Die alternativlose Auswahl zwischen Zac und Justin
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Die alternativlose Auswahl zwischen Zac und Justin
JAN WE I LER M E I N L E B E N ALS MENSCH Die alternativlose Auswahl zwischen Zac und Justin Mit einer Illustration von Larissa Bertonasco E s gibt Neuigkeiten von unserem Pubertier. Tochter Carla kann sich erstmals nicht entscheiden. Sie nimmt damit eine weitere Stufe in Richtung Erwachsensein. Je älter man wird, desto komplizierter wird das Leben. Früher war die Frage nach dem richtigen Getränk zum Beispiel schnell geklärt. Wein oder Bier. Heute geht es darum, welchen Wein man trinken soll. Manchmal wünsche ich mir einen Kellner, der folgendes sagt: „Wir haben einen sehr guten Wein, der ist teuer. Und wir haben einen nicht besonders guten, der ist aber billig.“ Sagt er aber nicht. Er reicht mir vielmehr eine Weinkarte mit dreihundert Weinen, von denen 100 schlecht, 100 ordentlich und 50 gut sind. Leider sind aber nicht die guten automatisch günstig und viele schlechte ziemlich teuer. Das quält mich. Ich wünsche mir zudem ein Gesetz, demzufolge auf Speisekarten nur zwei Alternativen pro Gang erlaubt sind. Und ich bin froh, dass ich nicht Bundeskanzler bin. Diese Entscheidungen dauernd. Angela Merkel leidet auch so fürchterlich darunter und macht, was ich ehrlich gesagt auch machen würde: Nichts. Man muss mal sagen: Optionen bremsen. Wenn unsere Bundeskanzlerin ständig in für sie verhältnismäßig drängendem Tremolo wiederholt, ihr stoisches Handeln sei „alternativlos,“ kann ich das gut nachvollziehen. Manchmal gibt es zum Nichtstun einfach keine Alternative. Das Risiko, eine falsche Entscheidung zu treffen, ist ganz einfach zu groß. Ich verlasse mich daher seit Jahren auf Weinempfehlungen der Kellner und mein Essen sucht Sara aus. Ein gutes Beispiel für die veränderte Auswahl vom Früher zum Heute sind Superhelden. In meiner Kindheit hatte man die Wahl zwischen Superman und Batman. Und der Spinne. Spiderman hieß damals noch „Die Spinne.“ Mein Sohn kennt Superman überhaupt nicht. Neulich habe ich versucht, ihm diesen schmackhaft zu machen, aber er fand Superman uncool und damit hat er vielleicht Recht. Nick steht momentan sehr auf Iron Man, obwohl dieser nicht einmal Superkräfte besitzt, sondern nur einen Superanzug. In meiner Kindheit wäre das ein klares Ausschluss- kriterium gewesen, aber ihm sind überirdische Eigenschaften egal. Es geht ihm tatsächlich nur um Styling. Er mag deswegen auch Hellboy und Hulk. Superman, das muss man zugeben, stinkt da ziemlich ab. Gestern saß ich eine halbe Stunde vor dem Rechner, weil ich neuen Toner für meinen Drucker benötige. Es gibt den Original-Toner, der kostet freche achtzig Euro und man kann damit 5000 Seiten Papier bedrucken. Da muss man schon viele Millionen Buchstaben mit ausdrucken, bevor man sich mit dem Anschaffungspreis wohl fühlt. Es existieren nun aber mehrere Firmen, die ebenfalls Toner für meinen Drucker anbieten, allerdings sehen deren Verpackungen doof aus und die Tonercassetten ein bisschen osteuropäisch oder so. Diese Produkte seien aber kompatibel, heißt es. Und sie kosten nur ein Drittel. Soll ich das bestellen? Ich konnte mich einfach nicht entscheiden und kaufte gar nichts. Da kam Carla rein und hielt mir zwei Poster vor die Nase. Sie könne sich nicht entscheiden, welches sie aufhängen solle, meinte sie. Das eine Bild zeigte ihren Langzeitfavoriten Zac Efron. Der hat in High-School-Musical mitgespielt und er sieht krass süß aus. Den Typen auf dem anderen Bild kannte ich nicht. „Wer ist das?“ fragte ich. Sie antwortete, dass es sich um den amerikanischen Teenie-Star Justin Bieber handele und der sei so was von schnuckelig. Wen ich aufhängen würde. Ich wusste keine Antwort, aber da ich Justin Bieber nicht kannte, suchten wir bei Youtube nach Filmchen von ihm. Ganz oben auf der Liste erschien ein Interview, das jemand bei MTV mit ihm geführt hat. Er wird darin von einem amerikanischen Landsmann scherzhaft gefragt, ob er glaube, dass sein Nachname „Bieber“ im Deutschen „Basketball“ bedeute. Darauf fragt Justin, was denn das Wort „german“ in der Frage bedeute. „German“ habe er noch nie gehört, er verstünde die Frage nicht. Was denn „german“ sei. „Mein Gott, ist der doof,“ murmelte Carla, entsorgte Justin in meinem Papierkorb und hängte Zac auf. Ich halte diese Entscheidung für alternativlos. 31 . MAI 2010