Folie 1. Titelblatt Folie 2. John Locke (1632 – 1704) ”Vater des

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Folie 1. Titelblatt Folie 2. John Locke (1632 – 1704) ”Vater des
Skript
Das Menschenbild des17. und 18. Jahrhunderts –die ideologische Grundlage
für den sich entwickelnden Kapitalismus. Teil 2
Arbeitskreis ”Wirtschaften für eine gerechtere Welt” St. Petri Weende
Göttingen, 21.10.2010
Referent: Holger Voss
Dieser Vortrag legt einen Schwerpunkt auf die Theorien von John Locke – und kontrastiert sie mit
ausgewählten Aussagen Rousseaus.
Folie 1.
Titelblatt
Folie 2.
John Locke (1632 – 1704) ”Vater des Liberalismus”
Ein Jahr nach der Glorious Revolution erscheint ein weiteres wichtiges staatstheoretisches Werk:
John Lockes „Zwei Abhandlungen über die Regierung“. Es erscheint anonym – noch hat die
bürgerliche Revolution nicht gesiegt.
Hiermit im Zusammenhang erschien auch eines, das sich noch einmal ausführlich mit dem
Menschen befasst, und zwar konkret mit der Vernunft des Menschen, die, wie wir sehen werden,
noch eine wichtige Rolle spielen wird. Er entwickelt darin ein umfangreiches Modell von der
Entstehung und verschiedener Arten menschlicher Ideen, über den Umfang und verschiedene Grade
des Wissens sowie ein moralisches Regelwerk.1
Ich möchte mich heute Abend allerdings nicht hierauf, sondern auf den wirtschaftlichen Teil
konzentrieren – dies führt uns in der Frage nach dem grundlegenden Menschenbild von Locke
weiter.
Folie 3.
Zwei Abhandlungen über die Regierung
Wir sehen hier die Titelseite der Ausgabe von 1690, die erste Veröffentlichung erfolgte 1689.
Die Two Treatises of Government (dt.: Zwei Abhandlungen über die Regierung; engl. auch Two
Treatises of Government: In the Former, The False Principles and Foundation of Sir Robert
Filmer, And His Followers, are Detected and Overthrown. The Latter is an Essay concerning The
True Original, Extent, and End of Civil-Government) ist ein Werk der politischen Philosophie, das
John Locke 1689 anonym veröffentlichte.
Im der ersten Abhandlung setzt er sich mit Robert Filmer auseinander, der ein Königtum über das
patriarchale Prinzip rechtfertigt – und widerlegt dessen Theorien. Dieser Teil des Werkes besteht zu
einem sehr hohen Teil aus Zitaten anderer Philosophen und Theoretiker – und ist aus heutiger Sicht
eher historisch interessant. Für Locke in seiner Situation war dies jedoch wichtig, um der
1 vergl. die Übersichten im dtv-Atlas Philosophie, S. 118 - 121
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Königsherrschaft die Legitimation zu entziehen und dann – in der zweiten Abhandlung – sein
eigenen Vorstellungen von einer Staatsordnung entwickeln zu können.
Zwar hatte Locke den Leviathan Thomas Hobbes' wahrscheinlich gelesen – es lassen sich in den
Zwei Abhandlungen implizite Hinweise darauf finden –, vor allem aber war sein Buch als
Erwiderung auf Robert Filmers Patriarcha, or the Natural Power of Kings konzipiert. Da die ersten
Auflagen zahlreiche Druckfehler enthalten, die von Locke angemahnt wurden, ist es heute schwer,
von einer Originalversion auszugehen. Allgemein wird heute die 4. Auflage als autorisierte Version
angesehen.
Insbesondere die zweite Abhandlung wird oft als Manifest für die liberale Demokratie und den
Kapitalismus bezeichnet und hat dementsprechend positive wie negative Kritik auf sich gezogen.
Eine Ausnahme in seinem Werk bilden die Zwei Abhandlungen über die Regierung (Two Treatises
on Government), über die es keine Skizzen, Manuskripte oder anderen Aufzeichnungen Lockes
gibt. Das Buch entstand im Wesentlichen wahrscheinlich Mitte der 1680er vor der Bill of Rights.
Da es erst nach dieser veröffentlicht wurde, konnte er aber Einleitung und bestimmte Teile so
umschreiben, dass es als Begründung dieser gelesen werden konnte. Er ließ das Werk nicht nur
anonym verlegen, sondern beseitigte auch alle Spuren, die ihn als Verfasser mit dem Werk in
Zusammenhang bringen konnten. Unter anderem vernichtete er das Manuskript. Obwohl bereits zu
Lebzeiten viele Zeitgenossen ihm das Werk öffentlich zuschrieben und es lobten, reagierte Locke
nicht darauf. Selbst in seinem eigenen alphabetisch geordneten Bücherregal war es bei den
unbekannten Autoren eingeordnet. Erst in seinem Testament bekannte er sich zur Autorenschaft.
Folie 4.
Die ”Zweite Abhandlung über die Regierung”
(Second Treatise)
Bedeutung des „Second Treatise“
Die Theorie, die Locke in den beiden Abhandlungen darlegt, hatte grundlegenden Einfluss auf die
Glorious Revolution von 1688/89 und die danach eingerichtete Staatsordnung in England sowie im
18. Jahrhundert auf die Amerikanische Verfassung von 1787 und die Französische Revolution von
1789.
Verfassungstext der Amerikanischen Verfassung:
Lockes Staatstheorie hat die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, den französischen
Verfassungsentwurf 1791 sowie die ganze Entwicklung des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates
bis heute maßgeblich beeinflusst. Die Einleitung der Unabhängigkeitserklärung baut direkt auf
Locke auf:
We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed
by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the
pursuit of Happiness. -- That to secure these rights, Governments are instituted among Men,
deriving their just powers from the consent of the governed, -- That whenever any Form of
Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to
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abolish it,
Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden,
dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden,
worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dass zur Versicherung
dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte
Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; dass sobald eine Regierungsform
diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder
abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen,
Die Trias Life, Liberty and the pursuit of happiness ist eine literarisch adaptierte Version von
Lockes Naturrechten auf Life, Health, Liberty and Property, wobei in den ersten Entwürfen
Property auch wörtlich im Text stand und Thomas Jefferson es erst später durch das weniger
eindeutige Pursuit of Happiness ersetzte.
Neben den revolutionären Politikern der damaligen Zeit beeinflusste Locke aber auch die
Entwicklung der politischen Theorie maßgeblich: die von ihm zugrunde gelegten Naturrechte sind
bis heute Kernbestand des Liberalismus. Ebenso lassen sich mit ihm sämtliche Konzeptionen des
Minimalstaats begründen, die Eingriffe der Regierung in das Leben der Menschen nur zu eng
definierten Zwecken zulassen.
Was steht drin?
Über sein Menschenbild erfahren wir einiges im Naturzustand – ich zitiere Auszüge hieraus:
2. Kapitel, Der Naturzustand: § 4, § 6, Zeilen 1-12, (ggf. auch §10, §12, Z. 1-10)
3. Kapitel: Der Kriegszustand: §§ 16 + 21, Z. 1-10
Folie 5.
Lockes Menschenbild (1)
Folie 6.
Lockes Menschenbild (2)
Folie 7.
Nochmal kurz zum Vergleich: Zentrale Thesen von
Hobbes
In der akademischen Interpretation beeinflussten besonders Leo Strauss (1953) und C. B.
Macpherson (1962) die Diskussion um seine Staatstheorie. Für Strauss und seine Anhänger hat
Lockes Staatstheorie große Ähnlichkeiten mit der Thomas Hobbes, der größte Unterschied besteht
ihrer Auffassung nach darin, dass Locke seine Ansätze für die damalige Zeit sozial akzeptabler
formuliert habe. Macpherson legt eine marxistisch beeinflusste Interpretation vor, die Locke als
Apologeten des Kapitalismus sieht. Ihnen beiden zufolge legitimiert Lockes Werk die unbegrenzte
Eigentumsanhäufung des sich abzeichnenden Kapitalismus. Die Einschränkungen, die er macht,
seien nur oberflächlich und letztlich bedeutungslos.
Folie 8.
Definition des Menschen in Bezug auf das Eigentum
ggf: Vor dem Aufblättern der nächsten Folien vorlesen: §§ 25-27, S. 217 f. (je nach Zeit) – oder
direkt die Folien 9-11 kommentieren.
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Folie 9.
Entwurf einer geschichtliche Entwicklung vom
Naturzustand bis zum bürgerlichen Staat (1)
Folie 10.
Entwurf einer geschichtliche Entwicklung vom
Naturzustand bis zum bürgerlichen Staat (2)
kurze Info:
Die ersten beidseitig geprägten Münzen von gleichem Gewicht wurden im 7. Jh. vor Chr. von den
Lydern geprägt: der Lydische Stater. Die Lyder waren ein indogermanisches Volk in Kleinasien.
erste Münzen. Wichtige Könige waren König Alyattes, und sein (uns weitaus bekannterer)
Nachfolger König Kroisos. (weitere Detaiols: siehe Wikipedia. Artikel Geld, Abschnitt Münzgeld,
und Lyder)
Folie 11.
Entwurf einer geschichtliche Entwicklung vom
Naturzustand bis zum bürgerlichen Staat (3)
Legitimation dieses Systems des Privateigentums erfolgt in einem Vergleich mit den Indianern:
§41 … nährt und kleidet sich dort schlechter als ein Tagelöhner in England
Folie 12.
Kernbegriff des Liberalismus: Die Freiheit
Folie 13.
Freiheit und Sklaverei
Folie 14.
Umkehrung der Menschenrechte
… am Besten mündlich erklären, auch auf die Situation der Indianer hinweisen. rundlagentext
hierfür ist die Kritik von Duchrow und Hinkelammert in „Leben ist mehr als Kapital“, S. 83-96,
insbesondere S. 86, 3. Absatz bis S. 88, 1. Absatz.
Folie 15.
Ein Menschenbild und seine Konsequenzen für die
Gesellschaft
… im Original ein Relativsatz, § 85 im Zusammenhang vorlesen. (wichtig!)
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Folie 16.
Das Eigentum von John Locke (1)
Folie 17.
Das Eigentum von John Locke (2)
… nur kurz erläutern und auf Maurice Cranston verweisen. Hier ein Auszug aus den
Untersuchungen:
Folie 18.
Exkurs und Zuspitzung: 1984
Bei Locke zeichnet sich bereits ab, was sich in den heutigen Theorien des Neoliberalismus
konkreter fortentwickelt hat:
Krieg ist Frieden
… Frieden und Kriegszustand verschmelzen zusehends – Auslandseinsätze Irak, Afghanistan,
während im Heimatlande Frieden herrscht. Der Krieg gegen den Terror als Dauerzustand im
Frieden. So wie der Naturzustand bei Locke stets den Krieg mitdenkt Freiheit ist Sklaverei
… Freiheit und Sklaverei – zumindest die Knechtschaft - liegen im Kapitalismus eng beisammen.
Innerstaatlich gibt es die Freiheit stets nur für die Besitzenden, die Nicht-Besitzenden leben in
Knechtschaft. Zwischenstaatlich: Die Parole der Freiheit diente oft der Unterwerfung.
Unwissenheit ist Stärke
… Die Unwissenheit vieler Bürger über gesellschaftspolitische und wirtschaftliche
Zusammenhänge ist die Stärke des kapitalistischen Systems.
Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft.
Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit.
… Die Definition der Vergangenheit ist entscheidend für die Legitimation des Systems. Das
kapitalistische System wird als alternativlos dargestellt, jede Alternative als gescheitert verurteilt
und verteufelt, obwohl die Geschichte belegt, dass es andere Ansätze gab und bis heute gibt. Doch
diese Seiten der Geschichte lernen wir nicht (oder selten) in der Schule.
Der Neoliberalismus eine Ideologie mit totalitärem Charakter, da sie das Ideal anstrebt, dass jeder,
aber auch wirklich jeder Quadratzentimeter dieses Planeten privatisiert und der Gemeinschaft somit
entzogen wird. Die Freiheit definiert sie als Unterwerfung unter den freien Markt (Hayek).
Wir werden dieses Problem in der Dezember-Veranstaltung vertiefen.
Rousseau
Rousseaus Aussagen werden hier nicht vertieft – aber den Aussagen Lockes in wesentlichen
Punkten gegenübergestellt.
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(im Wesentlichen an den Folien entlangarbeiten, ergänzend Zitate vorlesen )
zu Folie 22, Der Mensch im Naturzustand:
„Die Menschen sind böse; eine traurige und fortdauernde Erfahrung erübrigt den
Beweis; jedoch, der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu
haben; […] Man bewundere die menschliche Gesellschaft, soviel man will, es wird
deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendigerweise dazu bringt,
sich in dem Maße zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen, außerdem sich
wechselseitig scheinbare Dienste zu erweisen und in Wirklichkeit sich alle
vorstellbaren Übel zuzufügen.“
– Zweiter Diskurs, Anmerkung IX
zu Folie 24: Der Mensch in der Gesellschaft: vorlesen:
Abhandlung über die Ungleichheit. Beginn des zweiten Teils: Zeile 1-11 (Reclam-Ausgabe S. 74)
Übergang Folie 25/26:
Eine Rückkehr in den Naturzustand schließt Rousseau ausdrücklich aus, auch wenn viele Kritiker,
allen voran Voltaire, ihm vorhielten, sie empfohlen zu haben. In einem Brief an Rousseau schreibt
Voltaire spöttisch:
"Ich habe, mein Herr, Ihr neues Buch gegen die menschliche Gattung erhalten ... Niemand
hat es mit mehr Geist unternommen, uns zu Tieren zu machen, als Sie; das Lesen ihres
Buches erweckt in einem das Bedürfnis, auf allen Vieren herumzulaufen."[14]
Zu Folie 27:
Rousseaus Theorien beeinflussten viele namhafte Pädagogen, so z. B. Johann Heinrich Pestalozzi,
Adolph Diesterweg, Maria Montessori und Ellen Key.
Zum Abschluss die ersten Zeilen des zweiten Teils der Abhandlung über die Ungleichheit2:
"Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist
mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer
der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend
und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle
herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte:
,Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergeßt, daß die
Früchte allen gehören und die Erde niemandem."
Im Licht dieser Aussage ist der erste Satz des ersten Kapitels des Gesellschaftsvertrages zu
verstehen: "Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten."3
Literatur:
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Duchrow, Ulrich / Hinkelammert, Josef: Leben ist mehr als Kapital. Alternativen zur
globalen Diktatur des Eigentums. Oberursel 22005
2 Rousseau, J.J.: Abhandlung über die Ungleichheit, Reclam Stuttgart 1998, S. 74, Z. 1-11
3 Rousseau, J.J.: Gesellschaftsvertrag. Reclam, 2003, S. 5.
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dtv-Atlas Philosophie, München 81999
Locke, John: Zwei Abhandlungen über die Regierung, Frankfurt am Main 1967, hrsg. von
Walter Euchner
Macpherson, C.B.: Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt am Main
1967
Rousseau, Jean-Jacques: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der
Ungleichheit unter den Menschen. Dt. Übersetzung. Stuttgart 1998
Rousseau, Jean-Jacques: Der Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts, dt.
Übersetzung, hg. von Peter Goodman, Wiesbaden 2006.
einschlägige Wikipedia-Artikel und darin enthaltene Abbildungen (im Skript detailliert
angegeben)
Rousseau, Jean-Jacques: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der
Ungleichheit unter den Menschen. Dt. Übersetzung. Stuttgart 1998
Rousseau, Jean-Jacques: Der Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts, dt.
Übersetzung, hg. von Peter Goodman, Wiesbaden 2006.
Wikipedia-Artikel: (Zugriffe: 20.10.2010)
◦ Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den
Menschen
◦ Geld, insbesondere der Abschnitt Münzgeld
◦ Jean-Jacques Rousseau
◦ John Locke
◦ Lyder
◦ Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes
Kontaktadresse: Holger Voss, Annastraße 2, 37075 Göttingen, [email protected]
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