„7 Wochen mit … oder ohne?“ Andacht für die 6. Woche der

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„7 Wochen mit … oder ohne?“ Andacht für die 6. Woche der
„7 Wochen mit … oder ohne?“
Andacht für die 6. Woche der Passionszeit (9.4. – 15.4.2014)
Verzicht als Gewinn
Wer verzichtet schon gerne? Niemand, denn Verzicht hat etwas mit Einschränkung, Entsagung oder Entbehrung zu tun. Christinnen und Christen spüren in den sieben Wochen vor
Ostern dem Leidensweg Jesu nach und verzichten in dieser Zeit ganz bewusst auf etwas, das
ihnen sonst wichtig ist. Verzicht bedeutet nicht nur Entbehrung, sondern kann auch eine
heilsame Wirkung haben. Verzicht kann mir dabei helfen, mich selbst deutlicher zu erkennen
und wieder wahrzunehmen, was ich wirklich für mein Leben brauche. In der Fastenzeit kann
ich immer wieder neu lernen, das loszulassen, was mich von Gott wegführt.
Als Verzicht auf Ablenkung kann zum Beispiel der Entschluss gefasst werden, in der Fastenzeit weniger fernzusehen. Dadurch, dass der Fernseher ausgeschaltet bleibt, gewinne ich Zeit
für mich, Zeit für ein gutes Buch, Zeit für Meditation und Gebet oder Zeit für meine Mitmenschen. Durch den Verzicht auf das Fernsehen gehe ich vielleicht abends weniger aufgewühlt
ins Bett, bekomme mehr Schlaf und bin ruhiger und ausgeglichener. Verzicht kann Gewinn
bedeuten, indem ich die Fastenzeit als eine Zeit verstehe, die mich näher zu mir und näher zu
Gott führen kann.
Übung
Schließen Sie die Augen und überlegen Sie: Worauf könnten Sie - für eine gewisse Zeit –
verzichten?
Sieben Wochen ohne Geiz
Verzicht ist etwas anderes als Geiz. Wer geizig ist, hat in erster Linie sich selbst im Blick, um
für sich selbst immer mehr anzuhäufen. Vor ein paar Jahren machte ein großer Konzern mit
dem Slogan „Geiz ist geil“ auf sich aufmerksam und warb mit der Lust am Sparen. Aber letztendlich macht Geiz einsam, denn wer sich nur um sich selbst kümmert, steht schließlich alleine da. Für den Apostel Paulus war Geiz die Wurzel allen Übels.
„Sieben Wochen ohne Geiz!“, so lautete 2008 das Thema der EKD-Fastenaktion. „Vertragen
sich Fasten und Verschwendung?“, fragte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber provokativ und kam zu dem Schluss, dass Verschwendung in der Fastenzeit nicht nur in
Bezug auf Geld zu verstehen sei, sondern dass es auch einen großzügigen Umgang mit Zeit
meint, eine „Verschwendung“ meiner Zeit und Zuwendung an andere.
Übung
Schließen Sie die Augen und überlegen Sie: Was könnte ich lustvoll verschwenden?
(z.B.: Ihre Aufmerksamkeit für ein Gespräch, Ihre guten Worte an ungelobte Mitmenschen,
Ihre Freundlichkeit an einen Kranken, Ihre Zeit für großzügige Gastfreundschaft etc.).
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„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns
Gier.“ (Mahatma Gandhi)
Schon vor über 70 Jahren hat Mahatma Gandhi die Situation treffend beschrieben. Und doch
hat sich gerade die Gier in den vergangenen Jahren stark ins globale Bewusstsein gedrängt.
Der Preis für Grundnahrungsmittel hat sich durch Börsenspekulationen von Großbanken
und Nahrungsmittelkonzernen drastisch erhöht, bei Mais und Weizen hat sich der Preis nahezu verdoppelt. In Äthiopien und anderen afrikanischen Staaten wurden rund 41 Millionen
Hektar fruchtbares Ackerland von ausländischen Unternehmen gekauft, auf denen statt Nahrung für die dort lebenden Menschen jetzt entweder sogenannte „cash crops“ angebaut werden (also Weizen oder Mais, mit denen man an der Börse spekulieren kann) oder Schnittblumen für Europa und Amerika oder auch Pflanzen für „Biosprit“.
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Wenn wir
diesen Satz Gandhis ernst nehmen, müssen wir sowohl unser eigenes Konsumverhalten hinterfragen als auch unsere Geldanlagen. Fast alle Banken bieten Fonds an, in denen auf Nahrungsmittel spekuliert wird. Steigt der Preis für Weizen oder Mais, erhöht sich die Rendite
des Fonds und damit auch unsere Zinsen. Dies hat tödliche Folgen für die Menschen in den
armen Ländern, die sich dann die Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können. Wenn
wir Geld anlegen – auch wenn es nur kleine Summen sind, müssen wir uns informieren, worin und bei wem wir investieren.
Glücklich ohne Geld
Immer wieder wird in der Presse von Menschen berichtet, die ein „Leben ohne Geld“ wagen.
Mit ihrem Verzicht wollen sie auf die Verantwortung gegenüber der gesamten Welt aufmerksam machen und darauf hinweisen, dass die Konsumgesellschaft ökologische und soziale
Probleme verursacht: Auf der einen Seite gibt es eine riesige Verschwendung an Lebensmitteln, eine Überfischung der Ozeane und vieles mehr, und auf der anderen Seite verhungern
täglich Tausende von Menschen. Der 30-jährige Raphael Fellmer oder auch die 60-jährige
Heidemarie Schwermer setzen ein deutliches Fragezeichen hinter die Überflussgesellschaft,
in der wir leben. Heidemarie Schwermer schreibt: „Mit meinem Leben ohne Geld gebe ich
Denkanstöße. Für viele Menschen bin ich eine Provokateurin, aber anderen diene ich als
Mutmacherin. Ich bin keine Missionarin, die alle Menschen zur Geldaufgabe bekehren möchte. Vielmehr geht es mir darum, Mut zu machen, den eigenen Weg zu entdecken und ihn
dann Schritt für Schritt zu gehen. Dass aus meinem Experiment eine neue Lebensform geworden ist, die schon so lange dauert, hätte ich nicht für möglich gehalten. … Die Aufgabe des
Geldes hat mich in eine neue Lebensqualität gebracht, die mit innerem Reichtum statt außerem, mit Freiheit statt Abhängigkeit, mit Großzügigkeit statt Horten zu tun hat.“
„Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er
viele Güter hat.“ (Lk 12,15)
Unmittelbar vor dem Gleichnis vom reichen Kornbauern steht diese Warnung Jesu. Vielleicht hat Jesus dabei an die reichen Landbesitzer gedacht, die die Ernten zurückhielten, um
bei eintretender Hungersnot höhere Preise für ihr Getreide zu erhalten. Spekulation mit Nahrungsmitteln auf Kosten anderer. Dieses Thema ist nicht neu. Aber wir werden immer wieder
neu aufgefordert, darüber nachzudenken, wie wir mit dem umgehen, was Gott uns anvertraut
hat. So kann der Verzicht auf das berechnende Habenwollen zu mehr Solidarität führen und
zu einer bewussteren Wahrnehmung, was ich im Leben wirklich brauche.
Christine Kucharski
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Gebet
Mögest du weitergehen
die Saat der Gerechtigkeit säen
edle Visionen nähren
sanfte Weisheit ernten.
Mögen Geduld und Leidenschaft
dein Samenkorn sein.
Mögen Gottes gute Gaben
deine Hände reichlich füllen.
Mögen in dir sich verbinden
Dankbarkeit und Mut.
Möge durch dich geteilt werden
das Brot des Heils.
Amens.
(Antoinette Brem)
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