Präsidentschaftswahlen in der Slowakischen Republik

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Präsidentschaftswahlen in der Slowakischen Republik
POLITISCHER HINTERGRUNDBERICHT
Projektland:
Slowakische Republik
Datum:
16. März 2014
Präsidentschaftswahlen in der Slowakischen Republik
Am 15. März 2014 fanden in der Slowakischen Republik die fünften
Präsidentschaftswahlen seit Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit durch Auflösung
der Tschechoslowakei (ČSFR) am 1. Januar 1993 statt. Da keiner der insgesamt
vierzehn Bewerber eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhielt, ist für
den 29. März 2014 eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten
der ersten Wahlrunde angesetzt.
Erstmals in der Geschichte der Slowakischen Republik trat mit Robert Fico der
amtierende Premierminister des Landes bei den Wahlen an.
In der Slowakischen Republik wird das Staatsoberhaupt in einer Direktwahl von den
rund 4,4 Millionen wahlberechtigten Bürgern bestimmt. Für einen Sieg in der ersten
Runde war eine absolute Mehrheit aller Wahlberechtigten notwendig, also rund 1,1
Millionen Stimmen.
Der seit dem 15. Juni 2004 amtierende Präsident Ivan Gašparovič konnte sich nach
zwei Amtsperioden nicht erneut zur Wahl stellen.
Insgesamt stellten sich vierzehn Kandidaten zur Wahl — mehr als je zuvor — darunter
der aus Wendezeiten bekannte Bürgerrechtler und Mitbegründer der Krest'anskodemokratické hnutie (Christlich-Demokratische Bewegung, KDH), Ján Čarnogursky, der
KDH-Fraktionsvorsitzende Pavol Hrušovský, der KDH-Dissident Radoslav Procházka,
der ehemalige slowakische Außenminister Milan Kňažko, der Multimillionär und
Philantrop Andrej Kiska sowie mit Gyula Bárdos erstmals in der slowakischen
Geschichte auch ein Kandidat ungarischer Nationalität. Als einzige Frau ging die
Parlamentsabgeordnete Helena Mezenská ins Rennen.
Bereits im Vorfeld galt der 49-jährige zweimalige Premier Robert Fico als Favorit, der
mit 28 Prozent der abgegebenen Stimmen als knapper Sieger aus der ersten
Wahlrunde hervorging. Fico wurde im Jahr 1999 Parteivorsitzender der von ihm
gegründeten SMER – sociálna demokracia (Richtung – Sozialdemokratie, SMER-SD)
Hanns-Seidel-Stiftung_Politischer Hintergrundbericht_ Slowakischen Republik i_16. März 2014
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und war von Juli 2006 bis Juli 2010 der vierte Ministerpräsident der Slowakischen
Republik seit 1993. Unter seiner ersten Regierung trat die Slowakischen Republik dem
Schengen-Abkommen und der Eurozone bei. Nach einem überwältigenden Sieg seiner
Partei bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März 2012 wurde Fico am 4. April
2012 zum zweiten Mal Ministerpräsident der Slowakischen Republik. SMER bildet
seitdem allein die Regierung.
Ficos mögliche Präsidentschaftskandidatur war im Jahr 2013 ein Dauerthema der
öffentlichen Medien und Diskussion, wurde aber erst am 18. Dezember 2013 offiziell
verkündet. Seine sozialdemokratische Regierungspartei erreichte im vergangenen Jahr
trotz umfangreicher Sparmaßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen bei
Meinungsumfragen dauerhaft Zustimmungswerte von +/- 40 Prozent. Fico ist mit
großem Abstand der beliebteste Politiker des Landes. Es gelang ihm, das linke
politische Lager der Slowakischen Republik Schritt für Schritt zu einen und zu einer
absoluten Regierungsmehrheit zu führen.
Im Falle eines Wahlsieges am 29. März 2014 dürfte für Fico das Präsidentschaftsamt
der Höhepunkt seiner politischen Karriere sein.
Den bürgerlich-konservativen Parteien war es im vergangenen Jahr nur mit großer
Mühe gelungen, sich vor den Regionalwahlen im November 2013 aus wahltaktischen
Gründen zu einer "Volksplattform" zusammenzuschließen und sich zum Jahresende
schließlich auf Pavol Hrušovský als gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu
einigen. Hrušovský (*1952) ist seit der Wende 1989/90 als Abgeordneter im
Parlament vertreten, zuerst im föderalen Abgeordnetenhaus der ČSFR, dann in dem
der Slowakischen Republik. Er war von 2000 bis 2009 Parteivorsitzender der KDH und
ist seit 2012 ihr Fraktionsvorsitzender im Parlament. Hrušovský war mehrmals
stellvertretender und von 2002-06 sowie 2011-12 Präsident des Nationalrats. Er
wurde als Gemeinschaftskadidat von der KDH, der Slovenská demokratická a
kret'anská únia – Demokratická strana (Slowakische Demokratische und Christliche
Union – Demokratische Partei, SDKÚ-DS) und der slowakisch-ungarischen Partei MostHíd (MOST-HÍD, Brücke) unterstützt. Mit lediglich 3,3% der abgegebenen Stimmen
blieb der Christdemokrat weit hinter den Erwartungen zurück.
Der Kampf um den zweiten Platz wurde bereits im Vorfeld der Wahlen nicht vom
Kandidaten der fragmentierten christlich-konservativen Opposition bestimmt, sondern
von den parteilosen Bewerbern Milan Kňažko, Radoslav Procházka und Andrej Kiska,
denen verschiedene Meinungsforschungsinstitute
unterschiedliche Chancen zusprachen.
gute,
aber
teilweise
sehr
Milan Kňažko (*1945), einer der Hauptakteure der Samtenen Revolution, ist gelernter
Schauspieler und war Mitglied mehrerer Theaterensembles, u.a. auch im slowakischen
Nationaltheater und kam erst im Wendejahr 1989 zur Politik.
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Kňažko war Berater von Václav Havel — zu diesem Zeitpunkt noch Präsident der ČSFR
— und nach der Wende Mitglied des föderalen Abgeordnetenhaus der ČSFR und des
Nationalrates der Slowakischen Republik, Minister für internationale Beziehungen,
Regierungsvize-Vorsitzender, Außenminister und Kulturminister. Als Mitbegründer trug
er zur Entstehung von mehreren Parteien und Bewegungen bei, u.a. auch der
Demokratischen Union und der SDKÚ-DS. 2002 zog er sich aus dem politischen Leben
zurück. Mit 12,1 Prozent der abgegebenen Stimmen kam Kňažko auf den vierten Platz.
Radoslav Procházka (*1972), Anwalt und Hochschulpädagoge, ist gegenwärtig
parteiunabhängiger Nationalratsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des
parlamentarischen Ausschusses für Verfassungsrecht. Er ist Experte für Verfassungs-,
Bürger- und Verwaltungsrecht und war Berater für das slowakische Verfassungsgericht
und Rechtsberater für die Delegation der Europäischen Kommission. Er vertrat die
Slowakische Republik vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaft. Als
Abgeordneter kandidierte er 2012 für die KDH, trat aber im Februar 2013 wegen
Meinungsverschiedenheiten aus der Partei aus. Mit 21,2 Prozent der Stimmen (Platz
3) erreichte Procházka ein überraschend gutes Ergebnis.
Andrej Kiska (*1962) ist gelernter Ingenieur für Elektrotechnik. Er kam mit den 199596 gegründeten Finanzierungsfirmen Triangel und Quatro zu Wohlstand, verkaufte
seine Firmenanteile aber 2005, um sich wohltätigen Zwecken zu widmen. Er gründete
2006 die Hilfsorganisation Dobrý Anjel (Guter Engel), die Familien mit schwerkranken
Kindern finanziell unterstützt. Im gleichen Jahr wurde er von einer Zeitschrift als
"Manager des Jahres" ausgezeichnet sowie 2011 für sein philantropisches
Engagement. Seit 2006 sammelte seine Organisation laut Medienberichten über 21
Millionen Euro an Spendengeldern und half mehr als 6.000 Familien. Kiska gelang es
im Wahlkampf, sich als „unverbrauchter” Politiker gut zu positionieren. Er war nie
Mitglied einer Partei und konnte im ersten Wahlgang 24 Prozent der Stimmen (Platz 2)
auf sich vereinigen.
Die Wahlbeteiligung lag mit 43,4 Prozent in etwa auf dem gleichen Niveau wie in der
ersten Runde der letzten Präsidentschaftswahlen in 2009. Trotzdem ist der
überraschende Erfolg von Andrej Kiska als Zeichen der Politikverdrossenheit der
slowakischen Gesellschaft zu verstehen. Sämtliche politisch etablierten
Präsidentschaftskandidaten wurden durch das Wahlergebnis abgestraft; auch
Premierminister Fico blieb weit hinter den Erwartungen zurück.
Bei der Stichwahl am 29. März 2014 wird ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen von Fico
und Kiska erwartet.
Bereits vor der ersten Runde hatten mehrere Kandidaten bekannt gegeben, dass sie im
Falle einer Stichwahl den Gegner von Robert Fico unterstützen würden. Inzwischen
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haben einige oppositionelle Parteien erklärt, dass sie Andrej Kiska in der zweiten
Wahlrunde unterstützen werden.
Eine entscheidende Rolle werden die Wähler von Radoslav Procházka spielen. Gelingt
es Kiska, diese Wähler im zweiten Wahlgang hinter sich zu vereinen, stehen seine
Chancen gut, für die nächsten fünf Jahre in den Präsidentenpalast einzuziehen.
Premierminister Fico kündigte bereits an, im Falle einer Niederlage in der zweiten
Wahlrunde keine politischen Konsequenzen ziehen zu wollen, schließlich habe er bei
den Parlamentswahlen 2012 ein starkes Mandat erhalten.
Dr. Martin Axmann
Der Autor ist Auslandsmitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Budapest, Ungarn
IMPRESSUM
Erstellt: 16.März 2014
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