Palliative Wundversorgung in der Terminalphase
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Palliative Wundversorgung in der Terminalphase
Palliative Wundversorgung in der Terminalphase – Informationen für Angehörige Projektarbeit im Interprofessionellen Basislehrgang Palliative Care in Graz 2013/2014 Praxisbegleitung: DGKP DI Erich Baumgartner DGKP Eva Feiertag FSB/AA Barbara Gusterhuber DGKP Sonja Höller DGKP Margret Rechberger Abgabetermin: 15. Juni 2014 Komm großer schwarzer Vogel Komm großer schwarzer Vogel komm jetzt! Schau das Fenster ist weit offen schau ich hab' dir Zucker aufs Fensterbrett g'straht. Komm großer schwarzer Vogel komm zu mir! Spann' deine weiten sanften Flügel aus und leg' s' auf meine Fieberaugen! Bitte hol' mich weg von da! Und dann fliegen wir rauf mitten in Himmel rein in a neue Zeit, in a neue Welt und ich werd' singen, ich werd' lachen ich werd' "das gibt's net" schrei'n weil ich werd' auf einmal kapieren worum sich alles dreht. Komm großer schwarzer Vogel, hilf mir doch! Press' deinen feuchten, kalten Schnabel auf meine Wunde auf meine heiße Stirn! Komm großer schwarzer Vogel, jetzt wär's grad günstig! Die anderen da im Zimmer schlafen fest und wenn wir ganz leise sind hört uns die Schwester nicht! Bitte hol mich weg von da! Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein in a neue Zeit, in a neue Welt und ich werd' singen, ich werd' lachen ich werd' "das gibt's net" schrei'n weil ich werd' auf einmal kapieren worum sich alles dreht. Ja, großer schwarzer Vogel, endlich! Ich hab' dich gar nicht reinkommen g'hört wie lautlos du fliegst, mein Gott, wie schön du bist! Auf geht's, großer schwarzer Vogel, auf geht's! Baba, ihr meine Lieben daham! Du mein Mädel und du Mama, baba! Bitte vergeßt's mich nicht! Auf geht's, mitten in den Himmel eine nicht traurig sein, na na na, ist kein Grund zum Traurigsein! Ich werd' singen, ich werd' lachen ich werd' "des gibt's net" schrei'n. Ich werd' endlich kapieren ich werd' endlich glücklich sein! (Ludwig Hirsch) Ehrenwörtliche Erklärung Wir versichern hiermit, 1. dass wir die vorliegende Projektarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und uns auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient haben, 2. dass wir diese Projektarbeit bisher weder im Inland noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt haben, sowie 3. Graz, dass die in Papierform vorliegende Variante mit der digitalen Variante ident ist. _______________ Datum Unterschriften Hinweis zur verwendeten Sprachform Die verwendete weibliche bzw. männliche Sprachform dient der leichteren Lesbarkeit und meint immer auch das jeweilige andere Geschlecht. I Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4. EINLEITUNG 1 1.1. Zielsetzung der Arbeit 1 1.2. Vorstellung der Projektgruppe 2 1.2.1. Barbara Gusterhuber 3 1.2.2. Margret Rechberger 4 1.2.3. Eva Feiertag 5 1.2.4. Sonja Höller 6 DIE LETZTEN VIER LEBENSPHASEN NACH JONEN-THIELEMANN 7 2.1. Rehabilitationsphase [Barbara Gusterhuber] 7 2.2. Präterminalphase [Barbara Gusterhuber] 7 2.3. Terminalphase [Barbara Gusterhuber] 7 2.4. Finalphase (eigentliche Sterbephase) [Barbara Gusterhuber] 7 TERMINALPHASE 8 3.1. Innerer Rückzug [Barbara Gusterhuber] 9 3.2. Zunehmende Bewusstseinseintrübung [Barbara Gusterhuber] 9 TERMINALPHASE - WUNDEN DIE AUFTRETEN KÖNNEN 10 4.1. Mangelnde Wundheilung [Sonja Höller] 10 4.2. Wundvergrößerung [Sonja Höller] 13 4.3. Exulzerierende Tumorwunden [Margret Rechberger] 15 4.4. Dekubitus [Margret Rechberger] 18 - II - 5. MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN DER WUNDEN AUF DIE LEBENSBEREICHE DER BETROFFENEN, ANGEHÖRIGEN BZW. BEZUGSPERSONEN 6. 21 5.1. Schmerz [Eva Feiertag] 22 5.2. Blutung [Eva Feiertag] 23 5.3. Exsudat [Eva Feiertag] 24 5.4. Geruch [Eva Feiertag] 24 5.5. Psychische Belastungen [Barbara Gusterhuber] 25 SCHLUSSFOLGERUNGEN 27 6.1. Barbara Gusterhuber 27 6.2. Margret Rechberger 28 6.3. Eva Feiertag 29 6.4. Sonja Höller 30 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 31 LITERATURVERZEICHNIS 32 ANHANG 33 - III - 1. EINLEITUNG In der Palliative Care liegt der Schwerpunkt der Wundversorgung nicht auf der Abheilung der Wunde. Das Hauptaugenmerk der Betreuung liegt bei der psychosozialen Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen auf der einen Seite und die Linderung der Symptome unter Wahrung der Würde und Selbstbestimmung eines Schwerstkranken auf der anderen Seite. Palliative Care steht für … HEILEN - MANCHMAL LINDERN - OFT TRÖSTEN - IMMER 1.1. ZIELSETZUNG DER ARBEIT Eine der Intentionen unserer Projektarbeit liegt darin, den Angehörigen, welche die weitere Pflege und Betreuung zu Hause aufnehmen, einen kurzen, prägnanten Wegweiser in der Form eines Infofolders zur Verfügung zu stellen. In diesem sollen die wichtigsten Fragestellungen für Angehörige angesprochen werden. Die Fragen sollten, so war es unser Zugang, unter anderem aus Interviews mit betroffenen Angehörigen erarbeitet werden. Im Zuge der intensiven Diskussionen die wir in unserer Projektgruppe zu diesem Thema geführt haben, hat sich jedoch immer klarer herauskristallisiert, dass die Fragestellungen, die sich für den pflegenden Angehörigen zu Hause ergeben, immer ziemlich ident sind. Gerade weil unsere Projektgruppe so heterogen zusammengesetzt ist und wir in den unterschiedlichsten Pflegebereichen tätig sind, glauben wir diese Fragestellungen eigentlich aus unserer Praxis heraus sehr gut einschätzen zu können. Aus diesem Grund haben wir uns letztlich entschieden, uns bei dem Erstellen des Leitfadens für Angehörige, auf die von uns als relevant angesehenen Fragen zu konzentrieren und auf die ursprünglich angedachten Interviews mit Angehörigen zu verzichten. -1- 1.2. VORSTELLUNG DER PROJEKTGRUPPE Abbildung 1: Foto der Projektgruppe -2- 1.2.1. BARBARA GUSTERHUBER Name: Barbara Gusterhuber Alter: 48 Jahre Qualifikation: FSB/AA, seit Juni 2012 Einrichtung: SPWH-Caritas in Rottenmann Tätigkeitsbereich: Als FSB (Fachsozialbetreuerin) ist es meine Aufgabe den alten Menschen sowohl körperlich und seelisch als auch sozial und geistig zu unterstützen. Ich begleite die Bewohner in der Daseinsgestaltung und stehe ihnen und ihren Angehörigen in den unterschiedlichen Lebens- und Sterbephasen zur Seite. Meine Motivation für das Projekt: Bereits nach kurzer Zeit wurde mit bewusst, dass sehr häufig nicht der Betroffene selbst, sonder viel mehr die Angehörigen mit der Ausnahmesituation „Sterben und Tod“ überfordert sind. Speziell bei auftretenden Wunden mit all ihren Begleiterscheinungen stehen sie diesem Prozess häufig hilflos gegenüber. Daher stellt sich für mich die Frage: Was kann ich für Angehörige als Pflegeperson tun, um eine Entlastung und Unterstützung in dieser Situation herbeizuführen? Diese Frage erscheint mir im Zusammenhang mit dem Thema Sterben und Tod so bedeutend zu sein, dass ich sie im Rahmen dieser Arbeit zu erläutern versuche. -3- 1.2.2. MARGRET RECHBERGER Name: Margret Rechberger Alter: 44 Jahre Qualifikation: DGKP, seit 1992 Einrichtung: LKH Knittelfeld, Palliativstation Tätigkeitsbereich: Nach meiner langjährigen Tätigkeit auf der Intensivstation habe ich mich entschlossen dieser den Rücken zu kehren um zu neuen Ufern im Palliativbereich aufzubrechen. Der entscheidendste Aspekt dabei Blickpunkt war meiner das ganzheitliche Tätigkeit zu Menschenbild rücken. Dabei in den spielen die Angehörigen des Patienten eine sehr große und wichtige Rolle. Es bereitet mir große patientenkonzentrierte, Freude liebevolle, den Patienten ganzheitliche durch Pflege eine vertrauensvolle Atmosphäre und Geborgenheit zu vermitteln. Meine Motivation für das Projekt: Die Pflege und Betreuung der Menschen auf der Palliativstation macht eine enge Zusammenarbeit mit deren Angehörigen möglich. Es ist eine wunderbare Aufgabe auch Zeit und Raum für diese so wichtige Aufgabe zu haben. Bei vielen Problemen, wie z.B. der Wundversorgung, stoße ich jedoch immer wieder an meine Grenze, und so ist es mir ein großes Anliegen eine Informationsbroschüre für Angehörige im Bezug auf die Wundversorgung in der Terminalphase zu erstellen. Ich habe bei meinen Recherchen für diese Arbeit einen sehr schönen Satz von einer Palliativpflegefachkraft gefunden, welchen ich ihnen nicht vorenthalten möchte: „Wenn es mir gelingt, hinter der Wunde des Menschen zu sehen, in Beziehung mit ihm zu sein, dann wird die Wunde gleichsam kleiner und weniger schrecklich.“ (Kränzle, 2012) -4- 1.2.3. EVA FEIERTAG Name: Eva Feiertag Alter: 34 Jahre Qualifikation: DGKP, seit 1999 Einrichtung: Seniorenheim Neuherz-Geier Tätigkeitsbereich: In Bayern integrierter arbeitete ich auf Palliativstation einer (6-8 internen Betten). Abteilung mit besteht eine Es Diskrepanz: Auf der einen Seite der Station ist jeder Mensch zu reanimieren, auf der anderen gibt es die individuelle palliative Versorgung. Diese Tatsache führte zu einem persönlichen inneren Zwiespalt. Nach dem Umzug in die Steiermark bin ich nun seit 2,5 Jahren im Seniorenheim tätig. Mit dieser Stelle kann ich mich besser identifizieren. Eine besonders schöne Aufgabe ist es als „Lebensbegleitung“ für Bewohner zuständig zu sein. Ich nehme mir Zeit, für eine Runde „Mensch ärgere Dich nicht“ oder gemeinsames Kuchen backen. Meine Motivation für das Projekt: Es gibt offene Wunden, bei denen jeder an seine Grenzen stößt, da diese mit unangenehmen Begleiterscheinungen verbunden sind. Mit dieser Situation zu Recht zu kommen ist auch für die Angehörigen ungemein schwer, Überforderung und Konflikte sind die Folge. Angehörige werden oft als „schwierig“ bezeichnet, und am liebsten möchte man Ihnen aus dem Wege gehen. Mein Ziel ist die intensive Beschäftigung mit diesem Thema und ein bewusster Kontakt zu den Angehörigen. -5- 1.2.4. SONJA HÖLLER Name: Sonja Höller Alter: 40 Jahre Qualifikation: DGKS, seit 1996 Einrichtung: Volkshilfe Seniorenzentrum Bad Aussee Tätigkeitsbereich: Meine Aufgabe ist es, unsere Bewohner vom Einzug bis an ihr Lebensende bestmöglich zu begleiten und zu versorgen. Ein besonderes Anliegen ist mir die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen und deren Angehörigen im Rahmen meiner Tätigkeit als DGKS, die Leitung unseres internen Hospizund Palliativteams und die Versorgung von palliativen und kurativen Wunden. Meine Motivation für das Projekt: Wenn Wunden nicht mehr heilbar sind, gehen sie oft einher mit psychischer und physischer Belastung für den Bewohner und dessen Angehörigen. Mein besonderes Augenmerk ist die optimale Versorgung der Bewohner um ihre Lebensqualität zu verbessern. Die Begleitung, Beratung und Information der Angehörigen ist dabei ein wichtiger Faktor. Diese können mit der Situation entweder überfordert sein oder einen wichtigen Halt und Stärkung für den Bewohner darstellen. Nach dem Zitat von Cicely Saunders: „Es geht nicht primär darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ -6- 2. DIE LETZTEN VIER LEBENSPHASEN NACH JONENTHIELEMANN Einleitend möchte ich zuerst an dieser Stelle die letzten Lebensphasen einer Pionierin der Palliativmedizin, Fr. Dr. Ingeborg Jonen-Thielemann ausführen. Diese unterscheidet folgende vier Phasen, welche im Anschluss genauer erörtert werden (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 51f): Rehabilitationsphase – Präterminalphase – Terminalphase - Finalphase 2.1. REHABILITATIONSPHASE [BARBARA GUSTERHUBER] Der Patient kann trotz fortgeschrittener Krankheit (evtl. durch Palliativmaßnahmen) weitgehend wieder in sein normales gesellschaftliches Leben eingegliedert werden. Die Prognose beträgt in der Regel viele Monate, manchmal Jahre. 2.2. PRÄTERMINALPHASE [BARBARA GUSTERHUBER] Der Patient zeigt deutlich sichtbare Symptome der fortgeschrittenen Erkrankung. Allgemeine Zeichen des nahenden Lebensendes zeichnen sich ab. Die Möglichkeiten eines aktiven Lebens sind eingeschränkt. In dieser Situation beträgt die Prognose mehrere Wochen bis Monate. 2.3. TERMINALPHASE [BARBARA GUSTERHUBER] Der Schwerkranke lebt unmittelbar an der Grenze seines Lebens zum Tod. Er ist die meiste Zeit oder dauernd bettlägerig. Der innere Rückzug oder Ruhelosigkeit zeichnen sich ab. Diese Symptome können rasch wechseln. Die Aktivität ist deutlich beeinträchtigt. Die Prognose ist auf wenige Tage bis zu einer Woche begrenzt. 2.4. FINALPHASE (EIGENTLICHE STERBEPHASE) [BARBARA GUSTERHUBER] Der Mensch liegt im Sterben, ist am äußersten Endpunkt seines Lebens angelangt. Das Bewusstsein ist nicht mehr auf die Außenwelt gerichtet. Der Eintritt des Todes ist in einigen Stunden zu erwarten. -7- 3. TERMINALPHASE Zu Beginn stellt sich die Frage, wann das Sterben beginnt. Diese hat meiner Meinung nach fast schon einen philosophischen Charakter. Für Mediziner beginnt das Sterben mit dem unaufhaltsamen Versagen elementarer Körperfunktionen und wenn therapeutische Maßnahmen keinen Erfolg mehr versprechen. Explizite Anhaltspunkte über den Beginn der Terminalphase fehlen, daher ist der Handlungsspielraum diesbezüglich sehr groß (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 43f). Hiermit wird deutlich, wie schwer es ist den zeitlichen Beginn dieser Phase zu definieren und somit einen Menschen als „sterbend“ zu betrachten. Von verschiedenen palliativmedizinischen Spezialisten wird die Terminalphase unterschiedlich bewertet und beschrieben. Eine Interpretation des Palliativmediziners R. Twycross lautet: „Der Patient ist sehr schwach, zumeist bettlägerig, schläfrig für lange Perioden mit stark limitierter Konzentrationszeit. Es besteht zunehmendes Desinteresse an Nahrung und an Flüssigkeit.“ (www.medizininfo-de/palliativmedizin/sterbephase.shtm1). Ein anderer Autor, P. Kaye, nennt eine etwas andere Definition: „Das Terminalstadium kann als jene Phase beschrieben werden, in der bei dem Patienten eine tägliche Verschlechterung eintritt und der klinische Zustand von Tag zu Tag aufs Neue beurteilt werden muss. Es kommt zum Auftreten von Schwäche, Schläfrigkeit, Bettlägerigkeit, Appetitlosigkeit, Organversagen und schließlich zur peripheren Zyanose.“ (www.medizininfo-de/palliativmedizin/sterbephase.shtm1). Des Weiteren wird die Terminalphase sehr häufig von innerem Rückzug und zunehmender Bewusstseinseintrübung begleitet. Auf diese beiden Merkmale möchte ich an dieser Stelle näher eingehen. -8- 3.1. INNERER RÜCKZUG [BARBARA GUSTERHUBER] Der Sterbende beschäftigt sich zunehmend mit sich selbst. Er zieht sich zurück. Die Verlagerung seines Interesses erfolgt von außen nach innen. Der Kranke wirkt zwar passiv und desinteressiert, beschäftigt sich aber aktiv mit sich selbst (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 45f). Es kommt zu Veränderungen der gewohnten Verhaltensweisen. Zum Beispiel reduziert sich die verbale Äußerung und die nonverbale Kommunikation tritt in den Vordergrund. Der Betroffene wird auf Ansprache oder Fragen nicht antworten, jedoch die Augen öffnen und dadurch signalisieren, dass er verstanden hat. Wenn er ein Bedürfnis äußern möchte, möglicherweise nur mehr ein Wort flüstern. Angehörige können diese Veränderungen oft nur sehr schwer akzeptieren. Sie versuchen den Kranken zu verschiedensten Handlungen zu motivieren bzw. zu aktivieren. Daher erscheint es mir sehr wichtig, Angehörige darüber zu informieren, dass sich der Sterbende im Rückzug nach innen befindet. Er merkt sehr wohl wenn jemand an seinem Bett Platz nimmt und ihm die Hand hält, er reagiert aber nun auf seine Weise. 3.2. ZUNEHMENDE BEWUSSTSEINSEINTRÜBUNG [BARBARA GUSTERHUBER] In diesem Stadium gelingt es immer weniger den Sterbenden aufzuwecken. Er reagiert auf Berührung oder Ansprache kaum oder gar nicht mehr. Jedoch kann es vorkommen, dass er auch nach Tagen aufwacht und fähig ist zu kommunizieren. In dieser Phase reagiert er am ehesten auf die Stimmen von Menschen die ihm sehr nahe stehen. Laut Kübler-Ross benötigen Sterbende mehr Zeit, um Worte ankommen zu lassen. Wir als Betreuende sollten daher langsam und in einfachen Worten sprechen. Auch während dieser Zeit ist es notwendig die pflegerischen Maßnahmen anzukündigen, die durchgeführt werden (vgl. Kübler-Ross, 1975, S. 45) -9- 4. TERMINALPHASE - WUNDEN DIE AUFTRETEN KÖNNEN In der Terminalphase treten zwei Wundbilder am häufigsten auf: Exulzerierende Tumorwunden Dekubitus Bevor jedoch auf diese beiden Wundbilder im speziellen eingegangen wird, möchten wir Hintergründe und Ursachen für die typischerweise generell schlechtere Wundheilung bei Patienten im Rahmen der Palliativpflege etwas beleuchten. 4.1. MANGELNDE WUNDHEILUNG [SONJA HÖLLER] In der Palliativmedizin steht meist der Tumor im Vordergrund. Es gibt aber auch Wunden die bei Palliativpatienten in einem längeren Zeitraum nur verzögert oder überhaupt nicht mehr heilen. Diese haben meist Ursachen die durch den Tumor selbst beeinflusst werden, durch die Begleiterkrankungen oder die Therapie. Es gibt verschiedene Faktoren die eine mangelnde Wundheilung begünstigen. Häufige Gründe dafür sind: 1. Malnutrition Eine Mangelernährung entsteht meist durch die Krankheit (wie z.B. Tumor oder Veränderung im Alter) selbst. Die Gabe von Medikamenten kann den Appetit beeinflussen und auch Übelkeit und Erbrechen erzeugen. Dadurch können die wichtigen Nährstoffe, die der Körper benötigt nicht mehr adäquat aufgenommen und verarbeitet werden. Durch einen Mangel an Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen kommt es zu einem schlechten Ernährungszustand. Das beschädigte Gewebe kann nicht mit ausreichenden Nährstoffen versorgt werden. Eine mangelnde Wundheilung entsteht. Ein Mangel an Vitaminen führt zu einer Störung der Kollagensynthese. Calcium ist für den Ablauf der Blutgerinnung unerlässlich. Um einer Mangelernährung vorzubeugen können wir verschiedene Nährstoffe und Kohlenhydrate dem Körper hinzufügen. Dabei sind die verschiedenen Trink- und Zusatznahrungen von Vorteil. Die zusätzliche Gabe von Eiweiß kann die Wundheilung beeinflussen (vgl. www.medizinfo.de/palliativmedizin/haut/wunden.shtml). - 10 - 2. Gewebehypoxie Bei der Gewebehypoxie wird das Gewebe schlecht mit Sauerstoff versorgt und die Wundheilung schreitet nur verlangsamt voran. Zu diesen Erkrankungen zählen: Anämie: Dabei ist der Hämoglobingehalt vermindert und die Transportkapazität des Sauerstoffgehaltes herabgesetzt (vgl. Pschyrembel, 1990, S. 756). Periphere Durchblutungsstörung (PAVK): Die Arteriosklerose wird umgangssprachlich auch als Arterienverkalkung bezeichnet. Dabei entsteht eine Einengung der Arterien durch herdförmige Ablagerungen von Fett-Eiweißkörper, sogenannten Lipoproteiden, Bindegewebsfasern und Cholesterin. Dadurch ist die Durchblutung verringert und das umstehende Gewebe kann nicht mehr ausreichend versorgt werden. An diesen Stellen lagern sich auch gerne Blutgerinnsel ab. Diese Verursachen langsame oder akute komplette Gefäßverschlüsse (vgl. Geisler, 1978). Diabetes Mellitus: Ist eine Stoffwechselstörung, die als Frühsyndrom die Wundheilungsstörung aufweist. Eine Spätfolge des Diabetes ist die Mikro Angiopathie. Dabei kommt es zur Veränderung kleinerer Blutgefäße und eine Durchblutungsstörung ist gegeben. Es erfolgt z. B. ein diabetisches Gangrän. Ebenfalls können größere Gefäße (Makro Angiopathie) betroffen sein und es entsteht eine Arteriosklerose. Diabetiker leiden oft auch an einer Funktionsbeeinträchtigung verschiedener Nerven, der sogenannten Neuropathie. Die Betroffenen merken kleinere Verletzungen oder erhöhten Druck an den Füßen nicht mehr (vgl. www.medizinfo.de/palliativmedizin /haut/wunden.shtml). Venöse Insuffizienz: Ist eine Erkrankung der Beinvenen. Dabei kommt es zur Erweiterung der Gefäße und das Blut kann nicht mehr ausreichend abtransportiert werden. Dadurch entsteht ein Druck in den Beinvenen. Diese werden durch mehrere Faktoren beeinflusst. Durch Thrombosen, mangelnder Gegendruck der Unterschenkelmuskulatur (Muskelpumpe) oder das Fehlen der Venenklappe. Auf Grund dieser Blutstauung kommt es häufig auch zur Störung des Gewebestoffwechsels sowie zur Wassereinlagerung an den Füßen sowie an den Unterschenkeln. Ein Austausch mit frischem sauerstoffreichen beeinträchtigt. - 11 - Blut aus der Arterie ist dadurch Die chronische-venöse Insuffizienz wird in drei Graden eingeteilt: Grad 1: Sich zurückbildende Ödeme im Knöchelbereich am Abend. Dunkelblaue Hautveränderung an den Seiten der Füße (Corona phlebectatica). Grad 2: Bleibende Ödeme in Füßen und Unterschenkel. Es bildet sich ein Stauungsekzem: dies entsteht durch den erhöhten Venendruck, es kommt zu Kapillarblutung. Oder es kommt zur Verfärbung der Haut: Dermite ocre (Farbeinlagerung braun-schwarz aus dem abgebauten Hämosiderin der Erythrocyten); Dermosklerose, Atrophie blanche (Marmorhaut – weißliche Hautbezirke zeigen, dass die Blutgefäße zugrunde gegangen sind). Grad 3: Abgeheiltes Ulcus cruris und bestehendes Ulcus cruris (vgl. Kammerlander, 2004, S. 34). Über diesen gleichen Mechanismus wirkt auch der Konsum von Nikotin. Dieser wirkt sich ebenfalls negativ auf die Wundheilung aus. 3. Immundefizienz Durch die Schwächung des Immunsystems wird die Wundheilung beeinflusst. Zu diesen Krankheiten gehören: chronische Infektionskrankheiten (vgl. http://flexikon.doccheck.com/de/index. php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheilung) Tumore 4. Alter Im zunehmenden Alter ist die Wundheilung eingeschränkt, auf Grund des physiologischen Alterungsprozesses der Haut. Die Hautzellen können sich nicht mehr so schnell regenerieren. Bei älteren Menschen wirken oft verschiedene Faktoren zusammen. Meist bestehen zusätzliche verschiedene Grunderkrankungen wie z. B Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen. Diese werden häufig auch durch eine Mangel- bzw. Fehlernährung negativ beeinflusst, da der Appetit und das Durstgefühl abnehmen. Oft bestehen auch Kau- bzw. Schluckbeschwerden. Es bestehen meist auch Schmerzen auf Grund des physiologischen Abbaus der Knochen und Muskulatur, die einhergehen Beeinträchtigung mit spielt mangelnder Bewegung. dabei große eine Rolle. Die geistige Durch die und psychische Schwächung des Immunsystems wird die Wundheilung nochmals eingeschränkt. 5. Medikamente Viele Medikamente haben einen negativen Einfluss auf die Wundheilung. Unter dem Einfluss von Zytostatika, Antikoagulantia, Immunsuppresiva, Diuretika und Sedativa kann die Wundheilung gestört sein (vgl. http://flexikon.doccheck.com/de/index. php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheilung). - 12 - 6. Lokale Störfaktoren Eine mangelnde Wundheilung kann auch durch lokale Störfaktoren beeinflusst werden. Auf diese lokalen Störfaktoren kann man leicht einwirken. Meist können diese aber auch behoben werden. Zu den direkt von der Wunde ausgehenden Störfaktoren gehören: Keimbesiedelung der Wunde, Wundinfektion Unzureichende Ruhigstellung der verletzten Region Traumatische Verbandswechsel Austrocknung oder Auskühlung der Wunde Nekrosen, Wundtaschen, Hämatome, Ödeme Fremdkörper in der Wunde Vorgeschädigtes Gewebe z. B. nach Bestrahlung, Tumoren (vgl. Menche, 2011, S. 625). 4.2. WUNDVERGRÖßERUNG [SONJA HÖLLER] Bei Palliativpatienten besteht zusätzlich häufig die Gefahr, dass sich eine bestehende Wunde aus verschiedenen Gründen vergrößert, beispielsweise aufgrund von: Störungen des Lymphflusses oder der Blutgerinnung Vorangegangene Bestrahlungen im Wundbereich Gefühlsstörungen in der Wundregion, sodass weitere kleinere Verletzungen oder Verschlechterung der Wundsituation häufig nicht bemerkt werden. Chemotherapien Behandlungen mit sogenannten Immunsuppressiva, welche die Aktivitäten des Immunsystems hemmen Aus diesem Grund sollten die einzelnen Mitglieder des palliativmedizinischen Teams sowie pflegende Angehörige sehr genau auf die Entstehung auch kleinerer Wunden achten, um diese frühzeitig wirkungsvoll behandeln zu können. Ein weiterer Punkt sind die psychosozialen Umstände und die psychischen Erkrankungen. Dazu gehören vor allem eine mangelnde Compliance des Betroffenen, die Demenzerkrankung und die Angst vor dem Schmerz. Weitere ungünstige Situationen wie beispielsweise längerfristige Bettlägerigkeit oder kleinere Verletzungen können das Risiko chronischer Wunden steigern. Eine psychologische Betreuung des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen ist ein zentraler Aspekt der palliativmedizinischen Wundbehandlung. Um von der Wunde ausgehende Gerüche, wundbedingte Schmerzen, sowie die körperlichen - 13 - Veränderungen besser bewältigen zu können, bedarf es ein umfangreiches Angebot der Unterstützung. Hier ist von den Mitgliedern des palliativen Teams nicht nur eine möglichst optimale medizinische Wundversorgung einfühlsame und gefordert, verständnisvolle sondern Betreuung in des hohem Patienten Maße wie auch auch eine seiner Angehörigen. Dabei sollten die wundbedingten Belastungen weder ignoriert noch bagatellisiert werden. Bei ausgeprägten Schwierigkeiten, mit den wundbedingten Belastungen umzugehen, ist unter Umständen die Hinzuziehung eines speziell geschulten Psychologen hilfreich. Dieser kann den Patienten und seine Angehörigen dabei unterstützen, mit den wundbedingten und allgemein den krankheitsbedingten Belastungen besser umzugehen und diese zu bewältigen (vgl. http://www.medizinfo.de/palliativmedizin/haut/wunden.shtml). Fallbeispiel: Psychosoziale Begleitung eines Angehörigen Die Sterbenden und ihre Angehörigen geraten durch eine unheilbare lebensbedrohliche Erkrankung in eine Lebenskrise. Sterben und Tod kann man jedoch nicht als normale Lebenskrise betrachten, sondern es ist die schwerste Zeit im Leben eines Menschen. Herr J. wohnt gemeinsam mit seiner Frau im Pflegeheim. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt kam Frau J. wieder retour um ihre letzten Lebenstage neben ihrem Ehemann verbringen zu können. Es wurden vier intensive Monate. Mit den Gefühlen wie Angst, Wut, Aggression und Sprachlosigkeit kämpfte Herr J. sehr oft. Er konnte ihr nur bedingt zur Seite stehen, da er selbst körperlich eingeschränkt ist. Die gesamte Familie befand sich in einer Art Ausnahmezustand, mit dem oftmals keiner so richtig umzugehen wusste. Eine große Herausforderung waren die Pflegeinterventionen, begleitet von Schmerz und negativen Gedanken. Hier war es für die Pflegepersonen von großer Bedeutung mit den Angehörigen professionell und gleichzeitig einfühlsam zu kommunizieren. Frau J. hatte aufgrund einer Verschlusserkrankung in den Beinen mehrere kleine und ein großes Ulcera. Eine besondere Herausforderung war der Geruch der Wunde und die vermehrte Wundsekretion, die einen häufigen Verbandswechsel zur Folge hatte, der mit Schmerzen bei der Umbewegung einherging. Für Herrn J. war es sehr belastend, zusehen zu müssen und ihr nicht helfen zu können. Auch hier war einfühlsame Aufklärung, dass nicht die abheilende Wunde im Vordergrund steht, sondern dass das Interesse an einem würdigen und schmerzfreien Leben von Bedeutung war. Es galt die bestmögliche Entlastung für sie zu schaffen und nicht nur die „richtige Lagerung“ in den Vordergrund zu stellen. - 14 - Mit dem Einsatz von Duft-Ölen, wie Lavendelöl und gute Lüftung des Raumes, konnten die Symptome wie Unruhe, Angst und Schmerz gelindert und das Wohlbefinden von Frau J. gesteigert werden. Neben der Begleitung durch die Pflegepersonen, hatten wir auch die Möglichkeit, den Psychosozialen Dienst anzufordern, den Herr J. auch regelmäßig angenommen hat. Auf die Nutzung eines Interdisziplinären Teams zurückgreifen zu können war eine wichtige Ressource für den Angehörigen. Mitarbeiter und Arzt des Mobilen Palliativteams standen allen mit Rat und Tat zur Seite. Es war auch sehr ergreifend zu sehen, wie die Gespräche innerhalb der Familie sich geändert hatten. Es entstand eine liebevolle, würdevolle Begleitung. Eine Überlastung der Angehörigen konnte vermieden werden und Frau J. konnte im Kreise der Familie ruhig und friedlich versterben. Ein gelungenes Zusammenspiel im Sinne der Bewohnerin und der Angehörigen. 4.3. EXULZERIERENDE TUMORWUNDEN [MARGRET RECHBERGER] Exulzerierende Tumorwunden stellen nicht nur eine enorme Belastung für die Patienten, sondern auch für deren Angehörige dar. Aufbrechende Tumore sind meist auch eine Herausforderung für die professionellen Betreuer. Zum einen erfordert dies umfassendes Wissen und Expertise im Wundmanagement, zum anderen konfrontiert es die Pflegenden mit der Aufgabe, die eigenen Berührungsängste und den aufkommenden Abscheu zu überwinden und mit palliativen Maßnahmen und Einfühlungsvermögen das Leiden der Patienten zu lindern. Das Ziel der palliativen Behandlung bei exulzerierenden, nässenden Wunden sind die Linderung von Schmerzen, Vermeidung von Sekundärinfektionen und Blutungen, die Eindämmung des Geruchs und die Gestaltung eines kosmetisch akzeptablen und bewegungsfreundlichen Verbandes für die Patienten. Exulzerierende Tumorwunden sind meist nicht mehr zu heilen. Die Exulzeration stellt den Betroffenen und ihren Angehörigen oft unerbittlich die unaufhaltsame Progredienz der Tumorkrankheit vor Augen. Neben der palliativen Wundbehandlung stellt die psychosoziale Begleitung der Patienten und ihrer Angehörigen eine wesentliche Betreuenden dar (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 133f). - 15 - Herausforderung für die Die Betroffenen „sehen sich selbst im Spiegel, sie können sich selbst riechen, sie tupfen sich selbst den Speichel oder Tumorexsudat weg, sie legen häufig selbst ihre Verbände an und nehmen meist ihr äußeres Erscheinungsbild sehr genau wahr. Sie leiden darunter, schämen und ekeln sich, sind wütend, hadern mit ihrem Schicksal und trauern um ihr verlorenes Körperbild. Dieser enorme Druck macht Patienten sehr verletzlich und gleichzeitig wachsam für die Reaktion ihrer Mitmenschen.“ (Kern, 2002, S 143f). Die Konfrontationen mit einer ulzerierenden Tumorwunde löst häufig Ängste sowie Hilf- und Ratlosigkeit bei den Angehörigen aus. Die Patienten isolieren sich oft selbst aus Angst, andere mit ihrem Aussehen und dem Geruch zu belästigen, oder werden von anderen Personen zunehmend gemieden. In einer Zeit besonderer Verletzbarkeit, in der die Patienten besonderer Zuwendung und Zuneigung bedürfen, sind sie isoliert oder ziehen sich aus Scham zurück. Diese Einsamkeit führt oft zu Verzweiflung und Sterbewünschen. Exulzerierende Tumorwunden können auf verschiedene Weise entstehen: als Folge eines primären Hauttumors, durch direkte Tumorinfiltration der Haut aufgrund eines darunter liegenden Tumors oder durch metastatische Aussaat eines entfernten Primärtumors (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 133f). Die eigene Haltung in der Pflege In dem Bewusstsein, dass es nicht um die Heilung der exulzerierenden Wunde gehen kann, benötigen Pflegende neben ihrem Fachwissen auch eine hohe Kompensationsfähigkeit im Umgang z.B. mit der Wundentwicklung, den Gerüchen, dem Ekel und den körperlichen Entstellungen. Es gilt, die eigenen Berührungsängste und die eigene Abscheu zu überwinden und mit palliativen Maßnahmen, mit Kreativität und Einfühlungsvermögen die oft multidimensionalen Leiden der Patienten zu lindern. Es gilt auch, die Verzweiflung, Wut und Scham der Patienten wahrzunehmen und mit ihnen auszuhalten. In der Pflege von Patienten mit exulzerierenden Tumorwunden ist es wesentlich, sich immer der ganzen Person bewusst zu sein und ihr respektvoll zu begegnen. Betroffene Patienten nehmen jede noch so kleine unachtsame Bemerkung oder nonverbales Verhalten wahr, das sie in ihrer Menschenwürde zutiefst verletzen kann (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 134f). - 16 - Ich möchte mit einem Fallbeispiel von meinem ersten Kontakt mit einem Patienten mit einer exulzerierenden Tumorwunde erzählen. In meiner Zeit als Krankenpflegeschülerin machte ich ein Praktikum in einem anderen Bundesland auf einer gynäkologischen Station. Ich war im letzten Ausbildungsjahr und durfte schon kräftig mitarbeiten. Gleich am zweiten Tag sollte ich zur Morgenpflege einer älteren Dame, die in einem Einbettzimmer lag, mitkommen. Bei der Dienstübergabe hieß es nur Brustkrebs mit Lymphknotenbefall rechte Axilla, das war alles. So hatte ich meine eigenen Vorstellungen von dieser Dame in dem Einbettzimmer. Als ich das Zimmer betrat, stieg mir sofort ein eigenartiger Geruch in die Nase, den ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuordnen konnte. Die ältere Dame lächelte mich an und freute sich sichtlich wieder ein neues Gesicht zu sehen. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits bettlägerig und die Körperpflege musste zur Gänze übernommen werden. Sie war ruhig und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie Schmerzen hatte. Ich hob ihre Bettdecke hoch und sah einen großen Verband, der sich über den gesamten Oberkörper, den rechten Arm und die rechte Schulter erstreckte. Er war teilweise durchnässt und der üble Geruch intensivierte sich noch. Ich begann etwas verunsichert mit der Körperpflege, während meine Kollegin alles für den Verbandswechsel vorbereitete. Wir nahmen vorsichtig den Verband ab und ein riesiger exulzerierender Tumor kam zum Vorschein. Die ältere Dame blieb ganz ruhig, was mich faszinierte und ich versuchte ihr zu zeigen, dass mir dieser Anblick gar nichts ausmachen würde. Behutsam reinigte meine Kollegin die große Wundfläche und legte wieder einen frischen Verband mit vielen saugstarken Tupfern und Kissen an. Danach öffneten wir das Fenster und ließen frische Luft in das Zimmer. Von diesem Zeitpunkt an war ich die Bezugsperson der älteren Dame. Sie bekam sehr wenig Besuch, da sie den schlimmen Geruch ihren Angehörigen und schon gar nicht ihren Enkelkindern zumuten wollte. Anfangs war es auch für mich eine Überwindung das Zimmer zu betreten, aber ich konnte die Freude in den Augen dieser Patientin sehen, wenn ich zu ihr kam und ein bisschen mit ihr plauderte. So war es bald kein Problem mehr für mich. Sie erzählte mir viel über ihr Leben bevor sie krank wurde und über ihre Familie. In den ganzen 6 Wochen meines Praktikums verbrachte ich viel Zeit mit dieser Patientin. Ihre Isolation und Einsamkeit machten mich sehr traurig. Damals wusste ich noch viel zu wenig über „Angehörigenarbeit“ und Aufklärung, aber ich wusste, dass ich am richtigen Weg war und noch viel zu lernen hatte. Wenn ich jetzt einen Menschen mit Tumorwunden auf der Palliativstation betreue, ist die Aufklärung der Angehörigen und das offene Gespräch mit den Betroffenen ein fixer Bestandteil meiner Arbeit, der mich sehr zufrieden macht und der von allen Beteiligten als wertvoll empfunden wird. - 17 - 4.4. DEKUBITUS [MARGRET RECHBERGER] Unter Dekubitus versteht man „Wundliegen“ bzw. eine extrem langsam heilende, kompressiv-ischämische Hautläsion. Sie entsteht durch unphysiologische Druckeinwirkung auf das Gewebe. Kleinste Gefäße wie Arteriolen und Venolen werden dabei komprimiert und die Mikrozirkulation (Ischämie) wird unterbrochen. Dieser Prozess ist der primäre Entstehungsgrund für Druckstellen. Druckulzera entstehen jedoch nur bei genügend langer und kontinuierlicher Druckeinwirkung auf jene Hautstellen, die nur durch ein dünnes Unterhautgewebe gepolstert sind (vgl. Juchli, 1987, S. 127). Daraus erklärt sich auch das erhöhte Dekubitusrisiko bettlägeriger Patienten. Das Gewicht des Patienten lagert immer auf den gleichen Stellen, hierdurch verringert sich die Durchblutung in den entsprechenden Bereichen. Beim sterbenden Menschen kommt es zusätzlich zu einer Verminderung des Herz-Zeit-Volumens, also der globalen Durchblutung des gesamten Organismus. Die Durchblutungsstörung führt zum schichtweisen Absterben des Gewebes. Häufige Folgen sind starke Schmerzen und Infektionen (vgl. Bach et al., 2011, S. 78). - 18 - Die nachfolgende Graphik veranschaulicht den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Ursachen und Entstehung des Dekubitus: Abbildung 2: Ursachen und Entstehung des Dekubitus (Juchli, 1987) Nach Seiler lassen sich folgende Dekubitusstadien unterscheiden (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 139f): Grad 1: Zu beobachten ist eine begrenzte Rötung; ein Hautdefekt ist noch nicht zu erkennen; die Epidermis ist betroffen. Dieses Stadium kann bereits Anzeichen für eine tiefer gehende Schädigung bei einem „geschlossenen Dekubitus“ sein. Grad 2: Zu beobachten ist eine Blasenbildung; Epidermis und Dermis sind geschädigt; lösen sich diese Schichten von der noch intakten Subkutis, entsteht ein stark nässender, sehr schmerzhafter, infektanfälliger Hautdefekt. - 19 - Grad 3: Zu beobachten ist, dass Epidermis, Dermis und Subkutis beschädigt sind; Muskeln, Sehnen und Bänder können in der Wunde sichtbar sein; die Wunde gilt zumindest als kontaminiert; ein Belag kann die Wunde überziehen. Grad 4: Zu beobachten ist, dass alle Hautschichten beschädigt sind; die darunter liegende Muskulatur ist entzündlich geschwollen; Bänder, Sehnen, Faszien und / oder Knochen sind betroffen; es können Nekrosen (dunkelblau, schwarz) und Wundtaschen vorhanden sein. Trotz sorgfältiger Dekubitusprophylaxe ist ein Dekubitus in der Palliativpflege oft nicht vermeidbar. Palliativpatienten haben meist einen schlechten Ernährungs- und oft auch einen schlechten Allgemeinzustand. Hinzu kommt häufig vermehrt Fieber und Schwitzen sowie eine reduzierte Wundheilung. Je nach Allgemeinzustand der Patienten und je nach Krankheitsphase müssen ein individueller „Lagerungsplan“ und eine individuelle Dekubitusprophylaxe erstellt werden. Es muss das Ziel der Behandlung des Dekubitus definiert werden. Mögliche Ziele sind: Prophylaxe Heilung (noch möglich) Keimreduktion Geruchsreduktion Verschlechterung verhindern Ausgehend von der Vorgabe, dass sich alle medizinischen und pflegerischen Maßnahmen am Wohlbefinden der Patienten orientieren, gilt es, eine individuell angepasste Strategie zur Prophylaxe und zur Behandlung eines Dekubitus zu erstellen. Bei weit fortgeschrittener Erkrankung kann ein häufiger Lagewechsel eine beträchtliche Belastung für die Patienten darstellen. Hier können entsprechende Spezialmatratzen, Mikro-Lagerungen und diverse Lagerungshilfsmittel Entlastung bringen, ohne die Patienten zusätzlich zu belasten (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 139f). - 20 - 5. MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN DER WUNDEN AUF DIE LEBENSBEREICHE DER BETROFFENEN, ANGEHÖRIGEN BZW. BEZUGSPERSONEN Wichtig bei der Versorgung von schwerstkranken Menschen ist das Wahrnehmen der ganzen Person. Die Wundversorgung ist nur ein Teil und soll dazu beitragen, dass das Leben so gut wie möglich gestaltet werden kann. Gemeinsam mit den Angehörigen und allen Mitarbeitern des multidisziplinären Teams soll ein Weg gefunden werden, dass sich die Patienten auch mit ihren Einschränkungen und Beschwerden wohl fühlen können. Soziale Isolation und Rückzug sind ansonsten häufig die Folge. Abbildung 3: Mögliche Auswirkungen der Wunde auf die Betroffenen (Schumacher, 2013) - 21 - 5.1. SCHMERZ [EVA FEIERTAG] „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes und Gefühlserlebnis, das als Folge einer Gewebsirritation oder Gewebsschädigung auftritt“ (WHO). Schmerz ist immer ein subjektives Empfinden. Nicht nur die Wunde selbst sondern ebenso die umgebende Haut wird meist sehr schmerzsensibel. Schon die geringste Berührung und selbst die Luft, die an die Wunde kommt, können heftigen Schmerz auslösen. Vorherige negative Schmerzerfahrungen des Betroffenen im Zusammenhang mit der Wundversorgung können zu erhöhten Schmerzerwartungen führen (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 151ff). Ein Verbandswechsel bedeutet für den Betroffenen eine Stress-Situation, die häufig mit Schmerzen verbunden ist. Einige Strategien beugen Schmerzen im Rahmen der Behandlung vor, oder können diese mindern (Protz, 2011, S. 634f): Aufklärung des Pat. über die anstehende Behandlung. Schmerzmedikation rechtzeitig vor Beginn des VW geben, damit die Wirkzeit gegeben ist. Vorgehensweisen absprechen Ablenkung schaffen (z.B.: Gespräch) Fenster und Türen schließen, Zugluft vermeiden Stressfreie Umgebung schaffen, Geräuschquellen minimieren Bequeme Lagerung (soweit möglich), Anspannung vermeiden Wundspüllösung vor Gebrauch anwärmen schonende Wundreinigung (Kompressen vorsichtig andrücken, nicht wischen) Unnötige Reize, wie Berührung von Wunde/-rand und Druck vermeiden. Schonendes Débridement, z.B. durch Einsatz von Lokalanästhetika Schonendes Ablösen der Wundauflagen Wunde nicht unnötig lange offen liegen lassen, um Austrocknung und Abkühlung zu vermeiden Wundauflagen ohne Klebeflächen bevorzugen Einsatz speziell beschichteter Wundauflagen Kein Einschnüren durch zu festes Anwickeln von fixierenden Mullbinden provozieren, Verband spannungsfrei anbringen - 22 - 5.2. BLUTUNG [EVA FEIERTAG] Exulzerierte Tumorwunden sind extrem blutungsanfällig. Dabei können Blutungen durch das Einwachsen des Tumors in Blutgefäße ausgelöst werden, entstehen aber häufiger durch Manipulation an der Wunde. Die zur Blutstillung zu ergreifenden Maßnahmen richten sich nach dem Ausmaß und der Stärke der Blutung. Immer ist jedoch zu berücksichtigen, dass Blutungen für den Betroffenen und seine Angehörigen ein bedrohlich wirkendes Ereignis darstellen, das umso größere Ängste auslöst, je stärker die Blutung ist. Mögliche Versorgungsstrategien (vgl. Kiss, 2012, S 13f): VW sind nur so oft wie nötig durchzuführen Ein mit der Wunde verklebter Verband führt beim Abnehmen unweigerlich zu Blutungen, deshalb sind als direkte Wundauflage atraumatische, d.h. nicht verklebende Verbandsstoffe wie beispielsweise Salbenkompressen, einzusetzen. Ablösen des Verbandes durch Auflegen von Salbeitee getränkten Kompressen (Gerbstoffe können leichte Blutungen stillen) Wenn möglich lokaler Druckverband oder Kompression der blutenden Wunde Kühlung der entsprechenden Region Einsatz blutstillender Präparate / Wundauflagen nach ärztlicher Anordnung Begleitung und Symptom orientierte Behandlung bei unstillbarer Blutung Behandlungsziel festlegen und Maßnahmen vorbereiten Notfallmedikation deponieren Verwendung von aufsaugendem Material, TIPP: Dunkle / farbige Tücher / Bettwäsche nutzen um eine Panikreaktion angesichts großer Blutflecken zu vermeiden. Beratung zur Patientenverfügung (Berücksichtigung der Wünsche des Patienten für diese Situation) Patienten nicht alleine lassen - 23 - 5.3. EXSUDAT [EVA FEIERTAG] Generell ist Exsudat ein physiologischer Faktor, der ganz natürlich im Verlauf der Wundheilung auftritt. Es gewährleistet das der Abheilung förderliches feuchtwarmes Wundmilieu und spült Fremd- und Abfallstoffe aus. Seine meist nützliche Rolle kann sich jedoch in Folge bestimmter Voraussetzungen in das Gegenteil verkehren. Exsudat kann nicht nur ursächlich für den Wundgeruch sein, es stellt auch eine Belastung dar, indem es beispielsweise die Kleiderauswahl beeinträchtigt. In der Folge belastet die Exsudation die selbstbestimmte Lebens- und Freizeitgestaltung und löst psychische Belastungen aus. Mit einem guten Exsudatmanagement können diese Belastungen gemindert werden (Protz, 2011, S. 634f): Einsatz von Wundauflagen mit hohem Saugvermögen: Vlieskompressen mit Superabsorber, Polyurethanschaumverbände mit Superabsorber, Hydrokapillarverband Gegebenenfalls unterstützender Einsatz von wirkstofffreien Wunddistanzgittern um ein verkleben der Wundauflage mit dem Wundgrund zu vermeiden Verbandintervalle anpassen: so häufig wie nötig – so selten wie möglich Verwendung eines adäquaten Wundrandschutzes und angepasster Hautpflege 5.4. GERUCH [EVA FEIERTAG] Eine der größten Belastungen für die Patienten mit exulzerierenden Wunden stellt der Wundgeruch dar. Er entsteht durch den Zellzerfall in der Wunde und/oder durch eine Besiedelung der Wunde mit anaeroben Keimen. Durch unbehandelten Wundgeruch werden Intimität, Nähe und Sexualität unmöglich. Es ist daher im Sinne der Lebensqualität für die Patienten unerlässlich, belastenden Wundgeruch rasch zu reduzieren. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 138): Spülung mit Metronidazol-Infusionslösung lokal, Lavasept® oder Prontosan® und Auflegen von in Metronidazol getränkten Kompressen Metronidazol-Gel kann mithilfe von Spritzen in tiefere Wundhöhlen eingebracht werden bei sehr starker Geruchsbildung oder unzugänglichen Wundhöhlen kann eine systemische Gabe von Metronidazol hilfreich sein - 24 - Kompressen mit Chlorophyll–Lösung 2,5% an der von der Wunde abgewandten Seite befeuchten, da es evtl. zu Wundreizungen kommen kann. Chlorophyll wirkt stark desodorierend und desinfizierend geruchsbindende Wundauflagen, z.B. Aktivkohlekompressen mit/ohne Silber lokale Behandlung mit medizinischen Honig Calciumalginat-Watte für Wundhöhlen Lavendelöl: 1-2 Tropfen auf den Verband Duftkissen mit Zitronen- oder Minzöl Gegen den Geruch im Raum kann gemörserte Tierkohle, leicht angefeuchtet in einem kleinen Teller aufgestellt werden. Mit Kaffeepulver wird ebenfalls eine gute Geruchsreduktion erreicht 5.5. PSYCHISCHE BELASTUNGEN [BARBARA GUSTERHUBER] Eine durchbrechende Wunde ist für den Betroffenen ein Zeichen, das man nicht mehr ignorieren kann. Die Unheilbarkeit der Erkrankung wird sichtbar. Der Betroffene spürt diese nicht mehr nur innerlich, er kann das Fortschreiten sehen und die beinahe tägliche Veränderung und Entstellung beobachten. Sie hat ein letztes, schweres Stadium erreicht. Die Reaktionen darauf können sowohl von Patienten als auch von den Angehörigen sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von der Ablehnung, vom verzweifelnden (noch immer) Nicht-Wahrhaben-Wollen bis hin zur übermäßigen Beachtung der Wunde als Ersatzhandlung. Hinzu kommt, dass exulzerierende Wunden meist mit starken Schmerzen, ausgeprägter Geruchsbelästigung und oftmals hohen Exsudatmengen und Blutungen einhergehen. Der Patient leidet zusätzlich unter den psychischen Belastungen, wie Veränderung und Zerstörung seines Körperbildes, empfindet sich selbst gegenüber nicht selten Ekelgefühle, die zum Rückzug und zur Isolation führen. Mit dieser Situation zurechtzukommen, ist auch für die Angehörigen überaus schwer. Überforderung und Konflikte sind sehr oft die Folge. Einerseits spüren sie die existenziellen Ängste des von ihnen geliebten Menschen, und gleichzeitig wissen sie, sie können nicht mehr helfen. Gut nachvollziehbar ist natürlich, dass es auch sie vor dem Anblick der Wunde ekelt und sie sich durch den extremen Geruch belastet fühlen. Hierbei sollte beachtet werden, dass die wundbedingten Belastungen weder bagatellisiert noch überspielt werden. Aussagen wie „ist ja nicht so schlimm“ oder „man riecht ja fast gar nichts“ müssen vermieden werden. Vielmehr ist es angebracht, gemeinsam mit dem Betroffenen einen Weg zu finden, um das bestehende Problem bestmöglich zu minimieren (vgl. Szikba, 2012, S. 6ff). - 25 - Aussagen von Betroffenen „So wie bei meiner Hochzeit werde ich nie wieder aussehen. Ich war ja eine fesche Person! Das wird wohl nicht mehr gut werden, oder?“ „Da kommt schon wieder das Nasse durch. Immer mache ich die Kleidung schmutzig und Blut ist auch dabei. Das macht mir Angst.“ „Ich stink richtig, ich bin grauslich“! „Ich merke, ich verfaule von innen her. Ich glaub ich zerfalle!“ „Den Leuten tue ich leid, das sehe ich in ihren Augen. Es graust ihnen aber auch vor mir. Ich mag nicht mehr unter die Leute!“ „Meine Enkel mögen mich nicht mehr angreifen, weil ich so schlimm rieche. Mich ekelt ja selbst vor mir. Bald werden sie mich nicht mehr besuchen kommen. Ich sehe die Hilflosigkeit in ihren Augen. Das macht auch mich immer ganz traurig.“ „Ich schäme mich, ich kann das alles nicht mehr kontrollieren. Ich mag das nicht mehr aushalten, möchte nicht mehr leben.“ Auf Grund der Recherchen konnte ich erkennen, dass vorrangig der faulig-süßliche Geruch einer exulzerierenden Wunde und der damit verbundene Ekel zu den primären psychischen Belastungen zählen. Die daraus resultierende Angst der sozialen Isolation stellt zusätzlich ein massives Problem dar. Deshalb möchte ich mich abschließend ausführlicher mit diesem Thema beschäftigen. Ekel – (k)ein Tabuthema Als Ekel bezeichnet man die Empfindung einer starken Abneigung in Verbindung mit Widerwillen. Dieser äußert sich mitunter durch körperliche Reaktionen wie Übelkeit und Erbrechen. Massive Geruchsbelästigungen durch exulzerierende Wunden können nicht nur für den Patienten selbst, sondern auch für Angehörige und dem Pflegepersonal zur Belastung und Herausforderung werden. Das Bewusstwerden, dass sich Ekel nicht auflösen lässt und man sich dafür nicht zu schämen braucht ist bereits ein wesentlicher Schritt. Ekel lässt sich nicht unterdrücken. Die Gewöhnung an Ekel auslösende Situationen ist nur begrenzt möglich. Wer glaubt, sich mit der Zeit an diese extremen Situationen gewöhnen zu können und versucht, die negativen Emotionen zu verdrängen, verhindert dadurch eine konstruktive Bearbeitung des Themas. Vielmehr gilt es, dies anzunehmen und gleichzeitig mit empathischen Gesprächen zu unterstützen. Durch offene Gespräche können Schuldund Schamgefühle besser verarbeitet werden. Sie existieren unwiderruflich in jedem von uns (vgl. Daun, 2012, S. 15ff). - 26 - 6. 6.1 SCHLUSSFOLGERUNGEN BARBARA GUSTERHUBER Ich habe in dieser Arbeit das Ziel verfolgt, meinen Wissensstand, den ich zu Beginn der Ausbildung in Palliative Care hatte, soweit auszubauen, dass es mir möglich ist, eine gute Begleiterin und Beraterin für die betroffenen Bewohner im Pflegeheim, als auch für deren Angehörige, zu sein. Meiner Meinung nach unterscheiden sich deren Ängste, Sorgen und Nöte, ob der Patient nun nach dem Spitalsaufenthalt in die häusliche Pflege entlassen wird oder er die weitere Betreuung in einer Langzeiteinrichtung findet. Durch das medizinische Fachwissen meiner diplomierten Kolleginnen und meine Sachkenntnisse, tendenziell den psychologischen Aspekt betreffend, entstand so der Gedanke die Informationsbroschüre „Palliative Wundversorgung – Informationen für Angehörige“ zu erarbeiten. In meinem Pflegealltag im Seniorenheim kann ich während der Zeit meiner Ausbildung im Basislehrgang Palliative Care wesentliche positive Veränderungen wahrnehmen. Ich habe einige engagierte Mitarbeiter für ein hausinternes Palliative Care Team gewinnen können. Wir arbeiten nun eng mit externen Teams (MPT, Hospizteam) zusammen, stehen in ständigem Austausch und verbesserten so maßgeblich die Lebens- und Sterbequalität im Haus. „Gelebtes palliatives Arbeiten“ durfte ich in meinem gesplitteten Fremdpraktikum erfahren. Meinem Wunsch sowohl auf der Palliativstation im LKH Knittelfeld als auch im MPT Judenburg/Knittelfeld/Murau mitzuarbeiten wurde seitens der Caritas Akademie stattgegeben. So war es mir möglich beide Bereiche kennen zu lernen. Bestärkt, mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken, die ich vor Ort sammeln konnte, werde ich diese wertvolle Aufgabe in der Langzeitpflege fortsetzen. - 27 - 6.2 MARGRET RECHBERGER Die Entscheidung für das Thema und damit für diese Projektgruppe, entstand aufgrund meines beruflichen Hintergrunds als DKGP auf der Palliativstation am LKH Knittelfeld. Beim Verfassen unserer Projektarbeit wurde mir wieder bewusst, dass wir Pflegenden wichtige Kontaktpersonen zwischen Patient und Angehörigen bzw. Betreuenden sind. Wir haben eine große Verantwortung zu tragen, denn je besser die Angehörigen bzw. Betroffenen informiert sind, umso besser können sie zu Hause versorgt werden. Die gemeinsame Arbeit in der Projektgruppe zum Thema war für mich sehr spannend. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf einen Nenner zu bringen und dabei gemeinsam am Ziel festzuhalten, hat uns letztendlich in unserer Arbeit bestärkt. Der Ansatz, den Patienten und deren Angehörige in ihrer schwierigen Lebensphase mit Fachkompetenz empathisch beizustehen und zu begleiten, hatte oberste Priorität. Der Basislehrgang Palliative Care war sehr hilfreich, um den fachlichen Hintergrund zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Darüber hinaus war der Erfahrungsaustausch mit den Kurskolleginnen und Kollegen, aus verschiedenen Berufsfeldern zum Kontext, dabei sehr wertvoll. Im Rahmen meines Praktikums im mobilen Palliativteam konnte ich bei Betroffenen vor Ort erleben, was für Patienten bzw. deren Angehörige zu Hause wichtig scheint und worauf es für sie grundsätzlich ankommt. Eine gute Vernetzung aller beteiligten Professionen ist dabei unerlässlich. Das Wohlbefinden des Patienten sollte im Vordergrund stehen und die Angehörigen sind aktiv in den Prozess einzubeziehen, um eine gute Versorgung zu gewährleisten. Professionelle Kompetenz und Erfahrung ändern nichts daran, dass wir in unserer täglichen Arbeit immer wieder mit eigener Hilflosigkeit und Ohnmacht, mit dem Erleben von seelischen Qualen, Schmerzen, Scham und Rückzug, sowie mit unerfüllten Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten konfrontiert werden. Um dabei für sich selbst einen guten Weg zu finden, ist es notwendig, sich im Team gut austauschen zu können, um sich dann auch wieder abzugrenzen. Die von uns erstellte Infobroschüre soll idealerweise für Angehörige und Betreuende Hilfestellung leisten und zusätzlich alle Beteiligten für dieses so wichtige Thema sensibilisieren. - 28 - 6.3 EVA FEIERTAG Ich hatte keine Erfahrung im Schreiben einer Projektarbeit, deshalb war die Arbeit im Team für mich eine Erleichterung. Die Treffen waren nicht nur informativ sondern haben auch Spaß gemacht. Es ist leider meine Art, wenn etwas von mir verlangt wird, leicht hysterisch zu reagieren, aber meine Kollegen konnten mich immer beruhigen. Bei der Erarbeitung des Folders war es teilweise schwierig in der Rolle der Angehörigen zu bleiben, da mussten wir uns oft gegenseitig erinnern. Durch die Beschäftigung mit diesem Thema habe ich Neues gelernt und Fehler der Vergangenheit sind mir bewusst geworden. Ich habe mir vorgenommen mich in Zukunft bei auftretenden Problemen besser zu informieren. Ich möchte noch etwas Persönliches hinzufügen, weil es auch in den Schlussteil meiner Arbeit gefallen ist. Vor einem Monat bin ich plötzlich schwer erkrankt und nach einer Operation wusste man tagelang nicht, ob ich mich noch einmal erholen werde. Während ich beatmet war und geschlafen habe, musste meine Familie mit dem Schlimmsten rechnen und damit fertig werden. Und aus Erzählungen weiß ich, dass es teilweise verdrängt oder erst gar nicht erzählt wurde. Meine Familie hat sich aber gut organisiert in der Versorgung meines 4jährigen Sohnes. Als ich dann wach war, hat mir mein Mann beim Abhusten geholfen und massenhaft Speichel, Sputum und Schleim entfernt. Und ich weiß, dass es ihn immer noch ekelt. Mich ekelt es selber wenn ich daran denke. Zum ersten Mal selbst Patientin, habe ich oft an einige gedacht die ich betreut habe und was einem zugemutet wird. Ständig wird einem weh getan und das fängt schon beim Entfernen eines Pflasters an. Beim täglichen Verbandswechsel wollte ich am liebsten zum Pflegepersonal sagen, es soll verschwinden, aber ich habe es wortlos ertragen. Meine Belastungsgrenze ist schon längst erreicht, Heimweh und die Sehnsucht nach meinem Kind sind fast unerträglich. Nachtrag: Eva Feiertag hat gebeten noch folgendes anzumerken. Sie befindet sich bis dato, 3. Juni 2014, im LKH Leoben und wird danach für 3 Wochen das Rehabilitationszentrum in St. Radegund zur weiteren Genesung besuchen. Wir wünschen Eva für diese Zeit viel Kraft und Stärke. - 29 - 6.4 SONJA HÖLLER Die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen ist eine der kostbarsten und ureigensten Aufgaben. In der vorliegenden Arbeit ist für mich eine neue Situation entstanden, die das Thema des menschenwürdigen Sterbens beinhaltet um die eigene Auseinandersetzung mit den Themen der Wundversorgung reflektieren zu können. Was wünschen sich Menschen während ihrer letzten Phase des Lebenswegs und inwieweit können Pflegende und Mediziner diese Wünsche erfüllen? Die Identität des Einzelnen ist zu respektieren und zu bewahren. Dem verbleibenden Leben so viel Qualität geben wie möglich und die Krankheitssymptome mildern, ebenso den Angehörigen bestmögliche Unterstützung geben. Sie auf dieses Bild vorzubereiten und zu beraten, welche Maßnahmen in einer solchen Situation gesetzt werden müssen und Unterstützungsmöglichkeiten sie in Anspruch nehmen können. „Wer das Ziel kennt, kann entscheiden, wer entscheidet, findet Ruhe, wer Ruhe findet, ist sicher, wer sicher ist, kann überlegen, wer überlegt, kann verbessern“ (Konfuzius) - 30 - welche ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Foto der Projektgruppe ................................................................................................. 2 Abbildung 2: Ursachen und Entstehung des Dekubitus ................................................................... 19 Abbildung 3: Mögliche Auswirkungen der Wunde auf die Betroffenen ............................................ 21 - 31 - LITERATURVERZEICHNIS Bach, D. & Bühring, U. & Casagrande, C. & Wagenlechner, D. (2011). Komplementäre Sterbebegleitung auf physischer Ebene. In: Huber, G. & Casagrande, C. (Hrsg), Komplementäre Sterbebegleitung – Ganzheitliche Konzepte und naturheilkundliche Therapien (S. 77-137). Stuttgart: Karl F. Haug Verlag. Daun, M. (2012). Das Leben oberhalb und unterhalb der Bettdecke. In: Praxis PalliativeCare 17/ 2012, Wundes umsorgen (15-17). Hannover: Vincentz Network. Geisler, L (1978). Innere Medizin 1. Verlag Kohlhammer. Juchli, L. (1987). Krankenpflege. Praxis und Theorie der Gesundheitsförderung und Pflege Kranker (5. Überarbeitete und erweiterte Auflage)- Stuttgart/ New York: Georg Thieme Verlag. Kammerlander, G. (2004). Lokaltherapeutische Standards für chronische Hautwunden: Ulcus cruris - Dekubitus - Kompressionstherapie – Weichlagerung. 3. Auflage. Springerverlag. Kern, M. (2002). Spezifische Herausforderungen für eine palliative Pflege. In: Metz, C. et al. (Hrsg), Balsam für Leib und Seele. Freiburg im Breisgau: Lambertus. Kiss, M. (2012). Wundversorgung in der Palliativsituation. In: Hartmann Wundforum/Heft 4-2012 (8-14). Kränzle, S. (2012). Porträt eines verwundeten Menschen. In: Praxis PalliativeCare 17/ 2012, Wundes umsorgen (4-5). Hannover: Vincentz Network. Menche, N. (2011), Pflege Heute, 5. Auflage. München: Urban & Fischer Verlag. Nagele, S. & Feichtner, A. (2012). Lehrbuch der Palliativpflege (3., überarb. Aufl.). Wien: Facultas. Protz, K. (2011). Wenn Wunden nicht mehr heilbar sind. In: Die Schwester der Pfleger, Ausgabe 7/11, Palliative Wundversorgung (634-635). Pschyrembel, W. (1990). Klinisches Wörterbuch (256. Auflage). Berlin/New York: de Gruyter. Schumacher, E. (2013). Palliative Wundversorgung, Seminarunterlage, Graz 04.06.2013. Szikba, M. (2012). Den ganzen Menschen im Blick behalten. In: Praxis PalliativeCare 17/ 2012, Wundes umsorgen (6-8). Hannover: Vincentz Network. Internetquellen: www.medizininfo-de/palliativmedizin/sterbephase.shtm1 (31.03.2014) www.medizinfo.de/palliativmedizin/haut/wunden.shtml (01.04.2014) http://flexikon.doccheck.com/de/index.php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheil ung (06.03.2014) - 32 - ANHANG Anhang 1: Entwurf der Informationsbroschüre „Palliative Wundversorgung in der Terminalphase – Informationen für Angehörige“ - 33 - - 34 -