Gott trägt durch - Auferstehungskirche Schweinfurt

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Gott trägt durch - Auferstehungskirche Schweinfurt
Brunch-Predigt März 2012: Gott trägt durch (Rick Hoyt)
Ich habe euch heute eine Geschichte mitgebracht, die mich sehr beeindruckt hat.
Eine Geschichte von einem Vater und seinem behinderten Sohn.
Bruc
Dazu muss ich ein bisschen ausholen:
Die Geschichte handelt von Dick Hoyt (geboren 1940), einem Amerikaner aus Massachusetts.
Dieser Dick Hoyt bekam im Jahre 1962 einen Sohn, dem er und seine Frau den Namen Rick gaben.
Leider gab es bei der Geburt Schwierigkeiten: die Nabelschnur wickelte sich um den Hals und sein
Gehirn wurde nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Rick kam behindert zur Welt.
Der medizinische Fachausdruck lautet infantile Zerebralparese (frühkindliche Hirnschädigung), also
eine Störung des Nerven- und Muskelsystems, so dass Rick nie richtig seinen Körper kontrollieren
kann. Die Ärzte prognostizierten, dass der Junge wohl auch über keine kognitiven Fähigkeiten
verfügen würde, also nie richtig denken bzw. Informationen verarbeiten könne.
Ein schwer körperlich behindertes Kind, das wohl lebenslang auf intensive Betreuung und
Versorgung angewiesen sein wird.
Im Alter von 9 Monaten sagten die Ärzte „Er wird wohl den Rest seines Lebens nur dahinvegetieren.
Geben Sie ihn in ein Heim.“
Aber die Hoyts wollten das nicht glauben. Sie beobachteten, wie Ricks Augen ihnen folgten, wenn sie
sich im Raum bewegten. Als Rick 11 Jahre war, brachten sie ihn zu einer Universität, um
herauszufinden, ob es irgendetwas gab, irgendeine technische Möglichkeit, die ihrem Sohn die
Kommunikation ermöglichen könnte.
„Keine Chance“, beschied man Dick, „in seinem Gehirn passiert gar nichts.“
„Erzählen Sie ihm einen Witz“, entgegnete Dick.
Und tatsächlich, Rick lachte. Es zeigte sich, dass sein Gehirn sehr aktiv war.
Man baute ihm einen Computer, auf dem er einen Cursor mit der Seite seines Kopfes steuern konnte
und dadurch war schließlich Rick in der Lage, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Er konnte
damit sogar eine Schule besuchen.
Es zeigt sich schnell, dass Rick wohl eine große Sportbegeisterung besaß.
Und als ein Klassenkamerad durch einen Unfall gelähmt wurde und die Schule einen Benefizlauf für
ihn veranstaltete, formulierte Rick: „Papa, ich will da mitmachen.“
Wie sollte denn das funktionieren? Wie sollte Dick, der nicht gerade der Sportlichste war, seinen Sohn
fünf Meilen weit schieben?
Er versuchte es trotzdem.
„Und dann war ich der Behinderte“, sagte Dick, „ zwei Wochen lang hatte ich Muskelkater.“
Aber dieser Tag änderte Ricks Leben. „Papa“, schrieb er mit seinem Computer, „als wir gelaufen sind,
hat es sich angefühlt, als sei ich nicht mehr behindert!“
Und dieser Satz änderte Dicks Leben.
Er wurde geradezu besessen von der Idee, dieses Gefühl, sich durch Sport/beim Laufen/im Wettkampf
nicht behindert zu fühlen, seinem Sohn so oft wie möglich zu verschaffen.
Er trainierte so lange, bis er die körperliche Form erreicht hatte, um 1979 am Boston Marathon
teilzunehmen.
Das war aber gar nicht so einfach!
Da die Hoyts weder Einzelläufer noch Rollstuhlteilnehmer waren, passten sie in keine Kategorie.
Deshalb wollte sie der Veranstalter nicht starten lassen.
Ein paar Jahre lang schlossen sich deshalb Dick und Rick dem Marathonfeld unangemeldet an, bis sie
eine Möglichkeit fanden, offiziell starten zu dürfen. 1983 liefen sie einen Marathon so schnell, dass sie
sich damit für den Boston Marathon im Jahr darauf qualifizierten.
Der Vater läuft einen Marathon und schiebt dabei seinen Sohn!!
Eines Tages schlug irgendjemand vor: „Hey, Dick, warum probiert ihr nicht einen Triathlon?“
Triathlon – das sind 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und danach noch eine MarathonLaufstrecke mit 42,195 km Länge.
Wie sollte ein Kerl, der niemals richtig schwimmen gelernt und schon jahrelang nicht mehr ernsthaft auf
einem Rad gesessen hatte, an einem Triathlon teilnehmen und dabei ein ca. 50 Kilo schweres Kind
durchtragen?
Egal, Dick versuchte es. Er wollte es unbedingt. Er trainierte – besser: sie trainierten gemeinsam,
suchten nach Wegen, das technisch möglich zu machen – und schafften Erstaunliches:
Dick und sein behinderter Sohn Rick nahmen beide an einem Triathlon teil.
Video:
youtube: My Redeemer Lives - Team Hoyt.mp4
http://www.youtube.com/watch?v=W6xb0S0XSWo&feature=related
Bewegende, beeindruckende Bilder, wie ich finde.
Mittlerweile sind Vater und Sohn gemeinsam – und immer nur gemeinsam – zahlreiche Rennen,
Marathons, Langstreckenläufe gelaufen. 1992 fuhren sie mit dem Fahrrad in 45 Tagen mehr als 6.000
km quer durch die USA.
Im Jahre 2009 war der Boston Marathon ihr offiziell 1000. Rennen (!).
Der behinderte Sohn Rick erwarb übrigens einen Abschluss an der Boston University und arbeitet
heute am Boston College!
Die Geschichte ist nicht erfunden, wer will, kann im Internet unter ‚Team Hoyt’ (www.teamhoyt.com)
nachlesen oder googlen.
Warum erzähle ich euch die Geschichte?
Als ich dieses Video zum ersten Mal sah, hat es mich tief berührt und bewegt.
Ich denke, es gibt einige biblische Parallelen und Bilder, die sich in der Geschichte widerspiegeln.
Ich habe meiner Predigt die Überschrift ‚Gott trägt durch’ gegeben und möchte euch einladen, dass wir
unter diesem Blickwinkel auf den Vater und sein Kind schauen.
Ich mute euch da jetzt etwas zu:
Lasst uns diesen Vater, Dick Hoyt, einmal als Bild für Gott nehmen und den behinderten Sohn Rick
mit uns als Menschen, als Christen vergleichen.
Ich weiß – es ist schon eine gewisse Zumutung, und Bilder hinken ja bekanntlich an der einen oder
anderen Stelle, aber lasst uns doch mal mutig in diese Richtung denken:
Da ist dieser Vater.
Der Vater, der von Anfang an, von Geburt an, ein bedingungsloses ‚Ja’ zu seinem Sohn hat – auch
wenn nicht alles nach Plan verlaufen ist.
Ein ‚Ja’, das sich auch nicht beirren lässt, von pessimistischen Aussagen Außenstehender: Da ist nichts
zu machen! Geben Sie es auf! Geben Sie Ihren Sohn weg!
Nein, er lässt sich nicht davon abbringen.
Er glaubt an ihn, beobachtet, hofft und nutzt jede Gelegenheit um den Sohn irgendwie zu erreichen,
mit ihm zu kommunizieren.
Und er findet Möglichkeiten – erst mit den Tests an der Uni und dem Computer, der dem Sohn die
Verständigung ermöglicht hat.
Und dann, als er merkt, das Sport, das Laufen, eine Ebene ist, auf der er seinen Sohn erreichen kann,
lässt er sich auf diese schon fast aberwitzige Sache ein: Ein Untrainierter, fast schon Unsportlicher quält
sich, kämpft, trainiert, gibt alles – für seinen Sohn und um mit seinem Sohn etwas zu erreichen.
Das hat unheimlich viel gekostet:
jede Menge Zeit und Geld – für das Training, die Vorbereitungen, die Ausrüstung, die Reisen, die
Rennen…
körperliche Schmerzen, den Körper an die Belastung erst mal heranzuführen, immer wieder zu
trainieren, den ‚toten Punkt’, an dem man am liebsten stehen bleiben und aufhören will, zu überwinden;
diese enormen Belastungen, Schmerzen während und nach den Rennen;
2009 beim 1.000sten Rennen war der Vater schon fast 70 Jahre alt!!
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er zusätzlich zu sich selber – was schon schwer genug ist – ja
noch eine weitere Person über die Strecke schleppen muss!
ungemeine mentale Anstrengung; die negativen Aussagen von außen: ‚Was soll denn der Quatsch?’
‚Ihr dürft nicht starten!’ und auch das stundenlange, einsame Trainieren, wie es im Ausdauersport
wichtig ist.
Dieser totale Einsatz in unterschiedlichsten Bereichen: Das Sich-nicht-beirren-Lassen, an dem
bedingungslosen Ja zu seinem Kind festzuhalten, nicht aufgeben und sich das Ganze enorm viel
kosten zu lassen – ich denke, da steckt eine ganz tiefe Liebe dahinter.
Eine Liebe, die uns in ähnlicher, in noch tieferer Form in der Bibel begegnet:
„So sehr hat Gott die Welt geliebt“ – ihr kennt wahrscheinlich diese bekannte Stelle aus Joh 3,16, „dass Er seinen eingeborenen Sohn gab,
damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass Er die Welt richte,
sondern dass die Welt durch Ihn gerettet werde.“
Gott, der Vater, hat sich nicht beirren lassen von dem, was alles so schief läuft und schief gelaufen ist,
auch in unserem Leben.
Gott liebt uns! Er liebt dich und mich!
Er liebt uns so sehr, dass Er es sich unheimlich viel hat kosten lassen:
Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Nimmt eine ungewohnte, anstrengende Rolle ein, um mit uns in Kontakt zu treten.
Gott lebt als Mensch auf dieser Erde, lässt sich verspotten und auslachen – und macht trotzdem weiter,
geht seinen Weg weiter, um Menschen zu helfen, von Gottes Reich zu erzählen, sie zur Umkehr zu rufen.
Teilweise war er dabei sehr einsam und alleine.
Und zeigte höchsten körperlichem Einsatz, der ihm alles, wirklich alles abverlangt.
Bis zu seiner Hinrichtung an einem Kreuz.
Warum macht er das? Die Begründung ist ähnlich wie bei Dick Hoyt:
Aus Liebe. Aus Liebe zu seinem Kind, seinen Kindern.
Dick wollte seinem Sohn möglichst oft das Gefühl verschaffen, ‚normal’/’nicht behindert’/’frei’ zu sein.
Und ich denke, um Ähnliches, in noch viel größerem Ausmaß, geht es bei Gott:
Gott gibt sich selber hin für uns – nicht um uns ein Gefühl zu verschaffen, frei zu sein, sondern um uns
wirklich frei zu machen.
Die Passionszeit, in der wir uns gerade befinden, ist eine gute Gelegenheit, diesen Weg Gottes in Jesus
Christus einmal bewusst nachzuvollziehen.
Aber schauen wir doch einmal genauer auf den Sohn.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass zwei unterschiedliche Gefühle in ihm immer wieder durchkamen:
Das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und das Gefühl der Stärke seines Vaters.
Ich glaube schon, dass dem Sohn die eigene Unzulänglichkeit, Abhängigkeit, seine Begrenzungen
deutlich bewusst sind. Er kann nicht so, wie er wahrscheinlich gerne möchte.
Er kann nicht sprechen, nicht laufen, nicht schwimmen, nicht Rad fahren.
Er ist – ein Stück weit – ein Gefangener. Ein Gefangener seines Körpers.
Er ist abhängig. Sein ganzes Leben lang abhängig von anderen Menschen.
Abhängig davon, dass andere sich um ihn kümmern, ihn versorgen, ihm helfen.
Und auch bei den Rennen stelle ich mir das nicht so einfach vor:
Er erlebt zwar das Gefühl frei, nicht behindert zu sein.
Aber während dieser Langstreckenwettkämpfe, die oft stundenlang dauern, ist er ja ganz extrem
abhängig von seinem Vater.
Er liegt in diesem Boot – und vertraut, dass sein Vater ihn sicher durch das Wasser bringt.
Er ist auf das Rad geschnallt oder sitzt beim Laufen im Rollstuhl – das ist kein (körperliches) Vergnügen.
Der Sohn wird nicht in einer Sänfte durch das Rennen getragen. Er kämpft und leidet mit!
Es spritzt, wackelt, es ist heiß, unbequem, anstrengend…
Und er sieht den Vater nicht direkt. Er spürt nur, dass er ihn vorwärts bringt, weiß aber teilweise (wie
im Wasser) gar nicht, wo sie eigentlich sind.
Er kann da nicht einfach raus und aussteigen… Er ist auf seinen Vater angewiesen.
Aber er weiß, dass er einen starken Papa hat und dass er sich auf seinen Papa verlassen kann.
Der Sohn kann nicht laufen – aber sein Vater kann.
Der Sohn kann nicht schwimmen – aber sein Vater kann.
Der Sohn kann nicht Rad fahren – aber sein Vater kann.
Das finde ich sehr, sehr nahe am Kern des christlichen Glaubens:
Wie oft spüren wir auch als Christen unsere Begrenzungen:
Dass wir von uns aus kein ‚heiliges’ Leben führen können; nicht so sind, wie wir es gerne hätten…
beispielsweise nicht so viel beten oder Bibellesen, wie wir eigentlich wollten… und immer wieder an
unsere Begrenzungen stoßen.
Ich kann nicht… – aber mein Vater kann!!
Wenn du deine Begrenzungen spürst, nicht so bist, wie du es selber gerne hättest:
Du brauchst nicht verzagen: Du musst es nicht alleine schaffen - dein Vater im Himmel kann!
Denkt an die diesjährige Jahreslosung, in der es heißt: „Meine Kraft ist in den Schwachen
mächtig.“ (2. Kor 12,9)
Auch wenn wir zu schwach sind: Wir haben einen Vater im Himmel, der das alles kann,
der von Anfang an ‚Ja’ zu uns gesagt hat – auch wenn vielleicht nicht alles bisher im Leben optimal
verlaufen ist.
Wir haben einen Vater im Himmel, der sich die allergrößte Mühe gibt, uns zu erreichen, mit uns zu
kommunizieren, der nach Wegen sucht, mit uns in Kontakt zu treten.
Wir haben einen Vater, der sich die Beziehung zu uns wahnsinnig viel kosten lässt.
Und der uns durch trägt.
Der dieses Rennen unseres Lebens mit uns läuft/geht. Ja, der vor uns her geht, uns zieht und trägt –
auch wenn wir manchmal nass werden oder es schaukelt oder anstrengend ist und auch, wenn wir ihn
nicht direkt sehen können.
Gott trägt uns nicht in einer Sänfte – das hat er uns nicht versprochen!
Aber Er ist da! Er gibt uns nicht auf! Er geht voran. Er trägt uns durch, trägt uns durch das Abenteuer
unseres Lebens – bis ins Ziel. Gott trägt durch!! Ganz gewiss!
Ich kann nicht – aber mein himmlischer Vater kann!
„Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ (Phil 4, 13)
Es lohnt sich, diesem Vater im Himmel zu vertrauen!
Verlass dich auf Ihn! Er liebt dich!
Amen.
Quellen:
www.teamhoyt.com
http://www.babyvoten.de/forum/topic_2153/der_staerkste_papa_auf_der_welt.html
http://www.youtube.com/watch?v=W6xb0S0XSWo&feature=related
http://de.wikipedia.org/wiki/Team_Hoyt