilft Kindern bei der Integration
zen” des Programms “Integration
durch Sport” sowie auf dem Bundestreffen der Deutschen aus Russland in
Wiesbaden 2007, wo sie mit ihren akrobatischen Kunststücken in schillernden
Kostümen brillierten.
Die überwiegende Mehrheit der Kinder der Zirkusgruppe im Alter zwischen sechs und 15 Jahren stammt aus
russlanddeutschen Familien oder anderen Zuwanderergruppen. Neben
sportlicher, akrobatischer und Freizeitbetätigung steht deshalb auch die soziale Integration der Kinder im Vordergrund.
Igor Weber (43),
Nürnberg
Präsident des Sportvereins
DJK-Langwasser
und Sportlehrer
Marina Ruppel und die “Quirligen”.
Mehr als 50 Kinder trainieren in der
integrativen Zirkusgruppe “Quirlige”
beim TV Memmingerberg und haben
Spaß an Bewegung, Akrobatik und
Turnen.
Marina und Alexander Ruppel, die seit
1995 mit ihren fünf Kindern in Bayern
leben, haben die Zirkusgruppe mit
Unterstützung des Programms “Integration durch Sport” ins Leben gerufen.
In Südkasachstan arbeiteten beide als
Trainer in einer Sportschule; Alexander
als Sportlehrer, Marina war als gelernte
Zirkusartistin für Kunstturnen zuständig. Ihren erlernten Beruf wollten sie
auch hier nicht endgültig an den Nagel
hängen.
2001 hatten ihre “Quirligen” beim
Wettbewerb “Kinder machen Zirkus”
erstmalig Erfolg. Inzwischen hat die
Gruppe zahlreiche Auftritte hinter sich,
darunter beim Streetsoccercup Kirchheim voriges Jahr, in der Memminger
Partnerstadt in der Ukraine, Tschernigow, mehrfach beim “Spiel ohne Gren-
Igor Weber (2. von links) mit einigen seiner erfolgreichen jungen Sportler.
24
Zu seinem Beruf als Sportlehrer fand
Igor Weber über die ehrenamtliche
Arbeit in Sportvereinen zurück. Ende
1996 kam die Familie aus dem sibirischen Barnaul, wo Weber Sportlehrer
an der Technischen Universität war,
nach Bayern.
Zunächst war er als Trainer offener
Sportgruppen und Starthelfer für das
Programm “Integration durch Sport”
tätig, wobei ihm die Unterstützung des
Bayerischen Landessportverbandes
eine große Hilfe war. Igor Weber engagierte sich außerdem in der Kinderund Jugendarbeit der Ortsgruppe
Fürth der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Ebenfalls ehrenamtlich bietet der zweifache Vater
Sportberatung im Haus der Heimat
Nürnberg an.
Im Nürnberger Stadtbezirk Langwassser ergab sich schließlich eine Beschäftigung beim “DJK Sportfreunde Langwasser” (Stützpunktverein im Programm “Integration durch Sport”) als
Sportlehrer, zunächst als ABM-Kraft.
Inzwischen ist Igor Weber Präsident
des Sportvereins DJK Langwasser und
Sportlehrer an der Schule. Energisch
bemüht er sich, Integration im Sport in
Langwasser umzusetzen.
Der Sportverband DJK (Deutsche Jugendkraft) ist bundesweit in ca. 1.200
Vereinen organisiert, versteht sich als
Brücke zwischen Kirche und Sport und
praktiziert die unterschiedlichsten
Sportarten als Lebenshilfe und Erlebnisangebot. Die DJK Langwasser ist einer von 52 Vereinen in der Diözese
Eichstätt.
www.djk-langwasser.de
Sport
Thomas Janke (13),
Memmingen
Herr der Keulen, Ringe und Bälle –
ein Nachwuchstalent
im Jonglieren
Thomas Janke
Fünf Keulen, sechs Ringe oder sieben
Bälle kann Thomas Janke gleichzeitig
durch die Luft wirbeln - im Jonglieren
ist das Nachwuchstalent ein echter
Profi.
Die Familie Janke kam 1990 aus Südrussland nach Deutschland. Mit acht
begann Thomas mit dem Jonglieren in
der Zirkusgruppe “Quirlige” beim TV
Memmingerberg, seit über drei Jahren
tritt er solo auf.
Was er auf der Bühne kann, hat er aus
eigenem Antrieb und durch hartes
Training – an manchen Tagen bis zu
fünf Stunden – gelernt. Vater Johann
begleitet ihn überall bei seinen Auftritten, bestärkt und motiviert ihn.
Auftritte im Zirkus und bei Festivals
haben Thomas in kurzer Zeit zahlreiche Siegesurkunden und Preise eingebracht: 3. Platz beim Lilalu-Zirkusfestival 2005 in München, 3. Platz beim
Kleinkunstfestival 2006 in Ulm, Gold
im Nachwuchswettbewerb beim 5.
Dresdener Varieté- und Zirkusfestival
2006, 2. Platz beim internationalen
Festival European Youth Circus 2006 in
Wiesbaden.
2007 war er in der RTL-Show “Das
Supertalent” zu sehen. Bei der Galashow des internationalen Nachwuchsfestivals “Première Rampe 2007” in
Monte Carlo gewann er nicht nur den
Preis in Bronze, sondern er konnte
auch die fürstliche Familie sowie weitere fast 4.000 Zuschauer zu stehendem
Ovationen bewegen.
www.thomasjanke.de
Waleri Weinert (48), Geretsried
Gründer und Leiter des Sportjugendtreffs Edelweiß Geretsried
In Syktywkar, Russland, arbeitete Waleri Weinert als Sportlehrer und Trainer für Boxen
und Karate an einer Berufsfachschule. Seit 1994 lebt er mit seiner Familie in Bayern.
Vier Jahre nach der Aussiedlung
gründete Weinert den Verein
Edelweiß in Geretsried. Von Anfang an war er Starthelfer im
Programm “Integration durch
Sport”, sein Sportjugendtreff
Edelweiß ist Stützpunktverein
des Programms. Unterstützung Waleri Weinert mit dem ehemaligen Bayerischen
bekommt das Projekt zusätzlich Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der als Anerkennung für die Vereinstätigkeiten einen Wandurch die Stadt Geretsried, das derpokal gestiftet hatte.
Sportamt, den Kreisjugendring
und die Robert-Bosch-Stiftung.
werden auch Freizeitmaßnahmen
Fast 120 junge Leute zwischen sieben (Wandern, Schlauchbootfahren, Grilund 30 Jahren beteiligen sich regelmä- len, Ausflüge) sowie Mannschaftswettßig an den Vereinsaktivitäten. Neben kämpfe und Turniere angeboten.
Fußball, Boxen, Kickboxen, Gewichthe- Sucht- und Gewaltprävention wird daben, Schwimmen, Schach, Skilanglauf, bei ganz groß geschrieben: Alkohol, ZiLuftgewehrschießen und Tischtennis
garetten und Drogen sind tabu.
Traditioneller Fußball-Aussiedlerpokal
in Fürth/Nürnberg
Zum 11. Mal versammelten sich in
diesem Jahr im Sportkomplex Fürth
bei Nürnberg die stärksten Aussiedlerfußballmannschaften zum traditionellen Turnier um den Aussiedlerpokal.
Die Tradition wurde von Leonid Frolow ins Leben gerufen. Nach wie vor
ist er der engagierte Organisator des
bekannten Fußballturniers, das jedes
Jahr viele Bewerber anlockt.
Leidenschaftlichen Fußball haben in
den vergangenen Jahren bereits die
Aussiedlerkicker aus den bayerischen
Die Spieler von Germes Nürnberg.
25
Städten Nürnberg, Augsburg, Coburg,
Amberg, Regensburg, Bad Brückenau,
Ingolstadt, Fürth und Kaufbeuren gezeigt, aber auch aus Duisburg, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig, Schwäbisch
Hall, Freiburg, Künzelsau und Mönchengladbach.
“Ich begrüße solche Veranstaltungen;
gerade hier können junge Aussiedler
ihre Energie und ihre Fähigkeiten in
die richtige Bahn leiten. Solche Sportaktivitäten bringen die Menschen einander näher”, so der Bayerische Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten Markus Söder bei der Eröffnung des jüngsten
Turniers.
Auch deutsche Sportvereine haben das
Turnier
inzwischen
entdeckt und Ausschau nach talentierten Sportlern gehalten.
Diesmal spielten zwölf
Teams um den Pokal.
“Spartak” (Künzelsau)
ging als Sieger hervor,
an zweiter Stelle landete “Germes” (Nürnberg) und an dritter
“Ottoberg“ (Hof).
Sport
Viktor Friedrich (44),
Aschaffenburg
Boxtrainer im TV Aschaffenburg,
Zusammenarbeit
mit “Integration durch Sport”
Viktor Friedrich
Aus Kasachstan brachte Viktor Friedrich eine Ausbildung als DiplomSportlehrer und seine Erfahrung aus
mehr als 120 Kämpfen als Amateurboxer mit. 1995 fand der zweifache Vater
mit seiner Familie eine neue Heimat
in Aschaffenburg.
Seine sportliche Erfahrung verhalf ihm
zu einem Job im städtischen Bad als
Schwimmmeister. Doch zunächst ging
er seinen beiden sportlichen Leidenschaften nach, dem Boxen und dem
Schachspiel. So wurde er 1997 Mitglied
beim TV Aschaffenburg, machte seinen
Boxtrainerschein und fing als Übungsleiter im Verein an.
Mit Viktor Friedrich erlebte die Boxabteilung des Vereins einen Aufschwung. Innerhalb weniger Jahre verdoppelte sich die Zahl der Mitglieder,
auch die Zahl der aktiven Boxer nahm
stark zu.
Heute boxen 60 Kinder und Jugendliche beim TVA, einige von ihnen mit
großem Erfolg. Roman Hildt und Konstantin Löwen wurden Süddeutsche
Meister, Vladimir Nain Bayrischer
Meister.
Der Zuwachs ist ebenso wie die Erfolge
Viktor Friedrich und dem Programm
“Integration durch Sport” zu verdanken. Der TV Aschaffenburg ist Stützpunktverein in dem Programm; seit
1999 wird die Arbeit der Boxabteilung
unterstützt.
Friedrich organisiert außerdem Beachvolleyball-Turniere und motiviert Jugendliche für andere Sportarten.
Johann Eitel (19), Bayreuth
Hoffnungsvoller Ringer, Leiter der Ringer-Abteilung beim 1. AC Bayreuth
1993 kam der damals
dreijährige Johann Eitel aus Zelinograd,
Kasachstan, mit seinen
Eltern nach Bayern.
Mit vier begann er
beim 1. AC Bayreuth
mit Bodenturnen, Laufspielen und Ringen.
Mit zehn Jahren gewann Johann bei den
Oberfränkischen Meis- Johann Eitel
terschaften seine erste
Goldmedaille.
In den folgenden Jahren verfeinerte er
seinen Kampfstil im Freistilringen. Mit
14 war er überregional erfolgreich,
wurde Bayerischer Schülermeister und
gewann bei den Deutschen Meisterschaften die Silbermedaille.
Allmählich entwickelte sich Johann
Eitel zu einem der besten Kämpfer
der 1. Mannschaft. 2006 gewann er seinen fünften Titel bei den Oberfränkischen Jugendmeisterschaften, wurde
Bayerischer Vizemeister, Bayerischer
und Deutscher Kadettenmeister. Auch
2007 und 2008 setzte er sich als Bayerischer und Deutscher Juniorenmeister
durch.
Schon als Schüler bewies Johann, dass
er Verantwortung übernehmen kann er war Klassen- und Schulsprecher in
der Johannes-Kepler-Realschule. Nun
leitet er mit 19 Jahren die Abteilung
Ringen beim 1. AC Bayreuth und ist
damit ein echtes Vorbild.
Christian Walter (46), Pocking
Streetworker und Boxtrainer beim SV Pocking 1892
In Kasachstan absolvierte Christian
Walter die Hochschule für Körperkultur und Sport. Als der Sportlehrer
1996 nach Deutschland kam, versuchte er trotz knapper Sprachkenntnisse
seine Erfahrungen einzubringen.
Im Sportverein Pfarrkirchen begann er
Jugendliche ehrenamtlich zu trainieren, vor allem junge Boxer. Gleichzeitig
lernte er die deutsche Sprache von seinen Schülern.
Seit 2006 ist Walter unter dem Dach des
Diakonischen Werkes Passau/Pocking
Streetworker beim Projekt “Nadja”
(Leiterin Sabine Aschenbrenner). Er ergänzt das Projekt erfolgreich mit einem
Sportangebot, das sich immer stärker
in Richtung Boxen orientiert hat. Etwa
zwei Dutzend Jugendliche kommen
zum Training.
Der SV Pocking 1892, in dem Walter
die jungen Boxer trainiert, gründete
2004 eine Boxabteilung, stellte die
Sportausrüstung zur Verfügung und
sorgte für die weitere Betreuung der
Sportler sowie die Dauerhaftigkeit des
Angebots.
Durch die Vereinsmitgliedschaft haben
die Sportler auch die Möglichkeit, an
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Christian Walter mit Frau Grewe (Jugendmigrationsdienst) und Frau PatryLeopold (Migrationsberatung).
offiziellen Wettbewerben teilzunehmen, und haben bereits Erfolge bei
überregionalen Meisterschaften erzielt.
2007 erhielt die Sparte Boxen des SV
Pocking 1892 einen Preis für ihre vorbildliche Integrationsarbeit in Niederbayern.
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Deutsche aus Russland ein langer Weg voller Hoffnung
Auswanderung
nach Russland
Zarin Katharina II.
Am 22. Juli 1763 erließ Katharina II.,
die erste Deutsche auf dem russischen
Zarenthron (1762-1796), ein Manifest,
in dem sie Ausländer nach Russland
einlud und ihnen Privilegien zusicherte. Im Gnadenprivileg Pauls I. (17961801) vom 6. September 1800 wurden
den Mennoniten zusätzliche Vorrechte
eingeräumt (Befreiung vom Kriegsund Zivildienst für alle Zeiten, keine
Eidesleistung vor Gericht, Gewerbefreiheit etc.). Das Manifest Alexanders
I. (1801 -1825) vom 20. Februar 1804
legte besonderen Wert auf Einwanderer, die gute Landwirte, Handwerker,
Winzer oder Viehzüchter waren.
Auswanderungsgründe: Not und
Missstände infolge von Kriegen (Siebenjähriger und Napoleonischer Krieg);
politische Unterdrückung durch die eigenen Fürsten und die fremde Besatzung; um Heeres- und Frontdiensten
zu entgehen; Beeinträchtigung der
Glaubensfreiheit.
Privilegien: unentgeltliche Landzuweisung,; freie Religionsausübung;
Steuerfreiheit bis zu 30 Jahren; Befreiung vom Militärdienst; kulturelle
Autonomie; gemeindliche Selbstverwaltung; keine Leibeigenschaft.
Herkunftsgebiete der Auswanderer:
Hessen, Rheinhessen, Pfalz, Württemberg, Baden, Elsass und Bayern.
Konfession: Die Ansiedlung an der
Wolga und im Schwarzmeergebiet erfolgte konfessionell streng getrennt in
geschlossenen Dörfern. Von 104 Kolonien an der Wolga waren bei der Gründung 66 evangelisch und 38 katholisch.
Im Schwarzmeergebiet waren 1914
etwa 45 Prozent der Kolonien evangelisch, 36 Prozent katholisch und 19 Prozent mennonitisch. Der Schulunterricht
erfolgte in Deutsch und war stark konfessionell geprägt.
Entwicklung bis zum I. Weltkrieg:
Nach den Anpassungsschwierigkeiten
der ersten Jahrzehnte folgte eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte der
deutschen Kolonien an der Wolga und
am Schwarzen Meer, aber auch in zahl-
Auswanderung an die Wolga (Illustration von Oskar Aul in dem Buch “Das Manifest
der Zarin” von Viktor Aul).
27
reichen Tochterkolonien (Nordkaukasus, Ural, Sibirien, Kasachstan, Zentralasien). Aus etwa 304 Mutterkolonien
entwickelten sich 3.232 Tochtersiedlungen. Aus ursprünglich 100.000 Einwanderern war 1897 laut Volkszählung
eine Volksgruppe von 1,7 Millionen geworden. Vor dem I. Weltkrieg lebten in
Russland etwa 2,5 Millionen Deutsche,
davon 600.000 an der Wolga, 530.000
im Schwarzmeergebiet, 550.000 in den
polnischen Provinzen (damals Russisches Reich), 200.000 in Wolhynien,
170.000 im Baltikum und 50.000 in und
um St. Petersburg.
Vertreibungen
und Umsiedlungen verbannt in alle Ewigkeit
Vertreibungen im I. Weltkrieg: Ein Erlass vom 18. August 1914 verbot den
Gebrauch der deutschen Sprache in der
Öffentlichkeit, in Schule und Kirche,
untersagte das Recht auf Versammlungen. Die deutschen Zeitungen wurden
verboten, in der Presse wurde eine Spionage- und Verdächtigungshysterie
losgetreten. 1915: Enteignungs- und Liquidationsgesetze, antideutscher Pogrom in Moskau. Bis 1916: Deportation
von 200.000 Wolhyniendeutschen nach
Sibirien. Die revolutionären Ereignisse
verhinderten die Aussiedlung der Wolgadeutschen laut einem Erlass vom 17.
Februar 1917.
Autonomierechte für Wolgadeutsche:
1918: Gründung der Arbeitskommune
(autonomes Gebiet) der Wolgadeutschen. 1924: Gründung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der
Wolgadeutschen mit der Hauptstadt
Engels (Pokrowsk). 1918-1922: Zehntausende Opfer durch Gewalt und
Hunger.
Kurzer Aufschwung nach 1917: Viele
deutsche Betriebe haben landesweiten
bis grenzübergreifenden Erfolg: Winzerkooperative “Konkordia” in Helenendorf, Kaukasus, Gewerbeverein
Sarpinka an der Wolga, Fabrik zur Herstellung von landwirtschaftlichen Geräten in Katharinenstadt etc. Deutsche
Kulturstätten in Engels: Deutsches
Staatstheater, Deutsche Staatsphilharmonie, Symphonieorchester, das Deutsches Lied- und Tanzensemble, ab 1925
Museum der ASSR der Wolgadeutschen. Auch in Südrussland gab es
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
1964 erste deutschsprachige Zeitungen
und Rundfunksendungen, 1980 Gründung des Deutschen Schauspieltheaters Temirtau/Alma-Ata, ab 1981 Literaturalmanach “Heimatliche Weiten”.
Politischer Aufbruch und
kulturelle Wiederbelebung
nach 1985
Oskar Aul: Russlanddeutsche Frauen bei der Zwangsarbeit im hohen Norden Russlands 1943.
deutsche Theater, Zeitungen, Staatsverlage, Hoch- und Fachschulen.
Kollektivierung und politische Repressalien: 1928-1931: Enteignungen
und Verbannung der “Kulaken” (wohlhabende Bauern), Massaker und Todesopfer; Schließung der Kirchen und
Verschleppung der Geistlichen, religiöse Verfolgungen. 1938: Auflösung der
deutschen Bezirke, Verbot der deutschen Sprache in den Schulen außerhalb der Wolgarepublik. Ende 1929:
massenhafte Auswanderungsbewegung. Ab Mitte der 30er Jahre: politi-
sche Verfolgungen; mit einem Anteil
von 14,7 Prozent (!) an der Gesamtanzahl der Opfer bei einem Bevölkerungsanteil von nur 1,4 Prozent waren
die Deutschen die am stärksten verfolgte nationale Gruppe. Vor dem II.
Weltkrieg lebten rund 1,4 Millionen
Deutsche in der Sowjetunion.
II. Weltkrieg – Deportation und
Zwangsarbeit: Vertreibungserlass des
Präsidiums des Obersten Sowjets der
UdSSR vom 28. August 1941 und Beginn der Deportationen sämtlicher
Deutscher aus dem europäischen Teil
nach Sibirien und Mittelasien. Ab Ende 1941: Mobilisierung zur Zwangsarbeit in
die NKWD-Arbeitslager für
Bau-, Rüstungs- und Holzwirtschaft, Öl- und Kohleförderung. Etwa 300.000 Deutsche kommen ums Leben.
Halbherzige
Rehabilitierungsversuche: Verstreuung
über Sibirien, Kasachstan
und Mittelasien, Unsicherheit, Angst und völlige Entrechtung auch nach dem
Krieg. Sondersiedlung unter
Kommandanturaufsicht. Ein
Regierungserlass von 1948
legte die Verbannung der
Deutschen auf “ewige Zeiten” fest, ein weiterer vom 13.
Dezember 1955 hob zwar die
Kommandantur auf, erlaubte
aber keine Rückkehr in die
Herkunftsgebiete. 1964 wurden die Deutschen formal
vom Vorwurf des Verrats im
Vertreibungserlass vom 28.
August 1941 freigesprochen.
Die Broschüre der Landsmannschaft der Deutschen 1972: Aufhebung der Einaus Russland informiert über die Vergangenheit und schränkungen in der Wahl
des Wohnortes. Ab 1955 bzw.
Gegenwart der Volksgruppe.
28
Hoffnungen der Deutschen nur teilweise erfüllt: Die Liberalisierung in
der Gorbatschow-Zeit schaffte Voraussetzungen für die Aufarbeitung der
Geschichte der Russlanddeutschen
und ihre weitere Rehabilitierung. Kulturelle Wiederbelebung in Form von
Volkskunst und Festivals der deutschen Kultur. Erstarkung der deutschen Autonomiebewegung und Forderungen zur Wiederherstellung der
Wolgarepublik. 1991: Das Gesetz
“Über die Rehabilitierung der repressierten Völker” erfüllte die Hoffnungen der Deutschen nur teilweise; als
Folge massenhafte Aussiedlung Anfang der 90er Jahre. 1989 lebten in der
UdSSR 2.040.000 Deutsche, 960.000 in
Kasachstan, 840.000 in Russland (davon nur 35.000 an der Wolga), der Rest
vor allem in Kirgisien, Usbekistan und
der Ukraine.
Familienzusammenführung - Rückwanderung in das Land der Vorfahren: 1955: Anerkennung der im Krieg
erfolgten Einbürgerungen der Russlanddeutschen; Beginn der Familienzusammenführung. 1972: Erlass über die
Gewährung der Freizügigkeit für alle
Sowjetbürger und die erste große Ausreisewelle.
Massenauswanderung
Ende der 80er und vor allem in den
90er Jahren. Heute leben in Deutschland über 2,5 Millionen Deutsche aus
den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Deutsche aus Russland in Bayern: In
Bayern haben seit 1950 mehr als
600.000 Aussiedler und Spätaussiedler
Aufnahme gefunden (Stand: November 2007). Mit der Aufnahme der Spätaussiedler erfüllt der Freistaat Bayern
eine historische Pflicht gegenüber dem
Kriegsfolgenschicksal der Deutschen
aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, die noch Jahrzehnte
nach Kriegsende Benachteiligungen
hinnehmen mussten. Die Integration
der Aussiedler ist Auftrag und Herausforderung gleichzeitig. Es handelt
sich um einen zweiseitigen Prozess,
der die Bereitschaft von Staat und Gesellschaft erfordert, das Integrationsgeschehen zu fördern, und von den Deutschen aus Russland die Bereitschaft
verlangt, die Chancen aktiv zu nutzen,
die ihnen hier geboten werden.
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland
und ihre Landesgruppe Bayern
Die Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland wurde 1950 in Stuttgart
gegründet und versteht sich bis zum
heutigen Tag als Interessenvertreterin, Hilfsorganisation und Kulturverein aller Russlanddeutschen. Als eingetragener Verein verfolgt die Landsmannschaft ausschließlich gemeinnützige Zwecke, sie ist überparteilich
und überkonfessionell und offen für
alle, die sich für das Wohl der Russlanddeutschen einsetzen wollen.
Die Anfangsjahre
Nachdem sich ein Großteil der landsmannschaftlichen Aktivitäten zunächst
in Stuttgart und Baden-Württemberg
abgespielt hatte, wurde die Arbeit ab
Mitte der 50er Jahre zunehmend auf
eine breitere Basis gestellt. Auch in
Bayern schlossen sich immer mehr
Deutsche aus Russland zu Gliederungen zusammen, und es war gewiss
kein Zufall, dass vom 8. bis 10. Juni
1957 das Bundestreffen der Landsmannschaft einmal nicht in BadenWürttemberg veranstaltet wurde, sondern in Nürnberg, wo gleichzeitig auch
die vierte Bundesdelegiertenversammlung stattfand. Bei der Feierstunde füllten rund 4.000 Teilnehmer die große
Messehalle am Hauptbahnhof.
1957 wurde auch die Landesgruppe
Bayern mit Peter Weimer als erstem
Vorsitzenden ins Leben gerufen. Der
erste Vorstand stellte sich die Aufgabe,
Orts- und Kreisgruppen zu initiieren
und die Landsleute in sozialen Fragen
zu beraten und zu unterstützen.
Adolf Fetsch
Zur zentralen Figur innerhalb der Landesgruppe entwickelte sich in den
nächsten Jahren der gegenwärtige
Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Adolf Fetsch (Neufahrn), der
bereits von 1964 bis 1972 Vorsitzender
der Ortsgruppe München war und
dann von 1972 bis 2004 nicht weniger
als 32 Jahre als Landesvorsitzender in
Bayern agierte.
Adolf Fetsch gehört zu den Deutschen
aus Russland, die bereits seit Kriegsende in der Bundesrepublik Deutschland
leben und hier auf eine erfolgreiche Berufslaufbahn zurückblicken können. Er
wurde am 5. November 1940 in der
27 Orts- und Kreisgruppen
Gegenwärtig gehören knapp 2.400
Familien der Landesgruppe Bayern
der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland als Mitglieder
an. Sie verteilen sich auf 27 Ortsund Kreisgruppen:
Adolf Fetsch
Ukraine (Wosnessensk) geboren und
kam als Dreijähriger mit den Flüchtlingstrecks nach Deutschland.
Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Kaufmannslehre und
die städtische Kaufmannsschule München (1957) und war in der Folge
Buchhalter, Kaufmännischer Leiter,
Prokurist und selbständiger Kaufmann.
Seit über vier Jahrzehnten ist er in der
CSU aktiv. Bereits früh verlegte er jedoch den Schwerpunkt seiner politischen Tätigkeit auf den Vertriebenenund Aussiedlerbereich. Dem Bundesvorstand der Landsmannschaft gehört
er seit 1978 an; mit Ausnahme der Jahre 1991-1993 war er bis zu seiner Wahl
zum Bundesvorsitzenden im Jahr 2003
stellvertretender Bundesvorsitzender.
Bei der Bundesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft 2006 wurde
er als Bundesvorsitzender wieder gewählt.
Darüber hinaus ist er seit 1994 Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen. In
diesem Jahr wurde er in seinem Amt
als Vizepräsident mit der höchsten
Stimmenzahl aller Kandidaten wieder
gewählt.
Ungeachtet seiner Mitgliedschaft in
der CSU, wird Adolf Fetsch von allen
maßgeblichen Parteien als kompetenter und fairer Fachmann anerkannt,
der sich kontinuierlich und hartnäckig
für die Interessen seiner Landsleute
einsetzt.
Dr. Arthur Bechert
Nach Adolf Fetschs Wahl zum Bundesvorsitzenden trat der damalige Vorsitzende der Orts- und Kreisgruppe Regensburg, der Diplom-Physiker und
IT-Berater Dr. Arthur Bechert (44), 2004
29
Mittelfranken: Ansbach, Fürth,
Nürnberg.
Niederbayern: Bayerisch EisensteinRegen, Dingolfing-Landau,
Landshut, Straubing-Bogen.
Oberbayern/München:
Berchtesgadener Land, Ingolstadt,
München, Rosenheim,
Traunreut-Traunstein, Waldkraiburg.
Oberfranken: Bamberg, Bayreuth,
Coburg, Forchheim.
Oberpfalz: Regensburg,
Sulzbach-Rosenberg.
Schwaben: Augsburg,
Dillingen/Donau, Kaufbeuren,
Kempten, Memmingen-Mindelheim,
Nördlingen-Donauwörth.
Unterfranken: Schweinfurt,
Würzburg.
seine Nachfolge als Landesvorsitzender
an.
Dr. Bechert,
der vor 17 Jahren aus Tomsk
nach Deutschland aussiedelte, gehört
in der dritten
Wahlperiode
dem Bundesvorstand der
Dr. Arthur Bechert
Landsmannschaft an, er ist aber seit Jahren auch in
verschiedenen anderen Organisationen
ehrenamtlich aktiv. So ist er Bezirksvorsitzender des Bundes der Vertriebenen sowie im Kreisvorstand der Union
der Vertriebenen und im Aussiedlerbeirat der Stadt Regensburg vertreten.
Für die CSU trat er in diesem Jahr bei
den Kommunalwahlen in Regensburg
an und kandidiert am 28. September
2008 für den Bayerischen Landtag
(Oberpfalz, Listenplatz 9).
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
schaftliche Projekt “Integration junger
Spätaussiedler in das Gemeinwesen
des Landkreises Straubing-Bogen”.
Außerhalb der Landsmannschaft der
Deutschen aus Russland engagiert sich
Neuberger vor allem beim Bund der
Vertriebenen und der Union der Vertriebenen auf Orts-, Bezirks- und Landesebene.
Das aktuelle Team
Eduard Neuberger
Eduard Neuberger
Neuer Landesvorsitzender ist seit dem
20. April 2008 Eduard Neuberger (Äußere Passauer Straße 87, 94315 Straubing, Tel./Fax: 09421-52754, lmdr.
[email protected]).
Bis zur Ausreise nach Deutschland
1991 arbeitete der ausgebildete Schauspieler am Deutschen Schauspieltheater Temirtau, Alma-Ata.
Seit 1992 ist Eduard Neuberger Vorsitzender der Ortsgruppe Straubing-Bogen der Landsmannschaft; er war Mitglied des bayerischen Landesvorstandes und Kulturreferent der Landesgruppe.
Die Schwerpunkte seiner ehrenamtlichen Tätigkeit liegen in der sozialen
Betreuung, Beratung und Begleitung.
Die Kinder- und Jugendarbeit steht dabei im Vordergrund; hier wird er von
seiner Ehefrau Emma in vielfältiger
Weise unterstützt. Seine fachlichen
Kompetenzen erweiterte er durch ein
Studium der Sozialpädagogik an der
Fachhochschule Regensburg. Von 2003
bis 2006 leitete er das landsmann-
Im Landesvorstand Bayern der Landsmannschaft steht Eduard Neuberger
neben Adolf Fetsch als Sprecher und
Ehrenvorsitzendem eine schlagkräftige
Mannschaft zur Seite:
Alfred Bitzer, 1. stellvertretender Vorsitzender, zuständig für den Bereich
Soziales und Organisation; Röntgenstraße 12, 94419 Reisbach, Tel: 08734640, [email protected].
Waldemar Eisenbraun, 2. stellvertretender Vorsitzender, zuständig für den
Bereich Beratung und Betreuung der
landsmannschaftlichen Gliederungen
in Bayern sowie interne Steuerung;
Büro: Plattlinger Straße 16, 93055 Regensburg, Tel.: 0941-9308683, w.eisenbraun @ldr-regensburg.de, Homepage:
www. ldr-regensburg.de.
Natalia Gellert, Schriftführerin
Juri Heiser, Presse, Öffentlichkeitsarbeit, politische Integration.
Elena Miller, stellvertretende Schatzmeisterin.
Valentina Ruppert, Jugendreferentin
und stellvertretende Kulturreferentin.
Helene Scheftner, Schatzmeisterin.
Valentina Stripling, stellvertetende
Schriftführerin, stellvertretende Jugendreferentin.
Die Mitglieder des neuen bayerischen Landesvorstandes (von links): Juri Heiser, Viktoria Wesner, Eduard Neuberger, Valentina Ruppert, Linda Wolf, Elena Miller, Alfred
Bitzer, Waldemar Eisenbraun, Natalia Gellert, Helene Scheftner, Dorothea Walter.
30
Die Bundesgeschäftsstelle
der Landsmannschaft
der Deutschen
aus Russland e.V.
Raitelsbergstr. 49, 70188 Stuttgart
Tel.: 0711/16659-0
Fax: 0711/2864413
E-Mail: [email protected]
Homepage:
www.deutscheausrussland.de
Dorothea Walter, Beratung und Betreuung der Ortsgruppen, öffentliche
Kommunalarbeit, Netzwerkarbeit.
Viktoria Wesner, Bildung und Beruf.
Linda Wolf, Kulturreferentin.
Der Landesvorstand setzt in seinem
Einsatz für die Anliegen der Deutschen
aus Russland auf eine Intensivierung
der Zusammenarbeit mit allen Entscheidungsträgern im Freistaat Bayern,
vor allem mit der Bayerischen Staatsregierung. Seine Mitglieder stehen als
kompetente Ansprechpartner in zahlreichen politischen Gremien zur Verfügung, beispielsweise in kommunalen
Integrations- und Aussiedlerbeiräten,
in BdV-Gliederungen oder in kirchlichen Einrichtungen. Vielerorts engagieren sich die Ehrenamtlichen auch
parteipolitisch.
Das Landestreffen 2008
Aufgrund des großen Erfolges der
Sommerfeste der Orts- und Kreisgruppe Augsburg beschloss die Landesgruppe Bayern, das Fest in diesem
Jahr als Bayerisches Landestreffen unter dem Motto “Zusammenhalten - in
Bayern Zukunft gestalten” am 24. August in Augsburg durchzuführen und
dafür über die Grenzen Augsburgs hinaus zu werben.
Die Schirmherrschaft übernahm der
Bayerische Ministerpräsident Dr.
Günther Beckstein, der sich ebenso
wie der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, der Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Christoph
Bergner, auch bereit erklärte, sich mit
einer Festrede an die Teilnehmer zu
wenden.
Organisiert wurde das Treffen von der
Orts- und Kreisgruppe Augsburg und
der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft mit Unterstützung des
Fördervereins der Landsmannschaft in
Augsburg, des Staatsministeriums für
Arbeit und Sozialordnung, Familie
und Frauen und des Hauses des Deutschen Ostens in München.
Deutsche aus Russland - Gewinn für Bayern
Weiterführende Literatur
Aus dem Bücherangebot
der Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland
N. Wagner, “Ein Volk wird gejagt - die Russlanddeutschen”,
8,50 Euro.
E. Udsulaschwili, “Die deutschen Kolonisten in Georgien”
(Elisabethtal-Asureti 1818-1941), 12,- Euro.
Anton Bayr, “Vergessene Schicksale”, 17,- Euro.
“Frierende Hande - erfrorene Hoffnungen. Berichte deutscher Deportierter”, 19,80 Euro.
R. Nachtigal, ”Die Dondeutschen 1830 bis 1930”, 17,- Euro.
H. Schlotthauer, “Ich bin ein Wolgadeutscher”, 8.90 Euro.
Broschüre “Deutsche aus Russland gestern und heute. Volk
auf dem Weg”, 7. Auflage 2006.
Johann Kampen & Hans Kampen, “Heimat und Diaspora –
Russlanddeutsche in der Bundesrepublik Deutschland 19502000”, 8,- Euro.
HEIMATBÜCHER
der
Landsmannschaft:
1954, 1955, 1956,
1957, 1958, 1959,
1960, 1961, 1962,
1963, 1964, 1965,
1966, 1967/68 (jeweils 8,- Euro);
1969-72 (J. Schnurr
“Die Kirchen und
das religiöse Leben
der Russlanddeutschen”,
Katholischer Teil, 23,- Euro,
Evangelischer Teil,
19,- Euro); 1973-81
(11,- Euro); 1982-84
(12,- Euro); 1985-89,
1990/91, 1992-94,
1995/96, 1997/98,
2000 - I. und II. Teil,
2001/02, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007/08 (je 10,- Euro).
Dr. K. Stumpp, “Die Auswanderung aus Deutschland nach
Rußland in den Jahren 1763-1862”, 48,- Euro; “Die Rußlanddeutschen - 200 Jahre unterwegs”, 185 Bilder, 15,- Euro.
G. Wolter, “Die Zone der totalen Ruhe” (deutsch und russisch), je 17,90 Euro.
V. Aul, “Das Manifest der Zarin”, 7,- Euro.
A. Bosch, J. Lingor, “Entstehung, Entwicklung und Auflösung der deutschen Kolonien am Schwarzen Meer”, 7,Euro.
G. Hildebrandt, “Wieso lebst du noch? Ein Deutscher im
Gulag”, Taschenbuch, 6,- Euro.
E. Imherr, “Verschollene Heimat an der Wolga”, 10,- Euro.
I. Walker, “Fatma” - eine historische Lebensgeschichte aus
dem Kaukasus, 10,- Euro.
J. Warkentin, “Russlanddeutsche – Woher? Wohin”, 11,90
Euro.
N. Kossko, “Die geraubte Kindheit” (deutsch, russisch), 8,Euro; “Am anderen Ende der Welt”, 10,- Euro; “Wo ist das
Land”, 12,- Euro.
N. Däs, “Alle Spuren sind verweht. Russlanddeutsche Frauen in der Verbannung”, 10,- Euro.
Bestellungen:
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland
Raitelsbergstr. 49, 70188 Stuttgart
Telefon: 0711-1665922, Telefax: 0711-2864413
E-Mail: [email protected]
Publikationen
des Historischen Forschungsvereins
der Deutschen aus Russland (HFDR)
Johannes Kufeld, “Die deutschen Kolonien an der Wolga”.
Anton Bosch (Hrsg.), “Russland-Deutsche Zeitgeschichte”,
Band 1, 2, 3, 4.
Viktor Bruhl, “Die Deutschen in Sibirien – Eine hundertjährige Geschichte von der Ansiedlung bis zur Auswanderung”
(Band I, II).
Ulrich Mertens, “Handbuch Russland-Deutsche” mit Ortsverzeichnis ehemaliger Siedlungsgebiete, 562 Textseiten,
zwei Landkarten mit Migrations- und Siedlungsgebieten
der Deutschen in Russland und der ehemaligen UdSSR.
Anton Bosch, Anton Bertsch, Michael Wanner, “Trauerbuch Odessa” (Russland-Deutsche Geschichte, Band 5, 6);
Stalins Staatsterror an den Deutschen in den Gebieten
Odessa und Nikolajew, Ukraine.
Kalender des HFDR (2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006,
2007, 2008, 2009).
Bestellungen:
Michael Wanner, Tel.: 09402–3916,
Nina Paulsen, Tel.: 0911–6279253, www.hfdr.de
Weitere Publikationen zum Thema:
Viktor Streck, “Heimat ist ein Paradies”, Viktor Streck Verlag, Bad Pyrmont 2006, ISBN 978-3-00-020745-7. Bestellungen: [email protected], www.streck.info
Alwina Meiber, “Fremde Heimat”, “Die Muttersprache
blieb ihr Band”. Bestellungen bei der Autorin unter Tel.:
06772-960841.
Abraham Dück, “Das Leben zu bestehen ist mehr als übers
Feld zu gehen. Lebenschronik in drei Teilen”, Verlag Dr.
Faustus, 2005. Bestellungen beim Autor unter Tel.: 09171896518.
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Bilder aus Bayern
Impressum
“Deutsche aus Russland – Gewinn für Bayern”
Herausgeber:
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.
mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums
für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
über das Haus des Deutschen Ostens (München)
Texte:
Nina Paulsen, Hans Kampen
Redaktion und Layout:
Hans Kampen
Druck
W. Kohlhammer, Druckerei GmbH + Co. KG
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