„Am Anfang war der Tanz und nicht das Wort“ (Rudolf von Laban)
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„Am Anfang war der Tanz und nicht das Wort“ (Rudolf von Laban)
„Am Anfang war der Tanz und nicht das Wort“ (Rudolf von Laban) Universität Duisburg-Essen Fachbereich Erziehungswissenschaft AkzepTANZ Tanz als Medium der interkulturellen Pädagogik in der offenen Ganztagsgrundschule Diplomarbeit DII Erstgutachterin: Prof. Dr. Renate Nestvogel Zweitgutachterin: Prof. Dr. Maria Dietzel-Papakyriakou Diana Determann Einigkeitstr.22 45133 Essen Matr.Nr. ES 0117516700 WS 2005/2006 Abgabe: 13.11.2005 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG .............................................................................................. 1 2. DIE MULTIKULTURELLE GESELLSCHAFT ..................................... 4 2.1 Deutschland: (K)ein Einwanderungsland.................................................. 4 2.2 Annäherung an einen streitbaren Begriff .................................................. 5 2.3 Integrative Fragen an die multikulturelle Gesellschaft............................ 7 3. INTERKULTURELLE PÄDAGOGIK ................................................... 10 3.1 Anmerkungen zum Kulturbegriff im Kontext interkultureller Pädagogik.................................................................................................... 10 3.1.1 Der Begriff der Kultur: Versuch einer Definition............................. 11 3.1.2 Dimensionen des Kulturbegriffs ....................................................... 12 3.1.3 Kultur und Identität ........................................................................... 17 3.2 Konzept im Wandel: Von der Ausländer- zur interkulturellen Pädagogik.................................................................................................... 19 3.2.1 Kurze Geschichte der interkulturellen Pädagogik............................. 20 3.2.2 Multikulturelle Gesellschaft und interkulturelle Pädagogik ............. 21 3.3 Ziele interkultureller Pädagogik............................................................... 24 3.3.1 Erkennen des eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus................ 25 3.3.2 Grundlegung von Anerkennung/Toleranz......................................... 26 3.3.3 Umgehen mit Befremdung................................................................ 27 3.3.4 Umgang mit Differenzen................................................................... 28 3.3.5 Multiperspektivische Bildung ........................................................... 30 3.3.6 Antirassistische Erziehung ................................................................ 31 3.3.7 Zusammenfassung der Ziele interkultureller Pädagogik................... 32 4. DIE OFFENE GANZTAGSGRUNDSCHULE ALS ORT INTERKULTURELLEN LERNENS ...................................................... 34 4.1 Interkulturelles Lernen in der Grundschule ........................................... 34 4.1.1 Theoretischer Exkurs: Kinder und Vorurteile................................... 34 4.1.2 Interkulturelles Lernen in der Grundschule ...................................... 36 4.2 Zum Konzept der offenen Ganztagsgrundschule in NRW .................... 39 4.2.1 Interkulturelles Lernen in der offenen Ganztagsgrundschule ........... 39 4.2.2 Die offene Ganztagsschule in NRW ................................................. 41 5. TANZ........................................................................................................... 44 5.1 „Jeder Mensch ist ein Tänzer“: Einführende Betrachtungen zum Thema Tanz ................................................................................................ 45 5.2 Wirkfaktoren vom Tanz ............................................................................ 47 5.2.1 Bedeutung für das Selbstkonzept ...................................................... 48 5.2.2 Bedeutung für Entwicklung auf der sozialen Ebene ......................... 51 5.2.3 Bedeutung für die affektive Entwicklung ......................................... 51 5.2.4 Bedeutung für die kognitive Entwicklung ........................................ 53 5.2.5 Zusammenfassung............................................................................. 53 5.3 Kreativer Kindertanz ................................................................................ 54 5.3.1 Exkurs Kreativität ............................................................................. 54 5.3.2 Kreativer Kindertanz......................................................................... 57 5.4 Tanz in der Schule...................................................................................... 59 5.4.1 Kurzer historischer Abriss ................................................................ 60 5.4.2 Vorstellung des Projekts „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“............................................................................................... 61 6. MÖGLICHKEITEN UND ZIELE VON TANZ ALS MEDIUM INTERKULTURELLER PÄDAGOGIK ................................................ 63 6.1 Allgemeine theoretische Grundannahmen: Zum Zusammenspiel von Körper, Interkulturalität und Tanz ......................................................... 64 6.2 Die sozialen und interkulturellen Lernpotenziale des Tanz................... 67 6.2.1 Soziales Lernen durch Tanz? .............................................................. 67 6.2.2 Interkulturelles Lernen durch Tanz? ................................................... 70 6.3 Zusammenfassung...................................................................................... 74 7. SCHLUSSBETRACHTUNG .................................................................... 76 8. LITERATURVERZEICHNIS .................................................................. 80 Einleitung 1. Einleitung „Denkt ja nicht, dass (Royston Maldoom) ihr bloß tanzt!“ Das Gesellschaftsbild Deutschlands und der anderen westlichen Industrienationen hat sich in den vergangen Jahrzehnten im Zuge von Migrationsprozessen nachhaltig verändert. In Deutschland leben heute gut 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund – jeder sechste Einwohner weist somit einen Migrationshintergrund auf. Aufgrund demografischer Veränderungen wird der prozentuale Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zukünftig weiter steigen. Kulturelle Vielfalt ist somit ein wesentliches Merkmal unserer heutigen Gesellschaft. Diese Veränderungen mitsamt ihren Chancen und Konflikten als gesamtgesellschaftliche Herausforderungen anzuerkennen, muss eines der handlungsleitenden Gebote aller gesellschaftlichen Akteure sein. Als Teildisziplin der Pädagogik nimmt sich interkulturelle Pädagogik in besonderer Weise den Herausforderung der multikulturellen Gesellschaft an. Gefragt sind jedoch nicht nur bereits etablierte Konzepte. Interkulturelle Pädagogik muss vielmehr nach neuen Wegen suchen und ihren eigenen konzeptionellen und praxisrelevanten Rahmen erweitern, um auch zukünftig die an sie gerichteten Erwartungen im Umgang mit den Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft gerecht zu werden. Auf der Suche nach neuen Mitteln und Formen kann es durchaus hilfreich sein, sich auf verschlungene Pfade zu begeben, um sich den Zielen interkulturellen Lernens zu nähern. In dieser Arbeit begebe ich mich auf einen solchen Weg, nicht ohne Hoffnung, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, den Methodenkoffer interkultureller Pädagogik um das Thema Tanz zu erweitern. Ob Tanz ein gangbarer Weg interkulturellen Lernens sein kann, ist die zielführende Fragestellung dieser Arbeit. Dabei werden nicht nur mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen Tanz und interkulturellem Lernen beleuchtet, sondern es wird darüber hinaus der Frage nach einem möglichen institutionellen Rahmen nachgegangen. Der Annahme folgend, dass interkulturelles Lernen schon im frühen Kindesalter ansetzen sollte, wird mit der offenen Ganztagsgrundschule ein solcher Rahmen untersucht. Ob und inwieweit die offene Ganztagsgrundschule als institutioneller Rahmen für interkulturelles Lernen im Allgemeinen und 1 Einleitung den Tanz als Medium interkulturellen Lernens im Besondern auch tatsächlich trägt, ist ein weiterer Aspekt, der in der Arbeit behandelt wird. Diese Fragen sollen gewissermaßen als Kompass zur Orientierung für diese Arbeit dienen. Mit dem ersten Kapitel „Die multikulturelle Gesellschaft“ soll auf deskriptiver und normativer Ebene die gesellschaftliche Kulisse gezeichnet werden, vor der sich Konzepte und Theorien interkultureller Pädagogik seit Beginn der 1980er Jahre entwickelt haben. In einem zweiten Schritt werden - nach einigen theoretischen Vorüberlegungen zum Begriff der Kultur - die Ziele interkultureller Pädagogik skizziert. Sie bilden gleichsam das theoretische Fundament für den weiteren Verlauf der Arbeit. Als Zwischenschritt wird anschließend mit der offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfalen ein möglicher institutioneller Rahmen als Ort interkulturellen Lernens vorgestellt. In einem zweiten großen Theorieblock werden schließlich einige tanztheoretische Grundlagen erarbeitet. Das Hauptaugenmerk gilt hierbei den Wirkfaktoren des Tanzes auf sozialer, affektiver und kognitiver Ebene sowie deren Bedeutung für das Selbstkonzept. Gleichsam wird mit der Vorstellung des Projekts „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“ eine Rückkopplung zum vorangestellten institutionellen Rahmen vorgenommen. Mit dem Kapitel „Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium der interkulturellen Pädagogik“ befinde ich mich schließlich auf dem bereits erwähnten verschlungenen Pfad. Im Vordergrund dieses, die beiden großen theoretischen Themenkomplexe verbindenden Kapitels, steht die Frage, ob und wie tanzpädagogische Maßnahmen einen Beitrag für das Erreichen der Ziele interkultureller Pädagogik leisten können. Vorweg noch eine Anmerkung zu dem für diese Arbeit gewählten Begriff der AkzepTANZ: AkzepTANZ beinhaltet die Annahme, dass Tanz ein vielversprechendes Medium sein kann, das einen Beitrag zur wechselseitigen Akzeptanz des jeweils ‚fremden’ leisten kann. Dabei soll Akzeptanz bzw. akzeptieren verstanden werden als aner2 Einleitung kennen, annehmen. In der multikulturellen Gesellschaft kommt dem Aspekt der Akzeptanz / Anerkennung vor dem Hintergrund kultureller Differenzen eine besondere Bedeutung zu. Gelingt es innerhalb der multikulturellen Gesellschaft nicht, ein Klima der wechselseitigen Akzeptanz bzw. wechselseitigen Anerkennung unterschiedlicher kultureller Lebensformen bzw. –wirklichkeiten zu schaffen, kann dies folgenreiche Auswirkungen sowohl auf der individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene haben. Bezogen auf die individuelle Ebene beschreibt Taylor diese Auswirkungen wie folgt: „Die These lautet, unsere Identität werde teilweise von der Anerkennung oder Nicht-Anerkennung, oft auch von der Verkennung durch die anderen geprägt, so dass ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen wirklich Schaden nehmen, eine wirkliche Deformation erleiden kann, wenn die Umgebung oder die Gesellschaft ein einschränkendes, herabwürdigendes oder verächtliches Bild ihrer selbst zurückspiegelt. Nichtanerkennung oder Verkennung kann Leiden verursachen, kann eine Form von Unterdrückung sein, kann den anderen in ein falsches deformiertes Dasein einschließen.“1 In diesem Sinne steht die interkulturelle Pädagogik gewissermaßen in der gesellschaftlichen Verantwortung nach möglichen Wege zu suchen, die ein Klima der Anerkennung für das Individuum erfahrbar machen. Die Beantwortung der Frage, ob und wie Tanz hierzu etwas beisteuern kann, ist das zentrale Anliegen dieser Arbeit. 1 Taylor (1997, 14f.) 3 Die multikulturelle Gesellschaft 2. Die multikulturelle Gesellschaft Der Begriff der multikulturellen Gesellschaft steht seit Anfang der 1980er Jahre sowohl in Deutschland als auch in anderen westlichen Ländern im Blickpunkt wissenschaftlicher und politischer Diskussionen. Zentraler Hintergrund der Diskussion über eine multikulturelle Gesellschaft sind internationale Migrationsprozesse, zu denen insbesondere Prozesse der Arbeitsmigration und Flüchtlingsbewegungen gehören. Die Prozesse der internationalen Wanderungs- bzw. Fluchtbewegungen werden durch eine Vielzahl sogenannter push – und pull Faktoren verursacht.2 Vor allem aber werden sie durch Verhältnisse von struktureller oder direkter Gewalt auf nationaler und/oder internationaler Ebene bedingt. Der Begriff der Multikulturellen Gesellschaft lässt sich sowohl in einem normativen als auch in einem deskriptiven Sinn verwenden. Im deskriptiven Sinn wird die multikulturelle Gesellschaft als ein sozialer Tatbestand aufgefasst. Dieser soziale Tatbestand wird jedoch nicht als ein statisches Phänomen, sondern als ein historisch-dynamisches Phänomen des Zusammenlebens von Menschen verschiedener kultureller und ethnischer Herkunft verstanden. Bei der normativen Kontroverse um die multikulturelle Gesellschaft geht es im Kern um die Frage, wie dieser soziale und kulturelle Wandel interpretiert und wie auf ihn gesellschaftspolitisch bzw. pädagogisch reagiert werden soll. 2.1 Deutschland: (K)ein Einwanderungsland In Deutschland war die politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahrzehnten geprägt durch einen Dissens, der sich daran entfachte, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Der analytischdeskreptive Blick auf die demografische Struktur gibt hierzu ein relativ klares Bild ab: Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten bunter geworden. So leben heute in der Bundesrepublik 7,3 Millionen Menschen mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus sind in den vergangenen Jahren 2 Unter „push“-Faktoren werden die Auswanderungs- bzw. Fluchtmotive wie bspw. Krieg, Armut, religiöse Intoleranz, politische Verfolgung und der Wunsch nach Verbesserung der Lebensbedingungen verstanden, unter „pull“-Faktoren die Anreize der Aufnahmeländer wie beispielsweise. materielle Unterstützung, privilegierter Rechtsstatus, Religionsfreiheit. 4 Die multikulturelle Gesellschaft über 4 Millionen Aussiedler mit einem deutschen Pass – meist aus Osteuropa kommend - eingewandert. Des weiteren wachsen rund 1,5 Millionen Kinder in binationalen Ehen mit deutscher Staatsangehörigkeit auf. Und seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurden über eine Millionen Ausländer zu Deutschen. Zusammen leben gut 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland – bei einer Gesamtbevölkerung von 82,5 Millionen ist das nahezu jeder sechste Einwohner.3 Diese Zahlen beschreiben die Realität einer Einwanderungsgesellschaft, deren sprachliche, ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt stetig gewachsen ist. Und aufgrund demografischer Faktoren wird der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund zukünftig weiter wachsen. Schon heute hat jedes vierte Neugeborene mindestens einen ausländischen Elternteil und in Westdeutschland hat jeder dritte Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Als sozialer Tatbestand lässt sich die multikulturelle Gesellschaft ebenso wenig leugnen wie – eng damit verbunden – die Tatsache, dass die Bundesrepublik „objektiv, gemessen an ihren statistischen Einwanderungsgewinnen, ein Einwanderungsland (ist).“4 Die Gräben innerhalb der (gesellschafts-) politischen Debatte müssen also vielmehr entlang der normativen Ausgestaltung der multikulturellen Realität verlaufen. Bade konstatiert in diesem Zusammenhang: „Die Bewegung von Menschen über Grenzen, von Grenzen über Menschen und die Begegnung der Kulturen gehören zu den Kernproblemen unserer Zeit. Was den einen kulturelle Bereicherung ist, verstehen andere als existentielle Bedrohung der eigenen Kultur. Unterschiedliche historische Erfahrungen, verschieden gelagerte aktuelle Probleme, politische Positionen und ‚Weltanschauungen’ führen zu unterschiedlichen Antworten auf die multikulturelle Herausforderung in Geschichte, Gegenwart und absehbarer Zukunft.“5 2.2 Annäherung an einen streitbaren Begriff Hinter dem Begriff bzw. dem sozialen Tatbestand der ‚multikulturellen Gesellschaft’ haben sich seit den frühen 1980er Jahren sehr unterschiedliche 3 Beck (2005: 3) Radtke (1997: 33) 5 Bade (1996: 9) 4 5 Die multikulturelle Gesellschaft programmatische Ansätze versammelt, was auf seiner normativen Ebene zu einer inhaltlichen Diffusion geführt hat. Die Popularität des multikulturellen Gesellschaftsprogramm sieht Radtke darin begründet, „weil hier konstruktive und humane Handlungsmöglichkeiten zu liegen scheinen.“6 Aber gerade diese Handlungsmöglichkeiten haben dazu beigetragen, dass die sich als multikulturell verstehenden Gesellschaftsentwürfe in ihrer normativ-programmatischen Auslegung sehr unterschiedlich sind. Für Radtke wurde mit den Konzepten des Multikulturalismus das im Spannungsfeld zwischen rechtlicher Integration und sozialer Ausgrenzung liegende Problem von der strukturellen auf die kulturelle Ebene verschoben: „Aus dem Dilemma zwischen den unerwünschten Folgen von Abschiebung, Ausgrenzung und Ghettoisierung auf der einen Seite und dem fehlenden Konsens über eine vollständige rechtliche und staatsbürgerliche Integration schien das Konzept des Multikulturalismus einen Ausweg zu weisen. Multikulturalismus als Option war der in der Mitte liegende Kompass.“7 In Anlehnung an Radtke unterscheidet Bade insgesamt vier unterschiedlich angelegte Konzepte von Multikulturalismus: Das programmatisch-pädagogische Konzept impliziert dabei die Idee der interkulturellen Erziehung. Es setzt auf gegenseitige Respektierung und Anerkennung der kulturellen Gleichwertigkeit und verfolgt das Ziel „das tolerante Nebeneinander von Lebensformen nach dem Pluralismusmodell zu organisieren.“8 Neben das Konzept des progammatischpädagogischen Multikulturalismus stellt er die Konzepte des kulinarischzynischen, des demografisch-instrumentellen und reaktiv-fundamentalistischen Multikulturalismus.9 Da die konzeptionellen Ideen dieser Entwürfe im Verlaufe dieser Arbeit nicht weiterverfolgt werden, soll an dieser Stelle nicht weiter auf sie eingegangen werden. Mit der bloßen Etikettierung soll lediglich die Spannbreite der multikulturellen Programmatik angedeutet werden. In Anbetracht der - hier nur schemenhaft angerissenen - programmatischen Diffusion von Multikulturalität erscheint es an dieser Stelle angebracht, eine 6 Radtke (1997: 36) ebd. 8 Radtke (1990), zit. nach Bade (1996: 17) 9 vgl. Bade (1996: 17ff) 7 6 Die multikulturelle Gesellschaft programmatische Position zu beziehen. Die Chancen einer multikulturellen Gesellschaft sollen im (pädagogischen) Fokus der Auseinandersetzung mit eben dieser stehen – ohne dabei die Risiken außer Acht zu lassen. Schultze folgend ist es wichtig, „die sich entlang ethnischer Differenzierung ausbrechenden Konfliktlinien zu erkennen und die sich darin ausdrückenden Interessensgegensätze und Benachteiligungen ernst zu nehmen.“10 Die weiter oben bereits erwähnte Anerkennung der kulturellen Gleichwertigkeit und die gleichberechtigte Koexistenz der Lebensformen in einer pluralistischen Gesellschaft sind die inhaltlichpragmatischen Grundideen des dieser Arbeit zugrunde liegende normativen Verständnisses einer multikulturellen Gesellschaft. Gleichberechtigte Koexistenz der Lebensformen in einer multikulturellen Gesellschaft soll dabei im Sinne Habermas verstanden werden: „In multikulturellen Gesellschaften bedeutet die gleichberechtigte Koexistenz der Lebensformen für jeden Bürger eine gesicherte Chance, ungekränkt in einer kulturellen Herkunftswelt aufzuwachsen und seine Kinder darin aufwachsen zu lassen, die Chance sich mit dieser Kultur – wie mit jeder anderen auseinanderzusetzen, sie konventionell fortzusetzen oder sie zu transformieren, auch die Chance, sich von ihren Imperativen gleichgültig abzuwenden oder selbstkritisch loszusagen, um fortan mit dem Stachel eines bewusst vollzogenen Traditionsbruchs (oder gar mit gespaltener Identität) zu leben. Der beschleunigte Wandel moderner Gesellschaften sprengt alle stationären Lebensformen. Kulturen bleiben nur am Leben, wenn sie aus Kritik und Sezession die Kraft zur Selbsttransformation ziehen.“11 2.3 Integrative Fragen an die multikulturelle Gesellschaft „Multikulturalität ist eine Tatsache, Integration ist eine Aufgabe.“12 Unter dieser Überschrift fasst die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Marieluise Beck das integrationspolitische Programm der scheidenden Bundesregierung zusammen. Integration als Aufgabe impliziert jedoch auch die Möglichkeit des Scheiterns von gesellschaftlichen Integrationsangeboten bzw. individuellen Integrationsentwürfen. Insbesondere Heitmeyer hat in seinen bisherigen Arbeiten auf die desintegrativen Tendenzen innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft hingewiesen. Desintegration versteht Heitmeyer in 10 Schultze (1992:8) Habermas (1997:175) 12 Beck (2005: 7) 11 7 Die multikulturelle Gesellschaft erster Linie als Auflösungsprozesse, die entlang der folgenden drei Dimensionen verlaufen können: a) die Auflösung von Beziehungen zu anderen Personen oder Institutionen b) die Auflösung faktischer Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen c) die Auflösung der Verständigung über gemeinsame Norm- und Wertvorstellungen.13 Die Auswirkungen individueller Auflösungs- oder Desintegrationsprozesse hat die jüngste Welle der Gewalt in Frankreichs Städten eindringlich aufgezeigt. Ob aber, wie der Spiegel unter der Überschrift „Aufruhr in Eurabia“ berichtet, „der Traum eines friedlichen Multikulti-Miteinanders zerplatzt“14, sei an dieser Stelle dahingestellt: „Was als ethnischer oder kultureller Konflikt erscheint, entpuppt sich oft im Kern als soziale Frage. Migranten sind heute weit überdurchschnittlich arbeitslos und von Armut bedroht, ihre Kinder scheitern schon früh am deutschen Bildungssystem und geraten in das gleiche soziale Abseits wie ihre Eltern. (...) Erfolgreiche Einwanderungsgesellschaften ermöglichen einen sozialen Fahrstuhl-Effekt über die Generationen hinweg: Aufstieg durch harte Arbeit und Bildung. In Deutschland steckt ein Großteil der Migranten zwischen Keller und Erdgeschoss fest. Was die Präsenz von Immigranten in den Führungsetagen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrifft, sind wir nachgerade ein Entwicklungsland.“15 Festzuhalten bleibt, dass gerade die multikulturelle Gesellschaft besondere Integrationskonzepte braucht. Die Forderung nach einer interkulturellen Öffnung gesellschaftlicher Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstellenund Arbeitsmarkt sollte hierbei oberste Priorität auf der gesellschaftspolitischen Agenda für multikulturellen Integration haben: „Es geht nicht darum, die Bindungen der Einwanderer zu ihrem Herkunftsland, seiner Sprache und Kultur zu kappen. Aber es geht sehr wohl darum, sie für das Land zu gewinnen, in dem sie jetzt leben. Erfolgreiche Integration bedeutet die Verwandlung von Fremden in Bürger. Tatsächlich gibt es Anzeichen, dass die Entfremdung zwischen Migranten der zweiten und dritten Generation und der Mehr- 13 vgl. Heitmeyer (1994: 378) Falksohn (2005) 15 Fücks (2005) 14 8 Die multikulturelle Gesellschaft heitsgesellschaft wächst. Das ist ein Alarmzeichen. Wenn die Zuwanderer aus der Türkei sich nicht mit ihrer neuen Heimat identifizieren, werden sie eine nationale Minderheit in Deutschland bilden. Das mag man unter Berufung auf das zusammenwachsende Europa für undramatisch halten - darin kann aber für die Zukunft erheblicher politischer und sozialer Konfliktstoff stecken. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir das Leitbild der multikulturellen Republik keinesfalls ad acta legen. Wir werden es noch brauchen.“16 16 ebd. 9 Interkulturelle Pädagogik 3. Interkulturelle Pädagogik In diesem Kapitel soll nunmehr ein theoretischer Rahmen der interkulturellen Pädagogik gezogen werden. Der Begriff der Kultur ist in dem Konzept der interkulturellen Pädagogik von elementarer Bedeutung. Daher soll zunächst der Begriff der Kultur beleuchtet werden, bevor ich mich dem eigentlichen Konzept interkultureller Pädagogik widmen werde. 3.1 Anmerkungen zum Kulturbegriff im Kontext interkultureller Pädagogik Kultur wird im allgemeinen und alltäglichen sowie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch sehr weit und vieldeutig verwendet. Aufgrund dieser diffusen Weite und Vieldeutigkeit des Begriffs – so soll es weit über 100 verschiedene Kulturbegriffe geben17 - ist auch der hierauf aufbauende Begriff der interkulturellen Pädagogik umstritten. So wird der Begriff der interkulturellen Pädagogik beispielsweise von Diehm und Radtke abgelehnt, da sie eine Kulturalisierung gesellschaftlicher Probleme befürchten. Sie sehen vor allem die Gefahr, dass beispielsweise Schwierigkeiten der Integration von Migrantinnen und Migranten verkürzt durch Kulturdifferenzen erklärt würden.18 Vor diesem Hintergrund erscheint es für das Konzept der interkulturellen Pädagogik zunächst sehr wichtig, den ihm immanenten Begriff des Kulturellen im Hinblick auf seine inhaltliche Bedeutung zu klären. Während einige theoretische Konzepte ein sehr enges und einseitiges Verständnis von Kultur haben, ist anderen Konzepten eine dynamische, an Lebens- und Alltagswelten von Menschen gebundene Dimension des Kulturellen implizit. Letztgenannte Konzepte berücksichtigen sowohl eine inter- als auch intrakulturelle Vielfalt. Zudem werden Überschneidungen und Wechselbeziehungen zwischen Kulturen beachtet. Die Möglichkeit der hieraus erwachsenden gesellschaftlichen Problemlagen sowie auf dem Kulturellen aufbauende Machtasymmetrien und deren 17 vgl. Nestvogel (http://www.venro.org/schwerpunkte/bildung21/dokumentation/arbeitsforen/5_nestvogel.html) 18 vgl. Auernheimer (2003: 73) 10 Interkulturelle Pädagogik gesellschaftlichen Auswirkungen werden in dem dynamischen Konzept nicht übergangen.19 3.1.1 Der Begriff der Kultur: Versuch einer Definition Wie weiter oben bereits erwähnt, gibt es weit über 100 Definitionen von Kultur. Bei aller Unterschiedlichkeit weisen diese Definitionen jedoch auch Gemeinsamkeiten auf. Zwei übereinstimmende Aspekte, die sich in vielen Definitionen verschiedenster Disziplinen wiederfinden lassen, sind der „symbolische Charakter“ und die „Orientierungsfunktion“ von Kultur.20 Der symbolische Charakter einer Kultur beinhaltet bestimmte, in einer Gesellschaft gelebte Rituale oder Kommunikationsformen (z.B. zwischen den Generationen), die für die einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft mit Bedeutung gefüllt sind. Die Funktion kultureller Symbole ist die Verständigung und die Darstellung ‚nach Außen’. Ein symbolisches Mittel der Darstellung kann z.B. Kleidung sein. Sie kann als Ausdruck unserer Selbst aber auch der Repräsentation spezifischer kultureller Symbole dienen. Die Orientierungsfunktion bezieht sich auf die Tatsache, dass Werte und Normen allgemein als grundlegende Bestandteile von Kultur gesehen werden können. Diese kommen nach Auernheimer „in den stillschweigenden Verhaltenserwartungen des Alltags zur Geltung“21 und werden in der Regel im Laufe des Sozialisationsprozess vom Individuum internalisiert. Hierauf aufbauend bezeichnet eine allgemeine Definition von Kultur diese als „Landkarten der Bedeutung’, welche die Dinge für ihre Mitglieder verständlich machen. Diese Landkarten der Bedeutung’ trägt man nicht einfach im Kopf mit sich herum: sie sind in den Formen der gesellschaftlichen Organisationen und Beziehungen objektiviert.“ 22 19 vgl. Nestvogel (http://www.venro.org/schwerpunkte/bildung21/dokumentation/arbeitsforen/5_nestvogel.html) 20 Auernheimer (2003: 73) 21 ebd. (74) 22 Clarke, zit. nach Auernheimer (2003: 75) 11 Interkulturelle Pädagogik Innerhalb dieser Definition werden die Systeme Sprache, Religion, Wissenschaft Kunst etc. berücksichtigt. Sie sind „tradierbare symbolische Formen“23, auf deren Grundlage Menschen miteinander umgehen und sich verständigen. Im alltäglichen Leben sind diese Formen beispielsweise als Bräuche, Konventionen, Wertungen und Traditionen zu beobachten. Von diesem allgemeinen Verständnis von Kultur ausgehend, sollen im weiteren Verlauf der Annäherung an einen ebenso vielschichtigen wie bedeutsamen Begriff die verschiedenen Dimensionen des Kulturbegriffs beleuchtet werden. 3.1.2 Dimensionen des Kulturbegriffs Einer bestimmten inhaltlichen Bestimmung des Kulturbegriffes liegt immer auch ein entsprechendes Menschenbild zugrunde. Diese Bestimmung zu klären, ist deshalb in der konkreten interkulturellen Arbeit mit Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft sehr wichtig. Dimensionen entlang derer sich der eigene Kulturbegriff reflektieren lässt, hat Nestvogel entlang von sieben dichotomen Begriffspaaren herausgearbeitet, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen.24 statisch – dynamisch Ein statisch verstandener Kulturbegriff leugnet, dass Kulturen einem Wandel unterliegen und prozesshaft zu sehen sind. Ein dynamisch konzipierter Kulturbegriff impliziert hingegen die prinzipielle Möglichkeit des kulturellen Wandels bzw. (inter-) kultureller Durchlässigkeit. Dennoch kann es beispielsweise für Angehörige einer ethnischen Minderheit wichtig sein, einzelne Kulturelemente zu bewahren und zu leben, um sich so der Vereinnahmung durch eine Majorität zu widersetzen. Sie sind so in der Lage, ein ‚kulturelles Selbstwertgefühl’ zu entwickeln bzw. zu erhalten. unhistorisch – historisch Ein historisch verwendeter Kulturbegriff bezieht in seinem Verständnis von Kulturen deren vergangene und gegenwärtige Verflechtungen mit anderen 23 24 Cabrera-Rivas (1999: 96) vgl. Nestvogel (2002: 25ff.) 12 Interkulturelle Pädagogik Kulturen ein. Hier werden also vergangene ‚Phänomene’, die für die aktuelle Lebenssituation von Menschen noch Bedeutung haben können (wie beispielsweise der Nationalsozialismus oder der Kolonialismus), berücksichtigt. Zudem können bestimmte Beziehungsstrukturen zwischen Kulturen und Menschen oftmals nur vor dem Hintergrund vergangener Phänomene verstanden werde. Ein unhistorischer Ansatz hingegen negiert das oben beschriebenen Wirkungspotenzial. an alltägliche Lebenswelten gebunden – elitär Ein elitärer Kulturbegriff beschränkt sich auf die künstlerischen und geistigen Lebensformen des Bildungsbürgertums. Diese Kulturphänomene haben jedoch nicht unbedingt etwas mit der Lebenswelt aller Menschen einer Gesellschaft zu tun. Ein an alltäglichen Lebenswelten gebundener Kulturbegriff hingegen umfasst beide Bereiche, d.h. sowohl den als Kultur bezeichneten künstlerischen Lebensbereich, als auch insbesondere die Alltagskultur. Diese beinhaltet die jeweils spezifischen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Verhaltensmuster, die bestimmte Bereiche des alltäglichen Lebens betreffen (z.B. Erziehungsstile, Formen der Konfliktregelung, der Umgang in Generationen- und Geschlechterbeziehungen etc.). hierarchisierend – von Gleichwertigkeit ausgehend Ein hierarchisch verstandener Kulturbegriff nimmt eine Wertung zwischen Kulturen vor. Oftmals werden westlich-europäische Kulturen als an der Spitze der Entwicklung stehend gesehen. Andere vermeintlich weniger entwickelte bzw. ausdifferenzierte Gesellschaften und Kulturen müssen sich zwangsläufig oder durch zivilisatorische Anstrengung zu dieser Stufe hinentwickeln. Abwertend suggeriert dieser hierarchisierende Kulturbegriff eine kulturelle Rückständigkeit dieser Menschen. Bestimmte sicherlich kritikwürdige Aspekte und Praktiken der 13 Interkulturelle Pädagogik sogenannten weiterentwickelten Kulturen werden in diesem Kulturverständnis ausgeblendet.25 Im Gegensatz zum hierachisierenden Ansatz gibt der auf Gleichwertigkeit aufbauende Kulturbegriff - da er eben keine Wertigkeiten verschiedener kultureller Lebenswirklichkeiten zulässt - kein konkretes Entwicklungsziel vor. exotisch – alltäglich Der exotische Blick auf andere Kulturen hebt vor allem die Andersartigkeit fremder Kulturen im Kontrast zur eigenen Kultur hervor. Dieser verkürzte Blickwinkel dient häufig als Projektionsfläche für eigene nicht ausgelebte Wünsche und Bedürfnisse und stellt ein eindimensionales Bild anderer Kulturen dar. Beispiele für Kulturbegegnungen, in denen der exotische Aspekt im Vordergrund steht, sind oftmals im organisierten Tourismus zu finden. Im Vordergrund sogenannter touristischer Attraktionen stehen folkloristische Darbietungen, bei denen besondere Tänze, Menschen in einer bestimmte Bekleidung oder auch Nacktheit und kulinarische Spezialitäten dargeboten werden. Der Alltag der dort lebenden Menschen sowie geschichtliche und kulturelle Hintergründen zu den spezifischen Darbietungen, aber auch das Vorhandensein kultureller Gemeinsamkeiten werden meistens außer Acht gelassen. homogen, abgeschlossen – heterogen, vielfältig, offen Der Begriff des Kulturkreises impliziert Homogenität und Abgeschlossenheit einzelner Kulturen. Die Vorstellung eines homogenen und abgeschlossenen Kulturkreises leugnet die soziale Tatsache einer multikulturelle Gesellschaft, in der Menschen verschiedenster kultureller und ethnischer Herkunft leben. Ebenso blendet das Konstrukt von Kulturkreisen sowohl aktuelle als auch vergangene Völkerwanderungen, Migrationen und Flüchtlingsbewegungen aus. Des weiteren kann die Konstruktion sogenannter Kulturkreise schnell zur Bildung von Feindbildern und Differenzen führen, die zu politischen Zwecken missbraucht werden könnten. Man denke hier beispielsweise an die aktuelle Debatte vom „Kampf der 25 In diesem Kontext sei an den im deutschsprachigen Raum gesellschaftlich selten hinterfragten Begriff der „unterentwickelten“ Gesellschaft bzw. Kultur erinnert, der unausgesprochen das eigentliche Entwicklungsziel hin zu einer kapitalistischen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaft impliziert. 14 Interkulturelle Pädagogik Kulturen“ und den damit einhergehenden konstruierten Gegensatz zwischen dem ‚westlich- aufgeklärten Kulturkreis’ und dem ‚islamischen Kulturkreis’.26 Gleichzeitig suggeriert der Begriff des Kulturkreises die Existenz einer kulturellen, in sich abgeschlossen Einheit. Unberücksichtigt bleibt dabei die intrakulturelle Vielfalt einer Gesellschaft. So gibt es in jeder Kultur auch unterschiedliche Subkulturen wie beispielsweise verschiedene Jugend-, Stadt- und Land- oder auch klassenspezifische Kulturen. Neben einer interkulturellen Vielfalt ist also auch eine intrakulturelle Vielfalt zu berücksichtigen. Zudem lassen sich auch nationen- und kulturübergreifende Gemeinsamkeiten zwischen den jeweiligen Teilkulturen finden. Aus diesem Grund scheint eine Konstruktion von Kulturkreisen abwegig, die Kulturen als gänzlich anders oder abgegrenzt von anderen Kulturen versteht. essentialistisch – konstruktivistisch Ein essentialistischer Kulturbegriff begreift Kultur als zum Wesen des Menschen gehörend, die - einmal angeeignet - nicht mehr veränderbar ist. Dagegen geht ein konstruktivistisches Kulturverständnis davon aus, dass Menschen in der aktiven Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, den jeweils spezifischen kulturellen Bräuchen sowie Deutungsmustern, Normen und Werten eine ‚kulturelle Identität’27 erwerben. Diese ‚kulturelle Identität’ ist jedoch nicht unveränderlich, sondern kann in kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen oder anderen Kultur(en) erweitert oder verändert werden. Zusammenfassend zeigen die mannigfaltigen Facetten des Kulturbegriffs, wie schwierig dieser inhaltlich eindeutig zu fassen ist. So vielfältig die analytischen Aspekte sind, die sich unter dem Begriff Kultur subsumieren lassen, so unterschiedlich können auch die Auswirkungen von individuell unterschiedlich gelebtem Kulturverständnis für das soziale Miteinander sein. Das eigene Kulturverständnis kann sich auf die Qualität der Begegnung und Beziehung zu 26 Der Einfluss der vermeintlichen Logik des „Clash of Civilizations“ auf das Argumentieren und Handeln politischer Entscheidungsträger wurde in Besorgnis erregender Weise in jüngster Vergangenheit in den kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan und Irak sichtbar. 27 Auf den Begriff der ‚Kulturellen Identität’ wird in Kapitel 3.1.3 noch genauer eingegangen. 15 Interkulturelle Pädagogik Menschen aus und in verschiedenen Kulturen auswirken. Alltäglichen Diskursen und Diskriminierungen liegt oftmals ein einseitiges oder verengtes Kulturverständnis zugrunde. Wie sich dieses äußern kann, möchte ich kurz an einem Beispiel zum Thema Tanz verdeutlichen: In einer Tanz-Performance afrikanischer Tänzerinnen und Tänzer im pact-Zollverein in Essen wurden zwei Choreographien aufgeführt, in denen Elemente traditioneller afrikanischer Tänze mit Elementen des modernen Tanzes verbunden wurden.28 Zwei Rezensionen großer regionaler Tageszeitungen nahmen wie folgt zu den gezeigten Choreografien Stellung: „Sie sind schwarz. Aber sie tanzen keinen Buschmann-Tanz.“29 „Da gab es keine Folklore aus dem Busch zu sehen, sondern zeitgenössischen, außergewöhnlichen Tanz“30 Den Zitaten liegt offensichtlich ein sehr problematisches Konzept von Kultur zugrunde. Der Begriff ‚Buschmanntanz’ im Kontext afrikanischer Tanzkulturen ist abwertend und undifferenziert. Er wird den traditionellen afrikanischen Tänzen in ihrer Vielfalt und Bedeutung – auch für das alltägliche Leben – nicht gerecht. Dem Vergleich von ‚Folklore aus dem Busch’ und ‚zeitgenössischen, außergewöhnlichen Tanz’ ist ein hierarchisches Kulturverständnis immanent. Die traditionellen Tänze werden, verglichen mit dem modernen Tanz, abgewertet. Die Aussage, dass die Tänzerinnen und Tänzer, obwohl sie schwarz sind keinen ‚Buschmann-Tanz’ tanzen, lässt sich durchaus dahingehend interpretieren, dass hier Verwunderung darüber besteht, dass es in Afrika neben traditionellen afrikanischen Tanzkulturen auch andere Tanzkulturen gibt. Die Aussage gibt ein Verständnis von der (Tanz-)Kultur in Afrika wieder, das sowohl statisch als auch homogen und abgeschlossen zu sein scheint. Ein statisches Kulturverständnis leugnet die Wandlung von Kulturen und damit auch von Tanzkulturen, ein homogenes und abgeschlossenes Kulturverständnis streitet die intrakulturelle Vielfalt der (Tanz-) Kulturen ab. 28 Gezeigt wurden zwei Choreographien der Preisträger des 5. Choreographischen Wettbewerbs Afrika und Indischer Ozean. „Danse en Création/Sanga III 2003, in Antananarivo, Madagaska 29 Schenk-Gülich (2004a) 30 Schenk-Gülich (2004b) 16 Interkulturelle Pädagogik Diese kurze Darstellung verdeutlicht, wie aufmerksam man mit der Zuschreibung kultureller Phänomene anderer Kulturen umgehen sollte. Zusammenfassend soll für diese Arbeit ein Konzept des Kulturbegriffs zugrunde gelegt werden, dass vor allem die dynamische und historische Dimension betont. Die alltägliche Lebenswelt soll in dem Konzept ebenso Berücksichtigung finden wie die Heterogenität und Offenheit von Kulturen. Heruntergebrochen auf die individuelle Ebene bedeutet dies, dass das Individuum seine kulturelle Identität stets überprüfen und neu aushandeln bzw. konstruieren kann. 3.1.3 Kultur und Identität Das abgrenzbare Spezifische, das einen Menschen von anderen unterscheidet, wird als Identität bezeichnet. Für den einzelnen verbirgt sich die Antwort dessen, was Identität ist, hinter der Frage ‚Wer bin ich?’. Erlebt wird Identität als eine gewisse Einheit, die einen Rahmen bildet „in dem unsere Vorlieben, Wünsche, Meinungen und Strebungen Sinn bekommen.“31 Dabei ist der Prozess der Identitätsentwicklung ein lebenslanger und stellt das Individuum vor immer neue Herausforderungen. Sie kann als die subjektiv verarbeitende Auseinandersetzung einer Person mit ihrer spezifischen Umgebung bezeichnet werden: „Identität stellt die Schnittstelle zwischen gesellschaftlichen Erwartungen an den einzelnen und dessen psychischer Einzigartigkeit dar. Sie ist das Produkt der Vermittlung und eine dynamische Balance zwischen beiden Seiten.“ 32 Zwar entwickelt jeder Mensch im Laufe seines Sozialisationsprozesses bestimmte Vorstellungen über sich selbst, versucht sich in Beziehungen zu positionieren und seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Doch Veränderungen der Lebensbedingungen führen immer auch zu individuellen Wandlungen und umgekehrt. Das Individuum präsentiert sich anderen also nicht in einem immer gleichbleibenden Bild, sondern fügt neue Aspekte hinzu. Dabei ist das Gefühl, trotz der zum Teil widersprüchlichen Teilidentitäten mit sich selbst im Einklang zu sein, für die körperliche und psychische Stabilität essentiell.33 Die Gegenwarts- 31 Taylor (1997, 22) Keupp (1997: 93) 33 vgl. Antonowsky 1987 zit. nach Keupp (1997: 18) 32 17 Interkulturelle Pädagogik gesellschaft in ihrer Ausdifferenzierung und Komplexität, zu deren Besonderheiten Urbanisierung und Migration, Globalisierung und Massenkommunikation zählen, stellt besondere Anforderungen an das Individuum und seinen Identitätsentwurf. Auernheimer folgend soll Identität als „offenes, unabschließbares Projekt“ verstanden werden, das von „kritischen Lebensereignissen stets neu angestoßen“ wird. Sie ist „ein Komplex von (Re-) Konstruktionen und etwas, dass immer neu ausgehandelt werden muss.“34 In der individualisierten Gesellschaft wird in dem Zusammenhang häufig auch von Patchwork-Identität gesprochen.35 Der Begriff des Kulturellen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Identität deutet darauf hin, dass sich Identität in einem bestimmten kulturellen Rahmen entwickelt. In der multikulturellen Gesellschaft gewinnt die kulturelle Identität zunehmend an Bedeutung. Dabei darf kulturelle Identität jedoch nicht mit kultureller Prägung verwechselt werden, da dieser Begriff etwas Endgültiges und Statisches beinhaltet. Dies berücksichtigend nimmt Auernheimer eine Unterscheidung zwischen Identität und Habitus vor. Letzteren Begriff verwendet er in Anlehnung an Bourdieu, der hierunter ein meist schon in der frühen Kindheit verinnerlichtes Schema des Wahrnehmens, Bewertens und Handelns versteht. Diese im alltäglichen, sozialen Umgang inkorporierte Erfahrungen und Eigenschaften können nicht mit Identität im klassischen Sinne gleichgesetzt werden.36 Kulturelle Identität kann vielmehr als Auseinandersetzung mit dem kulturellen Habitus bezeichnet werden. Die Stellungnahme zu bestimmten kulturellen Symbolen, Handlungen etc. können als Syntheseleistung des Subjekts verstanden werden. Der oder die Einzelne setzt sich hier mit dem auseinander, was ihm oder ihr habituell geworden ist und kann sich zu verschiedenen kulturellen Eigenheiten ins Verhältnis setzten. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem kulturell spezifischen Habitus findet meist erst in der Fremdbegegnung oder in einer Minderheitensituation statt. Diese 34 Auernheimer (2003: 69) vgl. Berger (1996: 71f.) 36 Gemeint ist hier die identitätstheoretische Tradition seit G.H. Mead und Erikson. Nach Erikson ist Identität als eine erst in der Adoleszenz gestellte Entwicklungsaufgabe und Leistung des Individuums zu verstehen. Diese Leistung erfordert, dass der oder die einzelne sich zum einen mit sozialen Zuschreibungen und Erwartungen auseinandersetzt und zum anderen mit der persönlichen Lebensgeschichte, also mit dem, was jemandem zum kulturell spezifischen Habitus geworden ist. 35 18 Interkulturelle Pädagogik Auseinandersetzung kann Auswirkungen auf den Umgang mit spezifischen Kulturelementen wie z.B. Sprache, weltanschauliche Orientierung, Werte, Symbole oder Lebensstile haben. Das Individuum kann sie für sich neu auslegen, verwerfen oder umdeuten. Für Angehörige einer kulturellen Minderheit ist zudem die Tatsache relevant, welche Identitätsangebote ihnen von der Mehrheitsgesellschaft gemacht werden und ob diese sie integriert oder ausgrenzt. Für das Individuum können natürlich mehrere kulturelle Systeme von Bedeutung sein.37 Hieraus lässt sich ein für die multikulturelle Gesellschaft und damit für die interkulturelle Pädagogik leitendes Prinzip ableiten: Anerkennung bzw. Akzeptanz. Die Akzeptanz sollte sich auf die verschiedenen Identitätsentwürfe von Individuen beziehen. Pädagogische Institutionen sollten es Individuen ermöglichen, ihre Identitätsentwürfe unbefangen – ohne Anpassungsdruck seitens der Mehrheitsgesellschaft, aber auch seitens der Herkunftsgesellschaft - zu repräsentieren und zu erproben. Kulturelle Identität aus pädagogischer Sicht ist als eine Dimension individueller Identitätskonstruktion relevant. Adl-Amini bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Das Bewusstsein der Menschen wurzelt zwar in der Kulturgemeinschaft, trägt aber entscheidende individuelle Ausprägungen.“38 Die gesellschaftliche Situation ermöglicht jedoch selten einen unbefangenen Umgang mit Ethnizität. Die Aufgabe einer interkulturellen Pädagogik sollte es sein, einen Freiraum zu schaffen, in dem ein spielerischer Umgang mit kulturellen Inhalten und Formen gerade auch der Herkunftskultur möglich ist. 3.2 Konzept im Wandel: Von der Ausländer- zur interkulturellen Pädagogik Nachdem der das Konzept der interkulturellen Pädagogik tragende Begriff der Kultur skizziert worden ist, möchte ich zunächst einen kurzen geschichtlichen Abriss der interkulturellen Pädagogik geben. Vorweg sei erwähnt, dass es viele unterschiedliche Theorieansätze interkultureller Pädagogik gibt, die inhaltlich und begrifflich nicht auf einen Nenner zu bringen sind: „Die interkulturelle Pädagogik gibt es genauso wenig wie die Pädagogik. Auch für sie wie jene gilt: es gibt so 37 38 vgl. Auernheimer (2003: 69ff.) Adl-Amini (1992: 37) 19 Interkulturelle Pädagogik viele Ansätze interkultureller Pädagogik wie Theoretiker der Pädagogik.“39 Die Ansätze der verschiedenen Vertreterinnen und Vertreter der interkulturellen Pädagogik zu vergleichen und darzustellen würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Aus diesem Grund beziehe ich mich schwerpunktmäßig auf die inhaltlichen Konzepte von Auernheimer und Nestvogel. 3.2.1 Kurze Geschichte der interkulturellen Pädagogik Die beginnende Zuwanderung von Arbeitsmigranten aus den sogenannten Anwerbeländern in den 1960er Jahren, führte in den 1970er Jahren zur Herausbildung der Ausländerpädagogik. Kamen in den 1960er Jahren zunächst junge oftmals ledige Männer nach Deutschland, die ihre Familien in der Heimat zurückgelassen hatten, zogen in den 1970er Jahren vermehrt deren Familien nach. Der Familiennachzug führte zu einer veränderten Situation in den pädagogischen Institutionen. Da sich Deutschland jedoch nicht als Einwanderungsland definierte, wurde der Aufenthalt ausländischer Arbeitnehmer- und Flüchtlingsfamilien und ihrer Kinder bildungspolitisch als zeitlich befristete Aufgabe gesehen. Diese Einschätzung deutscher Migrations- und Bildungspolitik wirkte sich natürlich auf die in den Schulen umgesetzten pädagogischen Konzepte aus.40 Die pädagogische Reaktion auf die veränderte Situation in den Schulen zielte vor allem auf die Behebung von „sprachlichen und kulturellen ‚Eingliederungsdefiziten’“41 der Migrantenkinder ab. Diese sprachlichen und kulturellen Defizite der Migrantenkinder sah die deutsche Bildungspolitik bis in die 1980er Jahre als entscheidendes gesellschaftliches Integrationshemmnis an. Gleichzeitig sollte aber durch einen unterstützenden muttersprachlichen Ergänzungsunterricht die Rückkehrfähigkeit in die Herkunftsländer erhalten bleiben. Dieser sehr einseitige und defizitorientierte Ansatz forderte jedoch eher eine Assimilation der Migrantinnen und Migranten als dass von Integration gesprochen werden könnte. Mit anderen Worten: Von Migrantinnen und Migranten wurde eine Anpassung bzw. eine Angleichung an bestehende Verhältnisse der Mehrheitsgesellschaft verlangt. Eine Integration hingegen hätte sowohl die Minderheits- als auch die Mehrheitsgesellschaft 39 Borelli, zit. nach Glumper (1998: 209) vgl. Auernheimer (2003: 35) 41 Karakasoglu-Aydin (2000: 134) 40 20 Interkulturelle Pädagogik angesprochen und die Verbindung einer Vielheit von einzelnen Personen oder Gruppen zu einer gesellschaftlichen und multikulturellen Einheit bedeutet. In den 1980er begann die interkulturelle Pädagogik die Ausländerpädagogik abzulösen. Vertreterinnen und Vertreter des Konzepts interkultureller Pädagogik kritisierten an der Ausländerpädagogik insbesondere deren einseitigen kompensatorischen Ansatz, der den Lernbedarf insbesondere auf Seiten der Migrantinnen und Migranten sah. Interkulturelle Pädagogik hingegen richtet sich nicht ausschließlich an Migrationskinder, sondern bezieht explizit die Kinder der Mehrheitsgesellschaft in das pädagogische Konzept mit ein. Der defizitorientierte Ansatz wird zugunsten eines ressourcenorientierten Ansatzes (z.B. Bilingualität der Migrantinnen und Migranten) aufgebrochen.42 3.2.2 Multikulturelle Gesellschaft und interkulturelle Pädagogik Die Kritikerinnen und Kritiker der Ausländerpädagogik forderten deren Ablösung durch Konzepte einer interkulturellen Pädagogik. Die Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft und deren Folgen wollten diese nicht als Defizit, Problem oder Bedrohung verstanden wissen. Vielmehr sollte der Aspekt der kulturellen Bereicherung und gemeinsamen Lernchancen sowohl für die einheimische Majoritätsgesellschaft, als auch für die zugewanderte Minorität betont werden. Die Adressaten der Konzepte interkultureller Pädagogik waren also im Gegensatz zur Ausländerpädagogik explizit auch die Einheimischen/Deutschen, wie folgendes Zitat von Hohmann verdeutlicht: „Generell wird interkulturelle Erziehung gegenwärtig verstanden als pädagogische Reaktion, theoretischer und praktischer Art auf die migrationsbedingte kulturelle Pluralität der Gesellschaft. (...) Die Mitglieder aller in einer multikulturellen Gesellschaft zusammenlebenden ethnischen Gruppen gelten als Adressaten der als interkulturell qualifizierten pädagogischen Maßnahmen, einschließlich ihrer antirassistischen Variante.“ 43 Wie bereits erwähnt, gibt es nicht nur ein Konzept interkultureller Pädagogik. Vielmehr handelt es sich bei diesem Ansatz um eine Theoriefamilie mit unter- 42 43 vgl. Glumper (1998: 207) Hohmann zit. nach Glumper (1998: 211) 21 Interkulturelle Pädagogik schiedlichen konzeptionellen Schwerpunktsetzungen. So lassen sich beispielsweise nach Nestvogel44 drei Strömungen interkultureller Pädagogik beschreiben, die trotz ihrer verschiedenen inhaltlichen Gewichtungen miteinander verbunden sind. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um: • Interkulturelles Lernen als Reaktion auf die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland • Interkulturelles Lernen als Reaktion auf ein zusammenwachsendes Europa • Interkulturelles Lernen als Reaktion auf das Weltsystem Dabei ist nach Nestvogel interkulturelles Lernen als pädagogische Reaktion auf die multikulturelle Gesellschaft als Hauptstrom zu verstehen. Dieses Konzept bezieht sich räumlich gesehen auf das Zusammenleben von Menschen verschiedener kultureller und ethnischer Herkunft in Deutschland. Es ist zeitlich auf gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte begrenzt.45 Inhaltliche Schwerpunkte dieses Konzepts sind • der Erwerb von Wissen über andere Kulturen • das soziale Lernen von Kindern, Jugendlichen Erwachsenen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft • die Auseinandersetzung mit kulturellen Differenzen sowie die Herstellung von Gemeinsamkeiten • die Reflexion und der Abbau von Vorurteilen • die Anerkennung von sogenannten Fremden und die Wertschätzung fremder Kulturleistungen. Die konzeptionelle Umsetzung dieses Ansatzes hat sich von einem begegnungsorientierten hin zu einem konfliktorientiertem Schwerpunkt verschoben. In einer 44 vgl. Nestvogel (http://www.venro.org/schwerpunkte/bildung21/dokumentation/arbeitsforen/5_nestvogel.html) 45 Entgegen des weltsystemischen Ansatzes klammert dieses Konzept weiter zurückliegende gesellschaftliche Entwicklungen und Prozesse wie beispielsweise Kolonialismus und dessen bis in die Gegenwart hineinreichende Folgen weites gehend aus. 22 Interkulturelle Pädagogik Pädagogik der Begegnung steht die Betonung der gegenseitigen kulturellen Bereicherung durch kulturelle Kontakte, der Umgang mit Differenzen zwischen zugewanderter und Aufnahmekultur und die Repräsentation fremder Kulturen im öffentlichen Leben im Vordergrund. Begegnungsorientierte Konzepte finden sich beispielsweise innerhalb der Eine-Welt-Pädagogik wieder. Der Fokus des konfliktorientierten Ansatzes ist in erster Linie auf die Bekämpfung struktureller Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten gerichtet und stellt eine Verbindung zwischen politischen und pädagogischen Forderungen dar, die sich beispielsweise in Konzepten der AntirassismusErziehung und der politischen Bildung wiederfinden. Ziel ist die Herstellung der Chancengleichheit für Minderheit und Mehrheit. Zudem geht es in dem konfliktpädagogischen Ansatz um die Befähigung, Konflikte, die zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auftreten können, auszuhalten und konstruktiv mit ihnen umzugehen.46 Das Verständnis einer interkultureller Pädagogik, die sich als Reaktion auf die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland versteht, leitet sich aus den Problemen und Potenzialen ab, die das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft mit sich bringt. Der nationalstaatliche Bezugsrahmen lässt dabei jedoch aktuelle wie auch vergangene Auswirkungen nationenübergreifender Verflechtungen im Weltsystem außer Acht (beispielsweise die der Kolonialzeit oder die ökonomischen und ökologischen Folgen der Globalisierung). Einen Schritt weiter geht das Konzept, das interkulturelles Lernen als Reaktion auf ein zusammenwachsendes Europa versteht. Es geht über den nationalstaatlichen Kontext der multikulturelle Gesellschaft in Deutschland hinaus. Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Strömung ist vor allem in begegnungspädagogischen Konzepten wiederzufinden. Im Vordergrund stehen die Gemeinsamkeiten in einem kulturell und sprachlich vielfältigen Europa - ohne Beachtung der tatsächlichen, geschichtlichen und aktuellen Konflikte und Differenzen innerhalb Europas. Beiden beschriebenen Konzepten ist gemein, dass weitgehend 46 vgl. Karakasuglu-Aydin (2000: 135f.) 23 Interkulturelle Pädagogik ignoriert wird, dass die jeweilige geographische Einheit (Deutschland bzw. Europa) nicht als isoliert im Weltsystem stehend gedacht werden kann. Eine dritte Strömung interkultureller Pädagogik – interkulturelle Pädagogik als Reaktion auf das Weltsystem – berücksichtigt eben diese Zusammenhänge innerhalb des Weltsystems. Sie ist entstanden aus der ‚Dritte-Welt’-Pädagogik aus den 1970er Jahren und wird auch als Eine-Welt-Lernen oder als globales Lernen bezeichnet. Aus dieser Strömung, deren Vertreterinnen und Vertreter sich schon früh kritisch sowohl mit der Rolle Europas innerhalb des Weltsystems als auch später insgesamt mit den Fehlentwicklungen der Industrieländer auseinandergesetzt haben, ist folgende Definition interkulturellen Lernens von Nestvogel hervorgegangen. Sie bezeichnet interkulturelles Lernen als: „Lernen von fremden Kulturen bei gleichzeitiger kritischer Auseinandersetzung mit der ‚eigenen’ Kultur und Gesellschaft (kulturelle Selbstreflexion). Diese Auseinandersetzung reicht vom Makrosystem historisch gewachsener Verflechtungen (inkl. der darin wirksamen Herrschafts- Interessensstrukturen) bis in den Mikrobereich der psychischen Strukturen des Subjekts (inkl. der eigenen Person). Interkulturelles Lernen umfasst damit kognitive, affektive und konative (handlungsorientierte) Dimensionen und erfordert die Fähigkeit zu vernetzter Wahrnehmung und einer Reflexions- und Handlungskompetenz in komplexen Zusammenhängen.“47 Diese Definition umfasst sowohl die kritische Auseinandersetzung mit nationenübergreifenden Verflechtungen im Weltsystem und deren Auswirkungen und enthält somit Aspekte des Dritte-Welt/Eine-Welt Lernens und globalen Lernens, als auch die konkrete Auseinandersetzung mit beispielsweise eigenen Vorurteilen auf der zwischenmenschlichen Beziehungsebene und damit auch der subjektiven Ebene. Dieser Aspekt entspricht dem Lernen gegen Vorurteile, dem AntiRassismus Lernen und dem sozialen Lernen. 3.3 Ziele interkultureller Pädagogik Die Ziele der interkulturellen Pädagogik48 basieren auf den zwei Grundsätzen einer multikulturellen Gesellschaft: dem Prinzip der Gleichheit (insbesondere der 47 Nestvogel (http://www.venro.org/schwerpunkte/bildung21/dokumentation/arbeitsforen/5_nestvogel.html) 48 Die Ziele der interkulturellen Pädagogik sollen insbesondere in Anlehnung an Nieke (2000) und Auernheimer (2003) diskutiert werden. 24 Interkulturelle Pädagogik Rechte und Sozialchancen) und dem Prinzip der Anerkennung (der individuellen Andersheit). Diese Ziele sind zum einen als Haltungen zu verstehen (wie die Anerkennung bzw. Akzeptanz der für Individuen wertvollen, weil identitätsrelevanten kulturellen Formen und Inhalten), zum anderen als Wissen (wie beispielsweise das Wissen um die strukturelle Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund) und als Fähigkeiten (wie z.B. Sensibilität im Umgang mit möglichen Differenzen und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel).49 Nieke formuliert insgesamt zehn Ziele interkultureller Pädagogik50, von denen sechs Ziele näher beleuchtet werden sollen: • Erkennen des eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus (3.3.1) • Grundlegung von Anerkennung/Toleranz (3.3.2) • Umgehen mit Befremdung (3.3.3) • Umgang mit Differenzen bzw. Herstellung von Gemeinsamkeiten (3.3.4) • Multiperspektivische Allgemeinbildung (3.3.5) • Antirassistische Erziehung (3.3.6) 3.3.1 Erkennen des eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus Ethnozentrismus meint die Beurteilung anderer Kulturen vom Standpunkt der eigenen Kultur mit den ihr zugrunde liegenden Wertmaßstäben. Das Eingebundensein in die Denk- und Handlungsmuster der eigenen Kultur ist unvermeidlich und dient zunächst einmal der raschen und routinierten Orientierung im Alltag sowie der Aufrechterhaltung der alltäglichen Handlungsfähigkeit. Bei der Bewertung anderer Kulturen auf der Grundlage eigener Werte und Normen kommt es jedoch häufig zur Überhöhung der eigenen Kultur. Idealtypisches Ziel interkultureller Pädagogik ist vor diesem Hintergrund ein „aufgeklärter Ethnozentrismus“51. Es ist also wichtig, sich der eigenen unvermeidlichen Einbindung in kulturelle Denk- und Handlungsmuster bewusst zu 49 vgl. Auernheimer (2003: 21) vgl. Nieke (2000: 202ff.) 51 Nieke (2003: 205) 50 25 Interkulturelle Pädagogik werden und gleichzeitig zu erkennen, dass andere Menschen ebenso in ihrer Kultur verankert sind. Nur so können Verständnis- und Akzeptanzprobleme wenn nicht gänzlich verhindert - zumindest vermindert werden. In der konkreten (pädagogischen) Auseinandersetzung mit anderen Lebensarten und Sichtweisen ist es zudem wichtig, Differenzen und Schwierigkeiten so zu thematisieren, dass keiner der Beteiligten von vornherein als rückständig oder falschdenkend entwertet wird. 3.3.2 Grundlegung von Anerkennung/Toleranz Der Begriff der Anerkennung soll dem häufig im interkulturellen Kontext verwendeten Begriff der Toleranz52 vorgezogen werden. Der Begriff der Toleranz impliziert den Aspekt der bloßen Duldung und deutet zudem im alltagssprachlichen Gebrauch auf eine Machtasymmetrie hin. So wird von der Majorität Toleranz gegenüber Minderheiten verlangt, sollten sich jedoch Angehörige einer Minderheit der Majorität gegenüber als tolerant bezeichnen, würde dies als Arroganz gedeutet.53 Anerkennung hingegen impliziert mehr als Toleranz. Hier geht es nicht nur um die Anerkennung von Menschen als Rechtssubjekte, sondern um die Wertschätzung und Zugehörigkeit zu einer jeweiligen Wertegemeinschaft. Diese volle Anerkennung verlangt immer eine kritische Überprüfung des kulturellen Selbstverständnisses einer Dominanz-Gesellschaft. Für Honneth gibt „das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft (...) die Kriterien vor, an denen sich die soziale Wertschätzung von Personen orientiert.“54 Auf die Makroebene der modernen Gesellschaft übersetzt, bedeutet dies, dass die Grundlage für ein gewaltfreies Zusammenleben in einer pluralistischen Demokratie die Anerkennung ist. Aus diesem Grund müsste eine Erziehung zur Anerkennung bzw. Akzeptanz einen grundlegenden Aspekt innerhalb der elementaren politischen Bildung darstellen.55 Das Verständnis von Anerkennung innerhalb der interkulturellen Pädagogik gilt insbesondere den Menschen aus anderen Kulturen mit ihren Orientierungen, 52 auch Nieke verwendet in diesem Kontext den Begriff der Toleranz, vgl. ebd. S. 207 vgl. Auernheimer (2003: 21) 54 Honneth (1994: 198) 55 vgl. Nieke (2000: 207) 53 26 Interkulturelle Pädagogik Denk- und Handlungsmustern, die den eigenen womöglich widersprechen. So kann in einem öffentlichen Raum wie z.B. der Schule das Aufeinandertreffen vielfältiger Lebensformen und ihrer Wertgrundlagen zu Konflikten und starken Abwehrhaltungen führen, die mit einer Entwertung anderer Kulturen zur eigenen Entlastung einhergehen können. An dieser Stelle wird das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zu einem entscheidenden Faktor für das menschliche Zusammenleben in einer Gesellschaft. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Wunsch nach Anerkennung bzw. Akzeptanz ein basales menschliches Bedürfnis ist. Soziale Anerkennung und Zugehörigkeit sind Voraussetzungen für das Empfinden von Identität. Im Umkehrschluss können Erfahrungen von Nicht-Anerkennung oder Verkennung zu einem verzerrtem Selbstbild führen.56 Grundlegend für die Anerkennung anderer Menschen und Kulturen muss daher eine kritische Haltung gegenüber dem eigenen Ordnungs- und Orientierungssystem und ein geschärfter Blick für Missstände und Widersprüche in der eigenen Kultur und Gesellschaft sein. Verlangt ist also Wachsamkeit gegenüber den eigenen Wahrnehmungsgewohnheiten. 3.3.3 Umgehen mit Befremdung Die Auseinandersetzung mit dem Fremden, dem Anderen ist ein wesentlicher Aspekt im Bereich der interkulturellen Pädagogik. Prinzipiell kann das Andere oder das Fremde dem Individuum in ganz unterschiedlichen Formen und Bedeutungsdimensionen begegnen. • Gestalt des Anderen als (fremdes) Subjekt mit eigener Biographie und kultur- und milieuspezifischen Deutungsmustern • Dimensionen des fremdgewordenen Eigenen • Begegnung mit fremden Objekten als Medien einer fremden Kultur (beispielsweise Tänze, Musik, literarische Texte) 56 vgl. Keupp (1997: 34) oder Taylor (1993: 14ff.) 27 Interkulturelle Pädagogik • Begegnung mit der Vergangenheit: Verdrängtes – als das Andere – der eigenen Vergangenheit (biographisch und kollektiv)57 Die Dimensionen des Fremden können also sowohl von innen, als zum Subjekt gehörend in Erscheinung treten, als auch von außen, in Form kultureller Leistungen fremder Kulturen. Darüber hinaus können sie die zwischenmenschliche Beziehungsebene, beispielsweise in der Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturen, betreffen. Das Gefühl des Befremdens ist oftmals mit Angst besetzt. Dies berücksichtigend, kann eine Auseinandersetzung mit dem Fremden einer anderen Kultur mit Hilfe spezieller Lernarrangements stattfinden. Hier steht nicht nur das kognitive Lernen im Vordergrund, sondern auch die „emotionale Beteiligung des Konfrontationserlebnisses“58 kann in das Arrangement eingebunden werden. Formen dieser Art des Lernarrangements könnten nonverbale Ausdrucksformen wie Tanz, Rollenbzw. darstellendes Spiel, Pantomime oder bildnerische Kunst sein. Letztlich ist das Ziel interkultureller Pädagogik aber nicht, das Gefühl des Befremden zu überwinden; vielmehr geht es darum, den Aspekt der Fremdheit in zwischenmenschlichen Beziehung anzuerkennen, „sich Befremden einzugestehen, Differenzen zu akzeptieren, um sich auf sie einlassen zu können, anstatt sich des Anderen verstehend zu bemächtigen.“59 3.3.4 Umgang mit Differenzen Den Aspekt kultureller Differenzen bezeichnet Auernheimer als zentrale Kategorie innerhalb der interkulturellen Pädagogik. Differenzerfahrungen sollten stets ernst genommen und in ihrer Komplexität gesehen werden. In der pädagogischen Alltagspraxis gibt es allerdings die verbreitete Tendenz, kulturelle Differenzen zu leugnen oder aber festzuschreiben. Das Leugnen jeglicher Differenz hängt oftmals mit der Tatsache zusammen, dass viele Menschen sich kulturell bedingte Eigenschaften nur als statische, zur Person gehörende Eigenschaften vorstellen können. So ergab eine Umfrage mit Erzieherinnen, dass es für den Großteil der 57 vgl. Fleischle-Braun (2002: 125) Nieke (2000: 201) 59 Auernheimer .(2003: 106 f.) 58 28 Interkulturelle Pädagogik Erzieherinnen zwischen deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund keine besonderen Unterschiede gäbe. Dennoch war in fast allen Interviews die Rede von der „Mentalität der Migrantenkinder“.60 Folgerichtig betont Auernheimer in diesem Zusammenhang, dass der Begriff der kulturellen Differenz nicht statisch verstanden werden dürfe.61 Als pädagogische Grundregel gilt, sich am Selbstverständnis des Anderen zu orientieren, d.h. ein Angehöriger einer Mehrheitsgesellschaft sollte die Differenz nicht definieren wollen. Wichtig ist es, sensibel dafür zu sein, wann Differenz bedeutsam wird. Beispielsweise kann es in einer Schulklasse zu Irritationen führen, wenn ein Mädchen plötzlich mit einem Kopftuch zur Schule kommt. Die Lehrerin oder der Lehrer sollte diese Irritationen nicht einfach übergehen oder ausblenden, sondern angemessen thematisieren. Neben der Auseinandersetzung mit Differenzen kann es in bestimmten Situationen von Bedeutung sein, kulturelle Gemeinsamkeiten zu betonen. Hamburger konstatiert in diesem Zusammenhang: „Pädagogisch produktiv ist das Vorgehen, in den verschiedenen Kulturen ähnliche oder gleiche allgemeine Werte und Normen zu identifizieren, die gleichermaßen (und nicht in einer hierarchischen Reihenfolge) auf allgemeine Prinzipien hinweisen.“62 Erstrebenswert sollte eine Balance sein zwischen der Berücksichtung der Besonderheiten einer Kultur - ohne einer damit verbundenen künstlichen Fixierung auf nicht mehr gelebte Kultur oder ihrer Gleichsetzung mit Nation - und der Betonung des Gemeinsamen.63 Es ist wichtig, kulturelle Differenz anzuerkennen und gleichzeitig für Chancengleichheit einzutreten. Es ist stets daran zu erinnern, „dass die Differenz der kulturellen Muster in der Regel nur in Verbindung mit Machtasymmetrie und Stereotypenbildung problematisch wird.“64 60 Feil, Schönhammer (1983), zit. nach Auernheimer (2003: 132) vgl Erdmann (1999: 8) 62 Hamburger (1994: 46) 63 vgl. Nieke (2000: 211) 64 ebd. (137) 61 29 Interkulturelle Pädagogik 3.3.5 Multiperspektivische Bildung Ursprünglich lässt sich die Idee der Multiperspektivität auf Konzepte der sogenannten ‚Dritte Welt’ – Pädagogik zurückführen. In der multiperspektivischen Allgemeinbildung kommt besonders stark das in Kapitel 3.3.2. skizzierte Anerkennungsmotiv zum tragen. Bei der multiperspektivischen Bildung geht es darum, den eigenen Blickwinkel sowohl auf die eigene als auch auf andere Kulturen sowie auf weltsystemische Zusammenhänge zu erweitern. Ziel ist die Überwindung eigener monokulturelle Orientierung. Das Prinzip der Multiperspektivität ist maßgebend geworden für Konzepte des interreligiösen Schulunterrichts und des interkulturellen Kunst- und Musikunterrichts. Umgesetzt werden diese Konzepte beispielsweise, indem Musik, Instrumente und Tänze aus verschiedenen Kulturen zum Unterrichtsthema gemacht werden. Auch in der Sprachbildung kann das Prinzip der Multiperspektivität herangezogen werden. Der Schwerpunkt liegt hier nicht auf einem reinen Sprachunterricht, sondern die Sprachbildung zielt auf ein Kennenlernen und auf Beachtung der Vielfalt der Sprachen ab, die beispielsweise die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse sprechen.65 Ziel multiperspektivischer Bildung ist die Dezentrierung unserer Weltsicht. Multiperspektivität umschließt die Einsicht in die Vielfalt menschlicher Schöpfungen und zugleich die kritische Sicht auf fragwürdige Entwicklungen in der eigenen Gesellschaft. Dieser kritische und zugleich über vermeintlich kulturelle Grenzen hinwegschauende Blick kann letztlich zu einer bereichernden Entwicklung der eigenen Kultur führen. Auf diese Weise schließt multiperspektivische Bildung „den Reichtum und die Vielfalt menschlichen Denkens ein und gibt der globalen Entwicklung die Kraft der Utopien, die in den verschiedenen Kulturen anwesend sind.“66 65 Als ein Praxisbeispiel wäre hier das Projekt „Regenbogen an der Ruhr“ zu nennen. In diesem Projekt gingen neun Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus sieben Nationen in Grundschulen, um ihre Geschichten und Gedichte in zweisprachigen Lesungen vorzustellen. Ziel dieses vom Schriftstellerverband NRW, von den RAAs und der Projekt Ruhr GmbH ins Leben gerufenen Projekts war die Aufwertung der Mehrsprachigkeit der Kinder mit Migrationshintergrund und die Förderung der Lesekompetenz aller Kinder. 66 Schmitt (1987: 117) 30 Interkulturelle Pädagogik Multiperspektivische Bildung soll also auf der einen Seite Einblicke in die kulturellen Leistungen anderer Kulturen verschaffen und deren Beitrag zu unserer Kultur verdeutlichen. Auf der anderen Seite soll sie mit dem Blick auf weltsystemische Zusammenhänge dazu verhelfen, die Auswirkungen der europäischen bzw. westlichen Expansion auf andere Länder und Kulturen zu sehen und die Opfer bzw. die Ungerechtigkeiten einer globalisierten Welt wahrzunehmen. Dies ist auch zugleich ein Beitrag zur politischen Bildung. 3.3.6 Antirassistische Erziehung Rassismus lässt sich auf sowohl auf einer individuellen als auch einer gesellschaftlichen Ebenen betrachten. Dabei besteht ein Grundzug rassistischer Auffassungen und Praktiken „in der Zuschreibung von Wesenseigenschaften an eine Gruppe von Menschen, die als eine durch fixe Merkmale charakteristischen Einheit vorgestellt werden.“67 Die individuelle Äußerungsform von Alltagsrassismen basieren auf Vorurteilen. Diese erfüllen oftmals eine psychische oder/und soziale Funktion. Vorurteile bzw. Alltagsrassismen können beispielsweise der Stabilisierung des Selbstwertgefühls dienen, indem Unsicherheiten, Ängste und Minderwertigkeitsgefühle durch Projektion und Verschiebung auf Andere verdrängt werden. Ebenso können sie der Sicherung von Macht und Privilegien der eigenen Person oder sozialen Gruppe dienen. Die gesellschaftliche Wirksamkeit von Rassismus zeigt sich in der strukturellen Benachteiligung von Minderheiten, die sich beispielsweise in der fehlenden Chancengleichheit im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt oder auch auf dem Wohnungsmarkt zeigen kann.68 Das Leitmotiv antirassistischer Arbeit ist die Verbesserung der Chancengleichheit. Sie entspricht damit dem der multikulturellen Gesellschaft zugrundeliegenden Leitmotiv der Gleichheit – Rassismus dient letztlich als Rechtfertigung von Ungleichheit. Dabei muss antirassistische Erziehungsarbeit sowohl die individuelle als auch gesellschaftliche Ebene des Rassismus berücksichtigen: Sie muss ebenso bei der Aufklärung über gesellschaftliche Strukturen wie bei der 67 Auernheimer (http://www.uni-koeln.de/ewfak/paedagogik/interkulturelle/publikationen/pol_bildung.html) 68 vgl. Auernheimer (2003: 91) 31 Interkulturelle Pädagogik individuellen Selbstreflexion ansetzen. Themen, die die gesellschaftliche Ebene betreffen, sind beispielsweise das Ausländerrecht, die Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund, Ursachen von Migrations- und Fluchtbewegungen im globalen Zusammenhang und die Ethnisierung von Konflikten. Auf der individuellen Ebene geht es in erster Linie um die Bewusstmachung eigener Rassismen. Häufig sind Rassismen als Bestandteil des kollektiven Bewusstseins auf der individuellen Ebene emotional tief verankert. Reine Aufklärungsstrategien werden daher skeptisch beurteilt. Mit der selben Vorsicht sind aber umgekehrt auch antirassistische Konzepte einzuschätzen, die nur auf die subjektive Betroffenheit abzielen. Daher hat sich innerhalb der Konzepte antirassistischer Erziehung die Forderung nach ganzheitlichen Ansätzen durchgesetzt. Zur Überwindung von Lernwiderständen ist die Lernsituation konzeptionell in eine Atmosphäre von Akzeptanz und Vertrauen einzubetten. Ein gutes Lernklima soll die Lernenden ermuntern, gesellschaftliche Missverhältnisse sowie eigene Ängste und Vorurteile selbst zu entdecken.69 3.3.7 Zusammenfassung der Ziele interkultureller Pädagogik Als vorrangiges Ziel interkultureller Pädagogik kann zusammenfassend die Fähigkeit der kulturellen Selbstreflexion genannt werden. Diese umfasst die Reflexion eigener kulturgebundener Präferenzen und Wahrnehmungsmuster und die Bewusstwerdung des eigenen Ethnozentrismus. Anerkennung bzw. Akzeptanz von Menschen anderer kultureller oder ethnischer Herkunft sollte als grundlegende Haltung in der interkulturellen Begegnung gesehen werden. Auf der gesellschaftlichen Ebene steht die kritische Beachtung struktureller Ungleichheiten vor allem bei der Benachteiligung von Migranten und Migrantinnen im Vordergrund. Darüber hinaus soll die Einsicht gefördert werden, dass strukturelle Ungleichheiten mit kulturellen Dominanzverhältnissen und rassistischen Diskursen verschränkt sind. 69 vgl. ebd. (156) 32 Interkulturelle Pädagogik Diese Ziele können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die pädagogischen Institutionen vom Kindergarten an aufwärts den Ideen der Gleichheit und Anerkennung verpflichtet sind. Das auch der Grundschule eine wichtige Bedeutung zukommt, soll im nächsten Kapitel dargestellt werden. 33 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens 4. Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens Laut der vom Landesamt für Datenverwaltung und Statistik Nordrhein-Westfalen (kurz: LDS-NRW) herausgegebenen Zahlen lernten in NRW im Schuljahr 2004/2005 an insgesamt 3.451 Grundschulen 768.123 Schülerinnen und Schüler das kleine Einmaleins. Die Statistik der Zusammensetzung der Schülerschaft an den Grundschulen in NRW weist für das gleiche Schuljahr einen ‚AusländerInnen’-Anteil von 15,6 Prozent aus – das entspricht 119.536 ‚AusländerInnen’ an NRWs Grundschulen.70 Die Zahlen erfassen jedoch nicht jene Kinder, von denen nur ein Elterteil einen Migrationshintergrund aufweist bzw. jene die aus ehemals deutsch besiedelten Gebieten stammen. Die Zahlen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund dürften somit wesentlich höher liegen. Mit der heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft ist an den Grundschulen im Gegensatz zu den weiterführenden Schulen eine besondere Situation gegeben. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund entspricht hier dem Anteil der entsprechenden Jahrgänge an der Gesamtbevölkerung, wohingegen beispielsweise an den Hauptschulen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund stark über- und an den Gymnasien stark unterrepräsentiert sind.71 4.1 Interkulturelles Lernen in der Grundschule 4.1.1 Theoretischer Exkurs: Kinder und Vorurteile Um angemessene Konzepte interkulturellen Lernens für die Grundschule entwickeln zu können, ist es wichtig zu wissen, ob Kinder ethnische Vorurteile kennen und wie sie diese äußern. In einem kurzen theoretischen Exkurs soll in diesem Kapitel dieser Frage nachgegangen werden. Als Vorurteile werden diejenigen Urteile über Menschen bezeichnet, die nicht auf ihre Gültigkeit in der Realität überprüft werden. Vorurteilen werden sowohl 70 71 http://www.lds.nrw.de/statistik/datenangebot/daten/d/allgbildschulen/r313schul2.html vgl. Marburger et al. (1997: 2f.) 34 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens kognitive und affektive Aspekte als auch entsprechende Handlungsdispositionen zugesprochen: „Vorurteile sind negative oder ablehnende Einstellungen einem Menschen oder einer Menschengruppe gegenüber, wobei dieser Gruppe in Folge stereotyper Vorstellungen bestimmte Eigenschaften von vornherein zugeschrieben werden, die sich aufgrund von Starrheit, gefühlsmäßiger Ladung, selbst bei widersprechenden Erfahrungen, schwer korrigieren lassen.“72 Aufbauend auf diesem Verständnis von Vorurteilen haben Erfahrungsberichte von Pädagoginnen und Pädagogen belegt, dass bereits Kinder mit negativen oder ablehnenden Einstellungen anderen Menschen oder einer Menschengruppe gegenüber behaftet sind.73 Allerdings liegen nur marginale wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Feld der Entwicklungspsychologie über die Bildung von Vorurteilen bei Kindern vor. Als wissenschaftlich belastbar gilt die Annahme, dass Kinder schon sehr früh Interesse an Unterschieden zwischen Menschen entwickeln. Sobald sie sprechen können, zeigen ihre Fragen und Äußerungen, dass sie die in einer Gesellschaft vorhandenen negativen Bilder, Gefühle oder Gedanken über Menschen übernehmen. Dabei beziehen sich die sogenannten ‚Vor-Vorurteile’ auf Menschen, die z.B. eine dunklere Hautfarbe haben als die Kinder selbst, eine andere Sprache sprechen oder eine körperliche Beeinträchtigung haben. Soziale Kategorisierungen und Eigengruppenpräferenz sind psychologischen Untersuchungen zur kindlichen Vorurteilsbildung folgend schon ab dem dritten Lebensjahr zu verzeichnen. Bei Kinder wird aber eher vorsichtig von „prejudice-like attitudes“74, also von vorurteilsähnlichen Einstellungen gesprochen. Diese Einschränkung erscheint sinnvoll, da die Vorurteile von Kindern aufgrund ihres kognitiven und emotionalen Entwicklungsstandes nicht den Vorurteilen von Erwachsenen und älteren Kindern entsprechen können. Gesellschaftlich vorhandene Vorurteile beeinflussen zunächst alle Kinder - egal ob sie der gesellschaftlichen Mehrheit oder einer Minderheit angehören. In ihren 72 Nicklas / Ostermann (1980: S.535ff.). In diesem Zusammenhang sei kurz auf den Begriff des Stereotyps eingegangen: Er bezeichnet ein standardisiertes Bild einer bestimmten Gruppe von Menschen, bspw. kulturalistische Zuschreibungen, die die Wahrnehmung und Anerkennung bzw. Akzeptanz individueller Merkmale eines Menschen verhindert. 73 vgl. Preissing / Wagner (2003); Quehl (2000) 74 Aboud zit. nach Auernheimer (2003: 89) 35 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens Auswirkungen können Vorurteile je nach gesellschaftlicher Gruppenzugehörigkeit der Kinder (Mehrheit vs. Minderheit) sehr unterschiedlich sein. Kinder der gesellschaftlichen Mehrheit haben bessere Chancen sich positiv mit ihrer sozialen Gruppe zu identifizieren als dies bei Kinder einer gesellschaftlichen Minderheit der Fall ist. Die Auswirkungen von Vorurteilen bei Kindern einer Minderheit können einen äußerst kritischen Verlauf nehmen, wenn diese die Abwertung ihrer sozialen Gruppe in ihr Selbstbild aufnehmen. Eine defizitäre Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen kann in einem solchen Fall die Folge sein.75 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kinder bereits im Alter von drei bis fünf Jahren Vorurteile gegenüber Menschen anderer kultureller Herkunft entwickeln können. Allerdings wird in pädagogischen Konzepten oftmals überschätzt, was bei Kindern in den jeweiligen Altersstufen an interkulturellen Verständnis erreichbar ist. Bei vielen Kindern fehlt die Entwicklung der kognitiven Struktur, die Voraussetzung für das Verständnis der Lebenssituation anderer Menschen mit anderen kulturellen Normen und Werten. Auf der anderen Seite ist wissenschaftlich unbestritten, dass Kinder schon sehr früh fähig sind, sich emotional anderen zuzuwenden, mit ihnen mitzufühlen und spontan helfen zu wollen.76 Auf letzterem aufbauend muss es Aufgabe einer sich an Grundschulkinder richtenden interkulturellen Pädagogik sein, geeignete Konzepte zu entwickeln, die die kognitive und emotionale Entwicklung der Kinder berücksichtigen. Das Erreichen der Ziele interkulturellen Lernens wird durch den Einsatz kreativer Methoden im spielerischen Umgang mit Kindern gefördert. 4.1.2 Interkulturelles Lernen in der Grundschule In ihrem Bericht über die Zukunft der Bildung kommt die Bildungskommission NRW zu folgendem Ergebnis: „Das reflektierte Zusammenleben in einer multikulturellen Schule und insgesamt einer dauerhaft multikulturellen Gesellschaft erfordert eine durchgängige interkulturelle Erziehung in allen Schulstufen und Bildungsgängen und die Förderung 75 76 vgl. Wagner (2003: 39ff) vgl. Auernheimer (2003: 127) 36 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens der Chancengleichheit von Schülerinnen und Schülern aus ethnischen Minderheiten.“ 77 Diese Forderung der Kommission anerkennend, muss bereits Grundschulpädagoginnen und –pädagogen die besondere Aufgabe zukommen, Wege zu finden, den gemeinsamen Schulalltag einer Klasse mit Kindern unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft zu gestalten.78 An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass sich interkulturelles Lernen an alle Kinder richtet. Folgerichtig soll auch in Klassen, in denen nur wenige Kinder einen Migrationshintergrund haben, interkulturellem Lernen ein wichtiger Stellenwert zukommen: „Interkulturelle Pädagogik – und hier liegt der entscheidende Unterschied zu Ausländerpädagogik – kann und soll auch gerade in solchen Klassen praktiziert werden, in denen keine oder nur wenige Migrantenkinder vorhanden sind.“79 Grundschulkinder sind in einem Alter, in dem sie bei der aktiven Konstruktion ihres Verständnisses von der Welt versuchen, soziale Kategorien wie beispielsweise ’Junge/Mädchen’, ‚deutsch/türkisch’ oder auch ‚arm/reich’ zu begreifen und für sich mit Bedeutung zu füllen.80 Aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung denken sie in den Kategorien ‚richtig/falsch`, ‚gut/schlecht’ und erwerben erst später die Kompetenzen differenzierter zu denken. Im Spielverhalten von Grundschulkindern ist oftmals zu beobachten, dass beispielsweise türkische und deutsche Kinder nicht miteinander Fußballspielen, sondern getrennte, also deutsche und türkische Teams bilden. Das Spiel mit Kindern der gleichen kulturellen Herkunft wird bevorzugt. Diese Erkenntnis ist beispielsweise von Wagner empirisch belegt worden.81 Er hat in einer groß angelegten Befragung von Grundschülerinnen und Grundschülern der vierten Klasse gezeigt, dass deutsche Kinder klar ihre eigene ethnischen Gruppe den anderen Kinder gegenüber bevorzugt haben. Auf der anderen Seite müssen schon in diesem Alter einige Kinder mit Migrationshintergrund erkennen, dass sie einen anderen (niedrigeren) gesell- 77 Bildungskommission NRW (1995: 117) vgl. Avci-Werming (2004: 53) 79 Diehm, Radtke (1999: 130) 80 vgl. Quehl (2001: 27) 81 vgl. Wagner (2001) 78 37 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens schaftlichen Status als deutsche Kinder haben. Ihnen wird bewusst, dass sie in gesellschaftlich unterschiedlich bewerteten Gruppen aufwachsen.82 Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen und strukturellen Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund, die ihren Niederschlag u.a. in der extrem hohen sozialen Selektion im deutschen Bildungssystem findet, kommt der Grundschule eine wichtige integrative Aufgabe zu. Zudem ist – wie bereits weiter oben dargestellt - auch dem Aspekt der Entwicklung von Vorurteilen bei Kinder in angemessener, kindgerechter Weise zu begegnen. Spielerische Methoden wie Tanz, Rollenspiele, etc. können dabei helfen, Vorurteile zu thematisieren. Der Aspekt des ‚Lernens mit allen Sinnen’ ist hierbei als methodische Grundlage zu berücksichtigen. Themenbereiche des interkulturellen Lernens in der Grundschule können sein: • Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kinder • die Vielfalt der Sprachen • die soziale Welt der Kinder • unterschiedliche Religionen der Kinder • Kommunikative Fähigkeiten und soziales Lernen Ausgangspunkt des Lernens sollten immer die konkreten Erfahrungen der Kinder sein. In Verbindung mit den Zielen interkulturellen Lernens kommt diesem grundschulpädagogischen Prinzip eine besondere Bedeutung zu. Soziale Aspekte wie Ausgrenzung, Sich-fremd-fühlen oder Erfahrungen mit Vorurteilen und Zuschreibungen sollen auch für Kinder der Mehrheit beispielsweise in Tanz- oder Rollenspielen erfahrbar gemacht und reflektiert werden. Es sollen also Bezüge zum jeweils eigenen Erfahrungsraum hergestellt werden. Daneben kann durch die Berücksichtung und explizite Thematisierung persönlicher Erfahrungen deutlich gemacht werden, dass Kinder beispielsweise deutscher, türkischer oder 82 vgl. Avci-Werning (2004: 13) 38 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens nigerianischer Herkunft in sich vielfältig sind und einem ständigen individuellen Wandel unterliegen.83 Die Sprachförderung in Grundschulen ist ein weiterer Aspekt, der seit den Ergebnissen der PISA und IGLU-Studien immer wieder diskutiert wird. Forderungen, die sich zumeist hauptsächlich an Kinder mit Migrationhintergrund richten und dabei vor allem die Förderung der deutschen Sprache im Blickpunkt haben - also kein umfassendes Programm interkultureller Pädagogik und Zweitsprachendidaktik vorweisen – zeigen, wie handlungsleitend ausländer- pädagogische Konzepte auch heute noch sind. Auernheimer betont zu diesem Punkt: „Zur Verbesserung der Chancengleichheit unabdingbar, und Folge konsequenter Anerkennung von Andersheit, ist der Anschluss an die jeweilige Erstsprache am Schulanfang, also eine zweisprachige Alphabetisierung. Zu fordern ist diese zumindest für die größeren Sprachminderheiten.“84 Der Überblick über Ziele und Themen interkulturellen Lernens in der Grundschule soll verdeutlichen, wie wichtig die Umsetzung und Berücksichtung interkultureller Themen bereits in der Primarerziehung ist. Themen und Ziele interkultureller und antirassistischer Pädagogik müssen sich fächerübergreifend durch alle Lernbereiche der Grundschule ziehen. Hierbei sei abschließend noch einmal betont, dass interkulturelles und antirassistisches Lernen immer auf kognitivem, sozialem und affektivem Lernen aufbaut. Mit anderen Worten: interkulturelles Lernen entfaltet seine größte Wirkung immer dann, wenn es Kindern auch Spaß macht und als bedeutsam erlebt wird.85 4.2 Zum Konzept der offenen Ganztagsschule in NRW 4.2.1 Interkulturelles Lernen in der offenen Ganztagsgrundschule Die ernsthafte und wirkungsvolle Umsetzung der Ziele interkulturellen Lernens erfordert einen entsprechenden institutionellen Rahmen. Insgesamt kann für das 83 vgl. Quehl (2001: 28) Auernheimer (http://www.uni-koeln.de/ewfak/paedagogik/interkulturelle/publikationen/speyer.html) 85 vgl. Quehl (2001: 28) 84 39 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens deutsche Bildungssystem angemerkt werden, dass es im Allgemeinen vergleichsweise ungünstige Bedingungen bereitstellt (vgl. 4.2.2.). Erwähnt wird in diesem Zusammenhang von Auernheimer, neben der starken äußeren Differenzierung und Selektivität sowie dem starken Anstaltscharakter, auch der kaum verbreitete Ganztagsbetrieb in den Schulen.86 Solange Schulen nur auf den Vormittagsunterricht konzentriert sind und damit den Charakter einer bloßen Unterrichtsanstalt behalten, sind die Rahmenbedingungen für interkulturelles Lernen eher ungünstig. So fehlt beispielsweise für das professionell begleitete Lernen im Umgang mit Differenzen oder aber der intensiven Auseinandersetzung mit Themen wie Konfliktaustragung und Kooperation an den traditionellen Schulen schlichtweg der zeitliche und inhaltliche Raum. Zudem sind die Möglichkeiten des Ausgleichs von Sozialisations- und Leistungsdefiziten bei Schülerinnen und Schülern geringer als in Ganztagsschulen. In England beispielsweise, wo Schulen in der Regel als Ganztagsschulen geführt werden, können sie zu einem Lebensraum mit einer Vielfalt von außerunterrichtlichen Aktivitäten werden. Dort kann ein ganz anderer Rahmen für den Umgang mit Themen wie Differenz, Gemeinsamkeiten, Vorurteile etc. geschaffen werden. Diese Aspekte können beispielsweise durch kreativ-künstlerische Prozesse sowohl erfahrbar gemacht als auch in einem entsprechenden Rahmen aufgearbeitet werden.87 Über eine Kölner Schule, die von einer reinen Vormittagsschule in eine Ganztagsschule umgewandelt wurde, heißt es zum Zusammenhang von interkulturellem Lernen und Ganztagsschule: „Die Übermittagsbetreuung schafft neue Möglichkeiten des Kontakts und damit des interkulturellen Lernens."88 Diese Beispiele aus der Praxis deuten darauf hin, dass sich durch eine gezielte institutionelle Rahmensetzung Ziele interkultureller Pädagogik besser umsetzen lassen. Das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfalen kann in diesem Zusammenhang als erster Schritt in die richtige Richtung ver- 86 vgl. Auernheimer (http://www.uni-koeln.de/ewfak/paedagogik/interkulturelle/publikationen/artikel.html) 87 vgl. Auernheimer (http://www.uni-koeln.de/ewfak/paedagogik/interkulturelle/publikationen/speyer.html) 88 Ratzki 2001 zit. nach Auernheimer ebd. 40 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens standen werden - auch wenn eine im Auftrag des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder erstellte Zwischenbilanz konstatiert, dass interkulturelle Ansätze in der offenen Ganztagsgrundschule insgesamt noch wenig verbreitet sind.89 4.2.2 Die offene Ganztagsgrundschule in NRW Eine Reform des deutschen Bildungswesen steht nicht erst seit PISA auf der Agenda des politischen und öffentlichen Interesses. Das deutsche Schulwesen scheint in vielen Bereichen rückständig. Mit ihrem Konzept zur offenen Ganztagsschule hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen versucht, eine Antwort auf die neuen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Herausforderungen zu geben. Flitner beschreibt diese neuen Herausforderungen für die Schulen wie folgt: „Die Schule müsste (...) sich selber nach den Bedürfnissen des Lernens laufend verändern, weil die Sozialbedingungen, die Lerngegenstände, die Erfordernisse und auch die Kinder in ständiger Veränderung begriffen sind.“90 Bevor die Landesgerierung das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule durchsetzte, plante sie einen flächendeckenden Ausbau der Halbtags- zur Ganztagsgrundschule. Für die Landesregierung hätte dies bedeutet, dass die Entwicklung und Verantwortung für das Konzept sowie die Finanzierung des pädagogischen Personals in ihrer Verantwortung geblieben wären. Angesichts der angespannten Haushaltslage verbunden mit einer anders geleiteten politischen Prioritätensetzung war dieses Vorhaben nicht umsetzbar. Aus diesem Grund setzte die Landesregierung auf das Konzept des offenen Ganztages, welches seit dem Schuljahr 2003/2004 im Primarbereich an einigen Schulen des Landes umgesetzt wird: „Mit der ‚offenen Ganztagsschule im Primarbereich’ geht die Landesregierung einen neuen Weg, um unseren Kindern mehr Bildungschancen zu eröffnen und Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Die offene Ganztagsschule - zumeist Grundschulen - ist dabei mehr als Unterricht. Um dem ganzheitlichen Förderauftrag entsprechen zu können, sollen unterschiedliche Professionen zusammen wirken und ein breites Angebot an Förderkursen, Sport, Kultur und Freizeit bereithalten. Die Zusammenarbeit von Schule, Jugendhilfe, 89 90 Behrer (2005: 11) Flitner (1999: 231) 41 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens Sportvereinen und Organisationen der Kultur sind Voraussetzung für das Gelingen.“ 91 Das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule (kurz: OGGS) sieht vor, dass die Schulen Betreuungsangebote (z.B. musische und sportliche Aktivitäten, Hausaufgabenbetreuung, Sprachförderung, etc.) werktags ganztäglich bis mindestens 15.00 Uhr, in der Regel bis 16.00 Uhr und nach Bedarf auch länger unterbreiten. Im Modell der offenen Ganztagsgrundschule sind die bisher getrennten Systeme Schule und Jugendhilfe hinsichtlich der Betreuung und Förderung der Grundschulkinder zusammengefasst.92 Bei der Finanzierung der Einrichtungs- und Betriebskosten geht das Land von einem Bedarf in Höhe von 1.230 Euro pro Kind und Jahr aus. Dieser Betrag wird zu zwei Dritteln vom Land bereit gestellt und zu einem Drittel von den Kommunen. Die Kommunen wiederum können Elternbeiträge (bis zu 100 Euro) auf ihren Anteil anrechnen lassen. Ein Entgelt für das Mittagessen wird zusätzlich erhoben. Bis zum Schuljahr 2007/2008 soll das Konzept der OGGS für zwei Drittel aller Grundschulen in NRW verpflichtend sein – insgesamt sollen bis dahin etwa 200.000 Ganztagsplätze in der OGGS geschaffen werden, so dass für jedes vierte Kind im Grundschulalter ein Platz zur Verfügung steht.93 Das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule erscheint insbesondere hinsichtlich seiner finanziellen und pädagogischen Ausgestaltung kritikwürdig. Ute Schäfer, ehemalige Ministerin für Schule, Jugend und Kinder, betonte: „Die offene Ganztagsgrundschule wird kein Pflichtangebot. Es ist eine Angebotsschule, die auf freiwilliger Teilnahme basiert.“94 Da also eine verpflichtende Teilnahme ausgeschlossen ist, heißt dies im Klartext, dass Gebühren erhoben werden. Auf die Steigerung der Chancengleichheit und Bildungsqualität wirken sich aber die Gebühren und die freie Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Angebots kontraproduktiv aus. Darüber hinaus wird kritisiert, dass die vom Land errechneten Kosten pro Kind und Jahr nicht für die Bereitstellung eines qualifizierten pädagogischen Angebotes ausreichen. So haben einige Kommunen 91 http://www.bildungsportal.nrw.de/BP/Schule/System/Ganztagsbetreuung/ vgl. Reichmann (2005: 163f:) 93 MSJK April 2003 zit. nach Westerhoff (2005: 84) 94 MSJK März 2003 zit. nach Westerhoff (2005: 87) 92 42 Die Offene Ganztagsgrundschule als Ort interkulturellen Lernens errechnet, dass ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf zwischen 400 und 1.200 Euro pro Kind und Jahr benötigt wird. Eine erweiterte Finanzierung aus Elternbeiträgen würde die oben beschriebenen Zugangsbarrieren von Kindern aus sozial schwachen Familien zusätzlich verschärfen. In diesem Zusammenhang muss eine Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Schulministeriums kritisch gesehen werden. Dort heißt es: „Offen heißt: Schule ist mehr als Unterricht und öffnet sich in das Gemeinwesen, sie wird zum Lern- und Lebensort für Kinder.“95 Ein Lern- und Lebensort für alle Kinder darf jedoch keine Zugangsbarrieren haben. Soll also eine Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern aus sozial schwachen- bzw. sogenannten bildungsfernen Schichten in der OGGS erfolgen, muss sie als Bildungseinrichtung, deren Besuch Pflicht und damit unentgeltlich ist, offensiv vorangetrieben werden.96 95 96 MSJK März 2003 zit. nach Westerhoff (2005: 161) vgl. Westerhoff (2005: 150) 43 Tanz 5. Tanz „Der Tanz ist unsere Mutterkunst (...). Rhythmische Bewegungen im Neben und Nacheinander, gestaltetes Raumgefühl, lebendige Nachbildung erschauter und erahnter Welt – tanzend schafft sie der Mensch im eigenen Körper, bevor er Stoff und Wein und Wort zwischen sich und sein Erleben setzt.“ 97 Tanz kann als eine der ältesten Formen menschlichen Ausdrucksstrebens überhaupt gesehen werden. Hinsichtlich der Bewertung und Verwendung von Tanz im alltäglichen Leben gibt es elementare Unterschiede zwischen den Kulturen. In vielen asiatischen, afrikanischen oder südamerikanischen Kulturen hat Tanz beispielsweise eine außerordentliche Bedeutung im alltäglichen Leben. In vielen afrikanischen Kulturen sind traditioneller Tanz, Gesang und Rhythmus bei allen wichtigen Lebenssituationen wie Geburt und Tod, Initiation und Heirat, bei Krankheit oder Anrufung der Ahnen von tragender Bedeutung. Jedes Ritual und jedes Fest hat eine eigene, genau festgelegte Musik und einen untrennbar damit verbundenen Tanz. In vielen Kulturen hat der Tanz somit eine wichtige Bedeutung im Sozialisationsprozess des Einzelnen. So wird Tanz beispielsweise dazu verwendet, die soziale Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu bestätigen oder die individuelle Entwicklung des Einzelnen zu unterstützen. Auch spielt er eine wichtige Rolle innerhalb der psychosozialen Vorsorge und Therapie. Es gibt Tänze, die dazu dienen, Kranke zu heilen, die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen oder einen wichtigen Beitrag zur Friedenstiftung leisten. In Kulturen, in denen Tanz eine so große Bedeutung hat, findet man deshalb eine große Bandbreite an alltäglichen Arbeitstänzen, therapeutischen Heiltänzen und sakralen Riten.98 In vielen westlichen Ländern hingegen wird ein Bedürfnis nach Tanz oder ritueller Körperbewegung im Allgemeinen als unnötig erachtet und aus dem alltäglichen Leben und der schulischen Erziehung weitestgehend ausgeklammert. 97 98 Sachs zit. nach Willke (1985: 465) vgl. Nürnberger (2001) 44 Tanz „Tanz ist nicht per se von untergeordneter Bedeutung – er wird vielmehr in unseren Breitengraden an den gesellschaftlichen Rand gedrängt- und diese Marginalisierung bedeutet Verlust an einzigartigem Potenzial“99 5.1 „Jeder Mensch ist ein Tänzer“: Einführende Betrachtungen zum Thema Tanz „Jeder Mensch ist ein Tänzer“ 100: Dieses Zitat von Rudolph von Laban beruht auf der Annahme, dass Tanz jedem Menschen innewohnt. Diese Tatsache kann als Vorraussetzung der Existenzberechtigung von Tanz als Medium der Pädagogik gesehen werden. Dabei ist die Vorstellung dessen, was Tanz ist bzw. wie tanzen sich anfühlt, individuell mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen, Ansprüchen, Begriffen und Gefühlen verbunden. Zudem hat Tanz - wie oben bereits erwähnt in unterschiedlichen Kulturen ganz unterschiedliche Bedeutungen Deshalb ist Tanz auch schwer allgemeingültig zu definieren: „Wo fängt es an zu tanzen, wo nicht? Wo ist der Beginn? Wann sagt man Tanz? Das hat schon etwas mit Bewusstsein zu tun, mit dem Körperbewusstsein, und wie man etwas formt. Aber das braucht nicht diese tradierte Art von ästhetischer Form zu haben, es kann auch eine ganz andere sein und trotzdem Tanz bleiben.“101 Es gibt viele Aspekte nach denen sich Tanz beobachten lässt. Die jeweiligen Schwerpunkte werden je nach Betrachter und Betrachterin verschieden gesetzt. Im Folgenden sollen einige wesentliche, den Tanz charakterisierenden Merkmale dargestellt werden. Rudolf von Laban beispielsweise unterscheidet die tänzerische von der alltäglichen Bewegung. Er verweist darauf, dass bei der alltäglichen Bewegung die Verfolgung praktischer Ziele im Vordergrund steht, wohingegen Tanz nicht zielgerichtet ist. „Im ersten Fall lenkt der Geist die Bewegung, im zweiten ruft die Bewegung geistige Aktivität hervor.“102 In dieser nicht den alltäglichen Erforder- 99 Nürnberger (2001) Rudolf von Laban (später Rudolf Laban), geb. 1879 in Ungarn, gestorben 1958 in Großbritannien, war Tänzer, Choreograph, Ballettmeister und Tanztheoretiker. Er floh 1938 vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien und entwickelte dort ein Bewegungssystem in Abgrenzung zum klassischen Ballett. vgl. Vogel (2004: 199) 101 Bausch (1994: 19) 102 Laban (1975: 37) 100 45 Tanz nissen dienenden Bewegung, die ihren Zweck in sich selbst hat, steht die Lust an der Bewegung im Vordergrund. Ein weiteres für den Tanz typisches Merkmal ist die Auseinandersetzung der Tänzerin / des Tänzers mit der Musik. Musik kann dem Tanz einen rhythmischen Rahmen geben, MusikerInnen und TänzerInnen können sich aber auch gegenseitig beeinflussen und in einen Dialog treten. Zwar gibt es auch Tänze ohne Musikbegleitung, diese sind dann aber durch Schrittfolgen, Stampfen, Hüpfen bzw. durch den inneren Rhythmus der TänzerInnen strukturiert.103 Was Tanz von einer alltäglichen bzw. einer anderen sportlichen Bewegung unterscheidet, ist die Möglichkeit, das jeweils Eigene im Tanz auszudrücken: „Ein expressives Sich-Bewegen ist damit keine mechanische Körperaktivität (wie sie oft im Sport gefordert ist) sondern wird zu einem ,Nach außen-Bringen` von zuvor verinnerlichten Eindrücken.“104 Mit anderen Worten: Tanz bietet die Möglichkeit, durch die enge Verknüpfung von Körper und Psyche persönliche Befindlichkeiten in einem individuellen Bewegungsausdruck darzustellen. So können im Tanz beispielsweise Emotionen wie Wut oder Aggression durch bewusstes kraftvolles Stampfen oder Hüpfen ausgedrückt und / oder abgebaut werden. In diesem Sinne soll auch Hubert verstanden werden, der zum Zusammenhang von Körper und Psyche im Tanz festhält: „Es kann nunmehr festgestellt werden, dass die Zellform von Tanz eine erfahrungsgestützte und erlebnismäßig-emotional gestaltete Bewegung (im System von Körper und Psyche) zur Realisierung der Innenwelt durch Vergegenständlichung von Körper und Psyche ist.“105 Darüber hinaus nehmen einige Autoren eine Unterscheidung zwischen dem Tanzen als einer unmittelbaren Form des Gefühlsausdrucks und dem Tanz als einen gestalteten Bewegungsausdruck vor. Beim Tanzen bringen Menschen die Bewegungen ihres Körpers mit dem Rhythmus und ihrer aktuellen Stimmung in 103 vgl. Vogel (2004: 15) Haselbach zit. nach Vogel (2004: 14) 105 Hubert (1993: 84) 104 46 Tanz Einklang. Es dient der subjektiven Befriedigung, indem das rhythmische Erleben mit dem persönlichen Bewegungsvermögen in einen individuellen Bewegungsausdruck gebracht wird. Der Tanz hingegen ist eine ausgestaltete Form, mit der Absicht etwas mitzuteilen bzw. bei anderen hervorzurufen. Die besondere Ausgestaltung eines Tanzes ist wiederholbar und für andere erlernbar.106 Die genannten Gesichtspunkte verdeutlichen die Schwierigkeit, eine objektive Definition für Tanz zu finden, da die Faktoren, die aus Bewegung Tanz entstehen lassen, subjektiv empfunden werden. Für das der Arbeit zugrundelegende Verständnis von Tanz soll in Anlehnung an Schmitt festgehalten werden, dass eine Bewegung dann zu Tanz wird, „wenn sie intentional und beseelt ist, also von einem Willen getragen und an seelisches Erleben angebunden ist.“107 Definitionskriterien sollen nicht das Beherrschen bestimmter Schrittmuster, Gruppenformationen oder die minutiöse Festlegung derselben in Choreographien sein. 5.2 Wirkfaktoren vom Tanz Bei der Diskussion der Frage, ob Tanz ein geeignetes Medium interkulturellen Lernens sein kann, gilt es zunächst allgemein herauszuarbeiten, was die Besonderheiten am pädagogischen Tanz sind und wie Tanz wirkt. Wissenschaftliche Erkenntnisse auf diesem Bereich gibt es wenige. Die meisten Erkenntnisse gehen zurück auf Beobachtungen von Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen oder auf Beschreibungen eigener Erfahrungen mit Tanz. Auch innerhalb der Tanztherapie beziehen sich die Erkenntnisse über die spezifischen Wirkfaktoren hauptsächlich auf Beschreibungen von Einzelfällen, die exemplarisch für die Wirksamkeit dieser speziellen Therapieform stehen. Die Bedeutung von Tanz für die kindliche Entwicklung lässt sich auf die individuelle, soziale, affektive und kognitive Ebene herunterbrechen. Die Übergänge zwischen diesen Ebenen sind fließend, sollen aber der Übersicht halber auseinandergehalten werden. 106 107 vgl. Cabrera-Rivas (2002: 21) Schmitt (2000: 12) 47 Tanz 5.2.1 Bedeutung für das Selbstkonzept Mit dem Begriff des Selbstkonzepts ist zunächst einmal ein System von kognitiven, affektiven und verhaltenssteuernden Komponenten gemeint, die als Ganzes der Selbstbewertung dienen. Der Begriff „(...) umschreibt die individuelle Auffassung der Person über alle relevanten Merkmale der eigenen Person, wie sie etwa in Selbstattributionen zu Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessen Wünschen, Gefühlen, Stimmungen, Wertschätzungen und Handlungen der eigenen Person hervortreten.“108 Ob ein Kind Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat oder ob es seine Fähigkeiten nur gering einschätzt, ob es aktiv auf andere Menschen zugeht, oder ob es sich eher abwartend verhält, ob es bei Schwierigkeiten schnell aufgibt oder diese eher als Herausforderung sehen kann - all das ist abhängig von dem Bild, das ein Kind von sich selbst hat. Dieses Selbstbild, das Teil des Selbstkonzeptes ist, gründet auf den Erfahrungen, die ein Kind in der Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt gemacht hat.109 Gerade bei Kindern sind in diesem Zusammenhang die über den Körper und die Bewegung gemachten Erfahrungen von großer Bedeutung. Durch Bewegungshandlungen lernen Kinder sich selbst kennen. Sie erhalten Rückmeldungen über das, was sie können. Sie haben Erfolgserlebnisse oder erfahren Misserfolg und sie erkennen, dass sie Erfolg oder Misserfolg selbst bewirken können. Sie erleben aber auch, was andere ihnen zutrauen und wie sie von ihren Bezugspersonen eingeschätzt werden: „Der Mensch ist ein auf Bewegung angelegtes Wesen, besonders Kinder brauchen Bewegung, um sich auf ihre Umwelt einstellen und sich mit ihr auseinandersetzen zu können. Bewegung eröffnet den Kindern den Zugang zur Welt; sie vermittelt zwischen Kind und Welt, sie ist das Medium, durch das es die Welt erschließt, auf sie zugeht, sie erfasst und begreift. In Bewegung passt sich das Kind den Erfordernissen der Umwelt an, es greift jedoch auch in sie ein, macht sie sich passend. Durch Bewegung tritt das Kind mit seiner Umwelt in einen Dialog, die Erfahrungen, die es in diesem Prozess macht, stellen die Grundlage kindlichen Handels dar.“110 108 Deusinger zit. nach Holzbrecher (1997: 107) vgl. Zimmer (2001: 16) 110 Zimmer (1993: 317) 109 48 Tanz Ein wichtiger Aspekt des Selbstkonzepts ist die Selbstwirksamkeit. Diese beinhaltet die subjektive Überzeugung selbst etwas bewirken oder verändern zu können. Dazu gehört die Annahme, selbst Kontrolle über die jeweilige Situation zu haben, sich kompetent zu fühlen und durch die eigenen Handlungen Einfluss auf die materielle oder soziale Umwelt nehmen zu können.111 Erfahrungen der eigenen Wirksamkeit können Kinder besonders im Bewegungsverhalten machen. Im Umgang mit bestimmten Bewegungsaufgaben oder mit Geräten können Kinder eine Wirkung hervorrufen, die sie auf sich zurückführen können. Das Ergebnis einer Handlung können die Kinder mit eigenen Anstrengungen und eigenem Können verbinden. Auf diese Weise entsteht ein erstes Konzept eigener Fähigkeiten. Gerade der Tanz als besondere Form der Bewegung ermöglicht Kindern die Erfahrung der Selbstwirksamkeit und deren Weiterentwicklung. Beim Tanzen ist die gesamte Persönlichkeit beteiligt, da durch die Verbindung der Bewegung mit Musik und dem Einbringen eigener Ideen und Gefühle alle Persönlichkeitsanteile und alle Sinne angesprochen werden. Da Kinder Bewegungsaufgaben meist schnell beherrschen, ist ihnen durch den Tanz die Möglichkeit gegeben, unmittelbare und viele Erfolgserlebnisse zu haben: „Man merkt, dass Kinder, die es in anderen Fächern schwer haben, sich hier besonders anstrengen. Dadurch steigt ihre Anerkennung in der Klasse und letztlich ihr Selbstwertgefühl.“112 Daneben ist der Aspekt, dass beim Tanz der sportliche Leistungsgedanke ausgeschaltet ist, hilfreich für die Kinder, die sich beispielsweise nicht mit anderen messen oder etwas leisten wollen. Da es beim Tanz nicht darum geht, höher, schneller oder weiter zu springen oder zu laufen als andere Kinder, lässt der Tanz keinen direkten Leistungsvergleich zu. Vogel bemerkt in dieser Beziehung: „Statt auf den Vergleich mit anderen lenkt die Bewegung zur Musik die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich selbst und die Musik“113 Etwas zu leisten meint in diesem Fall 111 vgl. Zimmer (2001: 19f.) Tagesspiegel vom 04.10.2005; Anmerkung einer Lehrerin zu der beobachteten Wirkung von Tanz auf ihre Schülerinnen und Schüler. In Berlin wurde Mitte des Jahres 2005 das Projekt „TanzZeit-Zeit für Tanz an Schulen von der Tänzerin und Choreographin Livia Patrizi ins Leben gerufen. Tanz findet dort als reguläres Unterrichtsfach an 25 ausgewählten Berliner Grundschulen statt. Die Finanzierung ist allerdings zunächst nur bis Februar 2006 gesichert. 113 Vogel (2004: 306) 112 49 Tanz für die Kinder etwas zu können, was sie vorher nicht konnten - ohne dass es darum geht, etwas besser oder schlechter zu können als die anderen. Der Anreiz der Verbesserung von Bewegungsabläufen oder Bewegungsausdruck soll von der Tätigkeit selbst ausgehen. Zudem wird als Leistung auch das Einbringen individueller Bewegungsabläufe in die Gestaltung eines Tanzes sowie die persönliche Auseinandersetzung mit einem Bewegungsthema als Leistung bezeichnet. Da dies sehr persönliche Prozesse sein können, gibt es kein ‚richtig’ oder ‚falsch’. Dieser Leistungsbegriff ist somit auch mit den Zielen der Kreativität vereinbar, wie Dietrich und Landau bestätigen: „Der Leistungsbegriff widerspricht auch dann nicht der Kreativität, wenn vorausgesetzt wird, dass zum Beispiel auch der Prozess der Lösungsfindung mit all seinen Irrwegen, die Gestaltung selbst, mit all ihren Ungereimtheiten oder auch das Lösen von Konflikten im sozial-affektiven Bereich als Leistung angesprochen werden.“114 Struktur und Sicherheit sind wichtige Gesichtspunkt für die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes. Diese werden im Tanz durch das Metrum, den Rhythmus und die Form der Musik vorgegeben. Sicherheiten und Strukturen können dem Kind als Orientierung dienen. Gerade für Kinder sind Ordnungen und feste Einheiten wie auch Rituale und ritualisierte Handlungen daher sehr wichtig.115 Die gleichmäßig wiederkehrenden Rhythmen und Formabschnitte in der Musik geben dem Kind ein Lustgefühl, da sie durch Vorhersehbarkeit charakterisiert sind. So haben Untersuchungen hierzu gezeigt, dass Kinder Rhythmen, in denen sie eine regelmäßige Struktur wahrnehmen können, unstrukturierteren Rhythmen bevorzugen.116 Das Kind kann die im Tanz gemachten Erfahrungen wie z.B. sich zu orientieren oder ein Formbewusstsein zu entwickeln auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Kiphard hält diesbezüglich fest: „Wir müssen eine innere Form wachsen lassen, statt uns mit einer durch Amt und Autorität erzeugten äußeren Ordnung zufriedenzugeben. (...) Die Unterordnung 114 Dietrich, Landau (1990: 52) vgl. Vogel (2004: 305) 116 Gembris zit. nach Vogel (2004: 305) 115 50 Tanz unter den eigenen Willen ist aber dringend notwendig für die Formung und Reifung der Persönlichkeit“117 5.2.2 Bedeutung für Entwicklung auf der sozialen Ebene Die Bedeutung des Tanzes auf der sozialen Ebene lässt sich durch den dem Tanz innewohnenden Aspekt der nonverbalen Kommunikation begründen. Kindern liegt es im Allgemeinen näher, sich durch Bewegungen und Handlungen mitzuteilen, als über Sprache. Das Tanzen bietet ihnen somit vielfältige Möglichkeiten und Formen der Kommunikation. Da die Formen der Tänze und die Strukturierung der Musik die Art und Dauer der Kommunikation vorgeben können, kann unsicheren und gehemmten Kindern die Kommunikation erleichtert werden. Darüber hinaus werden Kinder, die sich sonst im Schulalltag aus dem Weg gehen würden, durch häufig wechselnde Bewegungsformen dazu animiert, für eine kurze Weile miteinander zu tanzen. Bestimmte Tänze – wie beispielsweise Kreistänze – fördern außerdem die soziale Kommunikation innerhalb einer Gruppe. Durch die gebundene Form, kann ein Gruppengefühl entstehen, das den einzelnen tanzenden Kinder ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Für Kinder dürfte es eine wichtige Erfahrung sein, dass eine bestimmte Form (beispielsweise ein Kreis) sowie das Halten eines Rhythmus nur dann gelingen kann, wenn sich alle am Tanz Beteiligten um das Zustandekommen bemühen.118 5.2.3 Bedeutung für die affektive Entwicklung Kinder teilen – im Gegensatz zu Erwachsenen - ihre Gefühle noch sehr unmittelbar über Bewegungen mit. Ihre positiven und negative Gefühlsäußerungen wie beispielsweise Freude, Wut oder Ärger zeigen sie unverstellt durch spontanen Bewegungsausdruck. Dieses nach außen bringen von Gefühlen kann den Kindern zum einen helfen, Kommunikation mit Anderen herzustellen bzw. eine solche Kommunikation herauszufordern. Zum anderen entwickeln sie ebenso ihre Persönlichkeit, indem sie sich über den Ausdruck eigener Gefühle ihrer 117 118 Kiphard (1980: 305) vgl. Vogel (2004: 308) 51 Tanz Befindlichkeiten bewusst werden.119 Vor diesem Hintergrund kann Tanz den Kindern eine kreative Auseinandersetzung durch unmittelbaren Körper- und Gefühlsausdruck ermöglichen. Im Tanz können spontane Gefühle sofort in Bewegung umgesetzt und geäußert werden. Kinder erhalten über die Förderung des Körpergefühls und des Körper- bzw. Bewegungsausdrucks die Möglichkeit ihre Gefühle zu zeigen. Sie lernen Aggressionen abzubauen, Konflikte zu bearbeitet und Energien freizusetzen. Dies kann für die Kinder eine wohltuende und befreiende Wirkung haben.120 Auffälliges Bewegungsverhalten bei Kindern kann auf bestimmte psychische Probleme oder Konflikte hinweisen, die mit der Unfähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken, einhergehen können. Auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingen mag, können gerade Bewegungen hier helfen, blockierte Konflikte und Gefühle freizusetzen und sich somit – wie Kiphard betont - positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken: „Konflikte und neurotische Fixierungen können weitgehend verhindert werden, wenn das gesunde Kind früh genug lernen würde, seinen Körper als elementarstes Ausdrucksmittel zu gebrauchen, um dadurch einen natürlichen Ausgleich zwischen innerer Antriebs- und Gefühlsdynamik und dem äußeren Bewegungsverhalten zu vollziehen.“121 Über Tanz kann das Ausdrucksvermögen gefördert werden, so dass die affektive Entwicklung unterstützt werden kann. Der besondere Umgang mit Gefühlen im Tanz ist deren Transformation in eine gestaltete Bewegung, mit anderen Worten: Es geht im Tanz nicht um einen unreflektierten Ausdruck von Gefühlen durch Bewegung, sondern die Gefühle werden in eine Struktur gebracht, was Kindern wiederum helfen kann, diese zu verstehen und zu bewältigen: „Art forming is a way of putting the abstract quality of feeling into a concrete and sensory form. By giving form to felt response we learn to order and formulate the feelings associated with our perceptions and with our sensed informations. (...) feeling explored in a context enable the children to go beyond the more primitive 119 vgl. ebd. (229) vgl. ebd. (309) 121 Kiphard (1980: 129) 120 52 Tanz feelings of fear and anger, exploring emotions that do not necessarily lead to action in every day life.”122 5.2.4 Bedeutung für die kognitive Entwicklung Nach Piaget entwickelt sich die Intelligenz des Kindes stufen- und phasenweise in der handelnden Auseinandersetzung mit der Umwelt. Über den Zusammenhang von kognitiver Entwicklung und Bewegung im Allgemeinen sowie Tanz im Speziellen gibt es verschiedene Untersuchungen in Anlehnung an Piagets Theorie. Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen zeigen, dass nicht nur die Entwicklung des Bewusstseins, sondern auch die der Wahrnehmung, der Begriffsbildung, des Vorstellungsvermögens, des abstrakten Denkens und damit der gesamten kognitiven Entwicklung von Bewegung abhängig ist.123 Spezielle neurophysiologische Untersuchungen zum Tanz haben zudem gezeigt, dass beim Tanzen beide Gehirnhälften angesprochen werden, d.h. dass Tanz sowohl kognitive als auch emotionale Prozesse beinhaltet. Im Unterschied zum traditionellen Lernen, bei dem nur die linke Hemisphäre angesprochen wird, findet so beim Tanzen eine bessere Nutzung der Gehirnkapazität statt.124 Da als Grundlage für das Erlernen der Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben eine gut ausgebildete Motorik und eine differenzierte auditive, taktile und visuelle Wahrnehmung gesehen werden können, bietet sich der Tanz an, diese Kompetenzen zu fördern. Auf eine differenzierte Betrachtung der Möglichkeiten von Tanz als Medium der Förderung der kognitiven Entwicklung bei Kindern soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden, da dieser Aspekt für die Fragestellung der Arbeit nicht weiter relevant ist. 5.2.5 Zusammenfassung Zusammenfassend kann die These aufgestellt werden, „dass Tanz unter günstigen Bedingungen in einmaliger Weise zur sozialen, emotionalen und kognitiven Regulierung des Selbst beitragen kann.“125 Diese These findet der Tänzer und 122 Lowden zit. nach Vogel (2004: 310) vgl.Vogel (2004: 300) 124 Nürnberger (2001) 125 Nürnberger (2001) 123 53 Tanz Choreograph Rayston Maldoom in seiner langjährigen tanzpädagogischen Arbeit beispielsweise mit Straßenkindern in Äthiopien oder strafgefangenen Jugendlichen in England bestätigt. Maldoom, dessen Arbeit jüngst in beeindruckender Weise in dem Film „Rhythm is it“ dokumentiert wurde, äußert sich über die potenzielle Wirkungskraft des Tanzes wie folgt: „It happens that the act of creating dance, working together, and performing has within it so many things that can transform people's lives. The activity is in itself quite extraordinary because it is a physical activity, it is an emotional experience, it's a spiritual experience, it's a social experience, it's a cognitive experience. So that dance is very, very special in that way – because it uses the whole self. Without the whole self you can't dance in any meaningful way. There is nothing between you and the people you are communicating with. You have to bring your whole self to the process. The artistic, creative experience is transforming and can transform individuals who in time through their transformation can change the community. That is my experience. But I am not a social worker.”126 5.3 Kreativer Kindertanz Bevor inhaltlich auf den kreativen Kindertanz eingegangen wird, soll in einem kurzen Exkurs zunächst der Begriff der Kreativität erläutert werden. 5.3.1 Exkurs Kreativität Es gibt eine Vielzahl von inhaltlichen Bestimmungen des Begriffes der Kreativität. Die häufigsten mit dem Begriff in Verbindung gebrachten Attribute sind Originalität, Einfallsreichtum, Flexibilität, Entdeckung, Außergewöhnliches und Intelligenz.127 Fromm folgend soll zwischen einer kreativen Haltung und kreativem Tun (als künstlerische Tätigkeit) unterschieden werden. Kreative Haltung bedeutet, vorurteilsfrei zu sehen, ganzheitlich wahrzunehmen und zu reagieren Sie wird von Fromm als elementare Basis für ein menschlich erfülltes Leben angesehen.128 Kreativität in dieser Hinsicht kann als grundlegende Haltung im Prozess des interkulturellen Lernens verstanden werden. Dabei ist Kreativität nicht losgelöst vom einzelnen Menschen zu betrachten. Sie schließt den ganzen 126 Maldoom zit. nach: <http://www.rhythmisit.com/de/php/index_flash.php?HM=2&SM=2&CM=19> 127 vgl. Eisler-Stehrenberger (1990: 115) 128 ebd. (128) 54 Tanz Menschen ein, der mit bestimmten Erfahrungen, in einer bestimmten Kultur mit einem besonderen persönlichen Hintergrund lebt. Das kreative Tun impliziert den prozesshaften Charakter der Kreativität, deren Hauptquelle nach Rogers die Tendenz des Menschen auf Selbstverwirklichung ist. Er definiert den Prozesscharakter der Kreativität als „das Aufkommen eines neuen relationalen Produktes aufgrund von Handeln.“ Dieses „erwächst einerseits aus der Einzigartigkeit des Individuums und andererseits aus den Materialien, Ereignissen, Menschen und Umständen seines Lebens.“129 Dabei gilt, dass kreative Leistung nicht an besondere Begabungen gebunden ist. Sie kann vielmehr in allen alltäglichen Lebensbereichen in Erscheinung treten. Im Verlauf eines kreativen Prozesses erschafft eine Person oder eine Gruppe etwas für sie bis dahin Unbekanntes. Der kreative Prozess wird von Poincare und Wallas130 in vier Phasen unterteilt: Vorbereitungsphase, Inkubationsphase, Einsichtsphase und Verifikationsphase. Im gelebten kreativen Prozess, der immer unregelmäßig abläuft und zudem abhängig von persönlichen Eigenarten und sozialen Gegebenheiten ist, können diese Phasen nicht immer so klar voneinander getrennt werden. In der Vorbereitungsphase wird ein Problem oder eine Aufgabe als solche erkannt und es werden zunächst Lösungsvorschläge und Ideen gesammelt. Diese Phase erfordert ein „mutiges Einlassen auf das Ausprobieren unkonventioneller Ideen und Lösungsvorschläge“131. Es sollte möglichst keine Zensur stattfinden, so dass alle Einfälle sozusagen ungehindert einfließen können, damit später ein spielerischer Umgang mit den Elementen möglich ist. Die Inkubationsphase ist durch eine Aneignung von Fähigkeiten und Fertigkeiten gekennzeichnet. Diese werden nach dem Aspekt der Nützlichkeit für die Lösung des Problems ausgewählt. Nur der ernsthafte Wunsch, ein Problem zu lösen, führt zu einem kreativen Prozess. Im Verlauf des kreativen Prozesses müssen die erarbeiteten Ideen sinnvoll 129 Rogers (1990: 239) Die vier Phasen des kreativen Prozesses werden in Anlehnung an Eisler-Stehrenberger (1990) dargestellt. 131 Vogel (2004: 332) 130 55 Tanz miteinander verknüpft und strukturiert werden, d.h. Beliebigkeit bzw. Regellosigkeit müssen ausgeschlossen werden. Dies geschieht in der Einsichtsphase, in der es zu einem „Aha- Erlebnis“ kommt – dem plötzlichen Auftauchen einer Problemlösung. Dieses wird oftmals begleitet „(...) von einer emotionalen Veränderung, mit Gefühlen der Entlastung, Befreiung, Gemeinsamkeit, Zugehörigkeit, Zufriedenheit, die sich nonverbal in Mimik und Gestik und körperlicher Nähe zeigen und die insgesamt eine veränderte Bewusstseinslage ausdrücken.“132 In der Verifikationsphase werden die entwickelten Ideen und Lösungsvorschläge kritisch hinterfragt und gegebenenfalls geändert. In einer Gruppe ist dazu die Bereitschaft notwendig, sich auf die Ideen und Vorschläge Anderer einzulassen. Dies erfordert Toleranz und Offenheit sowie eine hohe Sozialkompetenz. Für eine Einzelperson ist in dieser Phase eine kritische Selbstreflexion unabdingbar. Damit Kreativität entstehen und sich entfalten kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sollen in Ergänzung zum Vier-Phasen-Modell kurz dargestellt werden Die Kreativität begünstigenden Voraussetzungen beziehen sich sowohl auf die handelnde Person selbst (subjektive Ebene) als auch auf den äußeren Rahmen (objektive Ebene). Persönlichkeitseigenschaften, die als Voraussetzungen für Kreativität auf der subjektiven Ebene gesehen werden sind u.a. Selbstbewusstsein, Unbefangenheit, Mut zum Risiko, Spontaneität, Bereitschaft sich anzustrengen, eine hohe Frustrationstoleranz und nonkonformes Denken. Die Angst vor Fehlern, das Streben nach Perfektion oder die Überbetonung von Konformität und formaler Logik bzw. Denkprozessen können dagegen den kreativen Prozess blockieren.133 Auf der objektiven Ebene können wesentliche äußere Bedingungen für kreative Prozesse geschaffen werden. Eine soziale Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens, der Sicherheit und Geborgenheit haben entscheidenden Einfluss auf die Bereitschaft der Kinder, sich zu öffnen und sich einzulassen. Rogers ist der 132 133 Eisler-Stehrenberger (1990: 154) vgl. Vogel (2004: 334) 56 Tanz Ansicht, dass der oder die Kreative derselben Umgebung bedarf wie ein Klient der Therapie. Gemeint sind damit eine Atmosphäre des Verstanden- und Akzeptiertseins und die Freiheit für jegliche Form der Expression.134 Die Bedeutung des äußeren Rahmens für kreative Prozesse unterstreicht von Hentig: „Eine gewichtigere Schwäche der seit den sechziger Jahren herrschenden Stimmung von Kreativität ist, dass sie sich ausschließlich an der Person festmacht, die ebendiese Eigenschaft hat. Es könnten ja auch Situationen sein, die Menschen kreativ oder steril reagieren lassen, die sprichwörtliche Not, die Beine macht oder in der der Teufel Fliegen frisst.“135 5.3.2 Kreativer Kindertanz Die dargestellten allgemeinen Phasen eines kreativen Prozesses lassen sich auch speziell auf den kreativen (Kinder-) Tanz übertragen. Tanzunterricht, bei dem die Förderung kreativer Prozesse im Vordergrund steht, fordert weitaus mehr von der Lehrperson und den Schülerinnen und Schülern als es die Vermittlung reiner Tanztechniken vermag. Geht es bei der Vermittlung von Tanztechniken um ‚richtige’ Bewegungsabläufe, sind beim kreativen Tanz vielfältige Bewegungsvorschläge erwünscht, auf die spontan reagiert werden sollte: „Da sowohl Vorstellungskraft als auch Geschicklichkeit miteinbezogen werden, bietet Tanz ein effektives Mittel um originelle Lösungen eines Problems zu suchen und auszudrücken. Kreativität bedeutet generell neue Ordnung für unstrukturiertes Material zu finden oder eine originelle Reorganisation angelernter Schemata. Die Suche nach neuen Formen verlangt eine Projektion der ganzen Persönlichkeit. In diesem Sinn öffnet eine kreative Haltung Wege zur Intelligenz. Darüber hinaus ist sie auch Quelle menschlicher Zufriedenheit.“136 Ganz allgemein sollen als Kindertanz alle tänzerischen Aktivitäten bezeichnet werden, die im Kindesalter durchgeführt werden - egal ob sie im schulischen oder außerschulischen Rahmen stattfinden. Es gibt unterschiedliche Formen des Kindertanzes, wie beispielsweise Ballettunterricht für Kinder, Jazztanzunterricht, Unterricht in HipHop oder Video-Clip-Dancing. Alle diese Formen des Tanzunterrichts zeichnen sich dadurch aus, dass Kinder festgelegte Bewegungsabläufe 134 vgl. Rogers (1990: 38) von Hentig (1998: 20) 136 Nürnberger (2001) 135 57 Tanz erlernen, damit sie sich in dieser Stilrichtung des Tanzes bewegen können. Die Methodik dieser erwähnten Formen des Tanzes für Kinder und Jugendliche besteht hauptsächlich aus dem Vor- und Nachmachen. Im Gegensatz dazu begründet sich der kreative Kindertanz auf einem veränderten Verständnis von Tanz. Die Kinder lernen im kreativen Tanz nicht nur technische Möglichkeiten des Bewegens, sondern ihre Bewegungskreativität und Persönlichkeit soll sich darüber hinaus entfalten können. Individuelle Arten des Sich-Bewegens sind wichtiger als festgelegte Abläufe. Aus diesen Grundsätzen ist zu folgern, dass es auch keine festgelegte spezifische Methodik geben kann. Dies bedeutet für die Tanzpädagogin oder den Tanzpädagogen, die die Persönlichkeit und Individualität des Kindes fördern möchte, selbst kreativ und individuell in ihrem Unterrichtsstil und in ihren eigenen Bewegungsmöglichkeiten sein zu müssen. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen jeweils individuelle Ziele festlegen können, unterschiedliche Inhalte auswählen und verschiedene Methodiken praktizieren. Aus diesem Grund ist es schwierig, den kreativen Kindertanz als Gesamtphänomen darzustellen. Eine erste systematische Darstellung über Inhalte, Ziele und Methoden des kreativen Kindertanzes im deutschsprachigen Raum speziell für die Grundschule hat Corinna Vogel in ihrem 2004 erschienen Buch „Tanz in der Grundschule“ geliefert. Das Konzept, dass sie in Anlehnung an Rudolf Labans Ideen zum „modern educational dance“ und den in den Niederlanden (dansexpressie) und Großbritannien (creative dance) bereits existierenden Konzepten entwickelt hat, soll eine Integration des kreativen Tanzunterricht in den Schulunterricht ermöglichen: „Das Konzept lehnt das Einstudieren exakt vorgegebener Schritt und Bewegungsfolgen zugunsten kreativ-gestalterischer Prozesse unter Berücksichtigung musikalischer Aspekte ab, bezieht überlieferte Tanzformen mit ein, stellt Bezüge zur Kunst her und stellt das tanzende Kind in den Mittelpunkt.“137 Aufbauend auf den elementaren Bewegungsgrundformen (Gehen, Laufen, Hüpfen, Federn, Springen, Schwingen und Drehen) knüpft der kreative Kindertanz am natürlichen Bewegungsverhalten der Kinder an. Den Rahmen für 137 Vogel (2004: 329) 58 Tanz kreativen Kindertanz bilden Einheiten aus vorgegebenen Anteilen und Improvisationsmöglichkeiten. Die vorgegebenen Anteile, die dem Tanz die äußere Struktur verleihen, sind zunächst ein Thema, eine Spielidee oder eine Bewegungsaufgabe, einzelne erarbeitete Bewegungstechniken und die Faktoren Zeit, Raum und Form und Rhythmus. In der Improvisation wird den Kinder die Möglichkeit gegeben, ihre Person in Form von jeweils individuellen Bewegungsabläufen einzubringen. Kreativer Kindertanz kann in der Gruppe, mit einem Partner oder alleine stattfinden „und ermöglicht intensive soziale Kontakte.“138 Grundlegend für den kreativen Kindertanz ist die Annahme, dass sich durch das Tanzen positive Auswirkungen auf die psychische, geistige sowie die motorischkörperliche Entwicklung des Kindes ergeben. Das Kind soll in seiner Ganzheit gefördert werden. Mit andern Worten: Ziel des kreativen Kindertanzes ist es, die individuelle und persönliche Entwicklung des Kindes zu fördern. Seine Umsetzung muss also konsequent darauf angelegt sein, einen Gestaltungsspielraum zu eröffnen und vielfältige Möglichkeiten zu bieten, sich in Bewegung zu erfahren, zu erleben und zu entdecken. Nach Vogel umfasst die folgende, dieses Kapitel abschließende Definition alle wesentlichen Aspekte des Kindertanzes: „The art of dancing is the art of moving the body in a rhythmical way, usually to music, to express an emotion or idea, to narrate a story, or simply take delight in the movement itself.”139 5.4 Tanz in der Schule Im Gegensatz zu den Niederlanden und Großbritannien, wo Tanz für Kinder in Schulen bereits zum festen Bestandteil des Curriculum zählt, steckt die Umsetzung von Tanz als integraler Bestandteil des Bildungssystems im Elementarbereich noch in den Kinderschuhen. Nicht zuletzt aufgrund des Projektes „Tanz in 138 139 ebd. (17) Encyclopedia Britannica (1982: 451f.) zit. nach Vogel (2004: 17) 59 Tanz der offenen Ganztagsgrundschule“ gibt es erste leise Anzeichen dafür, dass dieses Thema zunehmend auch in Deutschland Fuß fasst.140 5.4.1 Kurzer historischer Abriss Erste Ansätze einer Integration des Tanzes in Deutschlands Schulen gab es im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde eine Vielzahl neuer Tanzstile entwickelt, die auch für Kinder geeignet waren. Dies neuen Tanzstile standen auch mit den damaligen allgemeinen Erziehungszielen im Einklang. So gab es pädagogisch akzeptierte Tanzformen wie beispielsweise den Ausdruckstanz und die rhythmische Sportgymnastik, die durch die Vorgaben der Lehrpläne seit 1914 im Musikunterricht und seit 1929 im Sportunterricht vorgesehen waren. Reformbemühungen zur Integration des Tanzes in die Schulen wurden mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gestoppt oder im Sinne der NSIdeologie umgedeutet. Während der Zeit des Nationalsozialismus durften nur deutsche Volkstänze und im nationalsozialistischen Sinn umgedeutete Formen einzelner Ausdrucktänze getanzt werden. Tanz diente im Nationalsozialismus allein der Erziehung zum deutschbewussten und gemeinschaftsfähigen Menschen. Diese Ziele galten sowohl für den Tanz in der Gesellschaft als auch für den Tanz in der Schule und waren als Folge der Gleichschaltung und der Kontrolle durch die Nationalsozialisten zu sehen Aufgrund der Instrumentalisierung deutscher Volkstänze und einzelner Ausdruckstänze zum Zwecke der Verbreitung der NS-Ideologie in der schulischen Erziehung, war der Tanz als Medium der Pädagogik, noch lange Zeit nach dem Ende des Dritten Reiches mit der faschistischen Ideologie besetzt. Erst Ende der 1960er Jahre erfuhr der Tanz eine Aufarbeitung und konnte wieder als Inhalt innerhalb schulischen Unterrichts betrachtet werden.141 Umgesetzt als fester Bestandteil des Unterrichts wurde er jedoch bis heute nicht. Dem Tanz werden zwar in den Vorworten der Richtlinien und Lehrplänen der Bundesländer wieder zahlreiche positive Eigenschaften zugesprochen. Dem steht jedoch die 140 Eine Ländervergleichende Darstellung der Berücksichtigung von Tanz in der Grundschule in Deutschland, der primary school in Großbritannien und der basisschool in der Niederlande hat Vogel geliefert. vgl. Vogel (2004: 201 – 292) 141 vgl. Vogel (2004: 43 -.110) 60 Tanz tatsächliche marginale Berücksichtung von Tanz im Unterricht entgegen. Als eigenes Fach ist Tanz nicht anerkannt. Im Musikunterricht dient er vorrangig der Musikanalyse, im Sportunterricht wird Tanz vor allem als Sportart angesehen und dient der Verbesserung der Bewegungsfertigkeit. Die dem Tanz innewohnenden kreativitätsfördernden Potenziale werden in der Umsetzung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt.142 5.4.2 Vorstellung des Projekts „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“ Das vom Ministerium für Schule und dem Ministerpräsidenten des Landes NRW geförderte Projekt „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“ wurde vom „NRW Landesbüro Tanz“143 ins Leben gerufen. Seit Beginn des Schuljahrs 2003/2004 gehen vom „NRW Landesbüro Tanz“ verstärkt konkrete Bestrebungen aus, den Stellenwert von Tanz in der Grundschule zu verbessern. Den Rahmen für diese Umsetzung bildet die derzeitige Umstrukturierung von Halbtagsgrundschulen in offene Ganztagsgrundschulen. Seit Beginn des Schuljahres 2003/2004 konnten ca. 28 Schulen in Nordrhein-Westfalen als Projektpartner gewonnen werden. An diesen Ganztagsgrundschulen wird Tanz für Schülerinnen und Schüler angeboten. Finanziert wird der Tanzunterricht derzeit aus eigenen Mitteln der Schulen. Einige Grundschulen erhielten zwar finanzielle Unterstützung des Kooperationspartners „Landesarbeitsgemeinschaft Tanz Nordrhein-Westfalen“, diese Förderung ist jedoch ausgelaufen. Darüber hinaus wurden vier Schulen in besonderer Weise vom Ministerium für Schule, Jugend und Kinder finanziell unterstützt. Auch diese Förderung ist ausgelaufen. Somit wird derzeit nur noch das als Koordinierungsstelle fungierende „NRW Landesbüro Tanz“ mit zusätzlichen öffentlichen Landesmitteln finanziell gefördert. Der Tanzunterricht soll nach den Vorstellungen des „NRW Landesbüro Tanz“ an ein bis zwei Nachmittagen in der Woche für jeweils ein bis zwei Stunden stattfinden. Die Gruppen sollten möglichst nicht aus mehr als 15 Kindern bestehen. 142 vgl. ebd. (129) Das “NRW Landesbüro Tanz“ wurde 1995 gegründet und wird von der Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e.V. im Auftrag des Landes NRW getragen. Zu den Aufgaben des Landesbüros gehören unter anderem Fortbildungen im tanzpädagogischen Bereich sowie insbesondere die Integration des Tanzes in allgemeinbildende Schulen. (www.tanznrw.de) 143 61 Tanz Die Lehrenden - Tänzerinnen und Tänzer, Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen, auch Sportpädagoginnen und Sportpädagogen aus dem Fachbereich Spiel, Musik und Tanz - werden den Ganztagsgrundschulen durch das „NRW Landesbüro Tanz“ vermittelt. Das Landesbüro hat hierzu einen Pool qualifizierter Dozentinnen und Dozenten aufgebaut, der kontinuierlich ausgebaut wird. Durch aktive und theoretische Weiterbildung sollen die Unterrichtenden ihre Kompetenzen festigen. Vor und während ihrer Arbeit ist eine künstlerischpädagogische und methodisch-didaktische Betreuung sowie Erfahrungsaustausch eine Grundvoraussetzung für die Qualitätssicherung der Tanzerziehung. 62 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik 6. Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Relativ losgelöst voneinander wurden im Verlauf dieser Arbeit zwei theoretische Rahmen gezogen. Auf der einen Seite wurden die Inhalte und Ziele der interkulturellen Pädagogik dargestellt. Die Fähigkeit zur kulturellen Selbstreflexion, der Umgang mit kulturellen Differenzen sowie Befremdung und – damit eng verwoben – die Anerkennung und Akzeptanz von Menschen anderer kultureller oder ethnischer Herkunft wurden in diesem Kontext auf der Mikroebene als Hauptziele einer interkulturellen und antirassistischen Pädagogik identifiziert. Auf der Makroebene soll in einem ersten Schritt der Blick für strukturell bedingte Benachteiligungen geschärft werden. In einem zweiten Schritt kann und soll interkulturelle Pädagogik einen Beitrag zum Abbau gesellschaftlicher Chancenungleichheit leisten. Auf der anderen Seite wurde mit einigen tanztheoretischen Überlegungen ein zweiter Rahmen gezogen. Besonderes Augenmerk galt hierbei der Ausarbeitung der Wirkfaktoren von Tanz, insbesondere dem Potenzial von Tanz für eine soziale, emotionale und kognitive Regulierung des Selbst. Da Tanz im Allgemeinen und Kindertanz im Besonderen zur Entfaltung von Kreativität beiträgt, wurde in einem weiteren Schritt der kreative Prozess näher beleuchtet. In diesem Kapitel sollen mögliche Schnittstellen der beiden erarbeiteten Themenkomplexe untersucht werden. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, ob und wie tanzpädagogische Maßnahmen einen Beitrag für das Erreichen der Ziele einer interkulturellen Pädagogik beisteuern können. Zu dieser Frage wurde auf dem Tanz Symposium NRW 2004 „Politik für Tanz in finanziell schwierigen Zeiten“ eine recht eindeutige Stellung bezogen: „Tanz ist nonverbal und hilfreich für die Integration von Kindern unterschiedlicher Herkunft.“144 Eine theoretische Ableitung dieser Annahme wird in diesem Kontext allerdings nicht gegeben. Ein Umstand hierfür dürfte sein, dass fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex nicht vorliegen. Die Beantwortung der vorangestellten 144 http://www.tanznrw.de/tanztexte/Lobbyarbeit-Ergebnisse.pdf 63 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Frage im Rahmen dieser Arbeit kann daher auch nicht auf bereits etablierte wissenschaftliche Theoriemodelle zurückgreifen. 6.1 Allgemeine theoretische Grundannahmen: Zum Zusammenspiel von Körper, Interkulturalität und Tanz Um sich der Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage anzunähern, soll in einem ersten theoretischen Schritt die Bedeutung von Körperlichkeit im Kontext interkultureller Begegnungen dargestellt werden. Für das bessere Verständnis sei die bedeutsame Annahme vorweggestellt, dass im Zentrum des Tanzes der Körper steht. Mit anderen Worten: Im Tanz bzw. in der Bewegung findet in besonderer Weise eine Auseinandersetzung mit dem eigenen und dem fremden Körper und Körperlichkeit statt. Diese Annahme baut auf der Erkenntnis auf, dass „‚Fremdheit’ zuallererst und vor allem über die Körperlichkeit erkannt [wird].“145 ‚Fremdheit’, aber auch das Fremdsein kann vor allem körperlich erfahren werden. Häufig berichten Menschen, die sich in einem Land aufhalten, dessen Sprache und Kultur ihnen unbekannt ist, dass sie sich wie ein Fremd-Körper fühlen. Sich wie ein Fremd-Körper zu fühlen impliziert zunächst sich nicht anerkannt, nicht akzeptiert zu fühlen. Das Gefühl des Fremd-Körpers verweist hier auf die Tatsache, dass interkulturelle Begegnungen häufig primär auf der Ebene des Körperlichen erlebt werden. Aspekte nonverbaler Kommunikation stehen also oftmals im Vordergrund interkultureller Begegnungen. Als Beispiel für diese These kann die kulturell unterschiedlich ausgeprägte Dimension vom Wunsch nach oder Ertragen von körperlicher Nähe oder Distanz herangezogen werden. Ein weiteres Beispiel unterschiedlicher Auslegungen nonverbaler Interaktion ist der Augenkontakt zu einem Gegenüber: In manchen Kulturen gilt es als unhöflich oder aufdringlich seinem Gegenüber in die Augen zu schauen, in anderen wird gerade das Wegschauen als Unhöflichkeit und Desinteresse interpretiert. Diese körperlichsozialen Zeichen - also typische Haltungen, Gesten oder bestimmte Bewegungsmuster - auf der äußeren Ebene sind häufig entscheidender im Umgang mit Fremden als sprachlich-diskursive Kommunikation.146 Sie können in bestimmten konkreten sozialen Situationen kulturelle Bedeutungen, Werte und Welt- 145 146 Nürnberger (2001 ) vgl. Hedenigg (1999:49) 64 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik vorstellungen repräsentieren. Wie Bourdieu betont, werden solche kulturell spezifischen nonverbalen Ausdruckmodi bereits im Kindesalter ‚einverleibt’: „In allen Gesellschaften zeigen die Kinder für die Gesten und Posituren, die in ihren Augen den richtigen Erwachsenen ausmachen, außerordentliche Aufmerksamkeit: also für ein bestimmtes Gehen, eine spezifische Kopfhaltung, ein Verziehen des Gesichts, für die jeweiligen Arten sich zu setzen (...), dies alles in Verbindung mit einem jeweiligem Ton der Stimme, einer Redeweise und – wie könnte es anders sein – mit einem spezifischen Bewusstseinsinhalt.“147 Der Körper kann also als das Medium gesehen werden, über das sich Erfahrungsstrukturen ausbilden und sich Bedeutungen konstituieren. Diese sind nicht nur subjektiv beliebig, sondern sind immer historisch, kulturell und sozial mitbestimmt, da Erfahrungen mit dem Körper immer auch geschichtlich oder gesellschaftlich verankert sind.148 Das Phänomen der kulturell geprägten körperlichen Gesten und Bewegungsmuster beschreibt Land wie folgt: „Wir hätten die Sprachbarrieren als selbstverständlich empfunden, haben dabei aber nicht die Körpersprachbarriere als solche empfunden. Dieses Phänomen, dass Menschen aus anderen Kulturen auch körperlich anders artikulieren, war für uns in neues Aha-Erlebnis.“149 Dabei bezieht sich Land auf die Erfahrungen aus einem Tanz-Workshop zum Thema ‚Kunst und kulturelle Identität am Beispiel von Tanz und Theater’, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschiedlicher kultureller Herkunft waren. Heruntergebrochen auf die konkrete Praxis interkulturellen Lernens bedeutet dies, dass in tanzpädagogische Bildungsprozesse, die die Erfahrung neuer Sichtweisen und Einstellungen ermöglichen sollen, das Subjekt als Leib-Subjekt mit einbezogen wird. Der Körper als Speicher von jeweils individuell einverleibten Erfahrungen und Gewohnheiten sollte hiernach immer Berücksichtigung finden. „Anknüpfungspunkt bzw. Maßstab anzustrebender Bildungsprozesse ist somit das Subjekt in seiner körperlichen Verfasstheit.“150 Tanz als Medium interkulturellen Lernens soll in solchen Bildungsprozessen ein ganzheitlicher Erkenntnisansatz 147 Bourdieu zit. nach Alkemeyer (2001: 154) vgl. Klinge (2001: 246) 149 Land (1993: 150) 150 Klinge (2001: 247) 148 65 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik zugrunde gelegt werden, der versucht, „den Menschen in seiner Verwobenheit von psychischen, gesellschaftlich kulturellen, ökologischen und leiblich-motorischen Bezügen zu verstehen, den Mensch als Leibsubjekt mit sozial-ökologischen Bezügen.“151 Insbesondere die folgende von Haneberg formulierte Annahme unterstreicht die Bedeutung des Körpers bzw. Leibes im Kontext menschlichen Erlebens. „Das Erleben, Empfinden und Wahrnehmen, von dem man vormals annahm, dass es im Kopf zentriert sei, wobei der Leib allenfalls als Vermittler fungiert, rutscht gleichsam wieder in den ‚Leib’ als seine eigentliche Mitte zurück und kann dort als unmittelbares ‚leibliches Erleben’ entdeckt werden. Dabei enthüllt sich die Welt im Modus des leiblichen Spürens unmittelbar als weit, eng, bedrückend, erhebend oder tragend, ebenso wie die ‚Anderen’ am Leib unmittelbar als eindringlich, einengend, abweisend oder als wohltuend, befreiend oder haltgebend empfunden werden können.“152 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Tanz als Medium interkulturellen Lernens in geeigneter Weise die über den Körper „inkorporierte soziale Strukturen“153 berücksichtigen kann. In geeigneter Weise, da Tanz trotz seiner kulturellen Verschiedenartigkeit als universelle, nonverbale Sprache über die kulturellen Grenzen hinweg verstanden wird. So können kulturellen Differenzen, die im Alltag ggf. ein Gefühl des Befremdens auslösen könnten, im Tanz in spielerischer Form Ausdruck verliehen werden. Zugespitzt soll abschließend die These formuliert werden, dass durch Tanz ein Prozess interkultureller Annäherung Richtung Akzeptanz kultureller Differenzen gefördert werden kann. Inwiefern und ob Tanz als kreativ-künstlerische Methode interkulturelles Lernen in der Grundschule fördern kann, soll im Folgenden in Anlehnung an die in Kapitel 3.3 formulierten Ziele interkulturellen Pädagogik und der in Kapitel 5.2 erarbeiteten Wirkfaktoren des Tanzes diskutiert werden. Dabei werden Thesen formuliert, die auf Grundlage der in diesem Kapitel erarbeiteten Annahmen aufgestellt werden. 151 Moegling (2001: 8) Haneberg (1995: 7) 153 Bourdieu (1994: 729) 152 66 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik 6.2 Die sozialen und interkulturellen Lernpotenziale des Tanz Bevor die Potenziale von Tanz als Medium interkulturellen Lernens skizziert werden, sollen zunächst allgemeine Prozesse sozialen Lernens, die durch kreativen Kindertanz gefördert werden können, beleuchtet werden. Dabei findet die Annahme Berücksichtigung, dass interkulturelle Bildungsprozesse auf den grundlegenden Elementen sozialen Lernens basieren. 6.2.1 Soziales Lernen durch Tanz? Quehl hat vor dem Hintergrund der Ziele interkulturellen Lernens in der Grundschule folgende Gesichtspunkte sozialen Lernens als elementaren Bildungsauftrag für die Grundschulpädagogik definiert.154 Im Rahmen der Grundschule - so Quehl - sei es wichtig, Kindern a) die Gelegenheit zu geben, ihr Selbstwertgefühl zu stärken, b) die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, c) beizubringen, bei Konflikten nach Lösungen zu suchen und Kompromisse zu finden und d) Mitsprachemöglichkeiten zu geben und sie darin zu bestärken, diese zu nutzen Zu a) Wie in Kapitel 5.2.1 aufgezeigt, kann kreativer Kindertanz für Kinder einen möglichen Erfahrungsraum für die Stärkung ihres Selbstwertgefühls bieten. Dies gilt insbesondere für jene Kinder, die in sogenannten „harten“ Schulfächern wie Mathematik oder Deutsch Schwierigkeiten haben. Für sie kann der kreative Kindertanz mit seinem im weitesten Sinne noten- und leistungsfreien Rahmen, in dem Kategorien wie ‚richtig’ oder ‚falsch’ keinen Platz haben, eine kompensatorische Aufbaufunktion für ihr Selbstwertgefühl haben. Hier kommt der Tanzpädagogin oder dem Tanzpädagogen eine bedeutsame Rolle zu. Sie müssen besonders sensibel und wachsam im Umgang mit Kindern sein und insbesondere jenen Kindern 154 vgl. Quehl (2001: 33) 67 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, die Schwierigkeiten in den elementaren Schulfächern bzw. innerhalb der Tanzgruppe eine ‚Außenseiterrolle’ haben. In diesem Sinne äußert sich auch der Tanzpädagoge Maldoom, der im Tanz einen erfolgversprechenden Weg sieht, Kinder darin zu bestärken, Herausforderungen in ihrer Schul- und Lebenswirklichkeit positiv zu begegnen: „Mein Argument ist: Die Künste - und speziell der Tanz - können präcurricular junge Menschen auf das Lernen vorbereiten. Sie erfahren, wie es ist, sich einer Sache gewachsen zu fühlen und Herausforderungen annehmen zu können. Wenn wir nicht daran glauben, Herausforderungen meistern zu können, wenn unsere Fertigkeiten nicht ausreichen, werden wir deprimiert und demotiviert. Deshalb ist es sehr wichtig für mich, dass Tanz und Kunst verfügbar sind, bevor die Menschen mit anderen Themen des Lehr- und Lernprozesses konfrontiert sind, so dass sie Vertrauen in sich gewinnen und sich vorstellen können, viel mehr zu erreichen, als sie sich je zugetraut haben.“155 Zu b) Die Fähigkeit, Gefühle und Gedanken wahrzunehmen, auszudrücken und mitzuteilen, ist grundlegend für den Austausch und die Beziehung zwischen Menschen. In Kapitel 5.2.3 wurde dargelegt, dass Kinder ihre Gefühle noch sehr unmittelbar über Bewegungen ausdrücken und mitteilen. Tanz ist insofern ein geeignetes Mittel, Gefühlen einen Ausdruck zu geben und Gefühle zu kommunizieren. Vor diesem Hintergrund kann Tanz als nonverbale Kommunikationsform auch dann hilfreich sein, wenn sprachliche Barrieren Kommunikation erschweren. Dem Tanz wohnt insofern ein integratives Potenzial inne. Zudem fördert die Auseinandersetzung mit nonverbaler Kommunikation das Verständnis nonverbaler Zeichen, wie Nürnberger konstatiert: „Tänzerische Kommunikation beinhaltet multisensorische Kanäle. Bewegung ist auch der primitivste Kanal der Kommunikation, die Matrix, aus der sich die Befähigung zur Unterscheidung, Interpretation und Ausdruck kognitiver und emotionaler Informationen herausbildet. Selbstanpassung und –kontrolle hängen vom korrekten Gebrauch und Verständnis kommunikativer Signale ab. Tanz fördert 155 Maldoom, zit. nach Bildungsklick.de vom 17.12.2004 (http://bildungsklick.de/serviceText.html?serviceTextId=7465) 68 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Wahrnehmung und Ausdruck nichtverbaler Zeichen und in der Folge auch Gebrauch und Regulierung nichtverbaler Kanäle der Kommunikation.“156 Auf der nonverbalen Ebene lassen sich zudem Aspekte wie ‚fremd sein – sich fremd fühlen’, ‚Dazugehören – Ausgeschlossen sein’ sowie ‚Nähe – Distanz’ gestalterisch umsetzen. Die Kinder können auf diese Weise spielerisch lernen, ihren Gefühlen tänzerischen Ausdruck zu verleihen. Die Tanzpädagogin oder der Tanzpädagoge hat hierbei darauf zu achten, im Anschluss an den Tanz die Tanzerfahrungen der Kinder gemeinsam mit diesen zu reflektieren. Zu c) und d) Im Hinblick auf die Herausforderung, gemeinsam in der Gruppe ein Problem zu erarbeiten und Lösungen zu finden, wird von den einzelnen Gruppenmitgliedern die Fähigkeit erwartet, Kompromisse eingehen zu können. Bezogen auf den kreativen Kindertanz ist diese Fähigkeit in der Entwicklung eines gemeinsamen Tanzes gefordert. Hier sei auf den kreativen Prozess im Allgemeinen und auf den kreativen Prozess im Tanz im Besonderen verwiesen (Kapitel 5.3.1). Im kreativen Kindertanz, der aus vorgegebenen Strukturen und Improvisationsmöglichkeiten besteht, werden die Kinder ausdrücklich dazu ermuntert, ihre eigenen Ideen und Vorschläge zu einem bestimmten Thema einzubringen. Sie erhalten sozusagen Gelegenheit, ihr Mitspracherecht zu nutzen und gemeinsam etwas zu gestalten. Der Prozess erfordert das Einlassen auf die Ideen anderer und die Bereitschaft Kompromisse einzugehen. Wenn die Gestalt eines Tanzes in der sogenannten Einsichtsphase Form annimmt, wird der kreative Prozess oftmals begleitet von Gefühlen der Erleichterung und Entlastung. Da der Tanz zudem als ein gemeinsam erarbeitetes ‚Produkt’ gesehen werden kann, verstärkt der Prozess das Gefühl der Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit der Kinder. Dieses kann sich nonverbal in Mimik, Gestik und körperlicher Nähe zeigen. 157 Diese allgemeinen sozialen Kompetenzen, die im kreativen Kindertanz gefördert werden, sollen als unabdingbare Vorraussetzung für interkulturelles Lernen gesehen werden. 156 157 Nürnberger (2001) Eisler-Stehrenberger (1990: 154) 69 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik 6.2.2 Interkulturelles Lernen durch Tanz? In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie Tanz einen Beitrag zu den Zielen interkultureller Pädagogik leisten kann. Die Diskussion soll entlang der in Kapitel 3.3 aufgestellten Ziele der interkulturellen Pädagogik geführt werden. Differenz - Gemeinsamkeiten In seinen Handlungsempfehlungen zu den Möglichkeiten interkulturellen Lernens in der Primarstufe schreibt Quehl, dass es wichtig sei, Kindern Aktivitäten zu ermöglichen, in denen sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in vielerlei Zusammenhängen immer wieder erfahren können. Spiele und Übungen sollen Kinder dazu ermuntern, sich mit den Fragen ihrer eigenen Identität und ihrer Individualität auseinander zu setzen.158 Kreativer Kindertanz kann diesen Aspekten in besonderer Weise gerecht werden. In Improvisationsübungen werden Kinder dazu ermutigt, zu einem bestimmten Bewegungsthema Gefühle, Erfahrungen, Ideen, Situationen und Ereignisse in Tanz umzusetzen und ihren eigenen, individuellen Bewegungsausdruck zu finden. Da der jeweils eigene, persönliche Ausdruck der Kinder bei dieser Übung im Vordergrund steht, kann es kein ‚richtig’ oder ‚falsch’ geben. Insbesondere sollen in diesem Zusammenhang Bewegungen und Tänze verschiedener Kulturen erwähnt werden. Oftmals ist schon bei Kindern unterschiedlicher kultureller Herkunft im Grundschulalter zu beobachten, dass diese kulturell bedeutsame Tänze jeweils in spezieller Weise beherrschen. So gibt es oftmals spezielle Bewegungsqualitäten beispielsweise in indischen, türkischen oder afrikanischen Tänzen, die Kinder in unverwechselbarer Weise ‚einverleibt’ haben.159 Übungen, die Bewegungsmuster aus Tänzen verschiedener Kulturen aufnehmen, können Unterschiede in Bewegungen als differenziert kulturellen Ausdruck thematisieren und spielerisch umsetzen. Alkemeyer beschreibt diese Übung bezogen auf kulturell einverleibter Bewegungsmuster wie folgt: 158 159 vgl. Quehl (2001: 30) vgl. Merkt (2002: 41) 70 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik „Im mimetischen Spiel mit ihnen [den Bewegungen, Anmerkung D.D.] im Nach- und Noch-einmal Machen der Bewegungen Anderer, ließen sich nicht nur lustvolle Gefühle vergegenwärtigen, intensivieren und modellieren, sonder auch ungewohnte Erfahrungen hervorrufen. Es wäre auf diese Weise ein Verständnis für das Eigene und das Fremde zu befördern und sinnlich erkennbar zu machen, dass keine Körpertechnik natürlich und unwandelbar ist.“160 Durch die gegenseitige Imitation der Bewegungen Anderer soll ein Bewusstsein für das jeweils ‚Eigene’ und ‚Fremde’ geschaffen werden; zudem soll die Akzeptanz ‚fremden’ Körperausdrucks geschaffen werden. Auch Nürnberger bestätigt die Bedeutsamkeit, sich innerhalb interkultureller Begegnungen über den Körper und den Körperausdruck – und damit auch über tänzerischen Ausdruck – mit Differenzen auseinander zu setzen. „Es mangelt uns jedoch nicht nur am intellektuellen Verständnis des körperlichen Ausdrucks der Fremden, wir haben uns – von der spezifischen Situation in multiethnischen Familien – in den allermeisten Fällen ihren Körperausdruck auch nicht von Kindheit an durch Imitation zu eigen machen können.“161 In einem interkulturell verstandenen tanzpädagogischen Ansatz lassen sich hieraus Übungen konzipieren, die eben mit diesen Differenzen, aber auch mit Gemeinsamkeiten arbeiten. Daneben ließe sich aufgrund individueller Bewegungsformen der Kinder verdeutlichen, dass Kinder der gleichen kulturellen Herkunft in sich vielfältig sind. Neben der Auseinandersetzung mit Differenzen können und sollen im Tanz auch Gemeinsamkeiten betont werden. Tanz kann ein verbindendes Element zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft sein. So kann im Tanz das erlebte Teilen von Rhythmus, Bewegung und Emotionen innerhalb einer Gruppe trotz bestehender und wahrgenommener Differenzen durchaus ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln. Gemeinsamkeiten über kulturelle Grenzen hinweg zu betonen, beschreibt Royston Maldoom als bedeutsame Grundlage für eine angemessene Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden. Die tänzerischkünstlerische Darstellung von basalen menschlichen Gefühlen können eben solche 160 161 Alkemeyer (2001: 169) Nürnberger (2001) 71 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Gemeinsamkeiten zwischen Kindern unterschiedlicher kultureller Herkunft verdeutlichen: „Was wir gemein haben, ist die Art zu lachen, zu weinen, zu hoffen. Wir machen uns viel zu viele Gedanken über die Unterschiede und wie man sie beseitigen kann, statt den Blick zuerst auf unsere Gemeinsamkeiten zu richten. Wenn wir auf dieser Ebene zusammenkommen können, haben wir keine Angst mehr vor unseren kulturellen Unterschieden.“162 Kindern können über den Tanz verbindende und unterschiedliche Bewegungsmuster verdeutlicht werden. Bei gleichzeitigem respektvollen und anerkennenden Umgang mit Differenzen hat Tanz das Potenzial, einen Beitrag zum positiven Selbstkonzept von Kindern unterschiedlicher kultureller Herkunft zu leisten. Umgehen mit Befremdung Eng verbunden mit dem pädagogischen Ziel der Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und Differenzen ist das Ziel interkultureller Pädagogik, einen angemessener Umgang mit Befremdung zu ermöglichen. Fremdheit kann dem Individuum - wie in Kapitel 3.3.3 dargelegt - in unterschiedlichen Formen begegnen. So können wir beispielsweise mit Fremdheit in Gestalt fremder Personen konfrontiert werden. Aber auch in Form fremder Bewegungen können wir uns mit dem jeweils Eigenen und Fremden auseinandersetzen. Da im Tanz die Auseinandersetzung mit dem Körper im Vordergrund steht, eignet sich Tanz für die mit dem Erleben von Fremdheit verbundenen interkulturellen Bildungsprozesse. Dies soll um so mehr gelten, da der Körper – wie in Kapitel 6.1 gezeigt - sowohl für Fremdheitserleben als auch für Fremdheitsdarstellungen und -zuschreibungen Auslöser sein kann.163 In der kindergerechten praktischen Umsetzung dieses Zieles kann beispielsweise die weiter oben angeführte tänzerische Übung des wechselseitigen Nachahmens fremder Bewegungsformen (z.B. in einer Partnerübung) herangezogen werden. Auch wenn diese Übung zunächst verunsichern und Überwindung kosten kann, kann eine solche tänzerisch-körperbezogene Auseinandersetzung mit fremden 162 Maldoom, zitiert nach Bildungsklick.de vom 17.12.2004 (http://bildungsklick.de/serviceText.html?serviceTextId=7465) 163 vgl. Gieß-Stüber (2003: 8) 72 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Bewegungsmustern eine Annäherung an das ‚Fremde’ bewirken. Dabei wird der Prozess der Annäherung über die spielerische Spiegelung des körperlichen Ausdrucks des ‚Anderen’ im Tanz initiiert und vorangetrieben. Multiperspektivität Die Erweiterung des eigenen Blickwinkel sowohl auf die eigene als auch auf andere Kulturen ist das primäre Ziel der multiperspektivischen Bildung (vgl. Kapitel 3.3.5). Eine multiperspektivische Sichtweise umschließt somit die Einsicht in die Vielfalt menschlicher Schöpfungen. Die Beschäftigung mit Tanz aus verschiedenen Kulturen ist vor diesem Hintergrund nicht nur bereichernd aufgrund seiner Andersartigkeit, sondern kann hervorragend dazu verwendet werden, Wissen über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten, über Geschichte, Gesellschaft, Ethik und Religion zu vermitteln.164 Um ihren Blick über kulturelle Grenzen zu erweitern, könnten Kindern beispielsweise über Tänze aus unterschiedlichen Ländern gleichsam deren kulturelle Bedeutung und deren geschichtliche Einordnung vermittelt werden. Dabei gilt es, ein Verständnis von Kultur zu berücksichtigen, wie es in Kapitel 3.2.1 anhand der Dimensionen des Kulturbegriffs erörtert worden ist. Die Tanzpädagogin oder der Tanzpädagoge ist hier gefordert, einen geeigneten Rahmen zu setzen. Folgendes Zitat soll diesen Ansatz exemplarisch verdeutlichen: „Interkulturelle Erziehung hat nichts mit Exotik zu tun. Das Miteinander von verschiedenen Kulturelementen darf nicht losgelöst von den konkreten gesellschaftlichen Bedingungen und den Bedürfnissen und Erfahrungen der Kinder sein. Der Einsatz von ausländischer Folklore zum Beispiel hat oft diesen Beigeschmack, aber das liegt nicht an der Folklore, sondern daran, wie ich sie einsetze.“ 165 In diesem Kontext ist es durchaus angebracht, Tänze in einem fächerübergreifenden Rahmen einzuführen. Wird im Erdkundeunterricht beispielsweise eine Unterrichtsreihe zum Thema „Afrika“ angesetzt, könnten in diesem speziellen Rahmen unterschiedliche afrikanische Tänze und deren Bedeutung im Alltag eingeführt werden. Kindern kann so ein differenziertes Bild von afrikanischen Ländern vermittelt werden, das nicht allein auf Tanz und Musik beschränkt bleibt. 164 165 vgl. Nürnberger (2001) Akinpar zit. nach Roth (2002: 304) 73 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik Mit dem Zitat „Sie sind schwarz. Aber sie tanzen keinen Buschmann-Tanz“ wurde in Kapitel 3.1.2 ein Beispiel eines solchen undifferenzierten Bildes afrikanischer Tänze und Kulturen gegeben. Die differenzierte Vermittlung von Tänzen aus verschiedenen Kulturen und deren gesellschaftliche Hintergründe kann Kindern verdeutlichen, dass Tänze in verschiedenen Kulturen im Alltag sehr bedeutsam und dass (Tanz-) Kulturen sehr unterschiedlich sein können. Erkennen des eigenen unvermeidlichen Ethnozetnrismus Ethnozentrismus meint - wie in Kapitel 3.3.1 dargelegt - die Beurteilung anderer Kulturen vom Standpunkt der eigenen Kultur mit den ihr zugrunde liegenden Wertmaßstäben. Oftmals kommt es dabei auf der Grundlage der eigenen Normen und Werte zur Überhöhung der eigenen Kultur. Erst die konkrete Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und Lebensarten lässt es zu, sich der eigenen Einbindung in Denk- und Handlungsmuster bewusst zu werden. Übertragen auf den Tanz bedeutet dies, dass die Begegnung mit Tänzen und Musik aus anderen Kulturen den eigenen Standort erkennen lässt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Beschäftigung mit ‚fremden’ Tänzen und der dazugehörigen Musik bei Kindern zunächst Abwehrreaktionen und Vorurteilsbildungen verstärkt werden können.166 Dies erfordert einen sensiblen Umgang und einen vorsichtigen Einstieg in Tänze aus Kulturen, aus denen auch Kinder der Tanz-Gruppe kommen. So können ethnozentristische Sichtweisen bzw. Abwehrreaktionen den Kindern bewusst gemacht werden. Aber auch Gemeinsamkeiten (zwischen Tänzen) werden erfahrbar gemacht, so dass es im Laufe eines Lernprozesses zur Akzeptanz anderer Verhaltensweisen und Einstellungen kommen dürfte. 6.3 Zusammenfassung Da interkulturelle Begegnungen häufig auf der körperlichen Ebene bedeutsam werden, sollten interkulturelle Bildungsprozesse einem ganzheitlichen Ansatz entsprechend das Subjekt als Leib-Subjekt berücksichtigen. Die vielfältigen Möglichkeiten, die dem Tanz hinsichtlich dieses Ansatzes innewohnen, wurden an Hand der Ziele interkulturellen Lernens und den potentiellen Wirkfaktoren des Tanzes skizziert. Die Potenziale des Tanzes ergeben sich dabei zum einen aus den 166 vgl. Böhle (1996: 25) 74 Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik allgemeinen Prinzipien des kreativen Kindertanzes und zum anderen aus der Beschäftigung mit Tänzen und Bewegungsformen aus verschiedenen Kulturen. Als grundlegendes Ziel interkultureller Pädagogik, welches sich in allen Schwerpunkten interkulturellen Lernens wiederfindet, kann bei Kindern die Haltung der Akzeptanz gegenüber dem jeweils ‚Fremden’ gefördert werden. Der Wunsch jedes Einzelnen nach Akzeptanz wurde als basales menschliches Grundbedürfnis beschrieben. Bedingungen zu schaffen, die diesem Bedürfnis vor dem Hintergrund kultureller Differenzen gerecht werden, können somit auch als basale pädagogische Aufgabe hinsichtlich der Identitätsentwicklung des Einzelnen gesehen werden. Situationen, die eine Auseinandersetzung mit dem jeweils ‚Eigenen’ und ‚Fremden’ ermöglichen und eine Annäherung an das ‚Fremde’ erlauben, werden auf der Ebene zwischenmenschlicher Beziehungen als Vorraussetzung für die Entwicklung gegenseitiger Akzeptanz gesehen. Im Prozess des interkulturellen Lernens findet die Auseinandersetzung mit dem ‚Fremden’ und ‚Eigenen’ über den Tanz und über den Körper bzw. Leib statt. Dabei kann das ‚Fremde’ über die weiter oben beschriebene nachahmende Bewegung zu eigen gemacht werden. Abschließend soll festgehalten werden, das die spezifische Chancen des interkulturellen Lernens durch Tanz sich vor allem daraus ergeben, dass Kinder hier mehr als in anderen Fächern auf einer affektiven und handlungsbezogenen Ebene angesprochen werden. So kann Tanz über die Grenzen des eigenen und kulturell Definierten hinaus nicht nur Akzeptanz vermitteln, sondern auch verkörpern. 75 Schlussbetrachtung 7. Schlussbetrachtung „Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge, bindet den Vereinzelten zu Gemeinschaft./ Ich lobe den Tanz, der alles fordert und fördert, Gesundheit und klaren Geist und eine beschwingte Seele.“ (Aurelius Augustinus; *354, †430) Tanz ist eine vielversprechende Methode, um die Ziele interkultureller Pädagogik zu erreichen – dies war die zielführende These dieser Arbeit. Es ist der Versuch unternommen worden, diese These durch die Verknüpfung der Prinzipien interkulturellen Lernens mit den Wirkfaktoren des Tanzes zu untermauern. Der Verlauf der Arbeit hat verdeutlicht, dass dieser Versuch derzeit noch auf einem hohen theoretischen Abstraktionsniveau stattzufinden hat. Mit anderen Worten: Mit der vorliegenden Arbeit wurde pädagogisches Neuland betreten. Empirische Untersuchungen zum Thema kreativer Kindertanz und insbesondere zu der von mir verfolgten These, dass dieser den Methodenkoffer interkultureller Pädagogik in ebenso sinnvoller wie vielversprechender Weise erweitern kann, stehen derzeit noch aus. Insbesondere die folgenden Möglichkeiten und Ziele von Tanz als Medium interkultureller Pädagogik sind in dieser Arbeit theoretisch erfasst worden: • Als grundlegende Annahme wurde die These herausgearbeitet, dass interkulturelle Begegnungen oftmals auf der Ebene des körperlichen bedeutsam werden. Vor dieser Annahme ist Tanz ein geradezu prädestiniertes Medium, die Aspekte des Befremdens, der kulturellen Differenzen und Gemeinsamkeiten über körperliches bzw. leibliches Erleben erfahrbar zu machen. • Die Vielfalt der Tänze aus unterschiedlichen Kulturen kann dazu beitragen, den eigenen Blickwinkel sowohl auf die eigene als auch auf andere Kulturen zu erweitern. Verschiedene Bewegungsformen sowie die Vermittlung der jeweils kulturell unterschiedlichen Bedeutsamkeit von Tanz im Alltagsleben können den Kindern gleichsam den Blick über ihren eigenen kulturellen ‚Tellerrand’ ermöglichen. 76 Schlussbetrachtung • Tanz kennt keine sprachlichen Kommunikationsbarrieren und kann als nonverbales Kommunikationsmittel ein integrierendes Potenzial entwickeln. • Tanz schafft auf spielerische Weise ein Klima der Akzeptanz kultureller und individueller Andersartigkeit. Insbesondere der letzte Punkt erscheint vor dem Hintergrund der Herausforderungen der multikulturellen Gesellschaft von großer Bedeutung. So hat die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, auf die gegenseitige Anerkennung als leitendes Prinzip der multikulturellen Gesellschaft verwiesen. Auch die interkulturelle Pädagogik, die sich in besonderer Weise den Herausforderungen der multikulturellen Gesellschaft annimmt, verfolgt das Prinzip der „Anerkennung der für Menschen bedeutungsvollen kulturellen Bezüge oder Werte“167 als handlungsleitendes Ziel. Zur Frage der Integration der multikulturellen Gesellschaft liegt mit dem Prinzip der Anerkennung ein wichtiger Lösungsansatz vor. In diesem Sinne soll auch die vorliegende Arbeit „AkzepTANZ“ verstanden werden: Tanzpädagogische Maßnahmen können auf dem nach wie vor steinigen Weg der wechselseitigen Wahrnehmung und Anerkennung kultureller Unterschiede einen wertvollen Beitrag leisten. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass diese Maßnahmen möglichst schon im frühen Kindesalter zum Tragen kommen, um dem Verfestigen von kulturell bedingten Vorurteilen und Stereotypen frühzeitig entgegen zu wirken. Damit Tanz als potenzielle Methode interkultureller Pädagogik den Rahmen einer kleinen wissenschaftlichen Arbeit verlassen kann, bedarf es noch einiger theoretischer und praxisrelevanter Vorleistungen. Folgende Handlungsempfehlungen sollen daher zum Abschluss dieser Arbeit ausgesprochen werden: 167 Auernheimer (http://www.uni-koeln.de/ewfak/paedagogik/interkulturelle/publikationen/pol_bildung.html) 77 Schlussbetrachtung • Institutionelle Rahmensetzung Die Ausbildung des menschlichen Selbstverhältnisses hängt wesentlich von der Akzeptanz anderer ab. Die Aufgabe der Schule kann unter anderem darin gesehen werden, allen Schülerinnen und Schülern eine identitätsunterstützende Akzeptanz, die Achtung als gleichberechtigtes Mitglied einer Gemeinschaft und die soziale Wertschätzung konkreter Eigenschaften und Fähigkeiten entgegen zu bringen. Der Ganztag an Schulen ist ein guter Rahmen, um die Ziele interkulturellen Lernens und somit auch Tanz als mögliche Methode interkulturellen Lernens umzusetzen. So erkennt auch Politik an, dass die gesellschaftlichen Institutionen in die Lage versetzt werden müssen, den „Pluralismus produktiv zu nutzen und sich interkulturell zu öffnen.“168 Den Forderungen auf dem Papier müssen jedoch auch entsprechende Maßnahmen folgen. Oftmals reicht der Wurf nicht weit genug, so auch im Falle des Konzepts der offenen Ganztagsgrundschule der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Da das Armutsrisiko in Deutschland eng mit der ethnischen und kulturellen Herkunft korreliert, ist zu befürchten, dass gerade Kinder mit Migrationshintergrund der Zugang zum offenen und gebührenpflichtigen Ganztag verwehrt bleibt. Damit Schulen auch Kinder aus sozial schwache Bevölkerungsschichten erreichen, müssen die Nachmittagsangebote für alle Kinder verpflichtend und damit kostenfrei sein. Der Schule als Ort des interkulturellen Lernens würde somit gestärkt. • Wissenschaftliche Evaluation Eine empirische Untersuchung zu der in dieser Arbeit aufgestellten These, dass Tanz ein vielversprechendes Methode zur Erreichung der Ziele interkultureller Pädagogik ist, steht derzeit noch aus. An dieser Stelle sind in erster Linie Wissenschaft gefordert. Im Forschungsprojekt „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“ ist derzeit eine wissenschaftliche Dissertation zu diesem Thema in Planung. Wünschenswert wäre jedoch auch eine größer angelegte Langzeitstudie, die den Wirkungszusammenhang von Tanz und interkulturellem Lernen wissenschaftlich fundiert untermauert. 168 Beck (2005: 5) 78 Schlussbetrachtung Doch auch Politik ist hier in der Verantwortung. Sie kann durch die längerfristige Bereitstellung von entsprechenden Fördermitteln die Voraussetzungen schaffen, um tanzpädagogische Konzepte an Schulen zu realisieren. Mit dem Projekt „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“ hat die Landesregierung NRW einen ersten Schritt gemacht. Eine weitere Unterstützung des Projekts ist allerdings derzeit von Landesseite nicht in Aussicht gestellt. • Förderung interkultureller Kompetenzen von Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen Im Rückgriff auf die bereits vorhandenen Strukturen müssen die Potenziale optimaler ausgereizt werden. Das Projekt „Tanz in der offenen Ganztagsgrundschule“, das bereits in einigen Ganztagsgrundschulen in NRW realisiert ist, kann einen Rahmen bieten Tanz als Medium interkulturellen Lernens stärker zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Arbeit habe ich einige Gespräche mit Tanzpädagoginnen geführt, die derzeit in unterschiedlichen offenen Ganztagsgrundschulen Tanz unterrichten. In diesen Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass der interkulturelle Aspekt in der tanzpädagogischen Arbeit mit Kindern keine explizite Berücksichtung findet. Jedoch zeigten sich die Gesprächspartnerinnen sehr interessiert für dieses Thema. Es besteht nach Auskunft der Tanzpädagoginnen eine gewisse Sensibilisierung für die Einbeziehung des interkulturellen Ansatzes in die tanzpädagogische Arbeit. Dieses Defizit kann und sollte zukünftig durch Fortbildungsmaßnahmen für die tanzpädagogischen Praktikerinnen und Praktiker behoben werden. Denkbar wären beispielsweise Workshops oder Arbeitsgruppen, in denen die interkulturellen Kompetenzen der Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen geschult werden. Dem „NRW Landesbüro Tanz“ könnte hier eine zentrale Koordinierungsfunktion zukommen. 79 Inhaltsverzeichnis 8. Literaturverzeichnis ADL-AMINI, Bijan (1992): Nachtstunden des Lebens. Freiburg ALKEMEYER, Thomas (2001): Die Vergesellschaftung des Körpers und die Verkörperung des Gesellschaftlichen. Aus: Moegling, K.(Hg): Integrative Bewegungslehre Teil I. Kassel, S.132 - 178 AUERNHEIMER, Georg (2003): Einführung in die interkulturelle Pädagogik. 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