Sonntag, Sabbat oder Ruhetag im Licht der Bibel

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Sonntag, Sabbat oder Ruhetag im Licht der Bibel
Sonntag, Sabbat oder Ruhetag im Licht der Bibel
© Ronald Senk
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Sonntag, Sabbat oder Ruhetag im Licht der Bibel
Ronald Senk (BTh, HonsBTh, MTh)
EINLEITUNG
Die oft angewandte Argumentation, dass alles, was im Neuen Testament nicht
explizit aufgehoben wurde, für Christen noch gelte, ist nicht haltbar und oft
inkonsequent. Eine konsequente Anwendung dieser Argumentation würde bedeuten,
dass folgende Gebote noch „gelten“ würden: Verbot des Scherens des Haarrandes
(3.Mo.19,27), Einhaltung des Erlassjahres mit Tilgung aller Schulden nach 7 Jahren
(5.Mo.15,1-11; 22,6-12 – dies ist bes. für die Frage nach dem Zehnten relevant, denn
wer von denjenigen, die den Zehnten auch für Christen als gültiges Gebot ansehen,
hält sich an das Erlassjahr, welches ähnliche sozial-theologische Gründe hatte?),
Reinheitsgebote (z.B. 3.Mo.15,1ff oder 3.Mo.12,1-8), Todesstrafe z.B. für
ungehorsame Kinder etc. (5.Mo. 21,18ff), Gelübde (3.Mo.27,1ff), Schwagerehe
(5.Mo.25,5ff; vgl. dazu Mt.22,23ff, wo Jesus nichts gegen die Schwagerehe sagt, sie
im Gegenteil eher bestätigt), Prügelstrafe (5.Mo.25,1-4) u.v.a. Auch die Aussagen
darüber, dass etwas dem HERRN ein „Greuel“ ist, sind nicht automatisch „ewiger
Natur“ (vgl. 5.Mo. 7,24f; 14,3ff, vgl. Mk.7,19; 5.Mo. 17,1, vgl. Hebr.9,12-14 und
10,14-18).
In dieser Frage ist auch der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Alten und
Neuen Testament bzgl. der Zurechnung des Heils zu beachten1.
Der Sabbat
Der Sabbat hat im Alten Testament seinen Ursprung in der Schöpfung. Gott ruhte am
siebten Tag von seinem Schöpfungshandeln und segnete diesen letzten Tag der
Woche (1.Mo.2,1-4). Später, im Gesetz, schrieb Gott die Erhaltung des Sabbats
seinem Volk als Gebot vor (2.Mo.20,8-11; 5.Mo.5,12- 14). An diesem Tag durfte nicht
gearbeitet werden. So wie an der Einhaltung der anderen Gebote Gottes, hing an der
Befolgung dieser Anordnung Gottes auch Segen oder Fluch (5.Mo.28; vgl.
4.Mo.15,32-41).
Die Frage ist nun, ob die Gemeinde Jesu auch heute noch theologisch dazu
verpflichtet ist, am letzten Tag der Woche (Sabbat/Samstag) zu ruhen. Dies wird
nicht nur von den (Siebenten-Tags-) Adventisten, sondern auch von evangelikalen
u.a. Theologen verschiedener Konfessionen gelehrt.
Nirgendwo werden Christen im Neuen Testament aber dazu ermahnt oder
aufgefordert, den Sabbat zu halten (man findet auch kein Lob oder indirekte
Erwähnungen dafür, wenn jemand dies z.B. als „selbstverständlich“ praktiziert hätte
(wie z.B. die Bruderliebe vgl. 1.Thes.4,9).
Die Lehre Jesu zum Sabbat
Jesus hat den Sabbat aufgehoben (Joh.5,18 – griech: elüen: „den Sabbat
abschaffen“ oder „die Sabbatvorschriften außer Kraft setzten“ [GNB]; vgl. 9,16). D.h.,
dass es kein verbindlicher Feiertag für Christen ist und sich niemand versündigt,
wenn er am Sabbat etwas „tut“. Wenn mit den Aussagen in Joh.5,18 (und 9,16) nicht
1
Vgl. Ronald Senk. 2006. Das Israel Gottes – Die Frage nach dem Volk Gottes im Neuen Bund. RVB
Hamburg. 2.ed. S.78ff und Ronald Senk. Das Schwert des Geistes. 2008. Der Zusammenhang von Wort
und Geist in der Heiligen Schrift. 2ed. Oerlinghausen Betanien (bes. S. 149ff) (siehe dazu auch die
Corrigenda zur 2.Auflage auf „begowl.de“).
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gemeint sein soll, dass der Sabbat aufgehoben ist (weil, so argumentiert man, nur die
Juden irrtümlicherweise Jesus so verstanden2), dann müsste auch die im selben
Kontext vorkommene Aussage, dass Jesus Gott seinen Vater nannte und sich so
Gott gleich machte, ein Missverständnis der Juden gewesen sein und nicht den
Tatsachen entsprechen. Nein! Beide Aussagen sind theologisch korrekt: Jesus hat
das Sabbatgebot aufgelöst, hat Gott als seinen Vater bezeichnet und sich selbst Gott
gleich gemacht. Jesus leugnet dies nicht und stimmt mit dieser Schlussfolgerung
vollkommen überein. Ähnliche Formulierungen finden wir auch in Bezug auf die
Speisegebote. In Mk.7,15.19 macht Jesus deutlich, dass nicht das, was in den
Menschen hineinkommt, ihn verunreinigt. Anschließend wird „kommentiert“: „Damit
erklärte er alle Speisen für rein“. Dieser inspirierte Kommentar, der aus den Worten
Jesu abgeleitet wurde, ist theologisch völlig korrekt und autoritativ, genauso wie der
Kommentar in Joh.5,18. Wie die Speisegebote und andere Verordnungen, so ist
auch das Sabbatgebot von Jesus erfüllt und aufgehoben worden.
Auch Mt.24,20 sagt nichts darüber aus, dass Jesus die Einhaltung des Sabbats
fordere. Der Grund, warum die Flucht am Sabbat schwierig war, lag darin, dass dann
Tore und Läden geschlossen waren, die Organisation des Lebens ruhte, Vorräte
waren nicht erreichbar u.a. Es geht hier darum, dass die Flucht unter äußerlichen
und organisatorischen Schwierigkeiten nicht gut wäre3.
Das übrige Neue Testament zum Sabbat
In Röm.14,3-6 macht der Apostel Paulus deutlich, dass es keinen gravierenden
Unterschied zwischen den einzelnen Tagen der Woche gibt. Damit ist insbesondere
der Sabbat gemeint, weil es im Kontext um die Starken und Schwachen in der
Gemeinde geht (vgl. auch Paulus Rückbezug auf das Gesetz in 13,8ff). Die
Schwachen haben noch nicht die volle Freiheit in Christus ergriffen und hängen noch
an jüdischen Riten, Festen etc. Die Starken sollen Rücksicht nehmen auf diejenigen,
die noch nicht erkannt haben, dass in Christus diese Dinge nicht mehr zählen
(Röm.15,1-3; vgl. 1.Kor.8,1ff u.a., in 1.Kor.8-10 geht es um heidnische Gebräuche).
In Kol.2,16 (2,8-23) warnt Paulus sogar vor gnostisch-judaisierenden Irrlehrern, die
die Christen „wieder“ zur Einhaltung von Speise- und Festgeboten und zum Sabbat
bewegen wollten. Dies lehnt der Apostel kategorisch ab und bezeichnet es als
„menschliche Satzungen“, denen sich die Christen nicht unterwerfen sollen. Dies sind
alles „Schatten“, mehr nicht (Kol.2,17; vgl. Hebr.8,5; 10,1).
Ähnlich verhält es sich mit Gal.4,10, wo Paulus davor warnt, sich durch judaisierende
Irrlehrer wieder „den armseligen Elementen“ zuzuwenden: die Beachtung von Tagen,
Monaten, Zeiten und Jahren. Dies meint, im Gesamtkontext des Galaterbriefes, eine
Abwehr judaisierender Irrlehrer, die die Christen wieder unter das Gesetz (also an
Dinge, die mit Christus erfüllt und aufgehoben worden sind!) verpflichten wollten.
Der Sabbat und der Sonntag
Dies alles wird auch durch die Tatsache belegt, dass die Christen im Neuen
Testament den Sabbat nicht eingehalten haben. Auch der Sonntag wurde von den
2
So z.B. Schirrmacher, Thomas. 2001. Ethik Bd.2. Hamburg: RVB. S. 544f
3
(so z.B. France Blomberg, u.a.: „This reference to the Sabbath [...] does not thereby imply, as often
alleged, that he envisions Christians still keeping the Jewish laws“ Blomberg, Craig L. 1992. Matthew
(NAC). Nashville: Broadman. S.358.
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Christen nicht als „Ersatz“ für den Sabbat eingeführt, wie manche Theologen meinen.
Dies wird so nirgendwo in der Schrift gesagt. Sonntag hin oder her – er ist nicht der
7. Tag und entspricht daher nicht dem Sabbat. Man hat also bewusst den Sabbat,
wie er im Alten Testament vorgeschrieben war, nicht „gefeiert bzw. eingehalten“!
Zwar trafen sich die Christen am ersten Tag der Woche (Apg.20,7; 1.Kor.16,1f;
Offb.1,10), doch heißt es auch, dass sich die ersten Christen sogar täglich trafen
(Apg.2,46; ohne einen bestimmten Tag herauszuheben). Auch wenn der erste Tag
der Woche der Auferstehungstag ist (Joh.20,19), wird damit weder der Termin für die
christliche Versammlung festgeschrieben, noch dies als „Sabbatersatz“ verstanden.
Daneben muss man beachten, dass z.B. Sklaven auch an „Feiertagen“ arbeiten
mussten.
Nirgendwo werden Christen dazu aufgefordert, am Samstag (Sabbat) oder Sonntag
die Arbeit zu boykottieren oder niederzulegen. Zwar bürgerte sich der erste Tag der
Woche als Treffzeitpunkt der Christen ein, doch ohne dies mit dem Sabbatgebot in
Verbindung zu bringen (das ja auch von Jesus aufgehoben war). Dennoch ist es
natürlich nicht falsch für Christen, einen Ruhetag – von der Schöpfung her – zu
beherzigen, aber dies ist kein „Gebot“.