Palliative Wundversorgung in der Terminalphase

Transcription

Palliative Wundversorgung in der Terminalphase
Palliative Wundversorgung in der
Terminalphase –
Informationen für Angehörige
Projektarbeit im Interprofessionellen Basislehrgang
Palliative Care
in Graz 2013/2014
Praxisbegleitung: DGKP DI Erich Baumgartner
DGKP Eva Feiertag
FSB/AA Barbara Gusterhuber
DGKP Sonja Höller
DGKP Margret Rechberger
Abgabetermin: 15. Juni 2014
Komm großer schwarzer Vogel
Komm großer schwarzer Vogel
komm jetzt!
Schau das Fenster ist weit offen
schau ich hab' dir Zucker aufs
Fensterbrett g'straht.
Komm großer schwarzer Vogel
komm zu mir!
Spann' deine weiten sanften Flügel aus
und leg' s' auf meine Fieberaugen!
Bitte hol' mich weg von da!
Und dann fliegen wir rauf
mitten in Himmel rein
in a neue Zeit, in a neue Welt
und ich werd' singen, ich werd' lachen
ich werd' "das gibt's net" schrei'n
weil ich werd' auf einmal kapieren
worum sich alles dreht.
Komm großer schwarzer Vogel, hilf mir doch!
Press' deinen feuchten, kalten Schnabel auf meine Wunde
auf meine heiße Stirn!
Komm großer schwarzer Vogel, jetzt wär's grad günstig!
Die anderen da im Zimmer schlafen fest
und wenn wir ganz leise sind
hört uns die Schwester nicht!
Bitte hol mich weg von da!
Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein
in a neue Zeit, in a neue Welt
und ich werd' singen, ich werd' lachen
ich werd' "das gibt's net" schrei'n
weil ich werd' auf einmal kapieren
worum sich alles dreht.
Ja, großer schwarzer Vogel, endlich!
Ich hab' dich gar nicht reinkommen g'hört
wie lautlos du fliegst, mein Gott, wie schön du bist!
Auf geht's, großer schwarzer Vogel, auf geht's!
Baba, ihr meine Lieben daham!
Du mein Mädel und du Mama, baba!
Bitte vergeßt's mich nicht!
Auf geht's, mitten in den Himmel eine
nicht traurig sein, na na na, ist kein Grund zum Traurigsein!
Ich werd' singen, ich werd' lachen
ich werd' "des gibt's net" schrei'n.
Ich werd' endlich kapieren
ich werd' endlich glücklich sein!
(Ludwig Hirsch)
Ehrenwörtliche Erklärung
Wir versichern hiermit,
1.
dass wir die vorliegende Projektarbeit selbstständig verfasst, andere als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und uns auch sonst keiner
unerlaubten Hilfe bedient haben,
2.
dass wir diese Projektarbeit bisher weder im Inland noch im Ausland in
irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt haben, sowie
3.
Graz,
dass die in Papierform vorliegende Variante mit der digitalen Variante ident ist.
_______________
Datum
Unterschriften
Hinweis zur verwendeten Sprachform
Die verwendete weibliche bzw. männliche Sprachform dient der leichteren Lesbarkeit
und meint immer auch das jeweilige andere Geschlecht.
I
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
3.
4.
EINLEITUNG
1
1.1. Zielsetzung der Arbeit
1
1.2. Vorstellung der Projektgruppe
2
1.2.1. Barbara Gusterhuber
3
1.2.2. Margret Rechberger
4
1.2.3. Eva Feiertag
5
1.2.4. Sonja Höller
6
DIE LETZTEN VIER LEBENSPHASEN NACH JONEN-THIELEMANN 7
2.1. Rehabilitationsphase [Barbara Gusterhuber]
7
2.2. Präterminalphase [Barbara Gusterhuber]
7
2.3. Terminalphase [Barbara Gusterhuber]
7
2.4. Finalphase (eigentliche Sterbephase) [Barbara Gusterhuber]
7
TERMINALPHASE
8
3.1. Innerer Rückzug [Barbara Gusterhuber]
9
3.2. Zunehmende Bewusstseinseintrübung [Barbara Gusterhuber]
9
TERMINALPHASE - WUNDEN DIE AUFTRETEN KÖNNEN
10
4.1. Mangelnde Wundheilung [Sonja Höller]
10
4.2. Wundvergrößerung [Sonja Höller]
13
4.3. Exulzerierende Tumorwunden [Margret Rechberger]
15
4.4. Dekubitus [Margret Rechberger]
18
- II -
5.
MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN DER WUNDEN AUF DIE
LEBENSBEREICHE DER BETROFFENEN, ANGEHÖRIGEN BZW.
BEZUGSPERSONEN
6.
21
5.1. Schmerz [Eva Feiertag]
22
5.2. Blutung [Eva Feiertag]
23
5.3. Exsudat [Eva Feiertag]
24
5.4. Geruch [Eva Feiertag]
24
5.5. Psychische Belastungen [Barbara Gusterhuber]
25
SCHLUSSFOLGERUNGEN
27
6.1. Barbara Gusterhuber
27
6.2. Margret Rechberger
28
6.3. Eva Feiertag
29
6.4. Sonja Höller
30
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
31
LITERATURVERZEICHNIS
32
ANHANG
33
- III -
1. EINLEITUNG
In der Palliative Care liegt der Schwerpunkt der Wundversorgung nicht auf der
Abheilung
der
Wunde.
Das
Hauptaugenmerk
der
Betreuung
liegt
bei
der
psychosozialen Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen auf der einen Seite
und die Linderung der Symptome unter Wahrung der Würde und Selbstbestimmung
eines Schwerstkranken auf der anderen Seite.
Palliative Care steht für …
HEILEN - MANCHMAL
LINDERN - OFT
TRÖSTEN - IMMER
1.1.
ZIELSETZUNG DER ARBEIT
Eine der Intentionen unserer Projektarbeit liegt darin, den Angehörigen, welche die
weitere Pflege und Betreuung zu Hause aufnehmen, einen kurzen, prägnanten
Wegweiser in der Form eines Infofolders zur Verfügung zu stellen. In diesem sollen die
wichtigsten Fragestellungen für Angehörige angesprochen werden.
Die Fragen sollten, so war es unser Zugang, unter anderem aus Interviews mit
betroffenen Angehörigen erarbeitet werden.
Im Zuge der intensiven Diskussionen die wir in unserer Projektgruppe zu diesem
Thema geführt haben, hat sich jedoch immer klarer herauskristallisiert, dass die
Fragestellungen, die sich für den pflegenden Angehörigen zu Hause ergeben, immer
ziemlich ident sind.
Gerade weil unsere Projektgruppe so heterogen zusammengesetzt ist und wir in den
unterschiedlichsten Pflegebereichen tätig sind, glauben wir diese Fragestellungen
eigentlich aus unserer Praxis heraus sehr gut einschätzen zu können. Aus diesem
Grund haben wir uns letztlich entschieden, uns bei dem Erstellen des Leitfadens für
Angehörige, auf die von uns als relevant angesehenen Fragen zu konzentrieren und
auf die ursprünglich angedachten Interviews mit Angehörigen zu verzichten.
-1-
1.2.
VORSTELLUNG DER PROJEKTGRUPPE
Abbildung 1: Foto der Projektgruppe
-2-
1.2.1. BARBARA GUSTERHUBER
Name:
Barbara Gusterhuber
Alter:
48 Jahre
Qualifikation:
FSB/AA, seit Juni 2012
Einrichtung:
SPWH-Caritas in Rottenmann
Tätigkeitsbereich: Als FSB (Fachsozialbetreuerin) ist es meine Aufgabe den alten
Menschen sowohl körperlich und seelisch als auch sozial und
geistig zu unterstützen. Ich begleite die Bewohner in der
Daseinsgestaltung und stehe ihnen und ihren Angehörigen in den
unterschiedlichen Lebens- und Sterbephasen zur Seite.
Meine Motivation für das Projekt:
Bereits nach kurzer Zeit wurde mit bewusst, dass sehr häufig nicht der Betroffene
selbst, sonder viel mehr die Angehörigen mit der Ausnahmesituation „Sterben und
Tod“
überfordert
sind.
Speziell
bei
auftretenden
Wunden
mit
all
ihren
Begleiterscheinungen stehen sie diesem Prozess häufig hilflos gegenüber. Daher stellt
sich für mich die Frage: Was kann ich für Angehörige als Pflegeperson tun, um eine
Entlastung und Unterstützung in dieser Situation herbeizuführen? Diese Frage
erscheint mir im Zusammenhang mit dem Thema Sterben und Tod so bedeutend zu
sein, dass ich sie im Rahmen dieser Arbeit zu erläutern versuche.
-3-
1.2.2. MARGRET RECHBERGER
Name:
Margret Rechberger
Alter:
44 Jahre
Qualifikation:
DGKP, seit 1992
Einrichtung:
LKH Knittelfeld, Palliativstation
Tätigkeitsbereich: Nach meiner langjährigen Tätigkeit auf der Intensivstation habe
ich mich entschlossen dieser den Rücken zu kehren um zu neuen
Ufern im Palliativbereich aufzubrechen. Der entscheidendste
Aspekt
dabei
Blickpunkt
war
meiner
das
ganzheitliche
Tätigkeit
zu
Menschenbild
rücken.
Dabei
in
den
spielen
die
Angehörigen des Patienten eine sehr große und wichtige Rolle. Es
bereitet
mir
große
patientenkonzentrierte,
Freude
liebevolle,
den
Patienten
ganzheitliche
durch
Pflege
eine
vertrauensvolle Atmosphäre und Geborgenheit zu vermitteln.
Meine Motivation für das Projekt:
Die Pflege und Betreuung der Menschen auf der Palliativstation macht eine enge
Zusammenarbeit mit deren Angehörigen möglich. Es ist eine wunderbare Aufgabe
auch Zeit und Raum für diese so wichtige Aufgabe zu haben. Bei vielen Problemen,
wie z.B. der Wundversorgung, stoße ich jedoch immer wieder an meine Grenze, und
so ist es mir ein großes Anliegen eine Informationsbroschüre für Angehörige im Bezug
auf die Wundversorgung in der Terminalphase zu erstellen.
Ich habe bei meinen Recherchen für diese Arbeit einen sehr schönen Satz von einer
Palliativpflegefachkraft gefunden, welchen ich ihnen nicht vorenthalten möchte:
„Wenn es mir gelingt, hinter der Wunde des Menschen zu sehen, in
Beziehung mit ihm zu sein, dann wird die Wunde gleichsam
kleiner und weniger schrecklich.“ (Kränzle, 2012)
-4-
1.2.3. EVA FEIERTAG
Name:
Eva Feiertag
Alter:
34 Jahre
Qualifikation:
DGKP, seit 1999
Einrichtung:
Seniorenheim Neuherz-Geier
Tätigkeitsbereich: In
Bayern
integrierter
arbeitete
ich
auf
Palliativstation
einer
(6-8
internen
Betten).
Abteilung
mit
besteht
eine
Es
Diskrepanz: Auf der einen Seite der Station ist jeder Mensch zu
reanimieren, auf der anderen gibt es die individuelle palliative
Versorgung.
Diese Tatsache führte zu einem persönlichen inneren Zwiespalt.
Nach dem Umzug in die Steiermark bin ich nun seit 2,5 Jahren im
Seniorenheim tätig. Mit dieser Stelle kann ich mich besser
identifizieren.
Eine
besonders
schöne
Aufgabe
ist
es
als
„Lebensbegleitung“ für Bewohner zuständig zu sein. Ich nehme
mir Zeit, für eine Runde „Mensch ärgere Dich nicht“ oder
gemeinsames Kuchen backen.
Meine Motivation für das Projekt:
Es gibt offene Wunden, bei denen jeder an seine Grenzen stößt, da diese mit
unangenehmen Begleiterscheinungen verbunden sind. Mit dieser Situation zu Recht zu
kommen ist auch für die Angehörigen ungemein schwer, Überforderung und Konflikte
sind die Folge. Angehörige werden oft als „schwierig“ bezeichnet, und am liebsten
möchte man Ihnen aus dem Wege gehen.
Mein Ziel ist die intensive Beschäftigung mit diesem Thema und ein bewusster Kontakt
zu den Angehörigen.
-5-
1.2.4. SONJA HÖLLER
Name:
Sonja Höller
Alter:
40 Jahre
Qualifikation:
DGKS, seit 1996
Einrichtung:
Volkshilfe Seniorenzentrum Bad Aussee
Tätigkeitsbereich: Meine Aufgabe ist es, unsere Bewohner vom Einzug bis an ihr
Lebensende bestmöglich zu begleiten und zu versorgen. Ein
besonderes Anliegen ist mir die Begleitung von schwerkranken
und sterbenden Menschen und deren Angehörigen im Rahmen
meiner Tätigkeit als DGKS, die Leitung unseres internen Hospizund Palliativteams und die Versorgung von palliativen und
kurativen Wunden.
Meine Motivation für das Projekt:
Wenn Wunden nicht mehr heilbar sind, gehen sie oft einher mit psychischer und
physischer Belastung für den Bewohner und dessen Angehörigen. Mein besonderes
Augenmerk ist die optimale Versorgung der Bewohner um ihre Lebensqualität zu
verbessern. Die Begleitung, Beratung und Information der Angehörigen ist dabei ein
wichtiger Faktor. Diese können mit der Situation entweder überfordert sein oder einen
wichtigen Halt und Stärkung für den Bewohner darstellen.
Nach dem Zitat von Cicely Saunders:
„Es geht nicht primär darum, dem Leben mehr Tage zu geben,
sondern den Tagen mehr Leben.“
-6-
2. DIE LETZTEN VIER LEBENSPHASEN NACH JONENTHIELEMANN
Einleitend möchte ich zuerst an dieser Stelle die letzten Lebensphasen einer Pionierin
der
Palliativmedizin,
Fr.
Dr.
Ingeborg
Jonen-Thielemann
ausführen.
Diese
unterscheidet folgende vier Phasen, welche im Anschluss genauer erörtert werden
(vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 51f):
Rehabilitationsphase – Präterminalphase – Terminalphase - Finalphase
2.1. REHABILITATIONSPHASE
[BARBARA GUSTERHUBER]
Der Patient kann trotz fortgeschrittener Krankheit (evtl. durch Palliativmaßnahmen)
weitgehend wieder in sein normales gesellschaftliches Leben eingegliedert werden. Die
Prognose beträgt in der Regel viele Monate, manchmal Jahre.
2.2.
PRÄTERMINALPHASE
[BARBARA GUSTERHUBER]
Der Patient zeigt deutlich sichtbare Symptome der fortgeschrittenen Erkrankung.
Allgemeine Zeichen des nahenden Lebensendes zeichnen sich ab. Die Möglichkeiten
eines aktiven Lebens sind eingeschränkt. In dieser Situation beträgt die Prognose
mehrere Wochen bis Monate.
2.3.
TERMINALPHASE
[BARBARA GUSTERHUBER]
Der Schwerkranke lebt unmittelbar an der Grenze seines Lebens zum Tod. Er ist die
meiste Zeit oder dauernd bettlägerig. Der innere Rückzug oder Ruhelosigkeit zeichnen
sich ab. Diese Symptome können
rasch
wechseln. Die Aktivität ist deutlich
beeinträchtigt. Die Prognose ist auf wenige Tage bis zu einer Woche begrenzt.
2.4.
FINALPHASE (EIGENTLICHE STERBEPHASE)
[BARBARA
GUSTERHUBER]
Der Mensch liegt im Sterben, ist am äußersten Endpunkt seines Lebens angelangt. Das
Bewusstsein ist nicht mehr auf die Außenwelt gerichtet. Der Eintritt des Todes ist in
einigen Stunden zu erwarten.
-7-
3. TERMINALPHASE
Zu Beginn stellt sich die Frage, wann das Sterben beginnt. Diese hat meiner Meinung
nach fast schon einen philosophischen Charakter. Für Mediziner beginnt das Sterben
mit
dem
unaufhaltsamen
Versagen
elementarer
Körperfunktionen
und
wenn
therapeutische Maßnahmen keinen Erfolg mehr versprechen. Explizite Anhaltspunkte
über den Beginn der Terminalphase fehlen, daher ist der Handlungsspielraum
diesbezüglich sehr groß (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 43f).
Hiermit wird deutlich, wie schwer es ist den zeitlichen Beginn dieser Phase zu
definieren und somit einen Menschen als „sterbend“ zu betrachten. Von verschiedenen
palliativmedizinischen Spezialisten wird die Terminalphase unterschiedlich bewertet
und beschrieben. Eine Interpretation des Palliativmediziners R. Twycross lautet:
„Der Patient ist sehr schwach, zumeist bettlägerig, schläfrig für lange Perioden mit
stark limitierter Konzentrationszeit. Es besteht zunehmendes Desinteresse an Nahrung
und an Flüssigkeit.“ (www.medizininfo-de/palliativmedizin/sterbephase.shtm1).
Ein anderer Autor, P. Kaye, nennt eine etwas andere Definition:
„Das Terminalstadium kann als jene Phase beschrieben werden, in der bei dem
Patienten eine tägliche Verschlechterung eintritt und der klinische Zustand von Tag zu
Tag aufs Neue beurteilt werden muss. Es kommt zum Auftreten von Schwäche,
Schläfrigkeit, Bettlägerigkeit, Appetitlosigkeit, Organversagen und schließlich zur
peripheren Zyanose.“ (www.medizininfo-de/palliativmedizin/sterbephase.shtm1).
Des Weiteren wird die Terminalphase sehr häufig von innerem Rückzug und
zunehmender Bewusstseinseintrübung begleitet. Auf diese beiden Merkmale möchte
ich an dieser Stelle näher eingehen.
-8-
3.1.
INNERER RÜCKZUG
[BARBARA GUSTERHUBER]
Der Sterbende beschäftigt sich zunehmend mit sich selbst. Er zieht sich zurück. Die
Verlagerung seines Interesses erfolgt von außen nach innen. Der Kranke wirkt zwar
passiv und desinteressiert, beschäftigt sich aber aktiv mit sich selbst (vgl. Nagele &
Feichtner, 2012, S. 45f).
Es kommt zu Veränderungen der gewohnten Verhaltensweisen. Zum Beispiel reduziert
sich
die
verbale
Äußerung
und
die
nonverbale
Kommunikation
tritt
in
den
Vordergrund. Der Betroffene wird auf Ansprache oder Fragen nicht antworten, jedoch
die Augen öffnen und dadurch signalisieren, dass er verstanden hat. Wenn er ein
Bedürfnis äußern möchte, möglicherweise nur mehr ein Wort flüstern. Angehörige
können diese Veränderungen oft nur sehr schwer akzeptieren. Sie versuchen den
Kranken zu verschiedensten Handlungen zu motivieren bzw. zu aktivieren. Daher
erscheint es mir sehr wichtig, Angehörige darüber zu informieren, dass sich der
Sterbende im Rückzug nach innen befindet. Er merkt sehr wohl wenn jemand an
seinem Bett Platz nimmt und ihm die Hand hält, er reagiert aber nun auf seine Weise.
3.2.
ZUNEHMENDE BEWUSSTSEINSEINTRÜBUNG
[BARBARA
GUSTERHUBER]
In diesem Stadium gelingt es immer weniger den Sterbenden aufzuwecken. Er
reagiert auf Berührung oder Ansprache kaum oder gar nicht mehr. Jedoch kann es
vorkommen, dass er auch nach Tagen aufwacht und fähig ist zu kommunizieren.
In dieser Phase reagiert er am ehesten auf die Stimmen von Menschen die ihm sehr
nahe stehen. Laut Kübler-Ross benötigen Sterbende mehr Zeit, um Worte ankommen
zu lassen. Wir als Betreuende sollten daher langsam und in einfachen Worten
sprechen. Auch während dieser Zeit ist es notwendig die pflegerischen Maßnahmen
anzukündigen, die durchgeführt werden (vgl. Kübler-Ross, 1975, S. 45)
-9-
4. TERMINALPHASE - WUNDEN DIE AUFTRETEN KÖNNEN
In der Terminalphase treten zwei Wundbilder am häufigsten auf:

Exulzerierende Tumorwunden

Dekubitus
Bevor jedoch auf diese beiden Wundbilder im speziellen eingegangen wird, möchten
wir
Hintergründe
und
Ursachen
für
die
typischerweise
generell
schlechtere
Wundheilung bei Patienten im Rahmen der Palliativpflege etwas beleuchten.
4.1.
MANGELNDE WUNDHEILUNG
[SONJA HÖLLER]
In der Palliativmedizin steht meist der Tumor im Vordergrund. Es gibt aber auch
Wunden die bei Palliativpatienten in einem längeren Zeitraum nur verzögert oder
überhaupt nicht mehr heilen. Diese haben meist Ursachen die durch den Tumor selbst
beeinflusst werden, durch die Begleiterkrankungen oder die Therapie. Es gibt
verschiedene Faktoren die eine mangelnde Wundheilung begünstigen.
Häufige Gründe dafür sind:
1. Malnutrition
Eine Mangelernährung entsteht meist durch die Krankheit (wie z.B. Tumor oder
Veränderung im Alter) selbst. Die Gabe von Medikamenten kann den Appetit
beeinflussen und auch Übelkeit und Erbrechen erzeugen. Dadurch können die
wichtigen Nährstoffe, die der Körper benötigt nicht mehr adäquat aufgenommen und
verarbeitet werden.
Durch einen Mangel an Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen, Mineralstoffen
und Spurenelementen kommt es zu einem schlechten Ernährungszustand. Das
beschädigte Gewebe kann nicht mit ausreichenden Nährstoffen versorgt werden. Eine
mangelnde Wundheilung entsteht.
Ein Mangel an Vitaminen führt zu einer Störung der Kollagensynthese. Calcium ist für
den Ablauf der Blutgerinnung unerlässlich.
Um einer Mangelernährung vorzubeugen können wir verschiedene Nährstoffe und
Kohlenhydrate dem Körper hinzufügen. Dabei sind die verschiedenen Trink- und
Zusatznahrungen von Vorteil. Die zusätzliche Gabe von Eiweiß kann die Wundheilung
beeinflussen (vgl. www.medizinfo.de/palliativmedizin/haut/wunden.shtml).
- 10 -
2. Gewebehypoxie
Bei der Gewebehypoxie wird das Gewebe schlecht mit Sauerstoff versorgt und die
Wundheilung schreitet nur verlangsamt voran. Zu diesen Erkrankungen zählen:
Anämie: Dabei ist der Hämoglobingehalt vermindert und die Transportkapazität des
Sauerstoffgehaltes herabgesetzt (vgl. Pschyrembel, 1990, S. 756).
Periphere Durchblutungsstörung (PAVK): Die Arteriosklerose wird umgangssprachlich
auch als Arterienverkalkung bezeichnet. Dabei entsteht eine Einengung der Arterien
durch herdförmige Ablagerungen von Fett-Eiweißkörper, sogenannten Lipoproteiden,
Bindegewebsfasern und Cholesterin. Dadurch ist die Durchblutung verringert und das
umstehende Gewebe kann nicht mehr ausreichend versorgt werden. An diesen Stellen
lagern sich auch gerne Blutgerinnsel ab. Diese Verursachen langsame oder akute
komplette Gefäßverschlüsse (vgl. Geisler, 1978).
Diabetes
Mellitus:
Ist
eine
Stoffwechselstörung,
die
als
Frühsyndrom
die
Wundheilungsstörung aufweist. Eine Spätfolge des Diabetes ist die Mikro Angiopathie.
Dabei kommt es zur Veränderung kleinerer Blutgefäße und eine Durchblutungsstörung
ist gegeben. Es erfolgt z. B. ein diabetisches Gangrän. Ebenfalls können größere
Gefäße (Makro Angiopathie) betroffen sein und es entsteht eine Arteriosklerose.
Diabetiker leiden oft auch an einer Funktionsbeeinträchtigung verschiedener Nerven,
der sogenannten Neuropathie. Die Betroffenen merken kleinere Verletzungen oder
erhöhten Druck an den Füßen nicht mehr (vgl. www.medizinfo.de/palliativmedizin
/haut/wunden.shtml).
Venöse Insuffizienz: Ist eine Erkrankung der Beinvenen. Dabei kommt es zur
Erweiterung der Gefäße und das Blut kann nicht mehr ausreichend abtransportiert
werden. Dadurch entsteht ein Druck in den Beinvenen. Diese werden durch mehrere
Faktoren
beeinflusst.
Durch
Thrombosen,
mangelnder
Gegendruck
der
Unterschenkelmuskulatur (Muskelpumpe) oder das Fehlen der Venenklappe. Auf
Grund dieser Blutstauung kommt es häufig auch zur Störung des Gewebestoffwechsels
sowie zur Wassereinlagerung an den Füßen sowie an den Unterschenkeln. Ein
Austausch
mit
frischem
sauerstoffreichen
beeinträchtigt.
- 11 -
Blut
aus
der
Arterie
ist
dadurch
Die chronische-venöse Insuffizienz wird in drei Graden eingeteilt:
Grad 1: Sich zurückbildende Ödeme im Knöchelbereich am Abend. Dunkelblaue
Hautveränderung an den Seiten der Füße (Corona phlebectatica).
Grad 2: Bleibende Ödeme in Füßen und Unterschenkel. Es bildet sich ein
Stauungsekzem: dies entsteht durch den erhöhten Venendruck, es kommt zu
Kapillarblutung. Oder es kommt zur Verfärbung der Haut: Dermite ocre
(Farbeinlagerung
braun-schwarz
aus
dem
abgebauten
Hämosiderin
der
Erythrocyten); Dermosklerose, Atrophie blanche (Marmorhaut – weißliche
Hautbezirke zeigen, dass die Blutgefäße zugrunde gegangen sind).
Grad
3:
Abgeheiltes
Ulcus
cruris
und
bestehendes
Ulcus
cruris
(vgl.
Kammerlander, 2004, S. 34).
Über diesen gleichen Mechanismus wirkt auch der Konsum von Nikotin. Dieser wirkt
sich ebenfalls negativ auf die Wundheilung aus.
3. Immundefizienz
Durch die Schwächung des Immunsystems wird die Wundheilung beeinflusst.
Zu diesen Krankheiten gehören:

chronische Infektionskrankheiten (vgl. http://flexikon.doccheck.com/de/index.
php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheilung)

Tumore
4. Alter
Im
zunehmenden
Alter
ist
die
Wundheilung
eingeschränkt,
auf
Grund
des
physiologischen Alterungsprozesses der Haut. Die Hautzellen können sich nicht mehr
so schnell regenerieren. Bei älteren Menschen wirken oft verschiedene Faktoren
zusammen. Meist bestehen zusätzliche verschiedene Grunderkrankungen wie z. B
Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen. Diese werden häufig auch durch eine
Mangel- bzw. Fehlernährung negativ beeinflusst, da der Appetit und das Durstgefühl
abnehmen. Oft bestehen auch Kau- bzw. Schluckbeschwerden. Es bestehen meist
auch Schmerzen auf Grund des physiologischen Abbaus der Knochen und Muskulatur,
die
einhergehen
Beeinträchtigung
mit
spielt
mangelnder
Bewegung.
dabei
große
eine
Rolle.
Die
geistige
Durch
die
und
psychische
Schwächung
des
Immunsystems wird die Wundheilung nochmals eingeschränkt.
5. Medikamente
Viele Medikamente haben einen negativen Einfluss auf die Wundheilung. Unter dem
Einfluss von Zytostatika, Antikoagulantia, Immunsuppresiva, Diuretika und Sedativa
kann die Wundheilung gestört sein (vgl. http://flexikon.doccheck.com/de/index.
php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheilung).
- 12 -
6. Lokale Störfaktoren
Eine mangelnde Wundheilung kann auch durch lokale Störfaktoren beeinflusst werden.
Auf diese lokalen Störfaktoren kann man leicht einwirken. Meist können diese aber
auch behoben werden. Zu den direkt von der Wunde ausgehenden Störfaktoren
gehören:

Keimbesiedelung der Wunde, Wundinfektion

Unzureichende Ruhigstellung der verletzten Region

Traumatische Verbandswechsel

Austrocknung oder Auskühlung der Wunde

Nekrosen, Wundtaschen, Hämatome, Ödeme

Fremdkörper in der Wunde

Vorgeschädigtes Gewebe z. B. nach Bestrahlung, Tumoren (vgl. Menche, 2011,
S. 625).
4.2.
WUNDVERGRÖßERUNG
[SONJA HÖLLER]
Bei Palliativpatienten besteht zusätzlich häufig die Gefahr, dass sich eine bestehende
Wunde aus verschiedenen Gründen vergrößert, beispielsweise aufgrund von:

Störungen des Lymphflusses oder der Blutgerinnung

Vorangegangene Bestrahlungen im Wundbereich

Gefühlsstörungen in der Wundregion, sodass weitere kleinere Verletzungen
oder Verschlechterung der Wundsituation häufig nicht bemerkt werden.

Chemotherapien

Behandlungen mit sogenannten Immunsuppressiva, welche die Aktivitäten des
Immunsystems hemmen
Aus diesem Grund sollten die einzelnen Mitglieder des palliativmedizinischen Teams
sowie pflegende Angehörige sehr genau auf die Entstehung auch kleinerer Wunden
achten, um diese frühzeitig wirkungsvoll behandeln zu können.
Ein
weiterer
Punkt
sind
die
psychosozialen
Umstände
und
die
psychischen
Erkrankungen. Dazu gehören vor allem eine mangelnde Compliance des Betroffenen,
die Demenzerkrankung und die Angst vor dem Schmerz. Weitere ungünstige
Situationen wie beispielsweise längerfristige Bettlägerigkeit oder kleinere Verletzungen
können das Risiko chronischer Wunden steigern.
Eine psychologische Betreuung des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen
ist ein zentraler Aspekt der palliativmedizinischen Wundbehandlung. Um von der
Wunde ausgehende Gerüche, wundbedingte Schmerzen, sowie die körperlichen
- 13 -
Veränderungen besser bewältigen zu können, bedarf es ein umfangreiches Angebot
der Unterstützung.
Hier ist von den Mitgliedern des palliativen Teams nicht nur eine möglichst optimale
medizinische
Wundversorgung
einfühlsame
und
gefordert,
verständnisvolle
sondern
Betreuung
in
des
hohem
Patienten
Maße
wie
auch
auch
eine
seiner
Angehörigen. Dabei sollten die wundbedingten Belastungen weder ignoriert noch
bagatellisiert werden. Bei ausgeprägten Schwierigkeiten, mit den wundbedingten
Belastungen umzugehen, ist unter Umständen die Hinzuziehung eines speziell
geschulten Psychologen hilfreich. Dieser kann den Patienten und seine Angehörigen
dabei unterstützen, mit den wundbedingten und allgemein den krankheitsbedingten
Belastungen
besser
umzugehen
und
diese
zu
bewältigen
(vgl.
http://www.medizinfo.de/palliativmedizin/haut/wunden.shtml).
Fallbeispiel: Psychosoziale Begleitung eines Angehörigen
Die Sterbenden und ihre Angehörigen geraten durch eine unheilbare lebensbedrohliche
Erkrankung in eine Lebenskrise. Sterben und Tod kann man jedoch nicht als normale
Lebenskrise betrachten, sondern es ist die schwerste Zeit im Leben eines Menschen.
Herr J. wohnt gemeinsam mit seiner Frau im Pflegeheim. Nach einem langen
Krankenhausaufenthalt kam Frau J. wieder retour um ihre letzten Lebenstage neben
ihrem Ehemann verbringen zu können. Es wurden vier intensive Monate. Mit den
Gefühlen wie Angst, Wut, Aggression und Sprachlosigkeit kämpfte Herr J. sehr oft. Er
konnte ihr nur bedingt zur Seite stehen, da er selbst körperlich eingeschränkt ist.
Die gesamte Familie befand sich in einer Art Ausnahmezustand, mit dem oftmals
keiner so richtig umzugehen wusste. Eine große Herausforderung waren die
Pflegeinterventionen, begleitet von Schmerz und negativen Gedanken. Hier war es für
die Pflegepersonen von großer Bedeutung mit den Angehörigen professionell und
gleichzeitig einfühlsam zu kommunizieren.
Frau J. hatte aufgrund einer Verschlusserkrankung in den Beinen mehrere kleine und
ein großes Ulcera. Eine besondere Herausforderung war der Geruch der Wunde und
die vermehrte Wundsekretion, die einen häufigen Verbandswechsel zur Folge hatte,
der mit Schmerzen bei der Umbewegung einherging.
Für Herrn J. war es sehr belastend, zusehen zu müssen und ihr nicht helfen zu
können. Auch hier war einfühlsame Aufklärung, dass nicht die abheilende Wunde im
Vordergrund steht, sondern dass das Interesse an einem würdigen und schmerzfreien
Leben von Bedeutung war.
Es galt die bestmögliche Entlastung für sie zu schaffen und nicht nur die „richtige
Lagerung“ in den Vordergrund zu stellen.
- 14 -
Mit dem Einsatz von Duft-Ölen, wie Lavendelöl und gute Lüftung des Raumes, konnten
die Symptome wie Unruhe, Angst und Schmerz gelindert und das Wohlbefinden von
Frau J. gesteigert werden.
Neben der Begleitung durch die Pflegepersonen, hatten wir auch die Möglichkeit, den
Psychosozialen Dienst anzufordern, den Herr J. auch regelmäßig angenommen hat.
Auf die Nutzung eines Interdisziplinären Teams zurückgreifen zu können war eine
wichtige
Ressource
für
den
Angehörigen.
Mitarbeiter
und
Arzt
des
Mobilen
Palliativteams standen allen mit Rat und Tat zur Seite.
Es war auch sehr ergreifend zu sehen, wie die Gespräche innerhalb der Familie sich
geändert hatten. Es entstand eine liebevolle, würdevolle Begleitung. Eine Überlastung
der Angehörigen konnte vermieden werden und Frau J. konnte im Kreise der Familie
ruhig und friedlich versterben.
Ein gelungenes Zusammenspiel im Sinne der Bewohnerin und der Angehörigen.
4.3.
EXULZERIERENDE TUMORWUNDEN
[MARGRET RECHBERGER]
Exulzerierende Tumorwunden stellen nicht nur eine enorme Belastung für die
Patienten, sondern auch für deren Angehörige dar. Aufbrechende Tumore sind meist
auch eine Herausforderung für die professionellen Betreuer. Zum einen erfordert dies
umfassendes Wissen und Expertise im Wundmanagement, zum anderen konfrontiert
es die Pflegenden mit der Aufgabe, die eigenen Berührungsängste und den
aufkommenden
Abscheu
zu
überwinden
und
mit
palliativen
Maßnahmen
und
Einfühlungsvermögen das Leiden der Patienten zu lindern. Das Ziel der palliativen
Behandlung
bei
exulzerierenden,
nässenden
Wunden
sind
die
Linderung
von
Schmerzen, Vermeidung von Sekundärinfektionen und Blutungen, die Eindämmung
des
Geruchs
und
die
Gestaltung
eines
kosmetisch
akzeptablen
und
bewegungsfreundlichen Verbandes für die Patienten. Exulzerierende Tumorwunden
sind meist nicht mehr zu heilen. Die Exulzeration stellt den Betroffenen und ihren
Angehörigen oft unerbittlich die unaufhaltsame Progredienz der Tumorkrankheit vor
Augen. Neben der palliativen Wundbehandlung stellt die psychosoziale Begleitung der
Patienten
und
ihrer
Angehörigen
eine
wesentliche
Betreuenden dar (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 133f).
- 15 -
Herausforderung
für
die
Die Betroffenen „sehen sich selbst im Spiegel, sie können sich selbst riechen, sie
tupfen sich selbst den Speichel oder Tumorexsudat weg, sie legen häufig selbst ihre
Verbände an und nehmen meist ihr äußeres Erscheinungsbild sehr genau wahr. Sie
leiden darunter, schämen und ekeln sich, sind wütend, hadern mit ihrem Schicksal
und trauern um ihr verlorenes Körperbild. Dieser enorme Druck macht Patienten sehr
verletzlich und gleichzeitig wachsam für die Reaktion ihrer Mitmenschen.“ (Kern,
2002, S 143f).
Die Konfrontationen mit einer ulzerierenden Tumorwunde löst häufig Ängste sowie
Hilf- und Ratlosigkeit bei den Angehörigen aus. Die Patienten isolieren sich oft selbst
aus Angst, andere mit ihrem Aussehen und dem Geruch zu belästigen, oder werden
von anderen Personen zunehmend gemieden. In einer Zeit besonderer Verletzbarkeit,
in der die Patienten besonderer Zuwendung und Zuneigung bedürfen, sind sie isoliert
oder ziehen sich aus Scham zurück. Diese Einsamkeit führt oft zu Verzweiflung und
Sterbewünschen. Exulzerierende Tumorwunden können auf verschiedene Weise
entstehen: als Folge eines primären Hauttumors, durch direkte Tumorinfiltration der
Haut aufgrund eines darunter liegenden Tumors oder durch metastatische Aussaat
eines entfernten Primärtumors (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 133f).
Die eigene Haltung in der Pflege
In dem Bewusstsein, dass es nicht um die Heilung der exulzerierenden Wunde gehen
kann,
benötigen
Pflegende
neben
ihrem
Fachwissen
auch
eine
hohe
Kompensationsfähigkeit im Umgang z.B. mit der Wundentwicklung, den Gerüchen,
dem Ekel und den körperlichen Entstellungen. Es gilt, die eigenen Berührungsängste
und die eigene Abscheu zu überwinden und mit palliativen Maßnahmen, mit Kreativität
und Einfühlungsvermögen die oft multidimensionalen Leiden der Patienten zu lindern.
Es gilt auch, die Verzweiflung, Wut und Scham der Patienten wahrzunehmen und mit
ihnen auszuhalten. In der Pflege von Patienten mit exulzerierenden Tumorwunden ist
es wesentlich, sich immer der ganzen Person bewusst zu sein und ihr respektvoll zu
begegnen. Betroffene Patienten nehmen jede noch so kleine unachtsame Bemerkung
oder nonverbales Verhalten wahr, das sie in ihrer Menschenwürde zutiefst verletzen
kann (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 134f).
- 16 -
Ich möchte mit einem Fallbeispiel von meinem ersten Kontakt mit einem Patienten mit
einer exulzerierenden Tumorwunde erzählen.
In meiner Zeit als Krankenpflegeschülerin machte ich ein Praktikum in einem anderen
Bundesland auf einer gynäkologischen Station. Ich war im letzten Ausbildungsjahr und
durfte schon kräftig mitarbeiten. Gleich am zweiten Tag sollte ich zur Morgenpflege
einer
älteren
Dame,
die
in
einem
Einbettzimmer
lag,
mitkommen.
Bei
der
Dienstübergabe hieß es nur Brustkrebs mit Lymphknotenbefall rechte Axilla, das war
alles.
So
hatte
ich
meine
eigenen
Vorstellungen
von
dieser
Dame
in
dem
Einbettzimmer. Als ich das Zimmer betrat, stieg mir sofort ein eigenartiger Geruch in
die Nase, den ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuordnen konnte. Die ältere
Dame lächelte mich an und freute sich sichtlich wieder ein neues Gesicht zu sehen. Sie
war zu diesem Zeitpunkt bereits bettlägerig und die Körperpflege musste zur Gänze
übernommen werden. Sie war ruhig und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie
Schmerzen hatte. Ich hob ihre Bettdecke hoch und sah einen großen Verband, der sich
über den gesamten Oberkörper, den rechten Arm und die rechte Schulter erstreckte.
Er war teilweise durchnässt und der üble Geruch intensivierte sich noch. Ich begann
etwas verunsichert mit der Körperpflege, während meine Kollegin alles für den
Verbandswechsel vorbereitete. Wir nahmen vorsichtig den Verband ab und ein riesiger
exulzerierender Tumor kam zum Vorschein. Die ältere Dame blieb ganz ruhig, was
mich faszinierte und ich versuchte ihr zu zeigen, dass mir dieser Anblick gar nichts
ausmachen würde. Behutsam reinigte meine Kollegin die große Wundfläche und legte
wieder einen frischen Verband mit vielen saugstarken Tupfern und Kissen an. Danach
öffneten wir das Fenster und ließen frische Luft in das Zimmer. Von diesem Zeitpunkt
an war ich die Bezugsperson der älteren Dame. Sie bekam sehr wenig Besuch, da sie
den schlimmen Geruch ihren Angehörigen und schon gar nicht ihren Enkelkindern
zumuten wollte. Anfangs war es auch für mich eine Überwindung das Zimmer zu
betreten, aber ich konnte die Freude in den Augen dieser Patientin sehen, wenn ich zu
ihr kam und ein bisschen mit ihr plauderte. So war es bald kein Problem mehr für
mich. Sie erzählte mir viel über ihr Leben bevor sie krank wurde und über ihre Familie.
In den ganzen 6 Wochen meines Praktikums verbrachte ich viel Zeit mit dieser
Patientin. Ihre Isolation und Einsamkeit machten mich sehr traurig. Damals wusste ich
noch viel zu wenig über „Angehörigenarbeit“ und Aufklärung, aber ich wusste, dass ich
am richtigen Weg war und noch viel zu lernen hatte.
Wenn ich jetzt einen Menschen mit Tumorwunden auf der Palliativstation betreue, ist
die Aufklärung der Angehörigen und das offene Gespräch mit den Betroffenen ein fixer
Bestandteil meiner Arbeit, der mich sehr zufrieden macht und der von allen Beteiligten
als wertvoll empfunden wird.
- 17 -
4.4.
DEKUBITUS
[MARGRET RECHBERGER]
Unter Dekubitus versteht man „Wundliegen“ bzw. eine extrem langsam heilende,
kompressiv-ischämische
Hautläsion.
Sie
entsteht
durch
unphysiologische
Druckeinwirkung auf das Gewebe. Kleinste Gefäße wie Arteriolen und Venolen werden
dabei komprimiert und die Mikrozirkulation (Ischämie) wird unterbrochen. Dieser
Prozess ist der primäre Entstehungsgrund für Druckstellen. Druckulzera entstehen
jedoch nur bei genügend langer und kontinuierlicher Druckeinwirkung auf jene
Hautstellen, die nur durch ein dünnes Unterhautgewebe gepolstert sind (vgl. Juchli,
1987, S. 127).
Daraus erklärt sich auch das erhöhte Dekubitusrisiko bettlägeriger Patienten. Das
Gewicht des Patienten lagert immer auf den gleichen Stellen, hierdurch verringert sich
die Durchblutung in den entsprechenden Bereichen. Beim sterbenden Menschen
kommt es zusätzlich zu einer Verminderung des Herz-Zeit-Volumens, also der globalen
Durchblutung des gesamten Organismus. Die Durchblutungsstörung führt zum
schichtweisen Absterben des Gewebes. Häufige Folgen sind starke Schmerzen und
Infektionen (vgl. Bach et al., 2011, S. 78).
- 18 -
Die nachfolgende Graphik veranschaulicht den
grundsätzlichen Zusammenhang
zwischen Ursachen und Entstehung des Dekubitus:
Abbildung 2: Ursachen und Entstehung des Dekubitus
(Juchli, 1987)
Nach Seiler lassen sich folgende Dekubitusstadien unterscheiden (vgl. Nagele &
Feichtner, 2012, S. 139f):
Grad 1: Zu beobachten ist eine begrenzte Rötung; ein Hautdefekt ist noch nicht zu
erkennen; die Epidermis ist betroffen. Dieses Stadium kann bereits Anzeichen für eine
tiefer gehende Schädigung bei einem „geschlossenen Dekubitus“ sein.
Grad 2: Zu beobachten ist eine Blasenbildung; Epidermis und Dermis sind geschädigt;
lösen sich diese Schichten von der noch intakten Subkutis, entsteht ein stark
nässender, sehr schmerzhafter, infektanfälliger Hautdefekt.
- 19 -
Grad 3: Zu beobachten ist, dass Epidermis, Dermis und Subkutis beschädigt sind;
Muskeln, Sehnen und Bänder können in der Wunde sichtbar sein; die Wunde gilt
zumindest als kontaminiert; ein Belag kann die Wunde überziehen.
Grad 4: Zu beobachten ist, dass alle Hautschichten beschädigt sind; die darunter
liegende Muskulatur ist entzündlich geschwollen; Bänder, Sehnen, Faszien und / oder
Knochen sind betroffen; es können Nekrosen (dunkelblau, schwarz) und Wundtaschen
vorhanden sein.
Trotz sorgfältiger Dekubitusprophylaxe ist ein Dekubitus in der Palliativpflege oft nicht
vermeidbar. Palliativpatienten haben meist einen schlechten Ernährungs- und oft auch
einen schlechten Allgemeinzustand. Hinzu kommt häufig vermehrt Fieber und
Schwitzen sowie eine reduzierte Wundheilung.
Je nach Allgemeinzustand der Patienten und je nach Krankheitsphase müssen ein
individueller „Lagerungsplan“ und eine individuelle Dekubitusprophylaxe erstellt
werden.
Es muss das Ziel der Behandlung des Dekubitus definiert werden.
Mögliche Ziele sind:

Prophylaxe

Heilung (noch möglich)

Keimreduktion

Geruchsreduktion

Verschlechterung verhindern
Ausgehend von der Vorgabe, dass sich alle medizinischen und pflegerischen
Maßnahmen am Wohlbefinden der Patienten orientieren, gilt es, eine individuell
angepasste Strategie zur Prophylaxe und zur Behandlung eines Dekubitus zu erstellen.
Bei
weit
fortgeschrittener
Erkrankung
kann
ein
häufiger
Lagewechsel
eine
beträchtliche Belastung für die Patienten darstellen. Hier können entsprechende
Spezialmatratzen, Mikro-Lagerungen und diverse Lagerungshilfsmittel Entlastung
bringen, ohne die Patienten zusätzlich zu belasten (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S.
139f).
- 20 -
5. MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN DER WUNDEN AUF DIE
LEBENSBEREICHE DER BETROFFENEN, ANGEHÖRIGEN BZW.
BEZUGSPERSONEN
Wichtig bei der Versorgung von schwerstkranken Menschen ist das Wahrnehmen der
ganzen Person. Die Wundversorgung ist nur ein Teil und soll dazu beitragen, dass das
Leben so gut wie möglich gestaltet werden kann. Gemeinsam mit den Angehörigen
und allen Mitarbeitern des multidisziplinären Teams soll ein Weg gefunden werden,
dass sich die Patienten auch mit ihren Einschränkungen und Beschwerden wohl fühlen
können. Soziale Isolation und Rückzug sind ansonsten häufig die Folge.
Abbildung 3: Mögliche Auswirkungen der Wunde auf die Betroffenen
(Schumacher, 2013)
- 21 -
5.1.
SCHMERZ [EVA FEIERTAG]
„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes und Gefühlserlebnis, das als Folge einer
Gewebsirritation oder Gewebsschädigung auftritt“ (WHO).
Schmerz ist immer ein subjektives Empfinden. Nicht nur die Wunde selbst sondern
ebenso die umgebende Haut wird meist sehr schmerzsensibel. Schon die geringste
Berührung und selbst die Luft, die an die Wunde kommt, können heftigen Schmerz
auslösen. Vorherige negative Schmerzerfahrungen des Betroffenen im Zusammenhang
mit der Wundversorgung können zu erhöhten Schmerzerwartungen führen (vgl.
Nagele & Feichtner, 2012, S. 151ff).
Ein Verbandswechsel bedeutet für den Betroffenen eine Stress-Situation, die häufig
mit Schmerzen verbunden ist. Einige Strategien beugen Schmerzen im Rahmen der
Behandlung vor, oder können diese mindern (Protz, 2011, S. 634f):

Aufklärung des Pat. über die anstehende Behandlung.

Schmerzmedikation rechtzeitig vor Beginn des VW geben, damit die Wirkzeit
gegeben ist.

Vorgehensweisen absprechen

Ablenkung schaffen (z.B.: Gespräch)

Fenster und Türen schließen, Zugluft vermeiden

Stressfreie Umgebung schaffen, Geräuschquellen minimieren

Bequeme Lagerung (soweit möglich), Anspannung vermeiden

Wundspüllösung vor Gebrauch anwärmen

schonende Wundreinigung (Kompressen vorsichtig andrücken, nicht wischen)

Unnötige Reize, wie Berührung von Wunde/-rand und Druck vermeiden.

Schonendes Débridement, z.B. durch Einsatz von Lokalanästhetika

Schonendes Ablösen der Wundauflagen

Wunde nicht unnötig lange offen liegen lassen, um Austrocknung und
Abkühlung zu vermeiden

Wundauflagen ohne Klebeflächen bevorzugen

Einsatz speziell beschichteter Wundauflagen

Kein Einschnüren durch zu festes Anwickeln von fixierenden Mullbinden
provozieren, Verband spannungsfrei anbringen
- 22 -
5.2.
BLUTUNG [EVA FEIERTAG]
Exulzerierte Tumorwunden sind extrem blutungsanfällig. Dabei können Blutungen
durch das Einwachsen des Tumors in Blutgefäße ausgelöst werden, entstehen aber
häufiger durch Manipulation an der Wunde. Die zur Blutstillung zu ergreifenden
Maßnahmen richten sich nach dem Ausmaß und der Stärke der Blutung. Immer ist
jedoch zu berücksichtigen, dass Blutungen für den Betroffenen und seine Angehörigen
ein bedrohlich wirkendes Ereignis darstellen, das umso größere Ängste auslöst, je
stärker die Blutung ist. Mögliche Versorgungsstrategien (vgl. Kiss, 2012, S 13f):

VW sind nur so oft wie nötig durchzuführen

Ein mit der Wunde verklebter Verband führt beim Abnehmen unweigerlich zu
Blutungen, deshalb sind als direkte Wundauflage atraumatische, d.h. nicht
verklebende
Verbandsstoffe
wie
beispielsweise
Salbenkompressen,
einzusetzen.

Ablösen des Verbandes durch Auflegen von Salbeitee getränkten Kompressen
(Gerbstoffe können leichte Blutungen stillen)

Wenn möglich lokaler Druckverband oder Kompression der blutenden Wunde

Kühlung der entsprechenden Region

Einsatz blutstillender Präparate / Wundauflagen nach ärztlicher Anordnung

Begleitung und Symptom orientierte Behandlung bei unstillbarer Blutung

Behandlungsziel festlegen und Maßnahmen vorbereiten

Notfallmedikation deponieren

Verwendung von aufsaugendem Material, TIPP: Dunkle / farbige Tücher /
Bettwäsche nutzen um eine Panikreaktion angesichts großer Blutflecken zu
vermeiden.

Beratung zur Patientenverfügung (Berücksichtigung der Wünsche des Patienten
für diese Situation)

Patienten nicht alleine lassen
- 23 -
5.3.
EXSUDAT [EVA FEIERTAG]
Generell ist Exsudat ein physiologischer Faktor, der ganz natürlich im Verlauf der
Wundheilung auftritt. Es gewährleistet das der Abheilung förderliches feuchtwarmes
Wundmilieu und spült Fremd- und Abfallstoffe aus. Seine meist nützliche Rolle kann
sich jedoch in Folge bestimmter Voraussetzungen in das Gegenteil verkehren. Exsudat
kann nicht nur ursächlich für den Wundgeruch sein, es stellt auch eine Belastung dar,
indem es beispielsweise die Kleiderauswahl beeinträchtigt. In der Folge belastet die
Exsudation die selbstbestimmte Lebens- und Freizeitgestaltung und löst psychische
Belastungen aus.
Mit einem guten Exsudatmanagement können diese Belastungen gemindert werden
(Protz, 2011, S. 634f):

Einsatz von Wundauflagen mit hohem Saugvermögen: Vlieskompressen mit
Superabsorber,
Polyurethanschaumverbände
mit
Superabsorber,
Hydrokapillarverband

Gegebenenfalls unterstützender Einsatz von wirkstofffreien Wunddistanzgittern
um ein verkleben der Wundauflage mit dem Wundgrund zu vermeiden

Verbandintervalle anpassen: so häufig wie nötig – so selten wie möglich

Verwendung eines adäquaten Wundrandschutzes und angepasster Hautpflege
5.4.
GERUCH [EVA FEIERTAG]
Eine der größten Belastungen für die Patienten mit exulzerierenden Wunden stellt der
Wundgeruch dar. Er entsteht durch den Zellzerfall in der Wunde und/oder durch eine
Besiedelung der Wunde mit anaeroben Keimen. Durch unbehandelten Wundgeruch
werden Intimität, Nähe und Sexualität unmöglich. Es ist daher im Sinne der
Lebensqualität für die Patienten unerlässlich, belastenden Wundgeruch rasch zu
reduzieren.
Folgende Maßnahmen sind sinnvoll (vgl. Nagele & Feichtner, 2012, S. 138):

Spülung mit Metronidazol-Infusionslösung lokal, Lavasept® oder Prontosan®
und Auflegen von in Metronidazol getränkten Kompressen

Metronidazol-Gel kann mithilfe von Spritzen in tiefere Wundhöhlen eingebracht
werden

bei sehr starker Geruchsbildung oder unzugänglichen Wundhöhlen kann eine
systemische Gabe von Metronidazol hilfreich sein
- 24 -

Kompressen mit Chlorophyll–Lösung 2,5% an der von der Wunde abgewandten
Seite befeuchten, da es evtl. zu Wundreizungen kommen kann. Chlorophyll
wirkt stark desodorierend und desinfizierend

geruchsbindende Wundauflagen, z.B. Aktivkohlekompressen mit/ohne Silber

lokale Behandlung mit medizinischen Honig

Calciumalginat-Watte für Wundhöhlen

Lavendelöl: 1-2 Tropfen auf den Verband

Duftkissen mit Zitronen- oder Minzöl

Gegen den Geruch im Raum kann gemörserte Tierkohle, leicht angefeuchtet in
einem kleinen Teller aufgestellt werden. Mit Kaffeepulver wird ebenfalls eine
gute Geruchsreduktion erreicht
5.5.
PSYCHISCHE BELASTUNGEN [BARBARA GUSTERHUBER]
Eine durchbrechende Wunde ist für den Betroffenen ein Zeichen, das man nicht mehr
ignorieren kann. Die Unheilbarkeit der Erkrankung wird sichtbar. Der Betroffene spürt
diese nicht mehr nur innerlich, er kann das Fortschreiten sehen und die beinahe
tägliche Veränderung und Entstellung beobachten. Sie hat ein letztes, schweres
Stadium erreicht. Die Reaktionen darauf können sowohl von Patienten als auch von
den Angehörigen sehr unterschiedlich sein. Sie reichen von der Ablehnung, vom
verzweifelnden (noch immer) Nicht-Wahrhaben-Wollen bis hin zur übermäßigen
Beachtung der Wunde als Ersatzhandlung. Hinzu kommt, dass exulzerierende Wunden
meist mit starken Schmerzen, ausgeprägter Geruchsbelästigung und oftmals hohen
Exsudatmengen und Blutungen einhergehen.
Der Patient leidet zusätzlich unter den psychischen Belastungen, wie Veränderung und
Zerstörung seines Körperbildes, empfindet sich selbst gegenüber nicht selten
Ekelgefühle, die zum Rückzug und zur Isolation führen. Mit dieser Situation
zurechtzukommen, ist auch für die Angehörigen überaus schwer. Überforderung und
Konflikte sind sehr oft die Folge. Einerseits spüren sie die existenziellen Ängste des
von ihnen geliebten Menschen, und gleichzeitig wissen sie, sie können nicht mehr
helfen.
Gut nachvollziehbar ist natürlich, dass es auch sie vor dem Anblick der Wunde ekelt
und sie sich durch den extremen Geruch belastet fühlen. Hierbei sollte beachtet
werden, dass die wundbedingten Belastungen weder bagatellisiert noch überspielt
werden. Aussagen wie „ist ja nicht so schlimm“ oder „man riecht ja fast gar nichts“
müssen vermieden werden. Vielmehr ist es angebracht, gemeinsam mit dem
Betroffenen einen Weg zu finden, um das bestehende Problem bestmöglich zu
minimieren (vgl. Szikba, 2012, S. 6ff).
- 25 -
Aussagen von Betroffenen

„So wie bei meiner Hochzeit werde ich nie wieder aussehen. Ich war ja eine
fesche Person! Das wird wohl nicht mehr gut werden, oder?“

„Da kommt schon wieder das Nasse durch. Immer mache ich die Kleidung
schmutzig und Blut ist auch dabei. Das macht mir Angst.“

„Ich stink richtig, ich bin grauslich“!

„Ich merke, ich verfaule von innen her. Ich glaub ich zerfalle!“

„Den Leuten tue ich leid, das sehe ich in ihren Augen. Es graust ihnen aber
auch vor mir. Ich mag nicht mehr unter die Leute!“

„Meine Enkel mögen mich nicht mehr angreifen, weil ich so schlimm rieche.
Mich ekelt ja selbst vor mir. Bald werden sie mich nicht mehr besuchen
kommen. Ich sehe die Hilflosigkeit in ihren Augen. Das macht auch mich immer
ganz traurig.“

„Ich schäme mich, ich kann das alles nicht mehr kontrollieren. Ich mag das
nicht mehr aushalten, möchte nicht mehr leben.“
Auf Grund der Recherchen konnte ich erkennen, dass vorrangig der faulig-süßliche
Geruch einer exulzerierenden Wunde und der damit verbundene Ekel zu den primären
psychischen Belastungen zählen. Die daraus resultierende Angst der sozialen Isolation
stellt zusätzlich ein massives Problem dar. Deshalb möchte ich mich abschließend
ausführlicher mit diesem Thema beschäftigen.
Ekel – (k)ein Tabuthema
Als Ekel bezeichnet man die Empfindung einer starken Abneigung in Verbindung mit
Widerwillen. Dieser äußert sich mitunter durch körperliche Reaktionen wie Übelkeit
und Erbrechen. Massive Geruchsbelästigungen durch exulzerierende Wunden können
nicht nur für den
Patienten
selbst, sondern
auch
für Angehörige und
dem
Pflegepersonal zur Belastung und Herausforderung werden. Das Bewusstwerden, dass
sich Ekel nicht auflösen lässt und man sich dafür nicht zu schämen braucht ist bereits
ein wesentlicher Schritt. Ekel lässt sich nicht unterdrücken.
Die Gewöhnung an Ekel auslösende Situationen ist nur begrenzt möglich. Wer glaubt,
sich mit der Zeit an diese extremen Situationen gewöhnen zu können und versucht,
die negativen Emotionen zu verdrängen, verhindert dadurch eine konstruktive
Bearbeitung des Themas. Vielmehr gilt es, dies anzunehmen und gleichzeitig mit
empathischen Gesprächen zu unterstützen. Durch offene Gespräche können Schuldund Schamgefühle besser verarbeitet werden. Sie existieren unwiderruflich in jedem
von uns (vgl. Daun, 2012, S. 15ff).
- 26 -
6.
6.1
SCHLUSSFOLGERUNGEN
BARBARA GUSTERHUBER
Ich habe in dieser Arbeit das Ziel verfolgt, meinen Wissensstand, den ich zu Beginn
der Ausbildung in Palliative Care hatte, soweit auszubauen, dass es mir möglich ist,
eine gute Begleiterin und Beraterin für die betroffenen Bewohner im Pflegeheim, als
auch für deren Angehörige, zu sein.
Meiner Meinung nach unterscheiden sich deren Ängste, Sorgen und Nöte, ob der
Patient nun nach dem Spitalsaufenthalt in die häusliche Pflege entlassen wird oder er
die weitere Betreuung in einer Langzeiteinrichtung findet.
Durch das medizinische Fachwissen meiner diplomierten Kolleginnen und meine
Sachkenntnisse, tendenziell den psychologischen Aspekt betreffend, entstand so der
Gedanke die Informationsbroschüre „Palliative Wundversorgung – Informationen für
Angehörige“ zu erarbeiten.
In meinem Pflegealltag im Seniorenheim kann ich während der Zeit meiner Ausbildung
im Basislehrgang Palliative Care wesentliche positive Veränderungen wahrnehmen. Ich
habe einige engagierte Mitarbeiter für ein hausinternes Palliative Care Team gewinnen
können. Wir arbeiten nun eng mit externen Teams (MPT, Hospizteam) zusammen,
stehen in ständigem Austausch und verbesserten so maßgeblich die Lebens- und
Sterbequalität im Haus.
„Gelebtes palliatives Arbeiten“ durfte ich in meinem gesplitteten Fremdpraktikum
erfahren. Meinem Wunsch sowohl auf der Palliativstation im LKH Knittelfeld als auch
im
MPT
Judenburg/Knittelfeld/Murau
mitzuarbeiten
wurde
seitens
der
Caritas
Akademie stattgegeben. So war es mir möglich beide Bereiche kennen zu lernen.
Bestärkt, mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken, die ich vor Ort sammeln
konnte, werde ich diese wertvolle Aufgabe in der Langzeitpflege fortsetzen.
- 27 -
6.2
MARGRET RECHBERGER
Die Entscheidung für das Thema und damit für diese Projektgruppe, entstand aufgrund
meines beruflichen Hintergrunds als DKGP auf der Palliativstation am LKH Knittelfeld.
Beim Verfassen unserer Projektarbeit wurde mir wieder bewusst, dass wir Pflegenden
wichtige Kontaktpersonen zwischen Patient und Angehörigen bzw. Betreuenden sind.
Wir haben eine große Verantwortung zu tragen, denn je besser die Angehörigen bzw.
Betroffenen informiert sind, umso besser können sie zu Hause versorgt werden.
Die gemeinsame Arbeit in der Projektgruppe zum Thema war für mich sehr spannend.
Die unterschiedlichen Sichtweisen auf einen Nenner zu bringen und dabei gemeinsam
am Ziel festzuhalten, hat uns letztendlich in unserer Arbeit bestärkt. Der Ansatz, den
Patienten und deren Angehörige in ihrer schwierigen Lebensphase mit Fachkompetenz
empathisch beizustehen und zu begleiten, hatte oberste Priorität.
Der Basislehrgang Palliative Care war sehr hilfreich, um den fachlichen Hintergrund zu
verstehen und in die Praxis umzusetzen. Darüber hinaus war der Erfahrungsaustausch
mit den Kurskolleginnen und Kollegen, aus verschiedenen Berufsfeldern zum Kontext,
dabei sehr wertvoll.
Im Rahmen meines Praktikums im mobilen Palliativteam konnte ich bei Betroffenen
vor Ort erleben, was für Patienten bzw. deren Angehörige zu Hause wichtig scheint
und worauf es für sie grundsätzlich ankommt. Eine gute Vernetzung aller beteiligten
Professionen ist dabei unerlässlich. Das Wohlbefinden des Patienten sollte im
Vordergrund stehen und die Angehörigen sind aktiv in den Prozess einzubeziehen, um
eine gute Versorgung zu gewährleisten.
Professionelle Kompetenz und Erfahrung ändern nichts daran, dass wir in unserer
täglichen Arbeit immer wieder mit eigener Hilflosigkeit und Ohnmacht, mit dem
Erleben von seelischen Qualen, Schmerzen, Scham und Rückzug, sowie mit unerfüllten
Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten konfrontiert werden. Um dabei für sich selbst
einen guten Weg zu finden, ist es notwendig, sich im Team gut austauschen zu
können, um sich dann auch wieder abzugrenzen.
Die von uns erstellte Infobroschüre soll idealerweise für Angehörige und Betreuende
Hilfestellung leisten und zusätzlich alle Beteiligten für dieses so wichtige Thema
sensibilisieren.
- 28 -
6.3
EVA FEIERTAG
Ich hatte keine Erfahrung im Schreiben einer Projektarbeit, deshalb war die Arbeit im
Team für mich eine Erleichterung. Die Treffen waren nicht nur informativ sondern
haben auch Spaß gemacht. Es ist leider meine Art, wenn etwas von mir verlangt wird,
leicht hysterisch zu reagieren, aber meine Kollegen konnten mich immer beruhigen.
Bei der Erarbeitung des Folders war es teilweise schwierig in der Rolle der
Angehörigen zu bleiben, da mussten wir uns oft gegenseitig erinnern.
Durch die Beschäftigung mit diesem Thema habe ich Neues gelernt und Fehler der
Vergangenheit sind mir bewusst geworden. Ich habe mir vorgenommen mich in
Zukunft bei auftretenden Problemen besser zu informieren.
Ich möchte noch etwas Persönliches hinzufügen, weil es auch in den Schlussteil
meiner Arbeit gefallen ist. Vor einem Monat bin ich plötzlich schwer erkrankt und nach
einer Operation wusste man tagelang nicht, ob ich mich noch einmal erholen werde.
Während ich beatmet war und geschlafen habe, musste meine Familie mit dem
Schlimmsten rechnen und damit fertig werden. Und aus Erzählungen weiß ich, dass es
teilweise verdrängt oder erst gar nicht erzählt wurde. Meine Familie hat sich aber gut
organisiert in der Versorgung meines 4jährigen Sohnes. Als ich dann wach war, hat
mir mein Mann beim Abhusten geholfen und massenhaft Speichel, Sputum und
Schleim entfernt. Und ich weiß, dass es ihn immer noch ekelt. Mich ekelt es selber
wenn ich daran denke.
Zum ersten Mal selbst Patientin, habe ich oft an einige gedacht die ich betreut habe
und was einem zugemutet wird. Ständig wird einem weh getan und das fängt schon
beim Entfernen eines Pflasters an. Beim täglichen Verbandswechsel wollte ich am
liebsten zum Pflegepersonal sagen, es soll verschwinden, aber ich habe es wortlos
ertragen.
Meine Belastungsgrenze ist schon längst erreicht, Heimweh und die Sehnsucht nach
meinem Kind sind fast unerträglich.
Nachtrag: Eva Feiertag hat gebeten noch folgendes anzumerken.
Sie befindet sich bis dato, 3. Juni 2014, im LKH Leoben und wird danach für 3 Wochen
das Rehabilitationszentrum in St. Radegund zur weiteren Genesung besuchen.
Wir wünschen Eva für diese Zeit viel Kraft und Stärke.
- 29 -
6.4
SONJA HÖLLER
Die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen ist eine der kostbarsten und
ureigensten Aufgaben. In der vorliegenden Arbeit ist für mich eine neue Situation
entstanden, die das Thema des menschenwürdigen Sterbens beinhaltet um die eigene
Auseinandersetzung mit den Themen der Wundversorgung reflektieren zu können.
Was wünschen sich Menschen während ihrer letzten Phase des Lebenswegs und
inwieweit können Pflegende und Mediziner diese Wünsche erfüllen?

Die Identität des Einzelnen ist zu respektieren und zu bewahren.

Dem verbleibenden Leben so viel Qualität geben wie möglich und die
Krankheitssymptome
mildern,
ebenso
den
Angehörigen
bestmögliche
Unterstützung geben.

Sie auf dieses Bild vorzubereiten und zu beraten, welche Maßnahmen in einer
solchen
Situation
gesetzt
werden
müssen
und
Unterstützungsmöglichkeiten sie in Anspruch nehmen können.
„Wer das Ziel kennt, kann entscheiden, wer entscheidet,
findet Ruhe, wer Ruhe findet, ist sicher, wer sicher ist,
kann überlegen, wer überlegt, kann verbessern“
(Konfuzius)
- 30 -
welche
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Foto der Projektgruppe ................................................................................................. 2
Abbildung 2: Ursachen und Entstehung des Dekubitus ................................................................... 19
Abbildung 3: Mögliche Auswirkungen der Wunde auf die Betroffenen ............................................ 21
- 31 -
LITERATURVERZEICHNIS
Bach, D. & Bühring, U. & Casagrande, C. & Wagenlechner, D. (2011). Komplementäre
Sterbebegleitung auf physischer Ebene. In: Huber, G. & Casagrande, C. (Hrsg),
Komplementäre Sterbebegleitung – Ganzheitliche Konzepte und naturheilkundliche
Therapien (S. 77-137). Stuttgart: Karl F. Haug Verlag.
Daun, M. (2012). Das Leben oberhalb und unterhalb der Bettdecke. In: Praxis
PalliativeCare 17/ 2012, Wundes umsorgen (15-17). Hannover: Vincentz Network.
Geisler, L (1978). Innere Medizin 1. Verlag Kohlhammer.
Juchli, L. (1987). Krankenpflege. Praxis und Theorie der Gesundheitsförderung und
Pflege Kranker (5. Überarbeitete und erweiterte Auflage)- Stuttgart/ New York: Georg
Thieme Verlag.
Kammerlander, G. (2004). Lokaltherapeutische Standards für chronische Hautwunden:
Ulcus cruris - Dekubitus - Kompressionstherapie – Weichlagerung. 3. Auflage.
Springerverlag.
Kern, M. (2002). Spezifische Herausforderungen für eine palliative Pflege. In: Metz, C.
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http://flexikon.doccheck.com/de/index.php?title=Spezial%3ASuche&search=wundheil
ung (06.03.2014)
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ANHANG
Anhang 1:
Entwurf der Informationsbroschüre „Palliative Wundversorgung in der
Terminalphase – Informationen für Angehörige“
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