Die Ibach-Orgel zu Bergen op Zoom
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Die Ibach-Orgel zu Bergen op Zoom
Ute Gremmel-Geuchen Eine deutsche Orgel in den Niederlanden Die Ibach-Orgel zu Bergen op Zoom Im September 2011 wurde die noch größte erhaltene Orgel aus der Wuppertaler Werkstatt Ibach nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten der Firma Verschueren Orgelbouw in der Sint Gertrudiskerk zu Bergen op Zoom (westlich von Eindhoven gelegen) wieder eingeweiht. Während der Zeit der Restaurierung wurden zahlreiche andere Instrumente aus dem Hause Ibach in den Niederlanden und in Deutschland besucht, um genaue Kenntnis über den Baustil der Firma zu gewinnen. Dabei wurde die Einzigartigkeit und Qualität der Arbeit der Orgelbauwerkstatt Ibach offensichtlich. Dies bezeugt nun auch die entsprechend der Zeit ihrer Erbauung, 1864, wiederhergestellte Orgel zu Bergen op Zoom. Die Orgel- und Klavierbauer Ibach 1794 gründete Johann Adolph Ibach (1766 – 1848) eine Klavier- und Orgelbauwerkstatt in Rittershausen (Stadtteil von Oberbarmen, heute Wuppertal) und verlegte diese wenig später nach Unterbarmen (heute Stadtteil von Wuppertal), wo bis heute das Werkstattgebäude erhalten ist. 1825 bzw. 1839 nahm er seine Söhne Carl Rudolph (1804 – 1863) und Richard Paul (1813 – 1889) in die Firma auf, die 1839 zu Teilhabern des Betriebes wurden. Carl Rudolph Ibach übernahm die Leitung des Klavierbaus, sein Bruder Richard Paul Ibach trug die Verantwortung für den Orgelbaubetrieb. Unter seiner Leitung wuchs die Produktion enorm an. In der Zeit von 1794 bis 1825 waren nur vier Orgeln gebaut worden, elf zwischen 1826 und 1839. Von 1840 bis 1864 wurden mehr als hundert Instrumente gefertigt, die größte Orgel mit 65 Registern auf drei Klavieren und Pedal 1860 für Valencia in Spanien. Die Gebrüder C. Rud. & Richard Ibach hatten bis zum Tod von Carl Rudolph 1863 eine international renommierte Klavier- und Orgelbaufirma aufgebaut. Nach dem Tod von Carl Rudolph Ibach übernahm dessen Sohn Rudolf Ibach (1843 – 1892) die Klavierbaufirma. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit seinem Neffen löste Richard Ibach die Verbindung und gründete 1869 die eigenständige Orgelbauanstalt Richard Ibach. Diese wurde 1889 von seinem Sohn Richard (1854 – 1904) bis zu dessen Tod fortgeführt und anschließend aufgelöst. Das Inventar ging wieder an die Klavierbaufirma über, die noch bis 2007 Bestand hatte. Geschichte der Ibach-Orgel in Bergen op Zoom Die katholische Gemeinde der Pfarre van de Heilige Maagd Maria Ten-Hemel-Opgenomen bezieht 1813 eine neue, am Grote Markt erbaute Kirche. Nachdem zunächst ein Vorgängerinstrument in die neue Kirche übertragen worden war, beschließt man 1862 den Bau einer neuen Orgel. Durch den Brüsseler Architekten Emanuel A. J. Cels, der den Kirchturm der neuen Kirche entworfen hatte und dann auch mit der 80 Bergen op Zoom, Grote of Sint Gertrudiskerk. Ibach-Orgel von 1864. Prospektgestaltung der neuen Orgel beauftragt wurde, entsteht ein Kontakt zur Brüsseler Orgelszene um den berühmten François-Joseph Fétis. Der Auftrag geht zunächst an den von Fétis empfohlenen Mainzer Orgelbauer Hermann Dreymann (1824 – 1862), der in Brüssel mehrere Orgeln gebaut hatte, die sich vor allem auch durch ihre Eignung für das Bachsche Orgelwerk auszeichneten. Im Dezember 1862 erfährt die Gemeinde jedoch vom plötzlichen Tod Dreymanns. Man reist vom 16. bis 18. Dezember des Jahres nach Barmen (damals eine eintägige umständliche Zugreise), um die Orgelbauanstalt Ibach aufzusuchen. Richard Paul Ibach hatte bei Bernhard Dreymann (1788 – 1857), dem Vater Hermann Dreymanns, das Orgelbauhandwerk erlernt. Die Mitglieder der Orgelkommission sind begeistert von der Produktionsleistung der Firma, die zu diesem Zeitpunkt den Bau von bereits 110 Instrumenten nachzuweisen hat, und erteilen den Auftrag zum Orgelneubau. Am 24. September 1864 wird die neue Orgel mit 41 Registern auf drei Manualen und Pedal in Bergen op Zoom aufgestellt. Ars Organi · 63. Jhg. · Heft 2 · Juni 2015 Bis zum Tod von Richard Ibach 1889 bleibt die Wartung der Orgel in den Händen ihres Erbauers. Danach übernehmen die Orgelbauer P. J. Vermeulen & Zonen aus Weert die Wartung. Archivalische Unterlagen deuten darauf hin, dass 1899 im Zuge der Versetzung des Instruments an die Emporenrückseite durch die Firma Vermeulen die Registerund Spielmechanik vollständig erneuert wird. Für das Jahr 1914 sind erneut Arbeiten an der Orgel nachweisbar. Neben Instandsetzungsarbeiten werden größere Veränderungen durchgeführt. Die mechanische Spielanlage wird durch eine pneumatische ersetzt. Etliche Register werden ausgetauscht. Seitlich der Orgel wird ein Spieltisch platziert. Die im Gehäuse entstehende Lücke wird mit der reich verzierten Rückenlehne der Orgelbank, die von der Gemeinde bei einem Brüsseler Bildhauer in Auftrag gegeben worden war, geschlossen. Zusammenfassend handelt es sich 1914 um einen Orgelneubau im vorhandenen Gehäuse unter Verwendung einiger Originalteile wie Pfeifen, Blasebälgen und Teilen des Lagerwerks. 1965 – 1972 wird dieses Instrument im Geist der Orgelbewegung, der in den Niederlanden seit dem Bau der Marcussen-Orgel in der Nicolaikirche zu Utrecht maßgebend wurde, stark verändert. Pfeifenfuß, angebracht. Bei den Quint- und Terzregistern sind zusätzlich Tastennamen angegeben. Außerdem haben alle Pfeifen eine Produktionsnummer, die sich rechts der Lötnaht auf dem Pfeifenkörper befindet. Auf der jeweils tiefsten Pfeife ist eine vierstellige Nummer eingraviert, die übrigen Pfeifen weisen die beiden letzten Ziffern auf. Darüber hinaus steht auf den tiefsten Pfeifen handschriftlich der jeweilige Registername. In den Jahren 1987/88 erwirbt die Gemeinde ein neues Kirchengebäude, die Grote of Sint Gertrudiskerk. Die Ibach-Orgel wird durch die Firma J. J. Elbertse & Zoon aus Soest in die neue Kirche übertragen. Disposition und Traktur bleiben dabei unverändert. Der Spieltisch wird jedoch wieder an seine ursprüngliche Position in der Orgelfront zurückversetzt. Des Weiteren werden Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Am 10. April 1988 wird die Orgel in der neuen Kirche eingeweiht. Bis 2008 bleibt das Instrument in Pflege des Orgelbauers Elbertse, der noch 1994 die Pneumatik durch Austausch sämtlicher Membranen repariert. Außerdem erhielt man auch Aufschluss über die Maße der Windladen, Pfeifenstöcke und -raster und die Spielanlage. Da jedoch die niederländischen Ibach-Orgeln im Schnitt 20 Jahre jünger sind als die Orgel in Bergen, wurden auch zahlreiche in Deutschland noch existierende Ibach-Orgeln zu Rate gezogen, deren Bauzeit um 1860 liegt (Halver, ev. Kirche; Hückeswagen, Johanniskirche; Fleckenberg, St. Antoniuskirche; Wichlinghausen, ev. Kirche; Meiningsen, ev. Kirche; Roggendorf, ev. Kirche). Bereits seit dem Jahr 1991 wird über eine Restaurierung und Rekonstruktion der ursprünglichen Orgel nachgedacht. Nach Bereitstellung der finanziellen Mittel wird endlich 2009 auf Grundlage zweier ausführlicher Berichte des Orgelsachverständigen Jan Jongepier aus Leeuwarden mit einer grundlegenden Restaurierung begonnen. Leider kann Jan Jongepier aus gesundheitlichen Gründen das Projekt nicht bis zum Ende begleiten; er ist 2011 verstorben. Roger van Dijk, als Sachverständiger des Auftraggebers und Rudi van Straaten vom Denkmalamt übernehmen die Fachaufsicht. Die Restaurierung der Ibach-Orgel Die niederländische Firma Verschueren Orgelbouw aus Heythuysen bei Roermond erhielt den Auftrag für Restaurierung und Rekonstruktion des Instruments. Im Januar 2009 wurde das innere Orgelwerk in die Werkstatt verbracht. Das Orgelgehäuse und der große Magazinbalg blieben in der Kirche, um dort restauriert zu werden. Zunächst wurden die Pfeifen sortiert, was durch die deutliche Beschriftung durch den Orgelbauer Ibach erleichtert wurde: Die Pfeifeninschriften sind stets links von der Lötnaht, sowohl auf dem Pfeifenkörper als auch auf dem Ars Organi · 63. Jhg. · Heft 2 · Juni 2015 Nach der Inventarisierung des Pfeifenwerkes konnten Mensurtabellen angefertigt werden, die auch als Grundlage für den Bau der Windladen dienten. Die Laden des ersten und zweiten Manuals waren in ihrer Größe durch die noch vorhandenen Lagerwerke definiert. Um die Mensuren und die sonstigen Maße und Kon struktionsdetails der Windladen genau bestimmen zu können, wurden darüber hinaus andere aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Orgeln vermessen, die IbachOrgeln in Deventer und Aartswoud sowie die Meijer-Orgel in Wildervank. Einige fehlende Register, vor allem die Zungenstimmen, konnten so nachgebaut werden. Gehäuse, Schwellkasten, Prospektpfeifen Das Gehäuse wurde durch vorsichtiges Abtragen jüngerer Farbschichten in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Neu hinzugefügte Teile im Bereich des Spieltisches wurden entsprechend angepasst. Der Schwellkasten für das dritte Manual war vermutlich bereits 1899 stark verändert und 1914 gänzlich erneuert worden. Auch dieser neue, vergrößerte Schwellkasten existierte mittlerweile nicht mehr. In Ermangelung eines konkreten Vorbilds aus dem Hause Ibach entschied man sich für die Herstellung eines einfachen Schwellkastens mit Schwelltüren an der Frontseite und im Dach des Kastens. Der Schweller kann mittels Fußtritt rechts oberhalb der Pedalklaviatur vollständig geöffnet bzw. geschlossen werden. Ein allmähliches Öffnen und Schließen ist nicht möglich. Bei geöffnetem Schweller muss der Tritt eingerastet werden. Die Prospektpfeifen sind teilweise aus Zink, das mit starkem Blattzinn (Zinnfolie) überzogen ist, teilweise aus Orgelmetall. Die Labien sind vergoldet. Schadhafte Pfeifen wurden entsprechend diesem Befund wiederhergestellt. Später hinzugefügte Bärte und Rollbärte wurden entfernt. 81 Firmenschild über der Klaviatur. Windversorgung Der originale Hauptbalg und das elektrische Gebläse befinden sich im Turm. Von den fünf Regulatorbälgen existierten nur noch zwei. Sie waren bereits 1988 restauriert worden und mussten nur ausgebessert werden. Die übrigen konnten nach deren Vorbild rekonstruiert werden. Die Windkanäle wurden in ihren Maßen an die Anschlüsse in den Bälgen angepasst und aus Kiefernholz angefertigt. Für die Manualwerke wurden Sperrventile eingefügt; für das Pedalwerk war dies aus technischen Gründen nicht möglich. Auf den ohnehin nicht originalen Tremulanten wurde verzichtet. Die rekonstruierte Spielanlage und die originale Bank mit ihrer reich verzierten Rückenlehne. Aufstellung des inneren Werkes Aus den Archivalien war ersichtlich, dass das Pedal auf zwei Laden für Groß- und Kleinpedal aufgeteilt gewesen war. Dieser Aufstellung sollte auch die Restaurierung Rechnung tragen. Allerdings sollte der Zugang zur Orgel – bisher über eine durch den Emporenboden geführte Treppe – verlegt werden, um mehr Raum für das Pedal zu gewinnen. Die Pedalladen wurden mit doppelten Kanzellen und Ventilen versehen, um so das Aus- und Einschalten von Groß- bzw. Kleinpedal mit einem Registerzug zu ermöglichen (Pedal Forte). Die Pedalladen wurden unten im Gehäuse, hinter dem Stimmgang der Manuale I und II platziert. Die größten Pfeifen des Violonbass 16' und des Principal 16' stehen auf Höhe von Manual I und II auf einer separaten Lade. Die Aufstellung der Pfeifen des Positivs und des Hauptwerks ergab sich zum einen aus der nachweisbaren Aufstellung der Prospektpfeifen und zum anderen aus dem größtenteils erhaltenen Unterbau, der nur teilweise erneuert werden musste. Das dritte Manual fand über den beiden anderen Werken hinter der Prospektfront Aufstellung. Der Spieltisch steht zentral im Unterbau der Gehäusefront. 82 Klaviaturen und Mechanik Die originale Klaviatur und die komplette Register- und Spielmechanik waren nicht mehr vorhanden. Man entschied sich dafür, die Klaviaturen der Ibach-Orgel zu Hückeswagen (1857) als Vorbild zugrundezulegen. Diesem Muster entsprechend wurden die Untertasten mit Ebenholz und die Obertasten mit Bein belegt. Die Klaviaturbacken sind aus geschwärztem Ahornholz gefertigt. Die Registerknöpfe bestehen aus Ebenholz mit eingelegten Porzellanschildern. Die Art der Beschriftung ist an die der Orgel in Hückeswagen angelehnt. Die Schreibweise entspricht dem im Archiv befindlichen Einweihungsbericht von 1864. Die einzigartige Orgelbank mit der reich verzierten Rückenlehne wurde wieder instandgesetzt. Die Spiel- und Registermechanik wurde nach den verschiedenen Vorbildern rekonstruiert. Wellen und Abstrakten sind aus Kiefernholz gefertigt, Arme und Winkel aus Ahorn. Ahorn wurde statt Buchenholz gewählt, um einem Holzwurmbefall vorzubeugen, der bei Ibach-Orgeln häufig anzutreffen ist. Die Registerstangen wurden aus Eisen hergestellt. Windladen Alle Windladen mussten neu gebaut werden. Entsprechend der Orgel zu Deventer ist die Tonfolge der Laden chromatisch. Laden und Pfeifenstöcke wurden aus Eiche gefertigt. Ars Organi · 63. Jhg. · Heft 2 · Juni 2015