die ersten Worte auf dem mond
Transcription
die ersten Worte auf dem mond
Welt der Wissenschaft: Raumfahrt-Geschichte Während der letzten Etappe der Landung nahm Edwin Aldrin die sich rasch nähernde Mondoberfläche auf. Der markante Doppelkrater oberhalb der Bildmitte NASA besteht aus den Kratern Messier A und B. Die ersten Worte auf dem Mond Was sagten die Apollo-11-Astronauten als Erstes, nachdem sie auf dem Erdtrabanten gelandet waren? Die Frage scheint kinderleicht zu sein und ist doch recht tückisch. Selbst gewiefte Raumfahrthistoriker haben damit ihre Probleme. G efragt, wie denn die ersten Worte der Etwa: »Houston, hier ist der Stützpunkt im Armstrong und Edwin Aldrin jetzt alles Apollo 11-Astronauten auf dem Mond Mare Tranquillitatis. Der Adler ist gelan- andere als ruhig. Ihr Puls liegt bei über det.« 150, wie die Sensoren verraten. In den ver- lauteten, antworten die meisten Menschen wie aus der Pistole geschossen: »Dies ist Doch auch wer darauf tippt, liegt falsch. gangenen Minuten des Abstiegs zur ein kleiner Schritt für einen Menschen, Und das hat seinen Grund; denn die wah- Mondoberfläche haben sie einen nerven- aber ein riesiger Sprung für die Mensch- ren ersten Worte auf dem Mond haben zermürbenden Alarm nach dem anderen heit.« Oder im Original: »This is a small nicht das Zeug, um Legenden zu begrün- überstanden, verursacht durch die Über- step for a man, but a giant leap for man- den. lastung des Bordcomputers. kind.« Ein ebenso schöner wie bekannter Begeben wir uns vierzig Jahre zurück in Steigen wir ein in die letzten Momente die Vergangenheit. Wir befinden uns in der vor der Landung. Die Zeitangaben sind in Er hat nur einen kleinen Nachteil: Er Apollo-11-Landefähre Eagle. Das Triebwerk MET angegeben, in »Mission Elapsed wurde erst sechseinhalb Stunden nach läuft seit mehr als elf Minuten, und laut Time«, in der Zeit also, die seit dem Abhe- der Landung gesprochen, und die Astro- Plan sollten die Astronauten jetzt schon ben von der Rampe am Kennedy Space nauten hatten bis dahin keineswegs ge- auf der Mondoberfläche stehen. Der Treib- Center im irdischen Florida vergangen ist. schwiegen. stoff wird langsam knapp. Verdammt In Stunden, Minuten und Sekunden. Der nachfolgende Sprechfunkverkehr ist ins rühmte Worte. Und die fielen nun wirklich knapp. In Kirchturmhöhe über dem Meer der gleich nach der Landung: »Houston, Tran- Ruhe – so die Bedeutung von Mare Tran- schwindigkeitsangaben quillity Base here, the Eagle has landed.« quillitatis – sind die Astronauten Neil trischen System dargestellt. Wichtig zu und einprägsamer Satz. Aber da gab es doch noch ein paar be- 40 Juli 2009 Deutsche übertragen, Höhen- und Gesind im me- Sterne und Weltraum wissen: Die Astronauten stehen während 102:45:04 Aldrin: »Licht an.« 102:45:43 Armstrong: »Abschalten.« der Landung in der Fähre. Sitze gibt es In diesem Moment leuchtet eine Warn- 102:45:44 Aldrin: »Okay. Triebwerk aus.« nicht im Lunar Lander. Doch schauen wir lampe auf – zum zweiten Mal während Armstrong sollte das Triebwerk eigentlich ihnen nun über die Schulter… dieses Abstiegs –, die darauf hinweist, beim Aufleuchten des Kontaktlichts aus- dass das Landeradar ausgefallen ist. Der schalten, also etwa zwei Meter über der 102:44:40 Aldrin: »40 Meter.« Ausfall dauert nur wenige Sekunden und Mondoberfläche. Er zögerte aber noch eine Wir sind 40 Meter über der Mondoberflä- wäre in der niedrigen Höhe ohnehin be- kurze Weile und so geschah das erst im che. Armstrong steuert die Fähre mit der langlos, denn Armstrong fliegt bereits Moment der Bodenberührung. Dadurch Handsteuerung. In dieser letzten Phase nach Sicht. war die Landung sehr sanft, und die Lan- fliegt er nur nach Sicht. Er kann deshalb debeine wurden kaum gestaucht. Tatsächlich war es die »weichste« Landung im mente blicken. Edwin Aldrin versorgt ihn 102:45:08 Aldrin: »20 Meter, 0,7 abwärts, 0,7 vorwärts … 0,7 vorwärts. Das ist gut.« laufend mit den wichtigsten Parame- Höhe 20 Meter, Sinkgeschwindigkeit 0,7 außerordentlich verblüfft, dass der Staub, tern. Meter pro Sekunde, Vorwärtsgeschwindig- der ihn in der letzten Minute so behindert keit ebenfalls 0,7 Meter pro Sekunde. hatte, im Moment des Abschaltens des nicht mehr nach unten auf die Instru- 102:44:45 Aldrin: »30 Meter, eins abwärts, Programm. Armstrong zeigte sich später Triebwerks von einem Sekundenbruchteil drei vorwärts. Fünf Prozent. Treibstoffwar- 102:45:17 Aldrin: »16 Meter, 0,7 runter, et- zum anderen verschwand. Eigentlich lo- nung.« was Staub.« gisch, aber gegen alle Erfahrung, die wir Die Angaben bedeuten: 30 Meter Höhe, Ab etwa 30 Meter Höhe werden durch den auf der Erde machen. Auf dem Mond gibt Sinkgeschwindigkeit ein Meter pro Sekun- Abgasstrahl der Landefähre große Men- es einfach keine Staubwolken. de, Vorwärtsgeschwindigkeit drei Meter gen Staub weggeblasen. Dies verursacht pro Sekunde. Der Treibstoffwarn-Indika- eine Staubströmung Und nun kommen sie: die wahren ersten tor leuchtet auf, wenn sich weniger als 5,6 dicht über dem Boden. Sie macht es Worte, die Menschen auf dem Mond ge- Prozent Treibstoff in den Tanks befinden. Armstrong schwer, seine tatsächliche Be- sprochen haben. Wir haben sie nicht über- Im reinen Schwebeflugmodus reicht der wegung abzuschätzen. Er braucht einige setzt: Sprit damit noch für 90 Sekunden. Dann Sekunden, um die stationären Steine zu erklingt ein Warnton, den die Astronauten erkennen und danach die Landegeschwin- 102:45:45 Aldrin: »ACA out of Detent.« »Bingo« nennen. Danach besteht noch digkeit zu justieren. 102:45:46 Armstrong: »Out of Detent. Auto.« halbtransparente 102:45:47 Aldrin: »Mode Control, both Auto eine absolute Notfallreserve von 20 Sekun- … Descent engine command override off … dazu verwenden, die Landung doch noch 102:45:21 Aldrin: »10 Meter, 0,7 runter … verwischte Schatten.« durchzuführen, was nur geht, wenn er zu Aldrin bezieht sich hier auf die Schatten 102:45:57 Duke: »We copy you down, Eagle.« diesem Zeitpunkt bereits niedriger als 15 der Steine, die durch den Staub kaum Die Attitude Control Assembly, ACA, ist Meter ist, keine Lateralgeschwindigkeit noch zu erkennen sind. der Steuerknüppel der Mondfähre. »Out den. Die kann der Kommandant entweder Engine arm off … 413 is in.« of Detent« bedeutet, dass ein Steuerim- mehr hat, und sich über einem guten Landeplatz befindet. Andernfalls muss er den 102:45:25 Aldrin: »Eins vorwärts … eins puls vorgenommen werden musste, der »Abort-Knopf« drücken, die Landestufe das abwerfen, den Oberstufenmotor zünden vorwärts … treiben etwas nach rechts … sieben Meter … 0,2 abwärts.« und für den Rest seines Lebens unzähligen 102:45:31 Duke: »30 Sekunden …« Oberfläche stand, feuerten die Steuer- Menschen erklären, warum er diesen his … bis »Bingo«. triebwerke noch wie wild, um die Lage zu Lageregelungssystem abschaltete. Nachdem die Mondfähre jetzt auf der halten, die Armstrong unmittelbar vor der torischen Moment verpatzt hat. 102:45:32 Aldrin: »Leichte Drift nach vor- Landung als letzten Steuerinput eingege- 102:44:54 Aldrin: »Okay. 20 Meter. Sieht gut aus. Einen halben runter, zwei vor- ne. Das ist gut.« ben hatte. wärts.« nen Stelle landet, muss Armstrong sich Das verstehen wir nun problemlos: In ei- nach vorne orientieren. Aus einem unbe- »413« ist ein Befehl für den Bordcom- ner Höhe von 20 Metern beträgt die Sink- kannten Grund begann sich die Fähre aber puter, damit er weiß, dass die Fähre auf geschwindigkeit nun 0,5 Meter pro Sekun- jetzt nach rechts hinten zu bewegen. dem Mondboden steht. Jeder Abbruchmo- de, die Vorwärtsgeschwindigkeit zwei Armstrong korrigiert, aber zuviel. Eine Be- dus würde von jetzt an auf einer gelande- Meter pro Sekunde. wegung nach links vorne beginnt sich ten Mondfähre basieren. Um sicher zu gehen, dass er auf einer ebe- »Engine arm off« bedeutet, dass das Landetriebwerk deaktiviert ist. aufzubauen. Das Abbruch-Limit ist nur 102:45:02 Duke: »60 Sekunden.« Der Astronaut Charles Duke ist in Houston noch 18 Sekunden entfernt. als so genannter Capcom – Capsule Com- 102:45:40 Aldrin: »Kontaktlicht.« die sich bis heute in das Gedächtnis der municator – eingesetzt, also als Verbin- Einer der knapp zwei Meter langen Kon- Menschen eingeprägt haben: dungsmann zu den Astronauten auf dem taktsensoren, die an drei der vier Lande- Mond (siehe Bild Seite 32). Er informiert beine befestigt sind, hat Bodenberührung 102:45:59 Armstrong: »Houston, Tranquil- sie, dass bis zum »Bingo-Ruf« jetzt nur festgestellt. Das Landebein mit der Aus- lity Base here. The Eagle has landed.« noch 60 Sekunden bleiben. stiegsleiter hat keine Kontaktsonde. www.astronomie-heute.de Und erst jetzt findet Neil Armstrong die Zeit, die historischen Worte zu sprechen, Eugen Reichl Juli 2009 41