Sonderdruck 100.000 Hymer2

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Sonderdruck 100.000 Hymer2
SONDERDRUCK
1961
Der Caravano ist Hymers
erstes Reisemobil.
1968
Ein Großbrand vernichtet
das gesamte Hymer-Werk.
1971
Das erste Hymermobil entsteht (hier das Modell ’74).
1976
Erstes Hubbett über dem
Fahrer: Hymermobil 521.
1979
Mit der S-Klasse gelingt
Hymer ein Meilenstein.
Erwin Hymer signiert das 100 000. Hymer-Reisemobil, einen Camp-Classic-Alkoven.
100 000
HYMER hoch
Jubiläum: Ende Oktober rollte das 100 000. HymerReisemobil vom Bad Waldseer Band. Eine Zeitreise.
D
er Schwabe, so heißt es,
werde erst mit 40 schlau.
Bei Erwin Hymer, einem
waschechten Oberschwaben,
muss die Zeit deutlich schneller
vergangen sein. Denn der Sohn
des Firmengründers Alfons Hymer und heutige Aufsichtsratsvorsitzende der Hymer AG war
schon mit 27 schlau. FlugzeugIngenieur und Automobilnarr
Hymer tüftelt zusammen mit
Erich Bachem an einem Wohnwagen: Der Ur-Troll, ein kleiner
Wohnwagen mit aufstellbarem
Dach, erblickte 1957 das Licht
der Welt. Konstrukteur: Erwin
Hymer. Seine Mitstreiter: Raketenbau-Pionier Erich Bachem,
der den Eriba-Wohnwagen aus
dem Hause Hymer bis heute seine Initialen gibt, und Bernhard
Jehne, bis zu seinem Tod im
Sommer 2004 einer von Erwin
Hymers engsten Mitarbeitern.
Mit dem Ur-Troll, den Hymer
auf Wunsch seines Vaters im
Auftrag von Bachem fertigt,
nimmt eine Erfolgsgeschichte
ihren Lauf, wie sie nur in den
Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders der 60er ablaufen konnte. Im ersten Produktionsjahr entstehen schon 167
Caravans, schnell rollt ein
Wohnwagen pro Tag vom Band,
1959 sind es bereits 455 Stück,
ein Jahr später sogar doppelt so
viele. Das Caravan-Geschäft
boomt. Doch Autofan Erwin
Hymer hat einen Traum: den
vom motorisierten Wohnwagen. Vier Jahre nach dem Caravan zeigt Hymer folgerichtig
REPORT 100 000. HYMER-REISEMOBIL
DIE ERFOLGREICHSTEN HYMER-LINIEN
Erfolg lässt sich am besten in
Prozentzahlen messen. Wer also ist
der Erfolgreichste im Hymer-Land?
Sind es die Integrierten, mit denen
Erwin Hymer der Durchbruch gelang und deren Typus er berühmt
machte, oder liegen die Alkovenmodelle aus Bad Waldsee um Nasenlänge vorn? „Die Integrierten
machen drei Viertel der Verkaufszahlen bei Hymer aus“, so heißt es
nahezu unisono, wenn man Experten befragt. Ein Trugschluss: Die
Integrierten, also B-Klasse, B-Clas-
Hymer-Wahrheit: Die
Integrierten liegen vorn.
sein erstes Reisemobil, den
Caravano. In den für damalige
Zeiten teuren Borgward-Ausbau (das Basisfahrzeug 10 910
Mark, der Ausbau 6800 Mark)
mit wahlweise 42-PS-Diesel
oder 60-PS-Benziner integriert
Erwin Hymer sein vom Caravan
bekanntes Hubdach. Exoti-
sic (auf Fiat und Mercedes), BStarline, E-Klasse, S-Klasse und
die im französischen Hymer-Werk
produzierten Eriba-Jet-Modelle,
bilden jedoch „nur“ knapp 50 Prozent der bisher produzierten
100 000 Hymer-Reisemobile ab.
Besser als gedacht sieht es
dagegen mit den Alkoven-Anteilen
von Camp, Camp GT und Camp
Starline am Hymer-Erfolg aus: Gut
40 Prozent der bislang gebauten
Fahrzeuge der Hymer-Flotte hatten
eine Nase überm Fahrerhaus. Das
ist dem großen Anteil an AlkovenFahrzeugen im Vermietgeschäft zuzuschreiben (siehe dazu auch Beitrag auf Seite 72).
Die letzten zehn Prozent des
100 000er-Kuchens teilen sich die
Teilintegrierten von Hymer und Eriba (ca. 7,5 %) sowie die nicht mehr
gebauten Kleinfahrzeuge wie Hymercar oder Hymervan.
mann + Bischoff und Laika. Die
Marken Dethleffs, TEC und
LMC gehören Erwin Hymer
ebenfalls noch.
Das Jahr 1968 beendet die Erfolgsstory des Wohnwagenbaus
in Bad Waldsee abrupt. Ein
Großbrand vernichtet am 13.
März fast die gesamte Firma.
Produktionsanlagen, das Materiallager und alle gerade gebauten Fahrzeuge werden ein Raub
der Flammen. Das Ende? Mitnichten. Die Produktion geht
ohne Unterbrechung weiter,
zum Teil unter freiem Himmel.
„Hymer ist in diesem Jahr eine
Familie geworden“, sagt Erwin
Hymer im Oktober 2004 über
diese turbulente Zeit.
Zehn Jahre nach dem Caravano aber nimmt Hymer einen
zweiten Anlauf aufs Reisemobil. Seine Caravan-Geschäfte
boomen, mittlerweile sogar
international, die Jahresproduktion erreicht die 3000erGrenze. Da unternimmt Hymer
den, wie man heute weiß,
wichtigsten Schritt zum Erfolg:
1971 präsentiert er das erste
„echte“ Reisemobil von Hymer,
das Hymermobil 550 mit 7,40
Meter Länge. Später Inbegriff
für die Integrierten aus Bad
Waldsee, steht Hymermobil
beim Erstling jedoch für einen
Teilintegrierten. Er besteht aus
einem Wohnwagen auf einem
Mercedes-Transporter L 508.
Das in Einzelfertigung gebaute
Fahrzeug kostet 38 900 Mark –
und wird sehr schnell zum Renner: 1973 und ’74 verlassen jeweils etwa 100 Hymermobile
Bad Waldsee.
Schon 1974 kann Erwin Hymer eine eigene Fertigungsstraße für Reisemobile in Be-
legt Hymer das Thema Ende
1961 ad acta. Unfreiwillig, denn
die Bremer Borgward-Werke
schlittern in den Konkurs.
Jungunternehmer Erwin
widmet sich fortan besonders
dem stark wachsenden Wohnwagengeschäft und bastelt bereits an seinem Firmenimpe-
START M IT WOH NWAG E N
sches für eine in diesem Jahrzent des Aufbruchs exotische
Fahrzeuggattung: Das Kraftfahrt-Bundesamt weist zu dieser Zeit einen Bestand von gerade einmal 209 Reisemobilen
in Deutschland aus. Die meisten davon tragen das VW-Logo
und beherbergen einen Westfalia-Ausbau.
Doch die Caravano-Historie
soll eine kurze Episode bleiben:
Nach nur drei Reisemobilen
1980
Hymers Erfolgsmodell der
Zukunft – die B-Klasse.
rium. Getreu seinem urschwäbisch geprägten Motto „Die
beste Versicherung für die Zukunft sind heute schon gute
Zahlen“ kauft Hymer seinem
ehemaligen Arbeitgeber Dornier eine AluminiumleiternFertigung ab. Fortan hat er zwei
Standbeine, die er im Laufe der
Jahrzehnte erweitert. Heute ist
der 1930 Geborene Mehrheitseigner der Hymer AG mit den
Marken Hymer, Bürstner, Nies-
1982
Hymer holt die Alkovenfertigung nach Waldsee.
Die komplette Hymer-Story: Für 29,90 Euro zzgl. 2,95 Euro Porto +
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1984
Stabilitätsprüfung mit
einem Eriba-Wohnwagen.
1986
Einzelmodell, das spätere
prägt: Hymermobil 880.
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1992
Die S-Klasse Ende ’92 mit
silbernen Kantenleisten.
trieb nehmen, auf der auch das
zweite Reisemobilmodell hergestellt wird, das Hymermobil
462. „Damit wollten wir Leute
mit weniger Geld locken“, erinnert sich Erwin Hymer. Der
462, ein schickes Fahrzeug, mit
2,8 Tonnen Gesamtgewicht
deutlich leichter als der 550
und zudem einen Meter kürzer.
Ein Fahrzeug zudem, das Erwin
Hymer noch gerne fahren
möchte: „Die Sechs-Meter-Klasse, die ist mir die liebste.“ Das
sagt einer, der auch heute noch
jedes Fahrzeug aus seinem
Haus aus dem Effeff kennt und
„immer was verändern möchte“, wie die Ideenmaschine Erwin Hymer gerne zugibt.
Mit der Einrichtung des Reisemobilproduktionsbands im
Jahr ‘74 verfolgt Hymer eine
1992
Verkaufsschlager
B-Klasse im Jahr 1992.
den Wohnraum einbezogen ist,
besetzt Hymer konsequent, zuerst mit den Modellen Hymermobil 660 und 720, später mit
620 und 520. Charakteristisch
ist ihr „Hymer-Gesicht“ mit der
geteilten Windschutzscheibe.
„Es beginnt die Zeit, in der das
Wort Hymermobil zum Synonym für das Reisemobil wird“,
heißt es über die späten siebziger Jahre in der Hymer-Chronik
von Adi Kemmer und Randolf
Unruh (siehe Foto rechts).
Die Jahresfertigung liegt
damals bereits bei über 1000
Reisemobilen. Kein Wunder,
der Markt wächst gigantisch
schnell, zudem gibt es eine
stattliche Zahl an Innovationen. Eine davon ist das Hymermobil 521 aus dem Jahr 1976,
ein Integrierter auf Bedford, in
1993
Hymer-Vorstand Burkert
(l.) mit E-Klasse-Entwurf.
bil in Deutschland den Durchbruch gebracht, glaubt Erwin
Hymer. Denn: Vier Personen
finden in dem kompakten Fahrzeug einen Schlafplatz.
Noch vor den 80ern entwickelt Hymer sein bis heute einzigartiges System des Wandaufbaus, die Pual-Bauweise.
Pual steht für Polyurethan und
Aluminium und bezeichnet eine Fertigungsweise, bei der die
Wände ausgeschäumt und mit
Metallprofilen verstärkt werden. Der Aufbau nimmt also
keine Feuchtigkeit auf und verfügt über gute Isolationswerte,
weil kaum Kältebrücken entstehen können. Auch die Präsentation des Hymermobils 900 fällt
in dieses Jahrzehnt.
Noch sind die 80er Jahre
nicht angebrochen, gelingt mit
1994
Zwischen B- und S-Klasse fährt nun die E-Klasse.
1996
Edler Starline-Integrierter auf Sprinter-Basis.
1998
Teilintegrierter für weniger
Geld: Hymertramp 574.
2000
Die bisher eleganteste
S-Klasse rollt vom Band.
2000
Sachte renoviert: die BKlasse mit Doppelboden.
2003
Mit dem Exsis gelingt Hymer ein großer PR-Erfolg.
ZWE I SON DE RMODE LLE Z U M J U BI LÄU M
Idee, die dem Unternehmen
den endgültigen Durchbruch
bringt: der Integrierte. Die Königsklasse des Reisemobils, bei
der das Fahrerhaus komplett in
dem Hymer erstmals ein absenkbares Doppelbett einbaut.
Dieses mit 36 000 Mark vergleichsweise günstige Fünf-Meter-Modell habe dem Reisemo-
FEIERN MIT B- UND CAMP-CLASSIC
Große Ereignisse werfen ihre
Schatten voraus. Erst deutlich
nach dem Stapellauf des 100 000.
Hymer-Reisemobils darf die Fangemeinde der Marke aus Bad Waldsee mitfeiern – zur Stuttgarter
Fachmesse CMT (15.–23. Januar
2005) wird Hymer zwei Sondermodelle zum Jubiläum präsentieren.
Gedacht ist derzeit an den Integrierten B-Classic, der zur Saison
2004/2005 außen stärker gerundet
auftritt und innen das Ambiente
der B-Klasse erhielt. Sondermodell
Nummer zwei ist ein Alkoven: der
Camp-Classic, Inhaber einer Dauerkarte auf dem Podest bei der alljährlichen promobil-Leserwahl.
Grundrisse stehen noch nicht fest.
B-Classic: Sondermodell
des Klassikers zur CMT.
Camp-Classic: 2005 auch
mit 100 000er-Edition.
der S-Klasse ein weiterer Hymer-Coup, dem ein Jahr später
ein Geniestreich folgt: die BKlasse, der Volkswagen unter
den vollintegrierten Reisemobilen und bis heute die erfolgreichste Baureihe des Hauses.
Eine Erfolgsgeschichte, aber
keine ohne Makel. 1993 präsentieren die Hymer-Vorstände
Hans-Jürgen Burkert und Claus
Pacchiaffo (Bild oben) in promobil Zeichnungen der E-Klasse, mit der Hymer das Beste von
S- und B-Klasse vereinen möchte. Ein Jahr später wird die Baureihe präsentiert, verschwindet
aber schnell wieder. Ein Streit
mit Mercedes um den Begriff EKlasse stoppt Hymer. Der steckt
auch diese Niederlage weg. Das
Cleverle hat bis heute andere
Überraschungen parat ...
Text: Thomas Seidelmann
Fotos: Archiv, Seidelmann
promobil 12/2004
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