Der etwas a Zentrum der Medizintechnik - textstube-luz

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Der etwas a Zentrum der Medizintechnik - textstube-luz
Trends
Seite 28 . 20. November 2008
Pro:fit
Tischlein öffne dich
◆ Draenert Studio GmbH Immenstaad konzipiert mit Küchenprimus Poggenpohl den „Dining Desk“
von Susann Ganzert
W
eg von der kleinen Küche, aus
der das Essen ins Esszimmer getragen wird, an dessen anderem Ende
das Paradesofa steht. Hin zum alten/
neuen Lebensmittelpunkt Ess-Kochbereich, zum Eventcooking oder zum
Privatcatering direkt ins Wohnzimmer.
Vor drei Jahren gab die Immenstaader
Möbelmanufaktur Draenert Studio
GmbH eine Marktstudie mit dem Fragen-Schwerpunkt: „Wohin gehen die
Wohntrends der nächsten Jahre?“ in
Auftrag und war sich anschließend sicher: Die Küchen werden sich hin zum
Wohn-Essbereich öffnen, wohingegen
das Sofa weniger der Präsentation,
sondern vielmehr zum privaten Lümmeln genutzt wird.
Wenn sich die Küchen öffnen, so Patric Draenert rückblickend, sind Esstische noch bedeutender als bisher –
klare Ansage für die profilierten Möbelspezialisten für Tische und Stühle
aus verschiedensten Materialien und
vor allem aus Stein, denn da ist die
Draenert Studio GmbH spitze.
Also machte sich das „urschwäbi-
sche Familienunternehmen“, so der
39-jährige Chef Patric Draenert auf die
Suche nach einem Küchenprofi und
stellte bald viele Gemeinsamkeit mit
dem Primus Poggenpohl fest. Beide
Firmen passten in drei wichtigen Dimensionen bestens zusammen: Design, Materialität und Funktionalität.
Gemeinsam entwickelten sie das Konzept des „Dining Desk“ – eines großen
Esstischs mit Steinplatte (oder ganz
aus Stein), der sich in der Breite öffnen
lässt. In der Mitte taucht mitnichten
die Platte zur Vergrößerung des Tisches auf, sondern allerlei Küchentechnik oder -zubehör, von Warmhalteplatten bis zu Besteckkorb ist alles
drin. Von den beiden Außenseiten lassen sich dann „Trollis“ einschieben,
auf denen dann die frischen Produkte
stehen und schon kann das Kochen
mit Freunden direkt am Tisch starten.
Es wäre kein Draenert-Tisch, wenn
sich die Gastgeber beim Ausziehen der
Tische anstrengen müssten – federleicht und geräuschlos gleitet der Tonnen schwere Tisch auseinander. „Wir
haben unsere Tisch- und Steinkompetenz eingebracht“, so Patric Draenert,
Poggenpohl sein Know-how bei Küchen und seinen großen Absatzmarkt,
der zu 80 Prozent im Ausland liegt.
Nicht, dass Poggenpohl-Küchen hierzulande nicht gefragt wären. Erst
jüngst wurde die erste Porsche-Küche
in Hamburg ausgeliefert: für 150 000
Euro.
Mehr als 200 faszinierende
Steinplatten aus aller Welt
warten auf dem Steinhof auf
ihre Veredelung.
Apropos Stein: Momentan tüftelt
man im Immenstaader Gewerbegebiet
Alte Ziegelei, wo Draenert seit vier
Jahrzehnten zuhause ist, an einem
Möbel ganz aus Stein: Ein Sessel oder
ein Sofa könnte es werden und es wird
zur Kunstkollektion gehören, limitiert
sein und vielleicht, so wie der Frankfurter Schrank, in großen Museen dieser Welt ebenso stehen wie in privaten
Wohnräumen, wo er auch benutzt
wird. Mehr als 200 faszinierende Steinplatten aus aller Welt lagern auf dem
Dieser Honey Blue-Stein kommt aus Brasilien und wartet nun im Draenert-Steinpark auf seinen ersten Einsatz.
Rechtes Bild: Ohne Maschinen geht gar nichts, wenn die schweren Steinplatten angehoben werden müssen.
Steinhof der Immenstaader Firma.
Könnten Sie ihre Geschichte selbst erzählen, wüsste man noch mehr über
die erdgeschichtlichen Entwicklungssprünge.
Doch zurück zur Realität: Derzeit
läuft ein neuer Forschungsauftrag der
Draenert Studio GmbH: Es geht wieder
um Tische und um die Nano-Beschichtung im Möbelbereich. Marmor
und Onyx sind hart, aber nicht so hart,
dass Säurerückstände von Kaffee oder
Orangensaft der Oberfläche nicht zusetzen können. Deshalb suchen die
Steinprofis aus Immenstaad, auf deren
Steinhof mehr als 200 monumentale
und Erdgeschichte erzählende Steinplatten lagern, nach Möglichkeiten,
die Oberfläche zu versiegeln, ohne das
der Kunde etwas sieht.
30 Patente hat die Draenert Studio
GmbH angemeldet, die Ergebnisse der
Innovation der rund 70 Mitarbeiter,
zehn davon in der Draenert-Stuhlmanufaktur in der Schweiz. Draenert ist
ein internationales Unternehmen, hat
15 Außendienstmitarbeiter in aller
Welt. Diese bringen Anregungen der
Multikulti-Kundschaft nach Immenstaad, wo sie geprüft und in unverwechselbarer Art umgesetzt werden.
Seit vier Jahrzehnten produziert das
Familienunternehmen in Immenstaad
Tische, Schränke, Stühle, Sessel. Und
dass diese Produkte schon lange nicht
mehr „nur“ Gebrauchsgegenstände
sind, hat sich weltweit herumgesprochen. Die Kunstkollektion ist seit vier
Jahrzehnten bekannt und begehrt. Es
sind nicht nur der Frankfurter Schrank
oder der Frankfurter Sessel, sondern
beispielsweise auch ein Edelstahlsofa.
Davon gibt es insgesamt nur 20 Stück
und die Nachfrage ist unglaublich. Erst
jüngst gab es in den USA die Anfrage
eines Auktionshauses, das es für
150 000 Dollar anbieten wollte. Der
Erstbesitzer hatte zirka 15 000 Dollar
bezahlt und das Sofa benutzt.
Patric Draenert und der Dining Desk, den die Draenert Studio GmbH in
Kooperation mit Poggenpohl konzipierte. Bilder: Ganzert
Zentrum der Medizintechnik
◆ In Tuttlingen bestimmen Mittelständler das Geschäft mit heilenden Geräten
von Anika Luz
Tuttlingen – Die MedizintechnikBranche in Tuttlingen ist, anders als
der internationale Wettbewerb, mittelständisch geprägt. Mehr als 90 Prozent der Firmen haben weniger als 100
Mitarbeiter, nur ein Prozent hat über
500 Beschäftigte. Heute sind gut 500
Unternehmen im Landkreis, davon
200 in Tuttlingen selbst, als Produzenten, Zulieferer oder Dienstleister in
der Medizintechnik tätig. Sie bringen
es auf einen Weltmarktanteil von 50
Prozent. Der am Standort erwirtschaftete Jahresumsatz liegt schätzungsweise bei 1,5 Milliarden Euro. Mehr als
zwei Drittel davon werden im Auslandsgeschäft erzielt. Dies spiegelt
sich in den großen Auslandsabteilungen der Tuttlinger Bankenwelt wider.
Mit 2800 Mitarbeitern ist die Aesculap AG, eine hundertprozentige Tochter der B. Braun Melsungen AG, der
größte Arbeitgeber in Tuttlingen. Aesculap wurde im Jahre 1867 am Standort Tuttlingen als chirurgische Mes- Erfolgreich die Nische gefunden: J.S.
serschmiede gegründet und war be- Evro-Chef J. Strnad (vorne) und sein
reits Ende des 19. Jahrhunderts ein Sohn. Bild: Luz
global tätiges Unternehmen, welches
heute in allen wesentlichen Ländern Tuttlingen.
Erfolgreich ihre Nischen gefunden
und Märkten der gesamten Welt Tochterfirmen und Vertriebsorganisatio- haben auch zahlreiche Kleinbetriebe
in Tuttlingen. So ist die J.S. Evro Innen unterhält.
Das 1945 gegründete Familienun- strumente GmbH Marktführer in eiternehmen Karl Storz ist führender nigen Ländern Südost-Europas und
Hersteller von Endoskopen. Der Ein- verkauft ein Implantat für Kinder mit
satz von Kaltlichtquellen zur Aus- der Glasknochenkrankheit an Spezileuchtung des Körperinneren war ei- alkliniken in Deutschland.
Dass die Zulieferer und Dienstleisne der bahnbrechenden Erfindungen
ter vor Ort der Konkurdes
Unternehmens.
Die geschäftsführende Mehr als 90 Prozent renz in den Billiglohnländer
erfolgreich
Gesellschafterin Sybill
standhalten,
beweist
Storz ist die Tochter des der Firmen haben
Firmengründers.
In weniger als hundert der Fräs- und Zerspanungstechnik-Betrieb
den vergangenen 12
von Helmut und Ursel
Jahren gelang es ihr, Mitarbeiter.
den Erfolg des UnterPeuker. Vor acht Jahren
nehmens kontinuierlich zu steigern, gegründet, haben sie heute bereits 20
so dass 2007 ein Umsatz von 780 Mil- Mitarbeiter und sind bestens ausgelionen Euro erzielt werden konnte.
bucht. „Kleinmengen mit kurzer LieKLS Martin ist eine mittelständi- ferzeit“, sind laut Ursel Peuker die
sche Unternehmensgruppe, die inno- Hauptvorteile hiesiger Betriebe.
Die Ausstattung eines kompletten
vations- und investitionsfreudig ist
und eine klare Wachstumsstrategie Operationssaals aus einer Hand geverfolgt. Am stärksten vertreten ist sie hört schon heute zu den Serviceleisin den Bereichen der Kiefer-, Hand- tungen einiger Tuttlinger Unternehund Hochfrequenz-Chirurgie sowie men. Service ist in Bezug auf Weiterbei Operationsleuchten. Mit 400 Mit- bildungen stärker gefragt. Die Aescuarbeitern ist KLS Martin das drittgröß- lap AG bildet in der 1995 gegründeten
te Medizintechnik-Unternehmen in Aesculap Akademie und der zehn Jah-
re später eröffneten Außenstelle in
Berlin jährlich bis zu 35 000 Ärzte,
Pfleger und andere Berufsgruppen
weiter. Auch im Schulungszentrum
von Karl Storz finden sich regelmäßig
Fachleute aus dem OP ein, um sich in
der minimal-invasiven Medizin auf
den neuesten Stand der Technik bringen zu lassen.
Aesculap widmet sich der Forschung des Gelenkersatzes ohne Metall oder Kunststoff – der Nachzucht
von körpereigenen Knorpelzellen.
Karl Storz entwickelt virtuelle Trainingsmodule, beispielsweise im Bereich der Urologie oder des Ohres.
Diese ermöglichen es Medizinern,
realitätsnah operative Eingriffe zu simulieren, um sich auf diese Weise auf
die reale Operation am Patienten vorzubereiten. KLS Martin hat gerade erfolgreich resorbierbare Implantate für
die Schädelchirurgie auf den Markt
gebracht, die laut den Verbänden
Spectaris und ZVEI ein Einsparvolumen von 22 Millionen Euro bedeuten
könnten.
Die aktive Gestaltung der Branchenzukunft lässt sich an einigen
Meilensteinen im Forschungs- und
Bildungsbereich ablesen. So haben
Tuttlinger Firmen 2001 gemeinsam
mit Forschungseinrichtungen des benachbarten
Universitätsklinikums
das Kompetenzzentrum Minimal Invasive Medizin und Technik Tübingen-Tuttlingen gegründet. Hier arbeiten Ingenieure und Mediziner an neuen Instrumenten und Implantaten,
die kleinstmögliche operative Eingriffe ermöglichen. Im Experimental-OP
der Universität Tübingen, der den
Weg für den Operationssaal der Zukunft weist, finden sich ebenfalls die
Entwicklungen zahlreicher Tuttlinger
Firmen wieder. Die Forschungs- und
Arbeitsergebnisse werden zukünftige
Arbeitsabläufe, Architektur und Gerätetechnik beeinflussen.
Die Medizintechnik-Region zwischen Tuttlingen und Tübingen ist seit
Anfang November eine von zwölf
„Cluster-Regionen“ in Baden-Württemberg. Damit verbunden sind Fördergelder, insgesamt in der Höhe von
600 000 Euro. Interessant: Ein Kriterium für den Vorzug anderer „Cluster“
im bundesweiten Wettbewerb war vor
allem die Unübersichtlichkeit durch
die Vielzahl an Akteuren in der Region.
Der etwas andere Becher
◆ Gertrud Derix-Kessler vereint mit ihrer Rottweiler Agentur Kunst und Kaffeegenuss
von Anika Luz
E
ine edle und zugleich praktische
Geschenkidee für Kunstliebhaber kommt aus Rottweil: Die 2002 gegründete Kunstagentur Derix-Kessler editiert Künstlerbecher, Städtebecher und Kaffeebecher für Firmen –
allesamt aus hochwertigem Porzellan und in anspruchsvollem Design.
Gertrud Derix-Kessler gelang es,
den inzwischen verstorbenen Rottweiler Künstler Erich Hauser zu gewinnen, für ihre Kunstagentur zwei
Kaffeebecher zu gestalten. Auch die
berühmten blauen Tulpen des
Künstlers Andreas Felger finden sich
auf einer Tasse im Programm der
Kunstagentur. Tobias Kammerer, ein
inzwischen international gefragter
Künstler aus Rottweil gestaltete
ebenfalls zwei Tassen. Neuerdings
gibt es eine Tasse von Norbert Stockhus.
„Meistens werden Tassen mit einem Firmenlogo gemacht. Gutes Design bleibt dabei in der Regel auf der
Strecke“, so Gertrud Derix-Kessler.
Doch es geht auch anders. Eine Freiburger Firma verschenkt seit fünf
Jahren Kaffeebecher, die von Tobias
Kammerer gestaltet wurden. Der
Wunsch des Firmeninhabers war es,
Firmenfarben und das Logo in künstlerischer Weise zu verarbeiten. Vom
Ergebnis war er so begeistert, dass er
gleich noch mehrere Varianten orderte. Eine andere Firma beglückt ihre Kunden jedes Jahr mit Tassen eines
anderen Künstler. So entstand eine
kleine Kunstserie.
Der Gedanke, eine Stadtansicht auf
Gertrud Derix-Kessler aus Rottweil
editiert individuelle Künstlerbecher.
Bilder: Luz
eine Tasse zu bringen ist nicht neu.
Tassen mit Stadtansichten gibt es seit
mehr als 200 Jahren. Man findet sie
heute in den Museen und bei Auktionen, wo sie hohe Preise erzielen. Gertrud Derix-Kessler ließ 2002 von der
Künstlerin Silke Mager eine Stadtansicht von Rottweil als Aquarall zeichnen und druckte dieses Bild auf einen
Porzellanbecher. Der Bürgermeister
war begeistert, hatte er doch endlich
eine schönes Souvenir der Stadt Rottweil. Auch Geschäftsleute bestellten
und ließen ihr Logo mit eindrucken.
In Augsburg gibt es eine Firma, die
schon mehrere hundert Augsburgtassen mit Logo an ihre Kunden in
der ganzen Welt verschenkt hat.
Bevor das Bild des Städtebechers
vom Künstler gestaltet wird, bespricht Derix-Kessler mit den zuständigen Leuten der jeweiligen Stadt,
was auf dem Becher abgebildet werden soll. In verschiedenen zeichneri-
schen Schritten entsteht das endgültige Bild des Künstlers. Dieses wird in
einem aufwändigen Druckverfahren
mit bis zu neun Farben auf die Tasse
gedruckt und bei über 800 Grad Celsius eingebrannt. So wird der Aufdruck unverwüstlich. Vom ersten
Kontakt bis zur Auslieferung vergehen so gerne mehr als drei Monate.
Neben der Edition von Tassen betreibt die Kunstagentur Derix-Kessler
eine Galerie für zeitgenössische Glaskunst. Dort wird die Sammlung ihrer
Eltern ausgestellt, die seit 1946 Glas
von verschiedenen Künstlern gesammelt haben. So sind dort Glasbilder
renommierter Künstler wie Max
Ackermann, Georg Meistermann, Otto Dix, O.H. Hajek, HAP Grieshaber,
Romuald
Hengstler,
Johannes
Schreiter, Albert Birkle oder Wilhelm
Geyer zu sehen und stehen zum Verkauf. Einige Glasbilder aus der Agentur Derix-Kessler sind von Museen in
den USA gekauft worden. Auch die
Kunstsammlung des Landkreises
Rottweil beinhaltet einige Kunstwerke aus der Galerie. Sie können in
Schloß Glatt bewundert werden.
Gertrud Derix-Kessler war 54 Jahre
alt, als sie durch eine schwere Erkrankung ihre Arbeit verlor und sich dann
nach langer Rekonvaleszenz selbständig machte, da sie keine staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollte. „Als ich von Kaffeebechern sprach, lachte man mich aus“,
erzählt sie. Heute lacht niemand
mehr. Der Erfolg gibt ihr Recht.
Im Internet:
www.kuenstlerbecher.de