Mai 2010/pdf - Katholische Universität Eichstätt

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Mai 2010/pdf - Katholische Universität Eichstätt
M  E S  - kostenlos Mai 
kuAktuell
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Subkulturen
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Editorial
Editorial
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
liebe Leser und Leserinnen,
in diesem Heft haben wir uns also im
Hauptteil den Subkulturen und Randgruppen gewidmet, in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Sie faszinieren, wie
zum Beispiel das Inselvolk der Sentinelesen, die Fremde so aggressiv attackieren, dass ein Kontakt bis heute nicht zu
Stande gekommen ist, sie versuchen sich
zu behaupten, verschwinden, werden zum
Mainstream und werfen in der Gesellschaft
immer wieder die Frage auf, was eigentlich
normal ist und normal sein heißt.
Randgruppen im Tierreich, Subkulturen unter Menschen und auf dem Campus,
ihnen allen bietet dieses Ausgabe einen
kleinen Platz.
Außerdem ist natürlich wieder ein
Wohnheim im Test und wir freuen uns
über einen Betrag über Istanbul unserer
jüngst von ihrem Auslandsjahr zurückgekehrten Autorin, es wird die Frage nach
den Vereinigten Staaten von Europa aufgeworfen und ihr Bedeutung zu verschiedenen Zeiten behandelt. Der Kulturteil
ist dieses mal ganz auf das Theater ausgerichtet und beschäftigt sich mit einer Neuinszenierung von Schillers »Kabale und
Liebe« in Ingolstadt.
In diesem Sinne einen guten Start ins
Sommersemester !
Das hatten wir uns mal so
überlegt …
ir haben natürlich jedes mal viel
mehr Ideen, als zum Schluss im fertigen Heft zu finden sind. Diese Ideen warten darauf, von dir geschrieben werden.
Du kannst natürlich auch deine eigenen
Themen einbringen oder uns zumindest
mit Leserbriefen beglücken. Nachfolgend
eine kleine Auswahl der für dieses Heft
nicht realisierten Artikelideen:
W
t Schwestern der Perpetuellen Indulgenz
t Front Deutscher Äpfel
t Verrückte Wissenschaftler auf einsamen Inseln
t Collegium Orientale
t Eichstätter Arbeitslose
t Suppkultur
t Saunaclub
t Bunker und Höhlen
t Frutarier
t Studentenverbindungen
Luisa Schwarz
Impressum
  Exemplare
 -
Herausgeber
Öffentlichkeitsreferat des Konvents der
Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt,
Ostenstraße ,  Eichstätt.
Redaktionsleitung für diese Ausgabe
Sebastian Gruber und Karen Schewina,

Inhalt
Editorial
Das hatten wir uns mal so überlegt …


  
Was Wann Wo?
Leserbriefe



Am Rande des deutschen Schulwesens:
Waldorf
Geisteswissenschaftler
»Wir sind noch nicht, wir werden erst«
Verborgen in der Tiefe
Das Leben ist wie eine Rose
Die Randgruppe der Radfahrer
»Wir sind ein normaler Teil der Gesellschaft«








Titschis Talk Time

My Wohnheim is my Castle, Teil : Ein
Besuchsbericht in der Schottenau, von
zarter Romantik ummäntelt

Isst du nur, oder kochst du schon?

Europarcours reloaded


Die Vereinigten Staaten von Europa


Istanbul
Nicht nur Luise ist blass.
Rotkäppchen im Zeichenwald
Noch mehr Kultur
Mehr Raum für Musik!





 
 Subkulturen …
Kochen?


Schewina, Luisa Schwarz, Laura Wägerle,
Benjamin Wech und Gastautoren.
   Sebastian Gruber.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
die persönliche Meinung der Autoren wieder
V. i. S. d. P.
und sind als Beitrag zur Meinungsbildung oder
zumindest zur geistigen Erbauung gedacht.
kuAktuell-Redaktion
- * [email protected]
 Robin Baumgartner, Matthias Bunk,
Christine Campen, Anne Deremetz, Christine
 8 www.ku-konvent.de/kuaktuell
Gawlik, Magnus Göldner, Christian Hübner,
Die nächste Ausgabe von kuAktuell erscheint
Christopher Knoll, Gabrielle Savalle, Karen
Anfang Juni. Gastartikel sind willkommen!
Mai  kuAktuell
Das Schwarze Brett
Was Wann Wo?
KunstgeschichtsExkursionen
.  · 
.  · 
Gesundheitstag
Raus aus dem Stress – entspannt durchs
Semester. Workshops, Vorträge, Gesundheitschecks, Spendenlauf, Shakes und
Leckereien.
Sportbau ( /) / – Uhr
Würzburg
»Farbwelten – Von Monet bis Yves
Klein« und »Nachtseiten der Natur –
Doris Conrads, Stefanie Pöllot, Jürgen
Hochmuth« im Kulturspeicher.
Eintritt: , €, erm.  €.
Abfahrt Eichstätt Stadt: : Uhr,
Ankunft Würzburg: : Uhr
Theater: heute. horrorshow
Chopin und Folter. Über Freiheit, Gewalt
und »gute Menschen«.
Studihaus /  Uhr
.  · 
Ausstellung: In die Zukunft gedacht
Bilder und Dokumente zur Deutschen
Sozialgeschichte. Bis . Juni.
Zentral-Bib / Eröffnung  Uhr
Riedenburg und Kelheim
Burg Prunn und Befreiungshalle.
Eintritt: Kombikarte  €, erm.  €.
Fahrt mit Autos, eventuell mit
Unibussen.
.  · 
.  · 
Theater: heute. horrorshow
Siehe . Mai.
.–.  · –
. Donaumoostage
»wertvollERleben«: Vielfältiges Erlebnisund Umweltbildunvgsprogramm.
›Haus im Moos‹ in Kleinhohenried /
Sa. – Uhr; So. – Uhr
Siehe Artikel auf Seite 
München
»Realismus – Das Abenteuer der
Wirklichkeit. Courbet, Hopper,
Gursky …« in der Hypokunsthalle.
Eintritt:  €, erm.  €.
Abfahrt Eichstätt Stadt: : Uhr,
Ankunft München : Uhr
Anmeldung, Fragen, Feedback per
Mail an * fachschaftkunstgeschichte@
gmx.net
.   .  · –
Ausstellung: Jaqueline Koller –
»Seelenmalerei«
Vernissage am . Mai ab  Uhr mit Musik
von tjian.
Café Orangerie, Ostenstraße , Eichstätt
Anregungen?
Wünsche?
Kritik?
Weitere Termine
t Termine des Konvents
8 www.ku-konvent.de
t Termine der 
8 www.khg-eichstaett.de
t Termine der Uni
8 www.ku-eichstaett.de
kuAktuell Mai 
Schreibt uns Leserbriefe, schickt uns
Eure Termine für Partys und alles
andere und schlagt Themen für neue
Artikel und Hefte vor!
Kontaktmöglichkeiten findet Ihr
im Impressumskasten unter dem
Editorial.
Seit kurzem online:
8 partyguerilla.wordpress.com
Leserbriefe
»Ohne Ende gut«
 »   «
 , . 
u den beiden Kinokritiken in den Heften vom Dezember und Januar hätte
ich zwei kleine Anmerkungen. Zunächst
einmal muss ich aber gestehen, dass ich
selbst sehr an Filmkritiken interessiert
bin und deshalb monatlich nicht nur eine
Fachzeitschrift zum Thema verschlinge.
Ich behaupte also einfach mal: Ich kenn’
mich da aus. Deshalb gibt es bei den beiden
Artikeln zwei Dinge, die ich beanstande.
Zum Einen gehört in die Rezension
eines Films niemals eine Aussage darüber, wie der Film endet. Nicht einmal bei
einem Liebesfilm wie »Zweiohrküken«.
Auch nicht der Hinweis, dass es ein positives Ende nehmen wird. Das Ende zu
verraten, sei es bei Beginn des Films auch
noch so offensichtlich, ist ein absolutes
No-Go. Leider wird das selbst von Filmkritikern großer Tageszeitungen manchmal missachtet und Leser wie ich, die sich
gern hätten überraschen lassen von dem
Film(ende), ärgern sich dann.
Zum Anderen möchte ich darauf hinweisen, dass beim »Coming soon«-Teil im
Januar, in dem eine Filmvorschau für 
behandelt werden sollte, etwas viele Bilder den Artikel ausschmückten. Ein Bild
pro Film hätte es auch getan. Wenn man
sich mal diverse Kinozeitschriften ansieht,
dann sind da vergleichsweise auch nie
viele Bilder. Und das hat Gründe. Viele
kleine Bilder lenken vom Text ab und sind
weniger aussagekräftig als ein größeres.
Aber genug zu meinen Beanstandungen. Denn die Kritiken selbst fand ich
klasse, großes Lob! Und die Coming soon
Abschnitte geben einen guten, prägnanten
Überblick.
Z
Julia Kovacs

Subkulturen
Am Rande des deutschen Schulwesens: Waldorf
aldörfler, das sind doch die, die in
der Schule nicht klar kommen und
deshalb auf diese Förderschule gehen,
oder? Machen die da überhaupt einen
Abschluss?
Hand auf’s Herz, wer weißt denn schon
wirklich, was sich hinter diesem Namen
alles verbirgt, geschweige denn, welche
Ziele die Pädagogik der »Anthroposophie«
wirklich verfolgt?
Jetzt also nicht nur für alle Orientierungs- und Blockpraktikanten, die aus
den Winterferien zurückkehren, der
kleine Versuch die »Subkultur« Waldorf
und damit die praktische Umsetzung der
Anthroposophie, ein wenig ins erläuternde
Scheinwerferlicht zu rücken.
Die Waldorfschule wurde  von
Rudolf Steiner in Stuttgart gegründet und
hat ihren Namen von der Zigarettenfabrik
Waldorf-Astoria, für deren Angestellte er
Pädagogik in die reale Form einer Schule
umsetzte. Er wollte die soziale Gerechtigkeit im Schulsystem: die Arbeiterkinder sollten auch eine umfassende Bildung bekommen. Heute gibt es weltweit
 (März ) Schulen (davon  in
Deutschland), in denen neben den »normalen« Fächern, wie Deutsch, Mathe,
Geschichte oder Physik auch Gartenbau,
Eurythmie, Töpfern, Schreinern, Schmieden, Astronomie, Mittelalterliche Literatur, Architektur, Kunstbetrachtung, etc.
und zwei Fremdsprachen ab der ersten
Klasse unterrichtet werden.
Der Alltag gestaltet sich hier wie folgt:
Alle Schüler einer Klasse beginnen den Tag
mit zwei Stunden »Epochenunterricht«,
in dem ein Fach drei bis vier Wochen
am Stück, eben in einer Epoche, gelernt
wird. Die Schüler haben dabei bereits ab
der . Klasse den »Vortrag« des Lehrers
selbstständig mitzuschreiben, was eine,
wie man sich denken kann, enorme Vorbereitung auf die Uni darstellt. Weiter geht
es dann mit den Fremdsprachen, Sport,
Musik und den diversen künstlerischen
Fächern. An den meisten Schulen wird
auch eine umfangreiche Nachmittagsbetreuung angeboten (neben Hausaufgaben
werden hier Zirkus-, Sport-, Sprachen-,
Tanz- und ähnliche Kurse gemacht). Da
die Waldorfschule eine Gesamtschule ist,
kann man hier vom Quali bis zum Abi
W

jeden Abschluss extern machen; das heißt,
man bekommt ihn nicht mit dem bestandenen Schuljahr, sondern muss Prüfungen
in jedem Fach ablegen. In Bayern müssen
die Schüler diese an einer staatliche Partnerschule schreiben und haben deshalb
zum Beispiel für die Abiturvorbereitung
nur ein Jahr.
Eine Besonderheit der Waldorfschule ist
neben dem umfangreichen künstlerischen
Fächerangebot auch der Eurythmieunterricht (»Namen tanzen«, so das weitläufige
Vorurteil), der die Bewegungskoordination im Raum schult und, viel praktischer
gesehen, den körperlichen Ausgleich zur
geistigen Anstrengung liefert. Auch die
Theaterprojekte, die die Persönlichkeitsbildung fördern und den öffentlichen
Auftritt üben sollen, sind in ihrer Vielzahl
außergewöhnlich. In der . Klasse gibt
es sogar eine »Theaterepoche«, in der die
Schüler nicht nur das Abschlussprojekt
»Zwölftklassstück« einstudieren, sondern
auch die Theatergeschichte und -theorie vermittelt bekommen. Dem Ziele der
Persönlichkeitsentwicklung dienen auch
die vielen »Facharbeiten«, die ein Waldorfschüler in seiner Schulzeit hinter sich
Mai  kuAktuell
Subkulturen
bringt: Literaturreferate, die sog. »Achtklassarbeit« und die Facharbeit, genannt
»Zwölftklassarbeit«, wobei letztere neben
der schriftlichen Arbeit auch einen öffentlichen Vortrag beinhalten.
Weil ich vorhin auf die Univorbereitung
zu sprechen kam: die Waldorfpädagogik
sieht zudem auch diverse Praktika im
Laufe der Schulzeit vor: So beginnt man
in der siebten Klasse mit dem »Küchenpraktikum« und gelangt dann über Forst-,
Landwirtschafts-, Vermessungs-, Handwerks-, Sozial- und Ökologiepraktikum
an den Höhepunkt, das Steinmetzpraktikum in Italien, was auch gleichzeitig die
Abschlussfahrt ist. Man kann sich so nicht
nur in der Berufswelt umsehen; es bedeutet auch einen großen Schritt, mit  Jahren für drei Wochen alleine auf einen Bauernhof mitzuarbeiten. Die Waldorfschule
versucht so eben indirekt Kompetenzen
wie Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Geduld, etc. zu vermitteln.
Bleibt noch eine Frage: Die machen
zwölf Jahre lang nur »Quatsch« und dann
trotzdem das gleiche Abi? Es ist eben ein
großer Irrtum, dass die Waldorfschule
eine Förderschule im herkömmlichen
Sinne ist. Vielmehr lässt sie durch fehlenden Notendruck (ja, man bekommt in der
Oberstufe dann doch Noten), den Schülern gerade in der Pubertät mehr Zeit um
nachher doch ans gleiche Ziel zu gelangen
(ohne ein einziges Mal durchgefallen zu
sein) und vor allem eines zu entwickeln:
Sozialkompetenz.
Ein ganz wichtiger Punkt dieser Schulform ist, wie ich denke, dass der Unterricht
an den Schüler und seine Entwicklung
angepasst ist und nicht der Schüler sich
anzupassen hat, ganz nach Steiners Motto
»Erziehung zur Freiheit«. Das heißt auch,
dass das Lehrerdasein an dieser Schule
wahrlich nicht einfach ist, denn wer freie
Charaktere ausbilden will, muss sich auch
der Diskussion mit den Schülern stellen
und sie nicht mit Verweisen übergehen.
Quellen
Marie Susan Mühlemeier
Fotos: Charlotte Fischer
8 www.waldorfschule.info/de/
paedagogik/was-ist-waldorf-paedagogik/
index.html
kuAktuell Mai 

Subkulturen
Geisteswissenschaftler
ines will dieser Artikel nicht: Antworten geben. zite verursachen. Am Ende sind die paar GermanisAber manchmal passiert es eben trotzdem. tiklehrstühle doch nur Peanuts. Den großen Zaster
Schließlich tun wir ziemlich viel von dem, was uns setzen ganz andere Ganoven in den Sand.
Allerdings ist hier nicht der Ort, um sich darüber
täglich beschäftigt »trotzdem«. Zum Beispiel ein geisteswissenschaftliches Studium. Diejenigen, die’s tun, aufzuregen. Es geht um Geist und das heißt: es geht
sind Mitglieder einer Randgruppe, Grenzgänger, die ums Prinzip. Wer Grundsatzdebatten nicht mag,
auf dem Tellerrand der Gesellschaft spazieren – mit kann den nächsten Absatz einfach überspringen. Hier
dem einen Auge immer die conditio humana im Blick, geht’s ums Grundsätzliche und Grundsätzliches findet sich grundsätzlich im Grundgesetz. Zum Beispiel
mit dem anderen blinzeln sie in die Sterne.
in Artikel : »Kunst und WissenEine
Zwischenposition,
schaft, Forschung und Lehre sind
so kann man sich’s vorstelfrei.«
len, wie die der Uni Eichstätt
Das steht da nicht einfach
im Altmühltal. Eingeklemmt
Schlaflos im Fenster die Nacht
so zum Spaß, sondern wie der
zwischen der Stadt und
Fragt wozu das Ganze
Name schon sagt mit gutem
ihrem Industriewurmfortsatz
Weil ich die Antwort nicht weiß
Grund. Schließlich ist es Auf(topographisch treffender als
Das Dunkel läßt nicht mit sich reden
gabe eines demokratischen
»Speckgürtel«), steht sie für
Geh ich zurück in den Schlaf
Rechtsstaats,
Meinungsfreidie exemplarische Verlorenheit
Der Morgen vielleicht weiß es anders
heit und Meinungsvielfalt zu
der Geisteswissenschaften zwiHeiner Müller
gewährleisten. Tut er das nicht,
schen bürgerlichem Renommé
verstößt er gegen seine eigenen
und wirtschaftlichem Profit.
Spielregeln und zwingt seine
Fatal, wenn es in dieser DreiBürger unter die Herrschaft
erbeziehung einmal kriselt:
einer Staatsideologie. Dazu
»Blubb!« – eine plötzlich platbraucht also die Gesellschaft
zende Immobilienblase. Dann
hält die Bank den Säckel auf, Vater Staat macht keinen Geisteswissenschaften: dass sie – nicht nur, aber
Reibach mit steuerfinanzierten Orchideenfächern. auch – die Pluralität an Meinungen und Paradigmen
Das Geschäft mit dem Geist ist dieser Tage eben nicht reflektieren und immer wieder neu denken.
Tatsächlich, jetzt ist es passiert. Jetzt steht da eine
gerade lukrativ. Entrüstete Leser schreiben Kommentare über »Nichtskönner und Faulpelze«¹ und treiben Antwort. Und tatsächlich ist es gar nicht schlimm,
die Klischees über promovierte Taugenichtse auf die dass die eine oder der andere den letzten Absatz
Spitze. Aber ist auch was dran? Oder anders gefragt: übersprungen hat. Antworten gibt’s nämlich genug.
Wer will, kann sie bei Florian Kiesinger und Roland
braucht die Gesellschaft Geisteswissenschaften?
Seit geraumer Zeit prägt Wirtschaftlichkeit unser Berger nachlesen. In ihrem Sammelband »Wozu Geiswestliches Denken und Handeln. Was früher die Para- teswissenschaften?« erfährt man auf die Frage unter
digmen der Religion oder Nation ausfüllten, leistet anderem: »weil – nicht: obwohl – sie nicht für bestimmte
heutzutage die Ökonomie. Weil diese Denkart prak- Berufsbereiche ausbilden.«²
Das war schon wieder eine Antwort, aber eine Anttisch ist und scheinbar frei von ideologischen Fußfesseln, wurde sie schnell auch auf Lebensbereiche wort mit einem großen Trotzdem. Trotz dem schwieübertragen, die nicht unmittelbar dem Erwerb dienen. rigen Arbeitsmarkt, Trotz dem verschulten Studium,
Trotz dem Diktat der Wirtschaft. Neue Ideologien
Zweckrationalität heißt das dann bei Max Weber.
Keine Frage, die gab’s schon zu allen Zeiten. In den entstehen allzu leicht. Deswegen bieten die Geisteswestlichen Industrienationen hat sie sich aber schnell wissenschaften keine einfachen Antworten, sondern
zum Leitprinzip einer planvollen Lebensführung ent- wecken den Sinn für Alternativen, für offene Fragen.
wickelt – und ist ja zur Mehrung des Wohlstands auch Fragt wozu das Ganze! Der Morgen vielleicht weiß es
gar nicht so übel. Also wozu noch Geist, wozu noch anders.
Wissenschaft? Ist das nicht antiquierter Luxus, kann
man sich das in Zeiten der Krise nicht einfach spa- Christian Hübner
ren?
 Wozu Geisteswissenschaften? Kontroverse Argumente für
Wenn man den ganzen Betrieb rationalisieren
eine überfällige Debatte / Beitr. von Roland Berger. Hrsg. Steffen
möchte, sicherlich. Nur sollte man sich überlegen, ob
Seischab. . Aufl. Frankfurt/Main, Campus-Verlag, . S. .
man nicht lieber Stellen einspart, die wirkliche Defi-
E


8 www.zeit.de/campus///geisteswissenschaften-heulen
Mai  kuAktuell
Subkulturen
»Wir sind noch nicht, wir werden erst«
Ein kleine Kritik am Menschsein
or einigen Jahren kam mir dieses Zitat von Ernst
Bloch in einer Klausur unter die Augen. Viele
Gedanken habe ich mir darüber nicht gemacht. Eben
nur ein Zitat. Dachte ich. Bis jetzt.
Dieses Zitat birgt viel mehr in sich, als sich auf
dem ersten Blick vermuten lässt. Da sich die jetzige
Ausgabe der kuAktuell um Subkulturen und somit
den Menschen dreht, dachte ich mir, wäre ein kurzer
»Blick« auf den Menschen durchaus angebracht.
Wer sind wir? Wozu sind wir
fähig? Was tun wir eigentlich
hier auf diesem Planeten? Vor
allem: Was tun wir diesem Planeten an?
Die Aschewolke hat einmal
mehr gezeigt, wenn Mutter
Natur sauer ist, ist der Mensch
nur ein Spielball der im Wasser schwimmt. Wir glauben
alles steuern, kontrollieren
oder auch beherrschen zu können und werden dann so enttäuscht. Machtlos sehen wir,
wie sich unser Geld zusammen
mit der Wolke in »Luft auflöst«,
eine Milliarde Euro pro Tag ohne Flugzeuge und wie
die Lieferungen von Ersatzteilen aus Übersee ausbleibt und Papas kaputtes Auto in der Garage bleiben
muss. Der Mensch, selbsterklärter Herrscher dieser
Erde, ist machtlos.
Doch um den Menschen in Schutz zu nehmen kann
man sagen, dass er sofern er will, dazu in der Lage
ist großes zu Vollbringen. Es sind Frauen und Männer
wie Marie Curie, Edison, Ford, Franklin, Galilei, Da
Vinci, ich könnte ewig so weitermachen, die uns Menschen vorangebracht haben. Dank ihnen wurden wir
ein Stück besser. Zumindest technisch gesehen.
Auf der anderen Seite haben wir die großen Denker der Vergangenheit, Aristoteles, Platon, Sokrates,
Sun Tzu, Hobbes, Roseau, auch hier ist die Liste lang.
Doch von ihnen haben wir uns weit weniger gemerkt,
als wir es hätten tun sollen. Noch immer gibt es Ungerechtigkeiten, Kriege, Hungersnöte auf dieser Welt
und ein Großteil sieht zu. Wir haben noch immer
nicht begriffen, zu was wir eigentlich fähig wären. Der
Mensch selbst ist nicht zu beneiden. Doch das was er
könnte, um das ist er zu beneiden. Wir hätten längst
die Möglichkeit, für jeden ein Dach über dem Kopf
zu schaffen oder aber unsere Streitereien beizulegen.
Wir hätten auch die Möglichkeit den Weltraum oder
zuerst einmal unseren Planeten zu erforschen, ohne
dabei die Arten zu zerstören, die unser wundervoller Planet beherbergt. Jeder Eingriff in die Natur ist
meist von einem Echo geprägt, das sich früher oder
V
kuAktuell Mai 
später seinen Weg bahnt. Doch die Entwicklung über
Jahrtausende hinweg hat gezeigt, dass der Mensch
sich bessert. Die Kriege wurden weniger, die Vereinten Nationen gegründet, Europa geschaffen und die
Weltraumforschung findet auf internationalen Wegen
statt. Doch wir sind noch nicht. Wir sind noch nicht
da wo wir hin könnten.
Die Menschheit braucht etwas, dass sie zusammenschweißt, ein Ereignis womöglich schlimmen Ausmaßes. Denn die Geschichte zeigt,
dass der Mensch erst bereit ist
etwas zu ändern oder zu verbessern, wenn etwas passiert
ist das leicht hätte verhindert
werden können. Erst dann
werden wir womöglich fähig
sein zu begreifen was in uns
steckt. Wenn es dann nicht zu
spät ist?
Durch bestimmte Geschehnisse wachsen wir Menschen
jedoch immer mehr zusammen. Wir helfen einander,
sogar ohne Gegenleistungen
zu erwarten. Dies zeigt, dass
wir vielleicht noch nicht auf einem guten Weg sind
aber zumindest eine »richtige Richtung« eingeschlagen haben und einige unserer Fehler erkannt haben.
Was wir nun tun, liegt an uns. Nur an uns. An jedem
einzelnen, der sich »Mensch« nennt. Für seine Fehler
geradezu stehen ist eine gute Sache. Doch nicht viele
von uns sind bereit dazu, diese Fehler zu korrigieren.
Einigkeit, Ehrlichkeit und Kameradschaftlichkeit
sind die Eigenschaften, nach denen die Menschen
streben sollten. Sei es durch ehrenamtliches oder
politisches oder aber vielleicht auch soziales Engagement. Rassismus, Fremdenhass und Egoismus sind
die Eigentschaften der Menschen, die es zu beseitigen
gilt. Sie werden uns nicht weiterbringen. Sie werden
uns stattdessen daran hindern und selbst zu entfalten und das zu werden, wozu wir selbst in der Lage
sind.
Natürlich ist mir bewusst, dass diese Forderungen teilweise, zumindest momentan, Utopisch sind,
jedoch brauchen wir ein Ziel vor Augen an welchem
wir uns orientieren können.
Zuviel sollten wir jedoch nicht erwarten, um nicht
enttäuscht zu werden, aber wir sollten im Hinterkopf
behalten:
Wir sind noch nicht, wir werden erst.
Philip Eichinger

Subkulturen
Der Grottenolm
Ein junger Grottenolm
Foto: http://www.flickr.com/photos/
craftup// cc-by-nc-sa craftup
Christine Gawlik & Magnus Göldner
Grottenolme sind echte Höhlentiere, sogenannte
Troglobionten. Der lateinische Name des Grottenolms lautet Proteus anguinus. Er gilt als der einzige in
Europa vorkommende Olm. Der Körperbau des Grottenolms ist aalähnlich. Das Tier kann bis zu  Zentimeter lang werden. Seine Haut ist durch das lichtlose
Leben pigmentlos und weißlich-rot. Die Gliedmaßen
sind sehr dünn und seine Augen haben sich im Laufe
der Zeit stark zurückgebildet. An den Seiten des
Kopfes trägt er rote Kiemenbüschel. Mit den Kiemen
atmet er unter Wasser. Sein Lebensraum sind unter
anderem die unterirdischen Karstgewässer des Dinarischen Gebirges entlang der Adria von Norditalien
über Slowenien und Kroatien bis zu Herzegowina und
Montenegro. Er ist also ein endemisches Wesen. Zu
seinem Nahrungsspektrum gehören vor allem kleine
Krebstiere wie Wasserasseln und Flohkrebse. Wegen
seiner Lebensweise kann dieses Tier sogar bis zu sechs
Jahre ohne Nahrungsaufnahme überleben. Grottenolme können bis zu  Jahre alt werden. Eine besonders interessante Tatsache ist, dass diese Lebewesen,
wenn sie bei Licht aufwachsen, sowohl Augen als auch
Hautpigmente entwickeln können. Die Menschen aus
vergangener Zeit erzählten sich Sagen und Märchen
über diese Wesen aus der Unterwelt, die gelegentlich
bei Hochwasser an die Oberfläche gespült wurden und
dann in den Bächen entdeckt wurden. So wurden sie
unter anderem für Drachenjungen gehalten. Außerdem wird er auch wegen seiner Hautfarbe »menschlicher Fisch« genannt. Dieses Lebewesen war auch
Charles Darwin bekannt. In Kapitel  seines Buches
›The Origin of Species‹ schrieb er unter Abschnitt
›Effects of Use and Disuse‹ so über die Adaptionen
solcher Tiere.¹

Nacktmull

Siehe hierzu: 8 friendsofdarwin.com/docs/origin-/chapter-/
Foto: commons.wikimedia.org/wiki/File:Nacktmull.jpg cc-by-sa
Mai  kuAktuell
Subkulturen
Der Maulwurf
Der Nacktmull
Der Heterocephalus glaber, auch Nacktmull
oder Molratte genannt, lebt in unterirdischen Bauten in den Halbwüsten Ostafrikas. Der Nacktmull kann eine Köperlänge
zwischen  und  Zentimeter erreichen.
Dieses Tier besitzt, wie sein Name schon
sagt – außer den Tasthaaren – keine
Haare. Es ist also völlig nackt. Seine Tasthaare befinden sich vor allem im Gesicht,
da seine visuelle Wahrnehmung sehr
gering ist. Diese Anpassung hat sich für
ihn jedoch zum Vorteil ergeben, da sich
durch die vereinzelten Haare die Parasiten schlechter ansiedeln können. Ferner
besitzt er eine faltige, braun-rosa gefärbte
Haut. Durch die Falten werden einerseits
seine inneren Organe geschützt, andererseits kann er sich so auch in den engen
Gängen besser fortbewegen. Ein weiteres
auffälliges Merkmal sind die großen Nagezähne. Der Nacktmull nimmt keine Flüssigkeit zu sich. Das Wasser, das er zum
Leben benötigt, erhält er über die Nahrung. Seine Nahrung setzt sich aus sehr
faserigen Pflanzenknollen und Wurzeln
zusammen. Diese Knollen bzw. Wurzeln
besitzen jedoch meist keinen sehr hohen
Nährwert. Der Nacktmull steht ebenso
wie der Grottenolm auf der Roten Liste
der .
Der Europäische Maulwurf (Talpa europaea) erhielt seinen Namen von dem alten
Begriff »Molte = Erde«. So kann der Name
»Maulwurf« also frei mit »Erdwerfer« übersetzt werden.
Der Maulwurf kann zwischen  bis 
Zentimeter groß werden. Sein Schwanz
kann dabei eine Länge von  bis , Zentimeter erreichen. Er besitzt ein weiches,
grau-schwarz gefärbtes Fell, das jedoch
nur aus Wollhaaren besteht. An seiner
kleinen Schnauze und am Schwanz besitzt
der Maulwurf feine lange Tasthaare. Diese
Tasthaare übernehmen die Rolle der Tastsinnesorgane. Sein Hauptsinnesorgan
stellt der empfindliche kleine Rüssel dar.
Mit diesem kann er sehr gut riechen und
tasten. Die Schnauze ist eng besetzt mit
Sinneszellen. Bodenerschütterungen nehmen Maulwürfe sehr sensibel wahr. Die
kleinen Augen und Ohren des Maulwurfes
sind im dichten Fell fast ganz verborgen.
Obwohl die Ohrmuscheln im Fell versteckt sind, ist sein Gehör ausgezeichnet.
Seine Augen sind nur wenige Millimeter
groß. Ihre Sehkraft ist sehr gering. Die
Augen des Maulwurfs können daher nur
zur Unterscheidung von hell und dunkel
dienen. Seine Vordergliedmaßen sind zu
Grabwerkzeugen umgebildet. Die mit der
Handfläche nach außen gedrehten Hände
sind schaufelförmig und enden in fünf Finger. Durch seinen intensiven Stoffwechsel
und die sauerstoffarme Luft, die sehr reich
an Kohlendioxid ist, würde der Maulwurf
in eine »Sauerstoffschuld« kommen. Damit
Foto: commons.wikimedia.org/wiki/File:Talpa_europaea_hg.jpg cc-by-sa
kuAktuell Mai 
auch bei wenig Sauerstoff die Versorgung
des Körpers mit Sauerstoff gesichert ist,
besitzen die Maulwürfe daher einen sehr
hohen Hämoglobinanteil im Blut. Das Verbreitungsgebiet des Europäischen Maulwurfs erstreckt sich von Großbritannien
über weite Teile Mittel- und Osteuropas
bis nach Sibirien in die Region der Flüsse
Ob und Irtysch. Die Maulwürfe ernähren
sich ausschließlich von tierischer Nahrung.
Dazu zählen Regenwürmern und Insekten
sowie deren Larven. Gelegentlich verzehrt
er auch kleine Wirbeltiere wie Echsen und
Nagetiere. Sein täglicher Nahrungsbedarf
entspricht hierbei in etwa seinem eigenen
Körpergewicht. Eine längere Nahrungspause von mehr als einem Tag kann der
Maulwurf nicht überleben. Außerdem hält
der Maulwurf keinen Winterschlaf. Daher
vertilgt ein Maulwurf pro Jahr etwa 
Kilogramm Nahrung. Als Wintervorrat
fängt der Maulwurf vor allem Regenwürmer. Damit die Regenwürme überleben,
aber nicht fortkriechen können, beißen
die Maulwürfe deren Vorderende ab. Der
Wintervorrat wird in kleinen »Vorratskammern« gesammelt, von denen in
einem Maulwurfsbau bis zu  existieren
können. Insgesamt lagern Maulwurfe dort
oft mehr als zwei Kilogramm Nahrung.
Zuletzt soll kurz erwähnt werden, dass der
Maulwurf unter Naturschutz steht.
Info: Auch über den Maulwurf schrieb
Darwin in Kapitel  seines Buches ›The
Origin of Species‹ unter Abschnitt ›Effects
of Use and Disuse‹.
Maulwurf

Subkulturen
Der Sternmull
Der Sternmull oder Sternnasenmaulwurf
(Condylura cristata) gehört zu der Familie
der Maulwürfe. Er unterscheidet sich von
dem ebenerwähnten Maulwurf vor allem
durch die  fingerförmigen Hautanhänge
auf der Schnauze. Sie dienen als Tastorgane,
um die Beute aufzuspüren. Die Bewegungen der  fingerförmigen Hautanhänge
sind so schnell, dass das menschliche
Auge ihnen nicht folgen kann. Die neuesten Messungen mit Hochgeschwindigkeitskameras belegen, dass ein Sternmull
bis zu dreizehn potentielle Beutetiere pro
Sekunde berühren und untersuchen kann.
Infolgedessen ist er vierzehnmal schneller
als seine Verwandten, wie der Europäische
Maulwurf ohne die Fortsätze. Außerdem
ist das Fell des Sternmulls viel rauer als
das der übrigen Maulwurfsarten. Es ist
wasserabweisend und meist schwarzbraun
oder schwarz gefärbt. Dies ist wichtig, da
die Sternmulle im Gegensatz zu den meisten anderen Maulwürfen semiaquatisch
sind. Sie führen zum Teil nämlich eine
wasserbewohnende Lebensweise. Sie können gut schwimmen und tauchen und
suchen einen Teil ihrer Nahrung auf dem
Grund von Gewässern. Ringelwürmer
und Insekten gehören ebenso zu seiner
Nahrung wie Krebstiere und kleine Fische.
Der Sternnasenmaulwurf ist im östlichen
Nordamerika beheimatet.
Bis heute ist man sich noch nicht ganz
sicher, wie es zur Namensgebung »Regenwurm« kam. Einer Ansicht zufolge soll
die Namensgebung auf den althochdeutschen Begriff »Regnwurm« zurückgehen.
Dabei soll sich die Bezeichnung auf das
Verhalten der Würmer bei Regen beziehen. Denn wie wir wissen verlassen die
Regenwürmer bei starken Regenfällen die
unterirdischen Wohnröhren rasch. Nach
einer anderen Ansicht zur Folge rührt der
deutsche Name von ihrer regen unterirdischen Aktivität her. So gab es noch im
. Jahrhundert die Bezeichnung »reger
Wurm«. Der Regenwurm (Lumbricidae)
ist ein gegliederter Wurm, der im Erdboden lebt. Weltweit sind etwa  Regenwurmarten bekannt. Hiervon leben in
Europa rund  Arten. In Deutschland
gibt es derzeit  Regenwurmarten. Im
Jahr  wurde der für den Naturkreislauf nützliche Regenwurm zum »Wirbellosen Tier des Jahres« erklärt. Der Körper
des Regenwurms besteht aus zahlreichen
Segmenten. Diese Segmente besitzen an
ihren Seiten hervorragenden Borsten, die
kaum aus der Haut herausragen. Die Borsten bestehen aus Chitin und Proteinen.
Sie können mit Hilfe besonderer Muskeln
bewegt werden. Je älter ein Regenwurm
wird, umso mehr Segmente hat er. Dabei
produziert eine spezielle Wachstumszone
in der Nähe des hinteren Endes die neuen
Glieder. So können ausgewachsene Exemplare aus  Segmenten bestehen. Diese
Lebewesen sind nachtaktiv und sind überwiegend Substrat- und Pflanzenfresser.
Das bedeutet, dass sie humusreiche Erde
und vermodertes Pflanzenmaterial zu sich
nehmen. Bei Regenwetter wird beobachtet, dass die Regenwürmer ihre Wohnröhren verlassen. Man ist der Auffassung,
dass die Regenwürmer ihre Wohnröhren
verlassen, da sie bei langanhaltenden
Regenperioden in ihren Gängen ersticken
würden, da der im Wasser gelöste Sauerstoff nicht ausreicht, um den Wurm über
die Hautatmung mit genügend Sauerstoff
zu versehen. Obwohl der Regenwurm
keine Sinnesorgane besitzt ist er erstaunlicherweise sehr reizempfindlich. So kann
der Regenwurm sowohl Temperaturunterschiede als auch Berührungen und Licht
wahrnehmen. Außerdem ist es ihm möglich zu schmecken und zu riechen.
Schnauze eines Sternmullls
Ein Nest mit jungen Sternmullen
Ein Regenwurm in der Erde
Foto: http://www.flickr.com/photos/@N// MFS The Many Faces of Spaces cc-by-nc-sa
Foto: www.flickr.com/photos/hillbraith// Hillbraith cc-by-nc
Foto: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Miñocaeue.
jpg cc-by-sa

Der Regenwurm
Mai  kuAktuell
Subkulturen
Der Tiefseeanglerfisch
Der Blinde Höhlensalmler
Die blinde Höhlenform des Astyanax mexicanus lebt in den Höhlen Cueva Chica,
Cueva de los Sabinos und Cueva del Pachon
im mexikanischen Bundesstaat San Luis
Potosí. Der Silbersalmler, sein sehender
Verwandter, ist auch in Texas und New
Mexico, sowie in Nord- und Zentralmexiko
zu finden. Er lebt in Schwärmen und wird
etwa zwölf Zentimeter groß. Weil er auf
Dauer in lichtlosen Höhlen lebt, ist er pigmentlos und fleischfarben mit etwas silbrigem Glanz. Die jungen Fische haben oft
noch kleine, sehtüchtige Augen. Jedoch
bilden sich die Augen mit zunehmendem
Alter zurück, da sie dadurch Energie sparen können, um diese anderweitig zu nutzen. Seine Flossen sind farblos. Zu seiner
Nahrung gehören Insekten, kleine Krebstiere und Würmer. Diese Beutetiere werden ausschließlich über den Geruch- und
den Tastsinn aufgespürt.
Ihren Namen verdankten die TiefseeAnglerfische ihrer »Angel« (Illicium), also
einem Leuchtorgan oberhalb des Maules.
Das Leuchtorgan soll sich wahrscheinlich aus einem der vordersten Stacheln
der Rückenflosse entwickelt haben. Diese
Rückenflossen sind nur bei den großen
Weibchen vollständig ausgebildet. Die
Männchen hingegen leben als »Zwergmännchen« häufig angewachsen an den
Weibchen. Die Weibchen haben meistens
eine rundliche Form, können aber auch
lang gestreckt sein. Sie können eine Größe
von bis zu  Zentimetern erreichen. Sie
besitzen ein riesiges Maul, das sich enorm
erweitern kann um Beutetiere aufzunehmen. Ebenso dehnbar wie das Maul ist der
Magen. So können diese Fische Beutetiere
verzehren, die doppelt so groß wie er selber sind. Die weiblichen Tiefsee-Anglerfische locken mit ihrer leuchtenden Angel
ihre Beutetiere an. Wenn sich dem Leuchtorgan ein potentielles Beutetier nährt,
reißt der Fisch sein Maul auf und saugt
die Beute über den dadurch entstehenden
Unterdruck in das Maul.
Ausgesuchte Quellen
t 8 de.wikipedia.org
t 8 www.g-o.de/
dossier-detail--.html
t 8 www.g-o.de/
dossier-detail--.html
t 8 www.natur-lexikon.com
t 8 www.tierdoku.de
Der Schwarzangler (oben links), der Peitschenangler (oben rechts) und der
Der Blinde Höhlensalmler
Wunderfisch (unten)
Foto oben rechts: http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Himantolophus_sp.jpg Jon Moore/NOAA Ocean Explorer
Foto: http://www.akwarium.gdynia.pl/akwarystyka/gatunki/slepczyk.JPG
kuAktuell Mai 
Foto oben: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:L_amphirhamphus.jpg cc-by Theodore W. Pietsch,
University of Washington
Foto oben links: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Melanocetus_johnsonii._-_
Natural_History_Museum_of_London.JPG cc-by-sa Drow male

Subkulturen
Das Leben ist wie
eine Rose
eulich hielt mich ein Studienkollege
just an der Verkehrsinsel vor der
Sommerresidenz auf und fragte mich, ob
ich im Prüfungsamt gewesen sei. Da ich
das Amt nach wie vor im angestammten
Gebäude vermutete, schüttelte ich den
Kopf.
»Nein.«
Sichtlich beunruhigt von meiner Nachlässigkeit erkundigte sich mein Gegenüber,
dennoch nach meinem Weg.
»Ich war auf dem Friedhof.«, antwortete ich gerade so, als schilderte ich einen
Spaziergang auf den Frauenberg. Mein
Studienkollege jedoch musterte mich mit
einem Gesichtsausdruck, der nicht geringe
Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit
zeigte.
»Keine Angst,« beschwichtigte ich ihn,
»ich gehöre nicht zu denen, die irgendwelche absonderlichen Kulthandlungen
praktizieren und auf Friedhöfen nach
geeigneten Plätzen für derlei suchen. Solche Menschen würden vermutlich jeden
anderen Ort dem Eichstätter Friedhof
vorziehen.«
»Und warum das?« fragte der Studienkollege, während wir der Ostenstraßenhektik entflohen und Richtung Kapuzinerkloster einbogen. Da ich ohnehin Zeit
bis zur Vorlesung hatte, beschloß ich, dem
Studienkollegen meine selbstverständliche Gewohnheit ein wenig zu erläutern.
»Nun, die Szene derer, von denen du
sprichst, beruft sich vor allem auf die
sogenannte schwarze Romantik. Schon
Goethe mokierte sich in seinem ›Faust II‹
über die »Nacht- und Grabesdichter«
und hielt ihnen die klassische Antike als
leuchtendes Gegenbild vor. Was suchten
die schwarzen Romantiker?«
Der Studienkollege zuckte die Schultern: »Du wirst es mir gleich sagen.«
»Na, überleg einmal,« insistierte ich,
»Die schwarzen Romantiker, distanzierten
sich bewußt von der überreinen Helle der
Klassik und schufen so eine nicht nur literarische Subkultur. Sie konnten die Idealität nicht nachvollziehen und suchten den
Sinn und das Verlangen des Menschen
nun nicht mehr allein im geheimnisvollen
Dunkel der Nacht anzusiedeln, sondern
sie prägten das Bild der vom Tode bedrohten und schließlich dem Tode verfallenen
N

Schönheit, der jeglicher Widerwille fehlt:
Im Gegenteil, das Schöne, Lebendige
gibt sich kaum gegenstrebend, aber doch
zögerlich lustvoll dem Unumkehrbaren,
dem Tod hin.
Zurück zur Antike: Die klassischen Statuen waren nicht blank weiß, das wissen
wir, aber schwarz wie verwittertes Erz
waren sie auch nicht: so trifft man auf dem
Eichstätter Friedhof eher selten auf erhaben in sich zusammengesunkene eherne
Engelsgestalten, die jene, für Friedhöfe
bezeichnende Atmosphäre des Morbiden
hervorrufen. Nein, hier in Eichstätt fällt
mir etwas anderes auf, das man als neue
Subkultur bezeichnen könnte: Der Tod,
ein absolutes Tabu in unserer jugendsüchtigen Zeit, wird nicht mehr beiseite
geschoben, wie ein Schreckgespenst.
Gewiß, keiner von uns wird ihm entrinnen und den einen von uns wird er früher
herbeizitieren als den anderen, aber sollen
wir ihn deshalb fürchten oder wollüstig
schaudernd verherrlichen?«
»Was sollen wir dann?«
»Was machen denn die Eichstätter?,«
gab ich die Frage zurück.
»Du weißt es.«
»Durch ihre Bildhauer lassen sie dem
Tod seinen Stachel nehmen. Viele der
Monumente, die du auf dem Friedhof finden wirst, zeugen in ihrer dezenten Buntheit und Freundlichkeit davon, daß der
Tod nicht der absolute Endpunkt, noch der
Herr ist. Vielmehr erscheint er als eine Art
Tor, als ein Übergang; das Motiv der Tür
und der aufsteigenden Stufen findet sich
oft auf den Stelen. Auch das Vertrauen
auf Gott, dem sich menschliches Besitzstreben angesichts des Todes unterordnen
muß, findet seinen trostreichen Ausdruck.
Da liest du auf einem Grabstein, der einem
Baum in Kreuzform nachgeschaffen ist,
zum Beispiel den Satz: ›Ich darf wohnen
im Schatten des Allmächtigen.‹ Oder ein
anderer Spruch auf einer Stele lautet: ›Ich
werde die wiedersehen, die ich geliebt
habe und die erwarten, die ich liebe.‹ Die
Hoffnung, welche in diesen und unzähli-
gen anderen Sprüchen innewohnt, macht
vielleicht selbst dem Mut, der nicht an
Gott glaubt.
Du wirst mir beipflichten, daß solches
etwas anderes ist, als das resignierte,
unpersönliche ›Ruhe in Frieden‹, das man
sonst auf Friedhöfen oft findet und das
fast wie der Versuch einer raschen Abfertigung klingt. Nein, diese Subkultur zu
unserer Kultur der Jugend besteht darin,
den Verfall und den Tod nicht zu verdammen oder zu verherrlichen, sondern anzuerkennen und ins Leben einzubinden. Auf
einer Urnenplatte wirst du im Bild die drei
Stadien des Rosendaseins entdecken: Die
verschlossene Knospe, die volle Blüte und
die entblätterte Hagebutte. Darüber steht:
›Vita velut Rosa‹. Mehr nicht. Mehr wäre
überflüssig. So ehrt man hier die Toten:
Mit schlichter, freundlicher Würde. Hier
fehlt dem Tod auch jede Düsternis, er wird
nicht beiseite geschoben, er ist mitten im
Leben. Und deshalb gehe ich zur Erbauung im Friedhof herum und betrachte die
Monumente.«
»Aha.« Mein Kollege schien angestrengt
nachzudenken.
Ich war im Begriff durch die Pforte mit
dem schmiedeisernen Tor zu gehen, da
meinte der Studienkollege: »Du, ich hätte
dich auch nicht im Verdacht gehabt, mit
Leuten zu tun zu haben, die solche Messen halten …«
»Schon gut,« winkte ich ab, »Ich besuche zwar Messen, über die viele die Nase
rümpfen – aber das sind keine schwarzen
Messen!«
Ein bißchen verlegen und doch erleichtert darüber, mich mit seiner Eingangsbemerkung nicht inkommodiert zu haben,
grinste der Student und wandte sich in
Richtung des schmalen Gäßleins, das
bergan führte.
Heather Bastille
Mai  kuAktuell
Subkulturen
Die Randgruppe der
Radfahrer
Radfahrer sind eine
Randgruppe, so wie
Kinderwagenschieber (männliche sowieso). Schon per Gesetz
– genauer StVO – sind Radfahrer als
Randfahrer festgelegt. Es gilt am rechten
Straßenrand zu fahren und den einsamen
Auto- bzw. Busfahrern möglichst Raum für ein
zügiges Erreichen des nächsten Staus zu ermöglichen. Vor Ampeln wagt man sich seitlich an den EinPersonen-Wägen vorbei, nur um verärgerte Blicke oder
freundliches Hupen zur ersehnten Grünphase zu ernten.
Bei knappen Überholmanövern ist es ein astreines Kunststück nicht einen Rinnsteinkuss geschweige denn ein Kopfsteinpflaster zu riskieren.
Nicht nur im Verkehr zeigt sich die Randständigkeit des
gemeinen Radfahrers. Vor der Aula-Bibliothek etwa reihen sich
in schöner Semesterabhängigkeit Drahtesel um Drahtesel. Man
fragt sich wirklich, wie sie es schaffen, so lange dort zu stehen
angesichts der notwendigen Nutzung des Gehsteigs durch Fußgänger … nein, durch karossierte Busfahrer beim Lanzenturnier.
Ich warte nur auf den Tag an dem ich am Außenspiegel einen aufgegabelten Drahtesel mit oder ohne Reiter zu Gesicht bekomme.
Verkehrte Welt.
Anderes Gebiet, aber zurück zur Randständigkeit. Ständig
diese Räder. Würden sie doch tatsächlich auch an Randflächen
ihre Räder abstellen. Ausgewiesene Stellflächen werden von
Radfahrern einfach missachtet. Bieten sie keinen Unterstand
oder sind sie einfach zu wenig? Im Leben gilt es Weg und
Energie zu sparen. So lautet wohl das Mantra derjenigen,
die gerne frontal vor dem Eingang des Kollegienbaus – wie
Dominos am Dominoday – ihre Fahrräder abstellen. Später sucht mancher die Räder im Blechhaufen. »Selber
Schuld«, mag man da sagen. Wer mitdenkt fährt früh,
hat so noch die Zeit zur sicheren Stellplatzsuche
und nimmt noch die notwendige Frischluft von
der Fahrradfahrt mit in den grauen Unibau
für die anstehende Kopfarbeit. Wer nur
von zwölf Uhr bis Mittag denkt spart
vielleicht den dafür notwendigen
Sauerstoff, aber nicht Energie.
Alles klar?!
kuAktuell Mai 
R a d fahrer
haben
Randgruppen.
Ganz
abgesehen von der ehemaligen Trendsportart mit dem durchlöcherten Aushängeschild »Tour de
France«, die sich selbst abgeschossen hat
durch ihre Dopingskandale. So muss wohl
das Ziel der Eichstätter Etappe in der BayernRundfahrt angesichts von -Skandalen als ein
schlechter Witz gedeutet werden, als die Fahrer mit
Zielbanner, Schampus und Siegertreppchen vor dem
Eichstätter Krankenhaus in Empfang genommen wurden. Doping war (?) keine Seltenheit.
Doch zurück zu den Randgruppen unter Radfahrern. Da
gibt es die rostigen studentischen Drahtesel, die auch mal
geklaut werden dürfen, aber auch lieb gewonnene Einzelstücke, gepflegt und bemalt. Die Enthusiasten, die jedem Wetter
trotzend per Rad ihr Ziel erreichen.¹ Weltreisende Radfahrer,
die von Eichstätt nach Eichstätt fahren, oder Radelnde Altmühliebhaber. Gerade zur Sommerzeit drücken auch Touristen in
traubenförmigen Gruppen in die Altstadt. Ein junger Eichstätter Einwohner mag sich hier selbst schon fast als Randgruppe
betrachten und der eigene Weg zur Uni gestaltet sich geschwungen und barock wie die Altstadt selbst. Gerade in der Universitätsstadt Eichstätt stehen ja alt und neu wie eine Fuge an einander und ergänzen sich ja ach so formidabel. Was kümmern mich
die grauen Bauten, mögen sich viele denken.² Vielleicht einige
von den Kids, die mit , Skateboards, Inliner fahren und
Tricks üben wollen, doch am »Matchbox«-Skate-Park (am
Volksfestplatz) kaum Platz dazu finden und sich so andere
Räume (respektive Ränder) für ihre Freizeit suchen?
Aus all diesen Gründen wünscht man sich einen
Schutzengel für die Randgruppe der Radfahrer (und
nicht nur für die Architektur).
Robin Baumgartner

»Per aspera ad astra« mögen sich Asterix-Leser wohl denken.
 Zumindest ärgern sich die, die darin musizieren. (Siehe Eichstätter Kurier
vom . April )

Subkulturen
»Wir sind ein normaler
Teil der Gesellschaft«
Ein Interview mit Uli Webers,
dem Sprecher des Referats »zur Gleichstellung
schwuler, lesbischer und bisexueller Lebensweisen.«
ie Kirche und ihr Umgang mit Homosexualität: Eine wohl unendliche
Geschichte. Im Zuge des Missbrauchsskandals in der Katholischen Kirche wartete der Kardinalstaatssekretäre des Vatikan, Tarcisio Bertone, mit der gewagten
These auf, zwischen Homosexualität und
Pädophilie bestehe ein Zusammenhang.
Uli Webers, Sprecher von kreuz & queer,
dem »Referat zur Gleichstellung schwuler, lesbischer und bisexueller Lebensweisen« an der , findet Äußerungen wie
die Bertones »mehr als ärgerlich.« Uli war
selbst lange in den Katholischen Kirche
aktiv und ist der Meinung: Homosexualität und Religion schließen sich nicht aus.
Ein Gespräch über Toleranz, schwule Klischees und die alltäglichen Sorgen eines
schwul-lesbischen Arbeitskreises.
Geschlecht, dann wäre es doch problematisch. Wobei
ich auch schon genügend Leute kennen gelernt habe,
die damit absolut offen umgehen und das als ganz
selbstverständlich ansehen.
kuAktuell: Das Thema unseres Heftes
lautet ja »Subkulturen«. Deutschland
hat zurzeit einen schwulen Außenminister und zwei schwule Ministerpräsidenten. Die Moderatorin Anne Will
hat sich vor nicht allzu langer Zeit als
lesbisch geoutet, zahlreiche Schauspieler und andere Künstler stehen offen
zu ihrer Homosexualität. Kann man da
die Homosexuellenbewegung überhaupt
noch als »Subkultur« bezeichnen?
Also keine offenen Anfeindungen oder Ablehnung?
Hast du es in Eichstätt schon mal erlebt, dass du in
negativer Weise angesprochen wurdest?
D
Wie sieht es in Eichstätt aus, das ja eher konservativ geprägt ist. Ist Schwul- bzw. Lesbisch-Sein hier
schwieriger als anderswo?
Ich glaube nicht mehr oder weniger als in Bayern generell. Wobei man hier natürlich immer das Problem
hat, dass jeder jeden kennt. Der katholische Glaube
ist doch noch ziemlich stark in der Gesellschaft verankert. Ich denke, dass man als Student, wenn man
sich ausschließlich in der Uni-Kultur aufhält, weniger
Probleme hat. Aber sobald man sich aus dieser UniKultur rausbewegt … Wobei ich generell von einem
grundsätzlichen Misstrauen sprechen würde als von
aktiver Abneigung.
Also ich persönlich nicht, was aber auch daran liegt,
dass ich während meiner Zeit in Eichstätt noch nicht
mit einem Mann Händchen haltend über die Straße
gegangen bin, so dass das offen zu sehen gewesen
wäre. Was allerdings regelmäßig passiert, ist, dass
wenn ich Plakate für unseren Stammtisch aufhänge,
diese ebenso regelmäßig wieder abgehangen werden.
Uli: Ja und nein. Ich denke mal, im Großen Es ist aber noch keiner auf dich zugekommen und
und Ganzen müsste es nicht sein, dass wir hat gesagt: »Moment, was du da jetzt machst finde
eine Subkultur darstellen. Aber es ist oft ich nicht in Ordnung«?
so, dass man immer noch Probleme hat,
offen damit umzugehen und sich dann Nein. Das würde mich fast freuen. Denn dann könnte
doch gerne in Bars und Klubs zurückzieht, man endlich versuchen, den Leuten ihre Vorurteile
zu nehmen. Durch die Medien hat man ein Bild von
wo man unter sich ist.
Homosexualität, das mit der Realität nur am Rande
Ist die deutsche Gesellschaft in den letz- etwas zu tun hat und projiziert das dann auf jeden,
ten Jahren toleranter gegenüber Homo- der sich als homo- oder bisexuell bezeichnet.
sexuellen geworden?
Du hast gesagt, dass es an der Uni ein bisschen
Oberflächlich ja. Viele sagen, dass sie leichter ist, damit umzugehen. Gab denn bei
generell damit ja kein Problem hätten. der Gründung eures Arbeitskreises im Jahr 
Aber wenn plötzlich der eigene Sohn oder Schwierigkeiten? Wie war die Reaktion der Uni?
die eigene Tochter ankäme und sagen
würde: Hey, ich stehe auf mein eigenes

Mai  kuAktuell
Subkulturen
zu bestehen. Und deshalb sollte man sich
auch verhalten wie ein normaler Teil der
Gesellschaft. Nehmen wir beispielsweise
den Christoper Street Day: Diese schrillen
Paraden decken meiner Ansicht nach nur
einen kleinen Teil der schwul-lesbischen
Bevölkerung in Deutschland ab. Viele
können sich damit überhaupt nicht identifizieren und haben damit ähnliche Probleme wie Heterosexuelle. Das ist zwar
Das weiß ich gar nicht genau. Ich habe damals noch ein Zeichen: »Ja uns gibt es«, aber es stellt
nicht studiert. Ich bilde mir ein, gehört zu haben, meiner Ansicht nach die Thematik der
dass es damals Probleme gab. Wir mussten uns Homosexualität nur unvollständig dar.
damals als »Problemlösungsgruppe« tarnen, um im
Unialltag bestehen zu dürfen. Aber ich glaube, dass Zum Schluss noch ein paar praktische
allen bewusst war, dass das eine Formulierung war, Fragen. Wo kann man euch in Eichstätt
mit der beide Parteien ihr Gesicht wahren sollten. Ich finden?
habe nicht mitbekommen, dass seitdem von Seiten
der Uni etwas gegen uns unternommen worden wäre. Wir haben einmal im Monat einen StammObwohl es auch eine Zeit gab, in der das Referat sehr tisch im Mojo. Jeden ersten Mittwoch im
aktiv war und zum Beispiel im Studihaus Filme mit Monat ab  Uhr. Für diejenigen, die sich
einem schwul-lesbischen Thema gezeigt wurden. Es nicht trauen, das Lokal nach einem Schwuist aber auch kein Geheimnis, dass das Katholische an len- und Lesbenstammtisch durchzufrader Universität nicht so tiefgreifend ist, wie manche gen, gibt es auch die Möglichkeit vorher
sich das gerne wünschen. Ich habe zwei Jahre Theolo- mit uns in Kontakt zu treten. Und dann
gie studiert als Erweiterungsfach zum Lehramtsstu- sind wir natürlich noch per E-Mail unter
dium. Da hatte ich schon das Gefühl, sehr vorsichtig * [email protected] bzw. auf unsedamit umgehen zu müssen, es verstecken zu müssen. rer eigenen Domain 8 kreuz-und-queer.de
Aber ich denke, dass abgesehen von ein paar kon- zu erreichen.
servativen Theologen in Eichstätt nicht viele Menschen grundsätzlich ein Problem mit Homosexualität Sind für die Zukunft besondere Aktiohaben. Ich wüsste auch nicht, was man dagegen tun nen geplant?
könnte, außer den Leuten durch ein stinknormales
Leben alltäglich zu beweisen: Ich bin nichts anderes Es gibt natürlich viele schöne Filme, die
als du. Abgesehen davon, dass ich mit meinem eige- man öfters zeigen könnte, um die Normalität in homosexuellen Beziehungen darnen Geschlecht ins Bett gehe.
zustellen. Abgesehen davon ist es für mich
wichtig, Präsenz an den StammtischzeiWorin seht ihre eure Aufgabe an der 
ten und auch per E-Mail zu zeigen, wenn
Zurzeit haben wir leider das Problem, dass ich als jemand Hilfe beim Umgang mit seiner
Aktiver ganz alleine bin. Für mich ist es das Wichtigste, Homosexualität braucht.
Ansprechpartner zu sein, wenn irgendjemand mit seiner Homosexualität Probleme hat. Ich glaube, es ist Matthias Bunk
auch wichtig für den Prozess des inneren ComingOuts, dass man selbstbewusst damit umgehen kann.
Ich persönlich bin kein großer Freund von so schril- Stammtische finden immer am ersten
len Demonstrationen wie dem Christopher Street Mittwoch des Monats jeweils ab  Uhr im
Day oder sonstigen Aktionen. Ich glaube vielmehr, es Mojo’s statt. Die nächsten Termine: . Mai,
geht darum, als normaler Teil unserer Gesellschaft . Juni und . Juli.
kuAktuell Mai 

Campus
My Wohnheim is my Castle, Teil :
Ein Besuchsbericht in der Schottenau,
von zarter Romantik ummäntelt
ey Leute, das hier ist eine neue Rubrik in unserem Magazin, die man
wohl am besten mit Liebe, Sex und Zärtlichkeit überschreibt. Ja ich weiß, das
klingt jetzt extrem nach Jugendmagazin,
aber mal ehrlich, man wird zwar älter, aber
wenn man verliebt ist fühlt man sich doch
immer noch wie vierzehn.
Ich bin eine der unzähligen Studentinnen hier in Eichstätt. Das hört sich jetzt so
an, als würden hier nur Frauen rumlaufen,
aber schließlich fühlt es sich auch so an.
 Studenten und davon   Frauen,
da sind Männer nun wirklich Mangelware
und die meisten davon sind auch noch
Mängelexemplare. Man sollte ja meinen,
dass sich das durch die Bepos wieder
ausgleicht, schließlich sind von unseren
Nachwuchssheriffs der überwiegende Teil
Männer. Man erkennt sie ganz leicht, es
sind die, die sich in Gruppen aus mehr als
drei Kerlen auf unseren Partys tummeln.
Sie sind meist laut, betrunken und sich
ziemlich sicher, dass sie nicht allein nach
Haus gehen. Die Chancen für eine feste
Bindung stehen da recht schlecht. Versteht mich nicht falsch, ich möchte unsere
Ordnungshüter nicht pauschal schlecht
machen. Es gibt bestimmt Perlen unter
ihnen, aber die verlassen anscheinend das
Gelände nicht. Bepos sollte man also aus
dem Beuteschema löschen, obwohl manche echt was fürs Auge sind.
Man kann bei der Männersuche schon
verzweifeln, es sind ja schließlich nicht die
ganzen   Studenten zu haben. Bei einigen waren einfach ein paar Damen schneller und haben sich das Beste schon unter
den Nagel gerissen. Der verschwindende
Rest kann schamlos unter lauter deprimierten Frauen wildern. Sie sondieren das
schwächste Tier der Herde und brauchen
sich gar nicht anzustrengen. Liebe Männer,
wir sind keine Selbstverständlichkeit, wir
möchten umworben und erobert werden.
Auch wenn Blumen und Pralinen einen
kitschigen Ruf genießen, wir freuen uns
trotzdem darüber. Ihr habt hier vielleicht
eine größere Auswahl, aber Werbungsrituale haben globale Gültigkeit.
Ihr könnt mir gern unter * Titschi@
web.de mailen, um mir alles dazu zu sagen,
was unbedingt mal gesagt werden sollte J
See you soon.
Eure Titschi

H
rüher knisterte ja noch das Eis unter
den Gummischläuchen deines Fahrrades und die Kälte fuhr dir durch die
Winterjacke und jede noch so kleine Ritze
deines Wollschals, wenn du nach einem
kurzen Besuch in der Bib nach Hause
radeltest. Die Altmühl zu deiner Rechten
war bei Dämmerung und Nacht ein stille,
schwarze Bahn, die nur doch gelegentliches Plätschern
ihre Anwesenheit
verriet, und außer
ein paar mutigen,
dick vermummten
Sonntagsspaziergängern mit Hund
begegnete dir keine
Seele auf dem Radweg, der dich auf
ebener
Strecke
nach Hause brachte.
Nach Hause ins
schöne, gemütliche
Wohnheim Schottenau ([schote’nau]).
Heute, als du
dich mit dem Fahrrad auf den Weg
dorthin
machst,
glitzert die Sonne
frech auf der Wasseroberfläche, die Enten
quaken glücklich und auf dem Skaterplatz
zu deiner Linken bestaunen Halbwüchsige
gegenseitig ihre Tricks auf dem Skateboard. Sogar der Eichstätter Camping- und
Wohnmobil-Stellplatz hat seine ersten
Gäste empfangen. Und während du noch
gemütlich dahinradelst, tauchen jenseits
eines Parkplatzes das erste der vier Häuser des Wohnheims auf, charakteristisch
mit Balkonen aus dunklem Holz und dem
zartbeigefarbenen Verputz.
Du überquerst den Parkplatz und
schiebst als letzten Schritt noch dein Rad
eine Steigung von gefühlten ° hoch, und
stehst dann im Innenhof von vier Gebäuden, die als Ensemble das Wohnheim
Schottenau bilden.
Schön ist es hier, im Frühling.
Dein Fahrrad bindest du bei seinen
Geschwistern unter dem mit Plexiglas
überdachten Massen-Fahrradständer fest.
Ein paar junge Frauen sitzen auf Holzbänken, mit Plastikbechern in den Händen,
F
und unterhalten sich entspannt. Freundlich fragst du, ob du dich zu ihnen gesellen darfst. Ebenso freundlich antworten
sie, ja, gerne. Da beginnst du, Fragen zu
stellen, über das Wohnheim. Oder über
seine Bewohner und den oder, besser, die
Hausmeister. Über die Lebensqualität,
Appartement-Größen, Partykeller, Grillfeste, Lichtverhältnisse, FahrradständerReinigung,
 €
Kaution für Partys,
böse Gerüchte und
hilfsbereite Nachbarn …
Schottenau
habe  Appartements, das weiß
Anja Suchaneck so
genau, weil sie es
gerade wieder im
Semester-Informationsheftchen gelesen hat.
Alles seien Einzelappartements,
in manchen Fällen
etwas blöd aufgeteilt, bemerkt eine
ihrer Freundinnen,
weil dann so wenig
Licht reinkäme.
Anja, Corinna Feucht, Melanie Besl und
Marion Baur wissen wovon sie sprechen,
erfährst du, als du fragst, wie lange sie
denn schon im Schottenau wohnen.
An die drei Jahre lebten sie bereits hier.
Und es gefalle ihnen. Sie hätten sich
hier kennen gelernt, weil sie alle vom ersten Semester an im selben Gang gewohnt
hätten, da hätte man schnell zueinander gefunden. Und erst die eigene Wohnung mit dem Freund zusammen konnte
Marion Baur zum Ausziehen bewegen.
Wie denn die Appartements aussähen,
willst du wissen.
Das käme darauf an. Im Prinzip seien
alle Appartements einzeln vermietet von
Privatleuten, deshalb variiere auch die
Mietpreise. Teilweise seien sie gar nicht
möbliert, teilweise jedoch mit alten, dunklen Möbeln oder auch mit schönen, neuen
Schränken, Betten und Tischen ausgestattet.
Gibt es denn Besonderheiten?
Mai  kuAktuell
Campus
Da gäbe es den Partykeller,
wobei man mit dem im Endeffekt nix anfangen könne, meint
Marion und erläutert:  €
Kaution muss man zahlen für
die Möglichkeit, falls die Party
für die anderen Mitbewohner zu laut werde und die sich
beim Hausmeister beschwerten. Und ja hier ab zehn Uhr
Nachtruhe herrsche …
Ihre Freundinnen nicken beipflichtend.
Es sei ohnehin etwas übertrieben, wie
schnell sich manche über zu viel Krach
beschwerten, meint Corinna.
Sie beginnen zu mutmaßen, ob das hier
vielleicht tatsächlich etwas mit dem Standort Eichstätt zu tun haben könnte. In Studentenwohnheimen in anderen Städten
gehe es mit Sicherheit wesentlich lauter
zu. Überhaupt sei die Schottenau gar nicht
so laut, wie man es in Gerüchten höre.
Du fragst nach den Vorteilen des Wohnheims, und die Antwort sprudelt regelrecht
aus ihnen heraus: Die Lage sei super.
Einerseits ist der Weg zur Uni
und natürlich zur Bibliothek
gar nicht weit. Im Sommer
könne man fantastisch
grillen. Es gebe auch ein
Grillfest, genauso wie
übrigens eine Weihnachtsfeier, dann
würden Bierbänke
im Garten auf-
kuAktuell Mai 
Anja meint plötzlich, dass da
drüben gerade der Hausmeister
sei, der Herr Cais ([’tsais]). Er
sei noch nicht lange Hausmeister, vielleicht zwei oder zweieinhalb Jahre. Aber nett sei er
und hilfsbereit. Man können
ihn anrufen, wenn mal sonntagabends der Strom ausfalle
oder man sich ausgeschlossen
gestellt und es gebe gemütliches Zusammensitzen. Der nächste Supermarkt sei
auch in Reichweite. Allerdings, so räumen
sie ein, sei es ins Städtchen rein schon ein
wenig weiter. Aber, so denkst du dir im
Stillen, was bedeutet denn in Eichstätt
schon ›weit‹?
Ja, die vier scheinen zufrieden. Auf
Nachfrage erfährst du auch, dass die
Waschmaschine mit , € pro Waschgang
sehr günstig sind, dass du allerdings deine
Wäsche lieber nicht im Waschkeller trocknen lässt. Die Waschtrommeln seien extragroß.
habe.
Später verabschiedest du dich von den
vieren und klingelst beim Hausmeisterbüro persönlich. Da kommt Helmut Cais
dir aber schon entgegen, mit Werkzeug in
der Hand. Er sei gerade dabei, etwas abzudichten, abzudichten gebe es immer etwas.
Er erzählt dir, dass es das Ganze Jahr etwas
zu tun gebe, aber dass ihm die Arbeit und
der Kontakt mit den jungen Leuten sehr
gefalle. Seit drei Jahren arbeite er jetzt als
Hausmeister.
Dann verabschiedest du dich auch von
ihm und schwingst dich selbst wieder auf
dein Fahrrad. In der Schottenau scheint’s
schön zu sein.
Laura Wägerle

Isst du nur,
oder kochst du schon?
elbst an Menschen, die gerne kochen,
ist das Phänomen zu beobachten, dass
sie, sind sie einmal der Maschinerie einer
Universität zugeführt, zu Menseaten
mutieren, also zu Menschen, die, wenn sie
mehr Zeit haben die Mensa frequentieren,
bei Termindruck allerdings auf die belegten Brötchen der Cafete zurückgreifen
(was hier keines Falls abwertend gemeint
ist, ich gehörte selbst zu den Brötchenmenschen).
Selten passieren merkwürdige Dinge,
wenn man zum Beispiel in der heimischen
Küche oder Kochnische etwas sucht, einen
Schrank öffnet und einen Topf findet.
Man nimmt ihn in die Hand, hat plötzlich
nostalgische Gedanken, erinnert sich an
Muttis leckeren Gemüseeintopf mit Krakauern, in grobe Stücke geschnitten, hat
S

plötzlich den Duft von Omas Küche wieder in der Nase.
Diese Sentimentalitäten können, wenn
man nicht aufpasst, plötzliche Anwandlungen und Vorsätze nach sich ziehen:
Ja, ich werde wieder Gemüse kaufen! Ja,
werde mir jeden Tag ein leckeres Essen
kochen! Ja, ich … werde morgen wieder in
der Mensa essen.
Denn was will man schon kochen? Das
dauert alles so lange. Man braucht mindestens hundert Töpfe und kann tausend
Sachen falsch machen. Also kaufe man
sich entweder die vorgekochten Nudeln
bei Aldi oder geht in die Mensa, schließlich hat man ja nicht den ganzen Tag Zeit.
Und schon hält einen die schnöde Realität wieder in ihrem Griff; dabei gibt es
sogar Rezepte, die noch leichter sind als
Foto: http://www.flickr.com/photos/tanaka// Silvio Tanaka cc-by-nc
Campus
die in den Studentenkochbüchern, und –
das ist das Beste – auch noch schmecken.
Aus diesem einfachen Grund hat die
Redaktion der kuAktuell beschlossen, dass
es an der Zeit ist, eure Lieblingsrezepte in
Sachen Schnell & Lecker zu sammeln. Wir
haben Großes mit ihnen vor, aber dazu
mehr in der nächsten Ausgabe.
Jetzt brauchen wir als Erstes eure
Vorschläge, und die sendet ihr bitte an
* [email protected]. Wir freuen
uns über jeden Vorschlag, den wir ausprobieren können, je zahlreicher die Einsendungen, desto besser.
Also: Auf die Töpfe, fertig, los!
Luisa Schwarz
Mai  kuAktuell
Campus
Europarcours
reloaded
nter dem Motto »wertvollleben«
finden dieses Jahr die Donaumoostage auf dem Gelände des »Haus im Moos«
in der Nähe von Kleinhohenried statt.
Hinter diesem klangvollen Namen verbirgt
sich sowohl eine Umweltbildungsstätte
mit Ausstellungen, ein Ausflugsziel für
Schulklassen mit Übernachtungsmöglichkeit, ein großes Freigelände mit Wisenten,
Bibern und Moorschnucken und ein weitläufiges Freilichtmuseum in dem die Besucher die jährige Besiedlungsgeschichte
dieses einzigartigen Naturraumes erleben
können.
Am Samstag von – Uhr und am
Sonntag von – Uhr findet entlang
der »Museumsstraße« ein Künstler- und
Handwerkermarkt statt, auf dem Marktleute aus der Region ihre Waren präsentieren. Hinzu kommt ein vielfältiges
Erlebnis- und Umweltbildungsprogramm
mit Führungen und Aktionen wie zum
Beispiel Erlebnisspiele, Tiere, Werken mit
Naturmaterialien, Filzen, Korbflechten,
Arbeiten mit Lehm und Naturfarben und
Wassererkundung am Erlebnispfad, im
Museum und in der Umweltbildungsstätte
für Alle, besonders für Kinder bzw. Familien mit Kindern. Es werden Kutschfahrten ins Moos angeboten, für musikalische
Unterhaltung und das leibliche Wohl ist
ebenfalls gesorgt.
Warum das Ganze als Ankündigung in
der kuAktuell?
Schon letztes Jahr haben eine Gruppe
von Studenten anlässlich der Europawahlen ein eigenes Aktionsgelände gestaltet,
auf dem vorgelesen, gespielt, gebastelt,
gegessen und geraten werden konnte. In
diesem Sinne war der »Europarcours «
nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch
für die Organisatoren eine »Spielwiese«
und der Auftakt für weitere Aktionen in
Institutionen in der Region. Dieses Jahr
beteiligt sich auch der  Freilufttheater
am Sonntagsprogramm, an beiden Tagen
stehen außerdem Muttertagsgeschenkebasteln und Bodypercussion zur Auswahl.
Flyer mit Anfahrtsinfos etc. liegen an der
Cafetenkasse aus, ansonsten einfach mal
schau’n auf 8 www.haus-im-moos.de und
8 www.moornetzbildung.eu
U
Karen Schewina
kuAktuell Mai 

30
ie Katholische Universität EichstättIngolstadt hat runden Geburtstag:
Am . April  wurde die kirchliche
Gesamthochschule Eichstätt durch ein
Dekret der Kongregation für das Katholische Bildungswesen offiziell zur Katholischen Universität Eichstätt erhoben. Ein
Jahr zuvor hatte sich dafür die Bayerische
Bischofskonferenz ausgesprochen. Vorsitzender der Bischofskonferenz war damals
der heutige Papst Benedikt XVI., dem
noch als Kardinal Joseph Ratzinger 
die Ehrendoktorwürde der Theologischen
Fakultät verliehen wurde. Die  ist nach
wie vor die einzige katholische Universität im deutschen Sprachraum. Zum Sommersemester  waren  Studentinnen und Studenten an der Katholischen
Universität eingeschrieben, die von rund
 Professoren betreut wurden.  Jahre
später gibt es am Standort Eichstätt und
der  gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt insgesamt
mehr als  Studierende; verteilt auf
acht Fakultäten forschen und lehren rund
 Professorinnen und Professoren sowie
etwa  wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das -jährige
Bestehen der Katholischen Universität
Eichstätt-Ingolstadt wird im kommenden
Herbst anlässlich des Dies Academicus
gefeiert werden.
D
Staatliche Lehrerbildungsanstalt
DIE
UNI
IST
Collegium Willibaldinum
Campus
1564
1835
1550
1825
1575
mungen des Trienter Konzils, das Collegium Willibaldinum war das erste tridentinische Seminar nördlich der Alpen. Bereits
ein Jahr nach Gründung des Collegiums
erkannte die damalige Universität Ingolstadt die Gleichrangigkeit der in Eichstätt
betriebenen akademischen Studien mit
denen der Artistenfakultät an. Ab 
wurde das Lehrinstitut an die Jesuiten
übertragen. Ihnen gelang es, noch während des Dreißigjährigen Krieges ein komplette Gymnasium sowie lyzeale Kurse in
Philosophie und Theologie einzurichten.
So bestand fortan für anderthalb Jahrhunderte ein mittelgroßes Jesuitenkolleg,
zu dem ein Gymnasium und ein Lyzeum –
eine Philosophisch-Theologische Hochschule – gehörten. Vom einstigen »WilliDie historischen Wurzeln der  reichen baldinischen Seminar« überstand nur das
noch weiter zurück als in das Jahr . Priesterseminar die Säkularisation, GymEine Wurzel führt bis zur Gründung des nasium und Hochschule waren aufgelöst.
»Collegium Willibaldinum« im Jahr . Bischof Karl August Graf Reisach (
Mit der Errichtung dieser theologischen bis ) gelang es jedoch , Lyzeum
Lehranstalt folgte das Bistum den Bestim- und Seminar unter bischöflicher Hoheit

und mit staatlicher Anerkennung wieder
einzurichten. Lediglich das Gymnasium
wurde  als rein staatliche Anstalt neu
errichtet; dem Priesterseminar wurde aber
ein Seminar als Schülerheim für Gymnasiasten angegliedert. So war, bis auf das
Gymnasium, die Einheit des tridentinischen Seminars wiederhergestellt. 
wurde das Lyzeum nach staatlichem Vorbild in »Bischöfliche Philosophisch-Theologische Hochschule« umbenannt, 
erfolgte durch Beschluss der Bayerischen
Bischofskonferenz die Umbenennung in
»Kirchliche Theologische Hochschule in
Bayern, Sitz Eichstätt«. Als rein kirchliche
Anstalt konnte das Eichstätter Lyzeum
den Kulturkampf  bis  als einzige
Theologische Hochschule in Deutschland
ungehindert überstehen und zog Studierende aus dem ganzen Reich an. Während
des Dritten Reichs sowie in den ersten
Nachkriegsjahren war die Eichstätter
Hochschule Zufluchtsort für Studenten
aus Deutschland und weit darüber hinMai  kuAktuell
1924
????
1958
1925
1850
aus. In den Jahren / waren ihr die
Öffentlichkeitsrechte und damit auch die
Gleichstellung mit staatlichen Hochschulen entzogen worden. Diese konnte sie
 zurückerhalten, auch die im Dritten
Reich gestrichenen staatlichen Zuschüsse
wurden wieder bewilligt.
Die zweite Wurzel der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt führt in
die er-Jahre. Im Vorfeld des neuen
»Gesetzes über die Ausbildung für das
Lehramt an Volksschulen« vom Juni 
wurde die seit  in Eichstätt bestehende
staatliche Lehrerbildungsanstalt  aufgehoben. Auf Grundlage des Konkordats
von  und des neuen Lehrerbildungsgesetzes beschloss die Bayerische Bischofskonferenz im Juli  die Gründung
einer Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Eichstätt – auch, weil man sich
»einen regen geistigen Austausch« mit der
Eichstätter Bischöflichen PhilosophischTheologischen Hochschule erhoffte. Nach
kuAktuell Mai 
1970
1972
Katholische Universität
Eichstätt-Ingolstadt
Kirchliche Gesamthochschule Eichstätt,
Kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts
Kirchliche Theologische Hochschule
in Bayern, Sitz Eichstätt
Kirchliche Pädagogische Hochschule
Höhere Fachschule für
Katechetik und Seelsorgehilfe
Bischöfliche PhilosophischTheologische Hochschule
Campus
1980
1975
1950
einem im Sommer  vom Bayerischen
Landtag verabschiedeten Lehrerbildungsgesetz sollten bis August  alle pädagogischen Hochschulen in Universitäten
integriert werden, zugleich erhielten sie die
Graduierungsrechte. Zwar wurden für die
Pädagogische Hochschule Eichstätt Sonderregelungen getroffen. Um sich jedoch
der staatlichen Entwicklung im Bereich
der Lehrerbildung anzupassen, beschloss
die Bayerische Bischofskonferenz im Mai
, die beiden Eichstätter Hochschulen
zu einer Gesamthochschule zusammenzufassen. Die Bischöfe unterzeichneten
am . August die Stiftungsurkunde für
die »Kirchliche Gesamthochschule Eichstätt, Kirchliche Stiftung des öffentlichen
Rechts«. Die selbstständige Münchner
kirchliche »Höhere Fachschule für Katechetik und Seelsorgehilfe« als »Fachhochschulstudiengang für Religionspädagogik
und Kirchliche Bildungsarbeit« wurde in
die Gesamthochschule eingegliedert und
zusätzlich ein »Fachhochschulstudien-
gang Sozialwesen« eingerichtet. Pünktlich
zum Wintersemester / konnten die
Vorlesungen in den beiden wissenschaftlichen Fachbereichen »Katholische Theologie« und »Erziehungswissenschaften«
sowie den Fachhochschulstudiengängen
beginnen. Acht Jahre später ging aus der
Gesamthochschule schließlich die Katholische Universität hervor.
Constantin Schulte-Strathaus
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der 
Grafik: Sebastian Gruber

Europa

Die Vereinigten Staaten von Europa
 ,    im . und . Jahrhundert formulierten. Ausgehend von Heinrich Mann soll im folgenden Essay diese Idee aufgearbeitet
werden. Jedoch verwendeten zwar mehrere Denker die Worte »Vereinigte Staaten
von Europa«, drückten damit aber teilweise verschiedene Vorstellungen von Europa
aus. Eines haben jedoch alle gemeinsam: Den Bezug zu den Vereinigten Staaten von
Amerika – allein durch den Parallelismus¹.

griechisch parallelos = gleichlaufend
ie Vereinigten Staaten von Europa.
Dieser Wortlaut erinnert sofort an
die Vereinigten Staaten von Amerika und
lässt Bilder der Freiheitsstatue, von Hamburgern oder Barack Obama in unseren
Gedanken aufblitzen. Betrachtet man
jedoch den historischen Zusammenhang der Worte »Vereinigte Staaten von
Europa« sowie die Denker, die diese Worte
im . und . Jahrhundert verwendeten, um verschiedenen Vorstellungen von
Europa einen Namen zu geben, so zeigt
sich, dass die  tatsächlich als eine Art
Vorbild oder sogar Idealbild eines funktionierenden Staatenbündnisses fungierten.
Natürlich nicht in dem Sinne der stereotypisierten Bilder von Amerika, die heute
teilweise in den Köpfen der Menschen
herumschwirren, sondern vielmehr vor
einem kulturellen, politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Hintergrund.
o dienten die  unter anderem auch
für den Schriftsteller Heinrich Mann
als eine Art Vorbild. Im Dezember 
veröffentlichte Heinrich Mann in der
Vossischen Zeitung seinen Aufsatz 
(Vereinigte Staaten von Europa). Schon
zuvor beschäftigte sich Mann intensiv
mit der Europathematik und das zu einer
politisch sehr unruhigen Zeit: Nach dem
Ersten Weltkrieg hatte sich die Lage Europas von Grund auf verändert. Neben der
Revolution in Russland und der Gründung
der Sowjetunion gab es eine neue Struktur der Beziehungen zwischen den wichtigsten Mächten in Europa. Deutschland
hatte im Krieg verloren. Die Siegermächte
Frankreich und England stiegen zu führenden Positionen in Westeuropa auf und
begannen infolgedessen die Entwicklung
Europas zu steuern. Der Völkerbund gab
kurzfristig eine Hoffnung auf Besserung,
jedoch stellte sich schnell heraus, dass
diese Organisation unfähig war, weder für
D
S

europäische noch für globale Probleme
eine Lösung zu finden.²
Doch genau in dieser turbulenten Zeit
fand eine Wiederbelebung von Europakonzepten statt, auch wenn sie nur von wenigen Intellektuellen entwickelt und diskutiert wurden. »Angesichts der erstarkenden
Sowjetunion und der politischen Instabilität
und Desintegration Europas, der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten schien
ein vereinter Kontinent der Ausweg aus der
Lage zu sein.«³
Heinrich Mann war einer der Denker,
der sich nach dem Ersten Weltkrieg an den
Überlegungen zu einem neuorganisierten
Europa beteiligten, um so einen möglichen
Ausweg aus der verzwickten Situation
Europas zu finden. Um Heinrich Manns
Europaidee in seinem Essay ›‹ verstehen zu können, muss jedoch zunächst
Richard Nicolaus Graf Coudenhove-Kalergis Idee eines Paneuropa umrissen werden. Auf dieses Europakonzept baut Mann
nämlich in seinem Essay auf und distanziert sich gleichzeitig davon.
Coudenhove-Kalergi veröffentlichte im
Jahr  das Buch ›Pan-Europa‹, in dem
er seine Ideen publizierte. In Paneuropa
sah er den föderativen Zusammenschluss
des europäischen Kontinents westlich
von Russland. Er stellte sich ein geeintes
Europa vor, das sich militärisch gegen
die russische Drohung und wirtschaftlich gegen die amerikanische Konkurrenz
schützen könne – ein Europa ohne Russland und England. Coudenhove-Kalergi
schloss die beiden Länder bedingungsweise aus, da Großbritannien als Com
Vgl. Alexander Tschubarjan. Europakonzepte.
Von Napoleon bis zur Gegenwart. Berlin: edition q,
,
S. f.

Alexander Tschubarjan. a.a.O., S. .
monwealth of Nations nicht in den Staatenbund aufgenommen werden könne;
ebenso wenig wie Russland, solang es kommunistisch regiert würde. Paneuropa als
wirtschaftliches, politisches und militärisches Gegengewicht zu Großmächten wie
Amerika, Russland oder China war seine
Vision. Zunächst war Heinrich Mann ein
Anhänger dieser Idee, sogar Mitglied im
Ehrenkomitee der Paneuropaunion. Von
Zeit zu Zeit jedoch distanzierte er sich
von diesem Europakonzept, was in seinem
Essay deutlich wird.⁴
Der markanteste Punkt, in dem sich
die Idee Manns von der Idee CoudenhoveKalergis unterscheidet ist, dass Mann
ein vereintes Europa inklusive England
und Russland anstrebte. Er sah ein vereintes Europa nicht nur als Vorteil aus
politischer und wirtschaftlicher Sicht, wie
dies bei Coudenhove-Kalergi der Fall war.
Vielmehr sah er die Staaten, die sich in
Europa vereinen sollten, verbunden durch
eine gemeinsame Kultur. In seinem Essay
schrieb Mann dazu:
»Europa soll doch innerlich zusammengehalten werden von gemeinsamer Gefühlsund Gedankenwelt. Es soll als seelischer
Wert, den schon die Griechen in sich trugen gegen Asien, in uns zurückkehren. Wo
aber die Heimat Shakespeares fehlte, wäre
offenbar kein Europa mehr.«⁵
Heinrich Manns Hauptgrund für die
Schaffung der Vereinigten Staaten von
Europa war also die geistige Einheit, die
Europa verbindet. In seinem Essay schrieb
er außerdem: »[…] unsere nationalen Literaturen, Wissenschaften und Künste haben
die gleiche Herkunft, noch in ihrer Getrenntheit bleiben sie verwandt.«⁶ Die kulturellen Gemeinsamkeiten Europas waren für
Mann eine Tatsache, die von dem nationalistisch geprägten . Jahrhundert verdrängt worden war und nun wieder in das
 Vgl. Frank Niess. Die europäische Idee. Aus
dem Geist des Widerstands. Frankfurt am Main:
Suhrkamp, , S. .
 Mann, Heinrich.  (Vereinigte Staate
von Europa). In: Lützeler, Paul Michael (Hrsg.):
Hoffnung Europa. Deutsche Essays von Novalis bis
Enzensberger. Frankfurt am Main: Fischer, ,
S. f.

Ebd., S. .
Mai  kuAktuell
Europa

Staatlichen Organisationen in Europa. Bern: Peter
der Biograph Manns Essay als eine Fortsetzung der Gedanken und Ideen Hugos
ein. Victor Hugo formulierte seine Ideen
zu Europa am konkretesten bei der Eröffnungsrede als Vorsitzender des Friedenskongress  in Paris:
»Der Tag wird kommen, wo du, Frankreich,
du, Russland, du, Italien, du, England, du,
Deutschland – ihr alle, alle Nationen des
Kontinents, ohne eure unterscheidenden
Merkmale und eure großartige Eigenartigkeit zu verlieren, euch alle unverbrüchlich zu einer größeren Gemeinschaft
zusammenschließt und eine europäische
Bruderschaft bildet. […] Der Tag wird
kommen, wo wir mit eigenen Augen zwei
gigantische Staatenbünde sehen – die Vereinigten Staaten von Amerika und die Vereinigten Staaten von Europa, die, einander
gegenüberstehend und ihre Freundschaft
mit einem Händedruck über den Ozean
bekräftigend, ihre Werke, die Erzeugnisse
der Industrie, die Schöpfungen der Kunst,
die genialen Begabungen austauschen
werden.«⁹
Hugo verdeutlichte hier, dass seine
Idee der Vereinigten Staaten von Europa
ein Gegenüber zu den Vereinigten Staaten von Amerika sein sollte. Der Bezug
zu Amerika wird in diesem Zitat deutlich,
in dem er Amerika als einen gigantischen
Staatenbund bezeichnet, den Europa erst
noch aufbauen muss.
Noch ein weiterer Denker der Idee »Vereinigte Staaten von Europa« soll vorgestellt werden, da dieser in direktem Bezug
zu Heinrich Manns Essay steht. Ja, er wird
sogar in Manns Essay zitiert. Es ist der
damalige Ministerpräsident Frankreichs:
Édouard Herriot, ebenfalls ein Anhänger
von Coudenhove-Kalergis Paneuropaidee.
Im selben Jahr (), in dem Mann
sein Essay  publizierte, veröffentlichte
Herriot einen Appell zur Schaffung eines
vereinigten Europas. In diesem Schriftstück schrieb er: »Mein größter Wunsch
besteht darin, die Idee der Vereinigten Staaten von Europa verwirklicht zu sehen.«¹⁰
Wenig später veröffentlichte Herriot im
Jahr  das Werk ›Vereinigte Staaten
von Europa‹, in dem er ein ganz konkre-
Lang, , S. .
 Manfred Flügge. Heinrich Mann. Hamburg:

Rowohlt, , S. .
 Ebd., S. .
Bewusstsein der Europäer rücken müssten.
Noch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich die Idee Manns von Coudenhove-Kalergis Idee. Während es Coudenhove-Kalergi nicht darum ging, möglichst
rasch einen einheitlichen europäischen
Staat zu etablieren, sondern eher um
einen föderativ gegliederten europäischen
Staatenbund, war Manns oberstes Ziel
die Vereinigung der europäischen Staaten,
die Coudenhove-Kalergi erst irgendwann
in ferner Zukunft anstrebte. Allein die
Tatsache, dass Heinrich Mann sein Essay
mit ›Vereinigte Staaten von Europa‹ betitelte, zeigt die Relevanz, die er diesem Ziel
beimaß. Die  waren bei ihm kein utopisches Fernziel, sondern das Ziel seiner
Idee.
Dass Heinrich Mann sein Europakonzept mit der Losung »Vereinigte Staaten
von Europa« versah, ist kein Zufall. Er
ist auch nicht der Erste, der diese Worte
wählte und sollte auch nicht der Letzte
sein. Vor ihm sprachen beispielsweise der
französische Schriftsteller Victor Hugo
oder der französische Politiker Édouard
Herriot von den Vereinigten Staaten von
Europa. Auch nach Heinrich Mann griff
Winston Churchill im Jahr  als Premierminister Großbritanniens in einer Rede
an der Universität in Zürich genau diese
Worte auf. »Wir müssen eine Art Vereinigte
Staaten von Europa schaffen.«⁷ Exemplarisch soll nun auf die Europaideen Victor
Hugos und Édouard Herriots eingegangen
werden, da sie unmittelbar in Zusammenhang stehen mit Heinrich Manns Essay
.
Heinrich Mann war ein Frankreichfan
und kannte die Ideen Victor Hugos. So
verwundert es nicht, dass sein Biograph
Manfred Flügge über Heinrich Mann
schreibt, er »wollte den Traum von Victor
Hugo verwirklicht sehen, die Vereinigten
Staaten von Europa ().«⁸ Somit stuft

Urs Schaffner. Vereinigte Staaten von Europa?
Der Einfluss von externen Faktoren auf die Integrationsentwicklung von neun Internationalen
kuAktuell Mai 
Alexander Tschubarjan. a.a.O., S. .
tes Konzept für die Organisation Europas
präsentierte. Édouard Herriot projizierte
also nicht Wünsche oder Träume auf das
weit entfernte Amerika, denen es an realisierbarem Fundament fehlte, wie es eher
bei Victor Hugo der Fall war. Hierbei ist
aber auch ganz klar festzustellen, dass
zwischen den Ideen von Hugo und Herriot mehr als  Jahre liegen, wodurch die
Weiterentwicklung der Europakonzepte
im Laufe der Zeit deutlich wird. Herriot
lieferte im Gegensatz zu Hugo bereits
einen konkreten Plan für seine Idee. Wichtig für Herriot waren Gesetze, um die Entwicklung der europäischen Wirtschaft zu
stimulieren und den europäischen Markt
zu schützen. Wie auch für CoudenhoveKalergi war für Herriot nicht das geistige
Kulturgut Europas der Grund eines notwendigen Zusammenschlusses, sondern
vielmehr die wirtschaftliche und politische Stellung, die dadurch erreicht werden
würde.¹¹
Dass bei den vorgestellten Denkern die
Worte »Vereinigte Staaten von Europa«
verwendet wurden zeigt, dass im . und
. Jahrhundert nach Amerika geblickt
wurde und Amerika als Vorbild diente, als
ein Ideal, in dem Stabilität herrschte. Dies
war natürlich eine Romantisierung der
Situation. Dennoch sah man den nordamerikanischen Staatenbund funktionieren und wollte ein solches System auch für
Europa etablieren. Heinrich Manns Essay
kann nicht gesondert als ein einziges
Europakonzept gesehen werden. Vielmehr
entstand es zu einer Zeit, als Europakonzepte aufkeimten und ist eine Komposition aus verschiedenen Ideen und Visionen. Manns Konzept drückt vor allem die
Sehnsucht nach einem Zusammenschluss,
nach Einheit aus, die sich auch bei Hugo
und Herriot wieder findet.
Die vorgestellten Europakonzepte entstanden in einer Zeit, in der jede Generation Zeitzeuge eines Krieges gewesen ist.
Genau deshalb waren diese Europaideen
vor allem eines: Konzepte des Friedens.
Stefanie Starke
Literaturliste bei Redaktion oder Autorin erhältlich.
 Vgl. Édouard Herriot. Vereinigte Staaten von
Europa. Leipzig: Paul List Verlag, .

Kultur
stanbul ist eine Stadt der Superlative, was Bevölkerungszahlen oder die Dichte von Clubs, Moscheen
und Sehenswürdigkeiten angeht, keine Frage. Als
Kulturhauptstadt  wird die Metropole jetzt auch
noch zur »most inspiring city of the world« erklärt,
ohne dass die Veranstalter es überhaupt für nötig halten, diese Aussage mit einem Fragezeichen zu versehen.
Um das ausufernde Rahmenprogramm, das für das
Jahr  geplant ist, überhaupt in einen Rahmen zu
zwängen, hat man sich auf das Allgemeinste überhaupt geeinigt: die vier Elemente. Erde wird assoziiert mit traditionellen Kunst, typischen Bräuchen
und Sitten, während Veranstaltungen, die sich mit
I
Istanbul
»The most inspiring
city of the world«?

Mai  kuAktuell
Kultur
dem kulturellen Einfluss der Religionen beschäftigen,
der Luft zugeordnet wurden, da hier Minarette, Kirchen und Synagogen gleichermaßen in den Himmel
ragen. Vom . Juni bis zum . September werden
das Bosporusufer und das Goldene Horn zum Schauplatz für Wasserspiele im weitesten Sinne, während
der anschließende Zeitraum unter dem Zeichen des
Feuers steht. Feuer, das Sand in Glas verwandelt und
auch in der zeitgenössischen Kunst Muster auf Keramikgefäße bannt.
Der Spielraum ist groß, was spontane Assoziationen und nicht unbedingt allzu offensichtliche Verbindungen angeht. Im Folgenden eine persönliche Auswahl.
kuAktuell Mai 
D  T  Istanbuler Asphaltdschungel reichen zwar nicht zum Kachelbrennen,
aber auch im Oktober noch, um alle Menschen in den
dicht gedrängten Waggons der Tram oder Metro noch
mehr zum Schwitzen zu bringen. Wohlhabende fahren deshalb Taxi, was auch längst nicht so viel kostet
wie in Deutschland. Töchter aus gutem Hause, bei mir
an der Uni anzutreffen, behaupten stolz, mit ihren 
Jahren noch nie öffentliche Verkehrsmittel benutzt
zu haben.
Aber auch sie trinken aus den unvermeidlichen
kleinen bauchigen Teegläsern und bunt verzierten
Mokkatässchen, essen Fischbrötchen direkt am Bosporus und wundern sich wie alle anderen, warum den

Kultur
Fischbrätern auf dem schwankenden Booten bei starkem Wind
nicht schlecht wird.
D    die unermüdliche Arbeit der hauptberuflichen(?) Fischer angewiesen, die im unerwartet farbigen
Licht des Sonnenunterganges wie festgeschraubt aussehen.
Tatsächlich lassen sie sich von keinen Witterungsbedingungen
davon abhalten, auf dieser Brücke zu stehen und auf ihre Angeln
aufzupassen. Die müssen auch nicht gehalten werden, sondern
sind ebenfalls angeschraubt. Die Angelschnüre dienen scheinbar
gleichzeitig als Vorhänge für die Besucher der Fischrestaurants
unterhalb der Brücke.
Direkt am Ufer legt alle  Minuten eine Fähre nach Kadiköy,
zur asiatischen Seite ab. Die Fahrt dauert ungefähr  Minuten
und wird vor allem in den frühen Morgenstunden zum Frühstücken genutzt, das für viele Istanbuler aus Sesamkringeln und Tee
besteht. Beides wird vor und auf der Fähre verkauft, Gebäckreste
werden an die Möwen verfüttert, die der Fähre folgen und sich
gekonnt in die Fluten stürzen, wenn die Bruchstücke an ihnen
vorbeisegeln.
Weiter bosporusaufwärts, ebenfalls noch mit der Fähre erreichbar, liegt eine der wichtigsten Pilgerstätten des Islams. Der
Springbrunnen vor der Eyüp Camii, in der Mohammeds Würdenträger begraben liegt, zieht bei hohen Temperaturen planschende
Kinder und Glückwünschende an.
D  P  wohl kaum durch eines der »Problemviertel«, wie Tarlabaşi auch gerne bezeichnet wird. Enge Gassen,
kleine Läden und kleine Kinder, die zusammen mit Katzenbabys
und leeren Plastikflaschen über die Straße rollen, gehören zum
täglichen Erscheinungsbild. Was sie wohl denken, über rothaarige, blauäugige Menschen, die tagsüber mit Büchern unter dem
Arm durch ihre Wohngegend zur Uni hetzen, der Security ihren
eigens ausgestellten Ausweis unter die Nase halten und in dem
wohltemperierten Gebäude verschwinden?
Vielleicht genießen sie auch einfach nur die Schwerelosigkeit,
wenn Papa/Bruder/Opa/Onkel Zeit haben, das eindeutig selbstkonstruierte Spielzeug in Bewegung zu setzen. Spielplätze gibt
es keine. Grünflächen auch nicht. Kontakt mit Pflanzen und
Früchten beschränkt sich auf den sonntäglichen Markt und die
Auslagen der kleinen »bakals«, die je nach Lust und Laune des
Besitzers alles Mögliche zu frei entschiedenen Uhrzeiten verkaufen. Oft ist die ganze Familie eingespannt und der Kunde wird
auch um  Uhr morgens von einem Kind bedient, das eigentlich

Mai  kuAktuell
Kultur
in der Schule sein sollte. Werden die Kinder, die so fröhlich ohne
Schulbildung durch die Luft fliegen, ihr Viertel jemals verlassen?  Prozent aller Istanbuler Jugendlichen haben laut meiner
Dozentin im Kurs »Civil Society« noch nie den Bosporus gesehen,
geschweige denn eine der »großen Sehenswürdigkeiten« dieser
Stadt, wie die Blaue Moschee, die sich direkt gegenüber der Hagia
Sophia befindet.
Sie hat mehr Minarette als jede andere Moschee Istanbuls und
den größten Hof aller osmanischen Moscheen. Der imposante
Gebetssaal im Inneren ist mit angeblich mehr als  Fenstern
und unzähligen blauen Fliesen ausgestattet, denen das Gebäude
seinen inoffiziellen Namen verdankt. Zur Hauptsaison werden
die Besucherströme an den Palmen vorbei zum Nordeingang
geleitet, wo sie ihre Schuhe in Plastiktüten verpacken und im
Zweifelsfall mit Umhängen versehen werden. Auf Kopftüchern
wird interessanterweise nicht bestanden, vielleicht weil die Besucher den Betenden hinter der hüfthohen Barriere sowieso nicht
zu nahe kommen können.
I B   es ein keine Kleidervorschriften, selbst
wenn wäre es nicht so schlimm, weil es schwer werden wird, dieses unendlich verwinkelte und mit wunderschönen Deckenmalereien verzierte Labyrinth von einem Gebäude ohne einen neuen
Schal wieder zu verlassen. Hier drin ist alles vertreten: jedes
Gewürz, jede Art von Edelmetall und noch dazu jeder deutsche
Dialekt bzw. jede europäische/vorderasiatische Sprache – so hört
es sich zumindest an.
In der Nähe des Galataturmes, einst Teil der Stadtmauer und
immer noch beliebtes Ausflugsziel, lebten in byzantinischer und
osmanischer Zeit Kaufleute aus Genua und Venedig, zu denen
sich im . Jahrhundert europäische Migranten gesellten, die
grandiose Kirchen, Schule und Banken bauten. Galata gehört
zum Stadtteil Beyoğlu, in dem sich auch Orhan Pamuks Hauptfigur in ›Das schwarze Buch‹ herumtreibt. Seit seiner Rundumerneuerung ist Beyoğlu absolut hip und beliebte Wohngegend für
Studenten und Künstler, die die ehemaligen Hafenspeicher wie
für die Istanbuler Biennale als Ausstellungsgelände nutzen.
Vom Galataturm aus führt die Istiklal Caddesi an unzähligen
Cafés, Boutiquen und Straßenverkäufern vorbei bis zum TaksimPlatz. In den Gassen, die auf beiden Seiten von dieser Hauptschlagader abzweigen kann man sich zwar schnell verirren, aber
so entdeckt man auch am Besten immer wieder etwas Neues.
Karen Schewina
kuAktuell Mai 

Kultur
Nicht nur Luise ist blass.
›Kabale und Liebe‹ am Stadttheater Ingolstadt.
E
s gibt einige Klassiker der deutschen
Literatur, um die man als deutscher
Durchschnittsschüler
kaum
herumkommt.
Da wäre zunächst Goethes ›Faust: Der
Tragödie erster Teil‹, der allesüberstrahlende Inbegriff des Klassikers, obwohl das
Drama so »klassisch« gar nicht ist. Weil es
so klassisch gar nicht ist, entkommt der
Denn Sturm und Drang heißt meistens
Schiller, da man zu Goethe ja später mit
›Faust‹ und Balladen noch kommt. Und
stürmend-drängender Schiller heißt stets:
›Räuber‹ oder ›Kabale und Liebe‹.
Da die Kapitalismuskritik, obwohl sehr
in Mode und unschwer in die ›Räuber‹
hineinzuinterpretieren, diese Spielzeit
in Ingolstadt schon durch die ›Johanna
Demelius), sind die Individuen vor allem
eines: einsam. Einige können mit dieser
Einsamkeit umgehen, wie von Walter: Jan
Gebauer spielt den Präsidenten als einen
souveränen, leicht prolligen Machtmenschen, der sich nur zu bewusst ist, dass
er alleine durch Energie und körperliche
Präsenz seinen Mitmenschen überlegen
ist, die fröstelnd und zitternd neben ihm
Durchschnittsschüler meistens auch nicht
der Lektüre eines typischen Werks der
Weimarer Klassik, Schillers ›Maria Stuart‹
zum Beispiel – wenn er denn Glück hat
und sich nicht an der Seite von Goethes
»verteufelt humaner« ›Iphigenie‹ über die
Insel Tauris quälen muss.
Doch das sind eigentlich ja schon die
hohen Weihen, ganz profan startet man
doch meistens mit der Aufklärung, was da
heißt Lessing, was da stets heißt ›Nathan
der Weise‹. Natürlich hat Lessing auch
noch anderes geschrieben, Emilia Galotti
zum Beispiel. Doch da der Kernkonflikt
des Stückes (Todessehnsucht aus Angst
vor dem außerehelichen Ehevollzug) der
heutigen Jugend so schwer zu vermitteln ist, landet der Schüler der Oberstufe
zunächst bei der Ringparabel und Saladin,
wo der Ehevollzug – ob außerehelich oder
innerehelich – anscheinend gar keine Rolle
spielt, da der Tempelherr mit der Ersetzung der geliebten potentiellen Ehegattin
Recha durch die nicht weniger geliebte
Schwester Recha durchaus einverstanden
ist: Liebe ist schließlich Liebe!
Da nun aber nicht alle Gemüter und
Triebe so gleichmütig wie die des Tempelherren sein können, begegnet dem deutschen Schüler bald nach der Aufklärung
die Epoche des ›Sturm und Drang‹ – und
damit kommen wir auf verschlungenen
Umwegen zum Ziel dieser Exposition.
der Schlachthöfe‹ des Gottvaters der dramatischen Kapitalismuskritik abgedeckt
wurde, wendet sich Peter Rein persönlich
nun ›Kabale und Liebe‹ zu.
Eine Klassikerinszenierung, in die
wegen ausgesuchter Lehrplankompatibilität wohl nicht wenige deutsche Durchschnittsschüler geschleust werden. Diese
will man auch erreichen, die Jugend
scheint recht eindeutig die anvisierte Zielgruppe Peter Reins zu sein. Doch manchmal geht so ein Schuss trotz sorgfältigen
Visierens auch nach hinten los.
in diesem Schneetreiben stehen.
Der, der meistens neben von Walter
steht, ist Wurm, sein leicht schmieriger
Gehilfe. Was ihm von der körperlichen
Energie fehlt, die der Präsident so sehr versprüht, wenn er halbnackt schnaubend ein
Schneebad nimmt, ersetzt er durch Kalkül
und Raffinesse. Olaf Danners Wurm ist
aalglatt-überlegen, wenn er das Treiben
der anderen im Schnee beobachtet, kalkuliert und aus der Ferne beeinflusst. Wenn
er aber selbst unmittelbar aktiv wird, ist
er völlig seinen eigenen Begierden ausgeliefert, seinem Wunsch nach Luises Liebe,
nach ihrem Verständnis und ihrer Nähe.
Danner gelingt glaubhaft dieser Spagat
zwischen dem zu Luises Füßen winselnden Wurm und dem kalt planenden Strategen.
Der dritte im Bunde der Machtmenschen ist Hofmarschall von Kalb: Auch
er hat sich im Schnee eingerichtet, wobei
sehr deutlich ist, dass er, um nicht zu
erfrieren, stets die wärmende Sonne des
Fürsten oder des Präsidenten braucht.
Sascha Römisch nutzt die komisch angelegte Rolle des Hofmarschalls als Steilvorlage, wobei er jedoch dann und wann mit
seinen Blödeleien – je länger der Abend
dauert, desto öfter – über das Ziel hinausschießt.
Am stilvollsten hat sich ohne Zweifel
Lady Milford mit dem Schnee arrangiert:
In dampfender Wanne aus der Versen-

Rein schält das Drama zunächst aus den
eingeschriebenen
Wirkungsmechanismen heraus: Schillers Pathos wird durch
behutsame Textänderungen, besonders
aber den unpathetischen Sprachstil der
Schauspieler, entschärft und der Gegensatz zwischen bürgerlicher Welt und Adel,
die Triebfeder des dramatischen Konflikts
bei Schiller, besteht so dezidiert auch
nicht mehr. Was bleibt sind Individuen
auf der Suche nach Befriedigung der eigenen Bedürfnisse – das können Machtgelüste sein, wie bei von Walter, aber vor
allem die Sehnsucht nach Liebe, wie sie
Wurm, Lady Milford und natürlich Ferdinand und Luise vereint. Wobei »vereint«
das falsche Wort ist: In dieser seltsamen
Welt aus Schnee und Bretterstapeln, in
der verstreut ein paar Musikinstrumente
und Mikrofone stehen (Ausstattung: Bodo
Mai  kuAktuell
Kultur
kung auftauchend, wird sie im ausladenden Abendkleid zum verführerisch-warmen Anziehungspunkt in dieser Eiswelt.
Chris Nonnast lotet die verschiedenen
Facetten ihrer Figur vollkommen aus, ob
sie herablassend Befehle erteilt oder verzweifelt ihre Sehnsucht nach dem Einen
herausschreit, der Ferdinand nicht sein
will: Immer wirkt sie wie das majestätisch
lodernde einzige Feuer im Eis.
Auf der anderen Seite stehen Vater und
Mutter Miller, deren Fixpunkt im Leben
ihr einziges Kind, Luise, ist. Bettina Franke
überzieht die wenigen Auftritte, die ihr als
Diesen Ferdinand spielt Aurel Bereuter als besitzergreifenden Liebhaber,
herrisch-feurig gegenüber Luise, vor dem
Vater aber stets kuschend. Die Rolle des
Sohns des Präsidenten liegt diesem unsicheren Jüngling so gar nicht, lieber zupft
er auf der Gitarre bei Vater Miller einige
gefühlvolle Balladen. Bereuters Schlüssel
zur Rolle Ferdinands, die Unsicherheit des
stets vom Vater gegängelten Sohnes, die
sich nun außerhalb der Sphären des Präsidenten energisch in Besitzansprüchen auf
sein selbst erworbenes »Eigentum« Luise
entlädt, erlaubt ihm eine glaubhafte Rol-
deshalb glaubt man auch nicht an die Kraft
der Liebe zwischen Ferdinand und Luise –
weder an ihre Kraft zum Guten noch zum
Schlechten.
Wenn am Schluss die beiden nebeneinander sterben, gemeinsam erwachen und
Hand in Hand glücklich von der Bühne
abgehen, dann wirkt dieses Happy-End
nicht nur unglaublich kitschig, sondern
auch völlig unmotiviert: Woher sollten
diese Emotionen kommen, die die Überwindung der Welt der Eltern ermöglichen?
Von Seiten des herrschsüchtigen Ferdinands oder der alles erduldenden, leiden-
Weitere Aufführungen
t
t
t
t
»Kupplerin« vergönnt sind, oftmals deutlich ins Komödienhafte, während Rolf
Germeroth als Vater Miller scheinbar vergeblich um Zugang zu seiner Tochter ringt,
der ihm von Stück wie Regiekonzept gleichermaßen erschwert wird.
Diese Luise ist, wie sie da in ihrem roten
Kaputzenpulli im Schnee sitzt, der Inbegriff des kleinen naiven Mädchens, das
nicht weiß wie ihm geschieht, als der feurige Strahl der Liebe es trifft. Mag dieses
Bild kitschig sein, die Rollenanlage ist es
noch mehr: Olivia Stutz spielt ihre Luise
von Anfang an überzeugend als verwirrtverwundetes passives Geschöpf, findet
aus dieser Verwirrtheit aber bis zum Ende
nicht heraus. Das Aufeinandertreffen von
Luise und Lady Milford, eigentlich ein
Schlagabtausch zwischen zwei gleichermaßen starken Frauen, die eine, weil sie
Herrschen gewohnt ist, die andere, weil
sie liebt, gerät so zu einer Schlitterpartie
Luises vor der dominanten Widersacherin: Man nimmt diesem Mädchen tiefere
Erkenntnisse und Einsichten einfach
nicht ab. Als ständiges Projektionsobjekt
der jeweiligen Bedürfnisse der anderen,
das zu Beginn von den Familienmitgliedern und Ferdinand durchaus auch über
die Bühne getragen wird, gelingt es Stutz’
Luise auch nicht, gegen Ende ihre eigene
Position zwischen Vater, Gott und Ferdinand zu finden.
kuAktuell Mai 
Sonntag
Freitag
Freitag
Mittwoch
lengestaltung: Ferdinand erscheint mit all
seinem Toben, Kuschen und Werben wie
aus einem Guss.
. . 
. . 
. . 
. . 
t Donnerstag
t Samstag
t Sonntag
. . 
. . 
. . 
den Luise?
Gemeinsam mit dem Coldplay-Song,
den Ferdinand im Moment des Todes seiner Luise stottert (»Fix you«), wirkt das
ganze Ende als notdürftig auf das erwartete junge Publikum zugeschnitten.
Vielleicht hat Schillers ›Kabale und
Liebe‹ auch dem heutigen Jugendlichen
etwas zu sagen. Aber wenn dem so ist,
muss dafür ein Ansatz gefunden und aus
dem Stück herausgearbeitet werden, für
das Prädikat »Jugendtheater« reicht nicht
das großzügige Einstreuen von Popsongs
und Happyend.
Eindrückliche Bilder öffnen dramaturgische Bögen, die dann aber auch gefüllt
sein wollen. Werden sie nur als ästhetischer Selbstzweck genutzt, läuft eine
Inszenierung irgendwann ins Leere.
Dann sieht man einen Abend lang Schiller. Aber warum man einen Abend Schiller
sieht, wird auf diesem Wege nicht klar.
Innerhalb dieser Parameter entwirft Peter
Rein seine Geschichte, schafft auch zusammen mit dem Bühnenbild von Bodo Demelius viele starke Bilder.
Doch irgendwann kommt beim
Zuschauer unweigerlich die Frage auf:
Wozu das alles? Die Vereinsamung des
Individuums und sein zwanghafter Versuch, durch Liebe diese Einsamkeit zu
überwinden, ist ein schöner Ansatz, das
Bild der kalten Schneelandschaft im blassen Licht seine passende Visualisierung.
Nur reicht dieser Ansatz nicht, um das
Drama dynamisch zu gestalten: In dieser
Welt aus Eis gefrieren auch die Emotionen
und Figuren, wo bei Schiller zwei Welten
aufeinanderprallen, stehen sich diese bei
Rein gefroren und nicht einmal besonders
verschieden gegenüber. Es ist natürlich
legitim auf die Opposition von Adel und Felix Lempp
Bürgertum genauso wie auf die Kraft des Bilder: John André Pöhlmann
Schiller’schen Pathos’ zu verzichten, nur
muss man diese Mittel adäquat ersetzen,
sonst zerfällt die gesamte Inszenierung
trotz einiger schöner Bilder.
Da hilft es dann auch nichts mehr, dass
die Emotionen durch lautes Geschrei
transportiert werden sollen: In dieser kalten Eiswelt glaubt man keiner Emotion,
weder der Liebe, noch der Wut. Und genau

Kultur
Rotkäppchen im Zeichenwald
Eine urbane Legende
 , der Theatersommer ist eröffnet! Mit ›Rotkäppchen‹ startete die Saison am . April. Da
dieses Semester gleich vier Inszenierungen von verschiedenen Theatergruppen
an der  präsentiert werden, wollen wir
eine ausführliche Besprechung an dieser
Stelle nicht missen lassen. Neben der
Schauspielgruppe von Uli Ackermann
(›Rotkäppchen‹) werden demnächst
die Kleine KUnstbühne mit ›heute. horrorshow‹, der AK Theater mit ›Der gute
Mensch von Sezuan‹ und der AK Freilufttheater mit einer eigenen Inszenierung
hervortreten.
s war einmal im Dickicht der Städte:
»Bitte zurücktreten!« Bordsteinkanten, Leuchtreklamen, , Kinderwagen,
Mietskasernen, Schauspielhäuser, Straßenclowns, Gebell von rechts, links hupt
einer, Stöckelschuhe, Pflastersteine, um
die Ecke, Odol gibt’s immer noch, »Extrablatt!«, Haltestelle Sendlinger Tor. Bilderströme, Wortströme. Und mittendrin ein
kleines Mädchen mit roter Mütze.
So erzählt man doch kein Märchen?
Denkste! So, genau so erzählt man heute
ein Märchen. Streich nur das »Es war einmal«, nimm statt der Großstadt einen Wald
und du hast den Anfang der temporeichen
Grimmcollage, die Uli Ackermann mit
ihren Studenten letzte Woche inszenierte.
Genau so. Der Performance-Act brachte
ordentlich Leben in die Betonbude. Das
traurige Grau des Foyers unter der Aula
verwandelte sich in einen Funkenregen
aus Sprachbildern und Bildmontagen.
»Rotkäppchen.« Im Anfang war das
Wort. Und das Wort wurde dicker und
dicker und blähte sich auf und als es bis
in die letzte Ritze des Raumes gedrungen
war, platzte es aus sich heraus und regnete
in allen Sprachen auf das Publikum herab.
Cappuccetto Rosso, Czerwony Kapturek,
Caperucita Roja, Little red riding Hood,
Roodkapje. Der babylonische Urknall, mit
dem die Vorstellung begann, gebar eine
Fülle von Lautmalereien, Sprachfiguren,
Textgewächsen, lebendig-verworren wie
der Lauf der Welt.
Ein Thema mit vielfältigen Variationen.
Die rasche, abwechslungsreiche Szenenfolge erschuf eine spielerische Einheit
E

märchenhafter Gegensätze. Getragen Der Dschungel war schon immer eine
von dem Continuo der grimmschen Fabel, Metapher für die moderne Großstadt.
modulierten die Schauspieler das Thema
in allen Tonarten. Rotkäppchen erschießt Christian Hübner
den Wolf. Die Brüder Grimm denken sich
eine Geschichte aus. Der Wolf geht zum
Psychiater. Die Pilze murmeln im Wald.
Boarische Schnaderhupferl. Hilde vermisst ihren Wolfgang. Erich Fromm und
die Psychoanalyse.
Die wild wechselnden Eindrücke des
Schauspiels waren in sich so heterogen
wie die Safari durch einen Großstadtdschungel. Der Zeichenwald aus Jägerrequisiten, Videoscreens und raunenden
iebe Freundinnen und Freunde
Off-Stimmen rauschte in den Ohren der
der ltur,
Zuschauer den Gesang der Metropole. Das
der Winter ist endlich vorbei, es
ist das Märchen der Moderne, die urbane
lebe der Sommer! Das muss feste
Legende von Rotkäppchen und dem bösen
gefeiert werden und deswegen haben
Wolf. »Es war einmal« war gestern. Das
wir in diesem Semester wieder ein
Wunderbare braucht die Gegenwart, um
buntes Veranstaltungsprogramm für
wieder verstanden zu werden.
Euch zusammengestellt. Die guten
Aller volkstümlichen Romantik entalten Events sind drin, aber auch viel
kleidet, im nackten Grau des Betonfoyers,
Neues. Lasst Euch überraschen!
vermochten es die Schauspieler, dem Stoff
t Zum Auftakt gibt’s ein Live-Koneine ungewohnt neue Qualität zu verleizert mit Kazimir und The Age of
hen. Im Zeichen der Transposition in die
Sound in unserm Studihaus. Hereigene Zeit spielten Christoph Bindereinspaziert, hereinspaziert am
Catana, Thomas Kinzel, Kathi Pallmann,
. Mai um  Uhr, Beginn  Uhr.
Adrian Smoll, Elisa Tschorschke und
Der Eintritt ist frei, die Musik
Miriam Vetter ihr Märchen vom Rotkäppfetzt – es lohnt sich!
chen und erzählten von den Gefahren,
t Taucht mit uns ein in die Welt der
aber auch von den Wundern einer scheinKunst! Gemeinsam mit der Fachbar entzauberten Welt.
schaft Kunstgeschichte möchten
Einer undurchschaubaren Welt. Mit
wir Euch zu drei Exkursionen einSonnenbrillen, Chapeau, Revolver und
laden. Am . Juni nach Würzburg,
Filmmontagen – nur der Wald als Requisite
am . Juni auf Burg Prunn und
passt nicht so ganz ins Konzept? Denkste!
Noch mehr
Kltur
L
Mai  kuAktuell
Kultur
Mehr Raum für Musik!
Demo gegen desolate Dunkelkammern
»
Wenn’s in der Aula brennt, sind wir unten
tot« – so drastisch sieht die Lage für
unsere Kommilitoninnen und Kommilitonen in der Musikabteilung aus. »Wir sind
nicht bereit, in Räumen zu üben, die beim
Unibauamt nicht mehr als brandgeschützt
gelten«, beschreibt Katrin Poese von der
Fachschaft Musik die Lage. »Das heißt,
wenn in der Aula ein Feuer ausbricht, haben
wir da unten keine Chance, es gibt keine
Fluchtwege.«
Vier Räume müssen sich die  Studierenden zum Üben teilen. Die kleinen Zimmer befinden sich im Keller unter der Aula,
es ist dunkel, die Luft ist feucht, die Instrumente verstimmen ständig und obendrein
ist es »brandgefährlich«, sich dort aufzuhalten. Gegen diese desolaten Zustände
demonstrierten gut  Studierende der
Musikwissenschaft und Musikpädagogik
am Donnerstag am . April. Dabei gab es
im Vorfeld bereits erste Schritte, die das
Raumproblem lösen sollten.
»Wir haben im Zuge der Öffnung des Kapuzinerklosters, irgendeine räumliche Möglichkeit zu finden, gestern in einer Fakultätsratssitzung erfahren, dass die Universitätsleitung
beabsichtigt, Räume außerhalb der Universität für uns anzumieten«, äußerte Professor
Peter Brünger. »Aber wir haben auch gestern
keinen Termin dafür bekommen und sehen
im Grunde nicht klar, wie es denn jetzt im
Sommersemester aussehen soll.« Die Studierenden ergriffen daraufhin die Initiative
und machten durch
die Demonstration
auf ihre Raumnot
aufmerksam.
Szenen aus den
Bildungsstreiktagen im Herbst wurden wachgerufen,
als sich der musikalische Zug in Bewegung setzte. Mit
Pauken und Trompeten oder besser:
mit Snare Drums
und Posaunen ging
es über den Campus, einmal quer
durch den A-Bau
und rüber zur
Sommerresidenz.
Wütende Walkürenritte bliesen Sturm
gegen die barocken Wände und der Lärm
schlug bis ins Büro des Präsidenten. Der
saß gerade in einem Berufungsgespräch,
nahm sich aber trotzdem Zeit, um mit den
Studierenden zu diskutieren.
Er kenne und teile ihre Probleme,
erklärte Professor Andreas Lob-Hüdepohl
den versammelten Musikern. Die ließen
sich die Gelegenheit nicht nehmen und
verschafften sich mit einer Protestnote
von ihrer Raumnot Gehör. »Diese Räume
sind menschenunwürdig, es sind keine guten
Bedingungen zum Üben, wir sind nicht bereit,
am . Juli nach München. Mehr dazu
bald auf unserem Veranstaltungskalender!
t Deutschland hat das Viertelfinale verpasst? – Wir feiern trotzdem! Freut
Euch mit uns auf das . Kultur Open Air
am . Juni. Unser alljährliches Highlight findet heuer in der -Spielpause
statt. Tanzt, lacht, lallt, lauscht, lehnt
Euch zurück oder seid selbst als Akteure
auf der Bühne mit dabei! Wir freuen uns
über jede kreative Darbietung von Eurer
Seite – denn dafür ist das Open Air da:
dass sich die Kultur an unserer Uni frei
entfalten kann. Jeder ist ein Künstler!
Zeigt es uns!
t Zum Abschluss des Semesters wird es
nochmal romantisch. Wer Ablenkung
vom Klausurstress sucht, sei herzlich
eingeladen zur Lesenacht im Fackelschein. Wann? Am . Juli ab  Uhr.
Wo? Am Lagerfeuerplatz unterhalb
der Kapelle auf dem Frauenberg.
Dies als kleiner Vorgeschmack für Euch
auf unser Programm und vergesst
nicht: Kultivieren geht über Studieren.
Kultiviert Kultur an der  Wir freuen
uns drauf!
Euer Kulturreferat
* [email protected]
auf dieser Grundlage weiter uns auf unsere
praktischen Leistungen vorzubereiten«,
äußerte sich Katrin Poese. Das allgemeine
Credo der Protestaktion: »Wir brauchen
neue Räume.«
Lob-Hüdepohl zeigte Verständnis für
die Situation, bedauerte aber, dass er keinen neuen Musikbau vom Himmel herunterzaubern könne. Eine Übergangslösung
hatte er dennoch parat. Er wolle, so äußerte
er sich den Studierenden »wenigstens jetzt
für das kommende Sommersemester Ihnen
acht oder zehn Übungsräume zur Verfügung
stellen, ich biete Ihnen an, dass sie diese ab
Montag in Gebrauch nehmen können.«
So ist es auch geschehen. Seit . April
stehen den Studierenden acht Musikübungsräume im Kapuzinerkloster zur
Verfügung. Auch das alte Refektorium im
. Obergeschoss kann als Multifunktionsraum für Ensembleproben genutzt werden.
Doch vorerst nur bis August. Dann zieht
die Univerwaltung in das Gebäude, da die
Sommerresidenz für ein Jahr komplett
saniert werden muss.
Lob-Hüdepohl versprach jedoch, bis
dahin eine Lösung zu finden und »ein in
Campusnähe stehendes Gebäude« für neue
Übungsräume langfristig anzumieten.
Bereits wenige Tage nach der Demo wurde
der erste Flügel zunächst im Kapuzinerkloster aufgestellt.
Christian Hübner
kuAktuell Mai 

 Subkulturen …
… die Subkultur bleiben sollten:
.
.
.
Emos.
.
.
U-Bahn-Schläger.
Snooker-auf-Eurosport-Schauer.
Die amerikanische »Proud-tobe-Fat«-Gruppe (Der Name ist
Programm)
Pfadfinder.
ibt’s dafür Credit Points? Nach der
Uni noch schnell was Essen. Nur was?
In vielen Fällen schmeißt der gestresste
Student von heute eine Packung Nudeln
ins Wasser und dreht kurz darauf ein Glas
Fertigsoße auf, die man ganz bequem über
die garen Nudeln gibt. Oder es werden
alte Weisheiten wie »… man kann alles mit
Käse überbacken!« bedient. Zu guter Letzt
gibt es dann noch die gute alte Tiefkühlpizza, die nach  Minuten bei  Grad
genießbar ist.
G

.
»Helga!«-Schreier auf dem Zeltplatz.
.
die Sentinelesen (Kriegerische
Bewohner einer Insel im südostasiatischem Ozean).
.
Trägerinnen von kurzen Hosen
über Leggins (vor allem bei
Mitgliedern der Proud-to-be-FatGruppe).
Kochen?
.
Wii-Fit-Nutzer (lauft lieber zu
Fuß zum Bioladen!)
.
Eine-Latte-Macchiato-decaffdark-cherry-dream-flavouredmit-Sojamilch-fatfree-laktosefrei-grande-Besteller.
Das muss doch anders gehen! Um das
zu beweisen, schickt uns eure studentengerechte Rezepte. Die besten Studentengerichte werden wir dann standesgemäß
in einer der kommenden Ausgaben abdrucken!
Also Pfoten weg vom Laptop und ab an
den Herd!
Mehr Infos auf Seite .
Christine Campen
Mai  kuAktuell

Documents pareils