Han Fa: Die Schwitzmethode (Diaphorese)

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Han Fa: Die Schwitzmethode (Diaphorese)
Han Fa: Die Schwitzmethode (Diaphorese)
Von Cheng Guopeng
Cheng Guopeng war einer der einflussreichsten
Gelehrtenärzte der frühen Qing-Dynastie.
Schwitzen bedeutet: Zerstreuen. Der Klassiker
erklärt: „Wenn das üble, schädliche Qi sich in
der Schicht der Haut/Haare aufhält, schwitze
es aus.“ Eine andere Passage macht klar: „Wenn
der Körper brennend heiß wird, strömt Schweiß
aus und der Zustand wird auf natürliche Weise
gemildert.“ Wie dem auch sei, in der täglichen
Praxis begegnen uns viele Situationen, in denen
die Schwitzmethode nicht oder unangemessen
eingesetzt wird. So gibt es zum Beispiel
Patienten, die zum Schwitzen gebracht werden
sollten, bei denen dies aber nicht geschieht und
andere sollten nicht schwitzen, werden aber
dennoch zum Schwitzen gebracht. Andere
sollten zum Schwitzen gebracht, können dies
aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
nicht und werden trotzdem kräftig zum
Schwitzen gebracht. Wieder andere sollten zum
Schwitzen gebracht werden, dürfen dies aber
auch nicht und können dennoch nicht nicht
zum Schwitzen gebracht werden und werden
folglich unangemessenerweise darum gebracht,
den richtigen Weg zu finden, um schwitzen zu
können.
Und schließlich gibt es solche Patienten, die
zum Schwitzen gebracht werden sollten, bei
denen aber die Schwitzmethode nicht auf dem
richtigen Meridian eingesetzt wird, da einige
Ärzte nicht zwischen den [unterschiedlichen]
diaphoretischen
Kräutern
unterscheiden,
sondern einzig wissen, wie man jemanden zum
Schwitzen bringt ohne irgendeine Kenntnis
über Notwendigkeit und Prinzipien des
Adstringierens. Es ist genau dieses Szenario,
dessen wir uns bewusst sein müssen, wenn
wir uns mit Angelegenheiten des Schwitzen
Übersetzung ins Englisch
Heiner Frühauf
Übersetzung ins Deutsche
Markus Goeke
beschäftigen. Was nun genau meine ich damit?
Wenn ein Wind-Kälte-Syndrom eine Person
heimsucht, kommt es typischerweise zu
Kopfschmerzen, Fieber und Abneigung gegen
Kälte; die Nase ist verstopft, die Stimme heiser
und der Körper schmerzt. Dies ist ein eindeutiger
Fall bei dem die Erkrankung sich in der Schicht
von Haaren und Haut aufhält und dieser
Zustand sollte unbedingt durch die Verwendung
der Schwitzmethode behandelt werden. Wird
eine solche Person nicht rechtzeitig oder in
falscher Weise zum Schwitzen gebracht, werden
die Poren blockiert, die komplexe Beziehung
zwischen den Ebenen des Nähr-Qi (ying) und
des Abwehr-Qi (wei) wird unterbrochen und
die schädlichen Einflüsse werden tiefer in den
Körper eindringen und von Ebene zu Ebene
weiter voranschreiten. Dies sind jene Fälle, von
denen ich sage, dass sie zum Schwitzen gebracht
werden sollten, dies aber nicht geschieht.
Es gibt allerdings Situationen, in denen
der Patient ebenfalls unter Kopfschmerzen
und Fieber leidet, ganz so wie in Fällen von
Wind-Kälte, diese Symptome aber andere
Ursachen haben und daher unterschiedliche
Behandlungsmethoden erfordern:
Es finden sich solche Patienten mit
Kopfschmerzen und Fieber, die erschöpft und
ohne physische Kraft erscheinen; die Nase ist
nicht verstopft, die Stimme nicht heiser und
der Puls ist schwach und unzureichend. Dies
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muss als innere Schädigung des Ursprungs-Qi
interpretiert werden.
Oder es handelt sich um jene Sex besessenen
Patienten, die ihre Yin-Essenz erschöpft haben,
was sich durch Symptome von innerer Hitze
und Nachmittagsfieber manifestiert; ihr Puls ist
in der Regel fein und schnell und ohne Kraft.
Oder es handelt sich um solche Patienten,
die an einer Nährungsschädigung leiden. Sie
klagen über ein Engegefühl in Thorax und
Diaphragma, saurem Reflux und dem Aufstoßen
faulig riechender Luft. Gewöhnlich haben
sie Fieberschübe am Nachmittag und einen
gespannten Puls an der ersten Position.
Oder es handelt sich um Patienten mit schwerem
Kopf und kalten Extremitäten, verursacht durch
Kälte-Schleim, solche mit innerer Feuchtigkeit,
die zu Schwellungen der unteren Extremitäten
führt, solche mit inneren und äußeren Abszessen,
solche mit Koagulation von stagnierendem Blut,
solche mit Störungen durch Wind-Hitze und
Feuchter-Hitze und solche mit Spontanschweiß,
ausgelöst durch einen sommerlichen Hitzschlag.
All diese Patienten weisen Frösteln und Fieber
im Wechsel auf, ganz ähnlich einem äußerlich
zugezogenem Wind-Kälte-Syndrom, die aber
tatsächlich von völlig unterschiedlicher Natur
sind. Werden solche Patienten fälschlicherweise
zum Schwitzen gebracht wird eine Fülle von
sekundären Symptomen auftauchen! Dies ist es,
was ich damit meinte, Personen zum Schwitzen
zu bringen, die nicht zum Schwitzen gebracht
werden sollten.
Weiters gibt es Patienten mit äußerlichen
Beschwerden, die zum Schwitzen gebracht
werden sollten, dies aber nicht möglich ist, da sie
eine Qi-Bewegung zur Linken oder zur Rechten
oder oberhalb oder unterhalb des Nabels
aufweisen. Der Klassiker merkt an: „Findet sich
eine Qi-Bewegung zur Rechten, können wir
nicht zum Schwitzen bringen; wird der Patient
zum Schwitzen gebracht, beginnt er zu bluten,
wird durstig, ruhelos und muss sich Erbrechen,
sobald er Flüssigkeit zu sich nimmt. Gibt es
eine Qi-Bewegung zur Linken kann der Patient
nicht zum Schwitzen gebracht; wird der Patient
dennoch zum Schwitzen gebracht kommt es zu
Schwindel und starken Schweißausbrüchen und
Muskeln und Sehnen beginnen zu zittern und zu
beben. Findet sich eine Qi-Bewegung oberhalb
[des Nabels] können wir nicht zum Schwitzen
bringen, denn sonst wird das Qi aufwärts
stürmen und das Herz attackieren. Gibt es eine
Qi-Bewegung unterhalb [des Nabels] können
wir nicht zum Schwitzen bringen, da es sonst
zu überhaupt keiner Schweißbildung kommt
und der Patient eine extreme innere Unruhe
entwickelt. Knochen und Sehnen werden zu
Schmerzen beginnen, es kommt zu Sehstörungen
und er wird sich Erbrechen, sobald er etwas zu
sich nimmt und er ist nicht mehr in der Lage,
seine Zunge aus dem Mund zu strecken.“
Dann gibt es Patienten mit einem tiefen Puls
und trockenem Hals. In diesem Fall hat die
Erkrankung bereits das Innere erreicht und
wenn solch eine Person zum Schwitzen gebracht
wird, werden die [Körper]Flüssigkeiten sich
zerstreuen und es kommt zu Obstipation und
wirrem Gerede.
Oder jene mit einem Shaoyin-Syndrom, die an
kalten Extremitäten leiden, aber nicht schwitzen.
Wenn wir in diesem Fall ein Schwitzen forcieren,
verursachen wir nahezu immer Blutungen
und nur der Himmel weiß, wo das Blut hervor
sprudeln wird: aus den Ohren oder Augen
vielleicht, oder aus Nase oder Mund. Dieser
Zustand wird traditionell als „Juejie“ bezeichnet
– Blut koaguliert unterhalb in den kalten Füßen
und läuft oberhalb aus. Dabei handelt es sich um
einen Zustand, der äußerst schwierig rückgängig
zu machen ist.
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Oder jene, die an einer Kälteinvasion des Shaoyin
leiden und die wir naturgemäß nicht schwitzen
lassen können, da es bei den Patienten sonst zu
extremem Schüttelfrost kommt; sie rollen sich
im Bett zusammen, völlig unfähig, sich selbst zu
wärmen.
Auch solche mit einem schwachen Puls an der
ersten Position sollten nicht zum Schwitzen
gebracht werden, da es sonst zu einem schweren
Verlust an Yang kommen wird. Ähnlich jenen
mit einem schwachen Puls an dritten Position,
bei denen Schwitzen zu einem schweren Verlust
des Yin führen würde.
Auch jene, die einen starken Blutverlust
erlitten haben können nicht zum Schwitzen
gebracht werden, da sie sonst einen starren Blick
entwickeln und ihre Stirn sich nach innen wölbt.
Auch jene mit schmerzhafter Miktion lässt man
nicht schwitzen, weil es sonst zu intestinalen
Blutungen kommen kann.
Auch jene mit Hautgeschwüren sollten nicht
zum Schwitzen gebracht werden, da dies bei
ihnen zu Krämpfen führen wird.
Auch solche Patienten mit einer Kälteinvasion,
die sich in der Shaoyang-Leitbahn festgesetzt hat
sollten nicht zum Schwitzen gebracht werden, da
es bei ihnen sonst zu Tobsuchtsanfällen kommt.
Ebenso können Personen, die an einer tödlichen
Erkrankung leiden oder menstruierende Frauen
nicht zum Schwitzen gebracht werden. Lässt
man solche Patienten gewaltig schwitzen,
werden alle Arten von sekundären Problemen
auftreten. Dies ist es, was ich meine wenn ich sage
„sie sollten zum Schwitzen gebracht werden,
aber können dies nicht und werden dennoch
sehr stark zum Schwitzen gebracht.“
Und was ist mit Erkrankungen, bei den die
Schwitzmethode nicht angezeigt ist, bei denen
die Patienten aber dennoch zum Schwitzen
gebracht werden müssen? Nun, da gibt es
natürlich Wege. So merkt zum Beispiel das
Wind-Kälte-Gedicht an: „Wenn das Qi sich
bewegt, nimm Lizhong minus Atractylodis.“
Die bedeutet im Wesentlichen, die Ginseng
und Ingwer Kombination (Lizhong wan) zu
verordnen, Atractylodis aus der Rezeptur zu
nehmen und einige Diaphoretika hinzuzufügen,
um so einerseits das Ursprungs-Qi zu schützen
und andererseits das üble Qi zu vertreiben.
Zhang Zhongjing, der Autor des Shanghan
lun, verwendet Ephedrae und Gypsum in der
Mahuang und Aprikosensamen Kombination
(Ma xing shi gan Tang) oder Puerariae, Coptidis
und Scutellariae (Gegen huangqin huanglian
tang) um üble Hitze anzusprechen, die ins Innere
vorgedrungen ist, während der ursprüngliche
Zustand der Oberfläche noch darauf wartet,
entlastet zu werden. Es ist dies ein Ansatz, der
die Methoden des Klärens innerer Hitze und
der Entlastung der Oberfläche miteinander
kombiniert.
Weiters empfiehlt Zhang für ein TaiyangSyndrom, das untypischerweise von einem
feinen und gesunkenem Puls begleitet wird oder
für ein Shaoyin-Syndrom, welches untypisch mit
Fieber einhergeht die Mahuang und Asarum
Kombination (Mahuang fuzi xixin tang). Dieser
Ansatz kombiniert die das Zentrum wärmenden
und die Oberfläche entlastenden Methoden.
Bei einer Windinvasion ins Shaoyang rät er
zur Kleineren Bupleurum Kombination (Xiao
chaihu tang) plus Cinnamomum. Dieser Ansatz
harmonisiert die zentrale Ebene zwischen
Innerem und Äußerem, während er gleichzeitig
die Oberfläche entlastet [befreit].
Für Patienten mit einer Yang-MangelKonstitution empfiehlt Li Dongyuan die
Kombination aus Ginseng und Astragalus
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(Buzhong yiqi tang) plus die Oberfläche
entlastende Kräuter.
Bei Patienten mit Yin-Mangel verwendet Zhu
Danxi die Cnidium und Tang-kuei Kombination
plus die Oberfläche entlastende Kräuter.
All diese Methoden und Rezepturen sind äußerst
gut zusammengestellt! Um den Kern dieser
Rezepturen auf den Punkt zu bringen, lässt sich
sagen:
• Alle Patienten mit Yang-Mangel sollten
nur dann zum Schwitzen gebracht werden,
wenn dies von Kräutern begleitet wird, die das
Zentrum tonisieren.
• Alle Patienten mit Yin-Mangel sollten nur
dann zum Schwitzen gebracht, wenn dies von
Kräutern begleitet wird, die ihr Yin tonisieren.
• Alle Patienten mit Hitzesymptomen
sollten nur in Kombination mit Kräutern zum
Schwitzen gebracht, die innere Hitze beseitigen.
• Alle Patienten mit starker Kälte sollten nur
zum Schwitzen gebraucht werden, wenn man
gleichzeitig die Meridiane wärmt.
• Alle Patienten mit Problemen, die in
Beziehung zur Ernährung stehen sollten nur
in Kombination mit Kräutern zum Schwitzen
gebracht werden, die eine Nahrungsstagnation
auflösen.
Wenn Patienten an einer schweren Erkältung
leiden und eine kräftige Konstitution aufweisen,
sollte man sie stark zum Schwitzen bringen:
verwenden Sie die Mahuang Kombination
(Mahuang tang). Ist der Zustand eher leicht und
der Patient weißt eine schwache Konstitution
auf, sollte er auch nur leicht zum Schwitzen
gebracht werden: verwenden Sie die Perillae und
Cyperi Rotundi Kombination (Xiangsu san).
Bedenken Sie darüber hinaus, dass die Regionen
des Südosten sich von denen des Nordwestens
unterscheiden: Im Südosten blühen die Blumen
mitten im Winter und es gibt nur wenig Frost
und Schnee. Menschen, die in dieser Umgebung
leben haben in der Regel eine eher zarte
Konstitution und ihre Poren neigen dazu hohl
und weit offen zu sein. Wenn Sie solche Patienten
mit diaphoretischen Kräutern behandeln,
dann verwenden Sie diese nur, wenn sie direkt
auf deren spezielles Problem gerichtet sind.
Als Südländer behandle ich eine beginnende
Erkältung oft mit der Perillae und Cyperi
Rotundi Kombination plus Schizonepetae,
Saposhnikoviae, Cnidium, Qin jiao, Manjingzi
und einer Vielzahl anderer Kräuter. Eine Dosis
reicht gewöhnlich aus und ist das Problem von
schwerer Natur können zwei Dosen ausreichend
sein. Diese Methode funktioniert immer. Eine
solch starke, auf Ephedra basierende Rezeptur
zu verordnen ist nicht mehr als zweimal in einer
langen Laufbahn als Arzt geschehen. Daran lässt
sich ablesen, von welch großer Bedeutung es ist,
unsere Verwendung von Kräuter der speziellen
geographischen Umgebung anzupassen in der
wir leben.
Nun, wie ich oben ausgeführt habe gibt es
eine Vielzahl von altehrwürdigen Methoden
um solche Fällen zu behandeln bei denen der
normale Zustand unserer Oberfläche begleitet
wird von Symptomen wie Yang-Mangel, YinMangel, Hitze, Kälte oder Nahrungsstagnation.
Führen Sie sich jedoch vor Augen, dass ein
Befolgen der Ratschläge der Alten Meister sich
insbesondere auf ihre Behandlungsprinzipien
bezieht, nicht auf die rigide Verwendung
ihrer exakten Rezepturen. Wir müssen diese
Rezepturen immer an die spezielle Zeit, den Ort
und die individuellen Symptome anpassen und
bleiben Sie auch flexibel bei den Mengenanteilen
der verwendeten Kräuter. Dann wird Ihre
Therapie immer erfolgreich sein.
Bedenken Sie, dass all diese Methoden in
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klinischer Erfahrung wurzeln und dass
diejenigen, die ich ausgewählt habe, um
sie in einer systematischen Art und Weise
vorzustellen, tatsächlich die besten sind. Sie sind
der angemessene und geeignete Weg, um zum
Schwitzen zu bringen.
Darüber hinaus sollten wir uns bewusst sein,
dass Erkrankungen der drei Yang-Zustände
innerhalb unterschiedlicher Ebenen lokalisiert
sind und eine therapeutische Vorgehensweise
daher einer bestimmten Ordnung zu folgen
hat. Findet sich der Zustand in der TaiyangSchicht und Sie zerstreuen auf der YangmingSchicht, liegen Sie schon einen Schritt in der
falschen Richtung. Ist die Erkrankung im
Taiyang/Yangming und Sie entlasten Shaoyang,
dann laden Sie praktisch den Dieb ein, tiefer
in das Haus einzudringen. Befindet sich die
Erkrankung in zwei Meridianen gleichzeitig und
Sie konzentrieren sich nur auf die Behandlung
eines einzigen, übersehen Sie den zweiten. Ist
die Erkrankung nur in einem Meridian und Sie
behandeln zwei oder drei, dann wird das üble
Qi leicht auf die anderen behandelten Schichten
übergehen.
Handelt es sich um ein Taiyang-Syndrom ohne
Schweiß, dann ist die Ephedrae Kombination der
primäre Ansatz. Handelt es sich um ein TaiyangSyndrom mit Schweiß, so steht Cinnamomum
Kombination an erster Stelle. Die Puerariae
Kombination ist die primäre Rezeptur für
Beschwerden des Yangming und die (Kleinere)
Bupleurum Kombination bei Beschwerden
des Shaoyang. All dies sind unumstößliche
Behandlungsmethoden.
Andererseits behandelt die Neun Arzneien
Kombination mit Qiang-huo (Jiu wei qianghuo
tang) innere und äußere Hitzeprobleme zur
gleichen Zeit und spricht simultan Beschwerden
aller drei Yang- und aller drei Yin-Schichten
an. Schon von Beginn war diese Rezeptur nicht
gedacht, nur einfach ein Beschwerde des Taiyang
zu behandeln. Dann gibt die Bupleurum und
Puerariae Kombination (Chai hu zhi jie tang),
die entwickelt wurde, um Frühlings- und
Sommerfieber von innen heraus zu behandeln,
um den Zustand schrittweise nach außen zu
drängen. Patienten dieses Typus zeigen keine
Abneigung gegen Kälte, haben aber ausgeprägten
Durst. Wenn ein Patient im Frühstadium einer
Wind-Kälte am typischen Frösteln leidet, jedoch
keine Durstsymptome aufweist, dann ist diese
Rezeptur nicht angemessen.
Ferner würden wir bei Eindringen von Wind
begleitet von Schweiß vorschriftsmäßig die
Cinnamomum Kombination verwenden. Bei
einem sommerlichen Hitzschlag begleitet von
Spontanschweiß können wir diese Rezeptur
nicht verwenden. Würde in diesem Fall Guizhi
tang verschrieben, würde die schädliche Hitze
stärker und stärker werden und die Schwere des
Zustandes würde zunehmen.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass, wenn
wir die zerstreuende Methode bei SommerhitzeSyndromen in undifferenzierter Art und Weise
einsetzen, der Patient in viel größerem Maß unter
starkem Flüssigkeitsverlust leider wird (was ja
in erster Linie hier die Ursache des Problems
war). Traditionell wurde dies als „Doppelte
Erschöpfung“ bezeichnet, ein Zustand, ausgelöst
durch die Fehlbehandlung von Nässe bedingtem
Fieber, der häufig zum Tode führt.
Die Ärzte des Altertum entwickelten
daher Rezepturen, die auf Atractylodis und
Saposhnikoviae basierten, um eingedrungenen
Wind zu behandeln, etwa Jade Windschutz
Pulver (Yuping feng san) und sie entwickelten z.
B. das Pulver zum Nutzen der Quelle (Yiyuan
san) und die Elsholtzia Kombination (Xiangru
yin, Xinjia xiangru yin), um Schädigungen
durch Sommerhitze zu behandeln. Auf diese
Weise vermieden sie das Risiko, eine der „Du
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sollst nicht!“ Regeln zu brechen, die eine so
entscheidende Rolle in der Behandlung der drei
Yang-Schichten spielen; ein wirklich exzellenter
Schritt nach vorn.
Ferner lässt sich feststellen, dass die meisten
Ärzte zwar wissen, wie man Fieber durch
Zerstreuen senkt, aber sie wissen in der Regel
nicht, wie man Fieber durch Adstringieren
beseitigt. Sicherlich, wenn es keinen Schweiß
gibt, müssen wir zerstreuen, aber wenn es zu viel
Schweiß gibt, dann haben wir zu adstringieren.
Mit adstringieren meine ich nicht, Kräuter
wie Schizandra und Zizyphae zu verwenden,
sondern schlicht, dass jede Erkrankung einen
Ursprung und jeglicher Schweiß eine Quelle
hat. Es sollte das primäre Ziel jeder Therapie
sein, solche Wurzelprobleme zu lindern und der
Schweiß wird von selbst verschwinden. Wenn
zum Beispiel ein schädlicher Wind die Schicht
des Abwehr-Qi (wei qi) verletzt und es zu
spontanem Schwitzen kommt, ist es das Beste, die
Cinnamomum Kombination zu verwenden, um
die Ying- und Wei-Schichten zu harmonisieren,
Wind zu zerstreuen. Das Schwitzen wird sich
dann von selbst geben.
Oder aber wenn das Schwitzen durch schädliche
Hitze verursacht wurde, die ins Innere
vorgedrungen ist – heißes Qi erzeugt Dampf wie
in einem Kopftopf an dessen Wänden letztlich
Wasser herabtröpfelt – dann ist dies definitiv kein
Mangelsymptom. Dann müssen wir die Hitze
auf der Stelle mit der Gypsum Kombination
(Bai hu tang) beseitigen. Hat sich der schädliche
Einfluss im Inneren schon zusammen geballt und
der Patient hat keinen Stuhlgang mehr, müssen
wir mit der Großen oder Kleinen Rhabarber
Kombination (Da chenqi tang oder Xiao chenqi
tang) abführen. Auf diese Weise wird die Hitze
zurückweichen und das Schwitzen hört von
selbst auf.
Dieses Szenario erscheint dem Schwitzen
durch einen sommerlichen Hitzschlag ähnlich.
Allerdings schwächt Sommerhitze das Qi und
ist folglich ein schädlicher Einfluss, der Mangel
erzeugt. Man wird einzig durch den Einsatz Hitze
beseitigender und tonisierender Methoden mit
ihm fertig. Kälte dagegen schädigt die materielle
Struktur des Körpers ist als schädlicher Einfluss
bekannt, der Fülle verursacht. Da die Hitze
beim Komplex der Rhabarber Kombination
ursprünglich durch Kälte verursacht wurde,
muss die Hitze beseitigende Methode mit der
dringlich abführenden Methode kombiniert
werden, um das Schwitzen zu beenden.
Ferner gibt es solche Situationen, in denen
ein Patient zu stark zerstreuend behandelt
wurde, was zu exzessivem Schwitzen und zu
schwerem Yang-Verlust führt – der Körper
beginnt zu beben und zu zittern und der Patient
kollabiert. Die angemessene Behandlung
für diese besondere Situation ist das Wahre
Krieger Dekokt (Zhen wu tang), eine wirklich
ausgezeichnete Notfallarznei. Diese Situation
ähnelt dem plötzlichen Ausbruch von kaltem
Schweiß als Folge einer Kälteinvasion, aber
wir müssen sie in jedem Fall von der Form
des Schwitzen unterscheiden, die durch innere
Hitze verursacht wird!
Bei einem Shaoyang-Syndrom, das von leichtem
Schwitzen in der Region des Kopfes oder von
Nachtschweiß begleitet wird ist die Kleine
Bupleurum Kombination die angezeigte
Rezeptur, die wir verwenden sollten. Für
Schwitzen in der Kopfregion, dass in Beziehung
zu Feuchtigkeit steht, sollten wir allerdings
die Kleine Pinellia und Poria Kombination
(Xiao banxia jia Fuling tang) verwenden. Für
Menschen mit einer Mangel-Konstitution, die
häufig an Spontanschweiß, Nachtweiß und
verwandten Symptomen leiden können wir
tonisierende Rezepturen wir wie die Ginseng und
Longan Kombination (Guipi tang), die Ginseng
und Astraglus Kombination, das Acht Schätze
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Dekokt (Bazhen tang) oder das Allumfassende
Tonisierungsdekokt (Shi quan da bu tang)
verschreiben. Verordnen Sie diese Rezepturen
immer gemäß der individuellen Symptome und
entdecken Sie die wunderbaren Formen ihrer
Anwendungsmöglichkeiten; freilich sind es
nicht immer die ins Auge springenden. Auf diese
Weise kann jedes Problem gelindert werden.
Darum also geht es: Sprechen Sie direkt den
betroffenen Meridian an, wenn Sie einen
Patienten zum Schwitzen bringen, stimmen
Sie Ihre Kräuter entsprechend des spezifischen
Symptomkomplexes fein ab und seien Sie sich
darüber im Klaren, wann zu Zerstreuen und
wann zu Adstringieren ist.
Tatsächlich! Alle Erkrankungen beginnen als
Wind-Kälte. Es ist immer eine Wind-Kälte,
die als Erstes in den Körper eindringt und
wenn wir die Oberfläche angemessen zum
Schwitzen bringen welche Erkrankung könnte
sich da widersetzen? Wird andererseits die
Schwitzmethode nicht oder falsch angewendet,
so wird Unheil die Folge sein! Wie können wir
uns folglich erdreisten, Schweiß und Schwitzen
für eine einfache Angelegenheit zu erklären?
Dieser Essay erschien ursprünglich in Cheng
Guopeng: Erleuchtete Einsichten in die Wissenschaft
der Medizin. Yixue xinwu, 1732.
© Heiner Frühauf, 2007
Übersetzung ins Deutsche Markus Goeke, 2010
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