Neurologie Wie Musik schlau macht

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Neurologie
Wie Musik schlau macht
Von Pia Heinemann 14. April 2007, 00:00 Uhr
Beim Hören angenehmer Musik kann sich die Leistung des Gehirns steigern. Wissenschaftler sprechen vom
Mozart-Effekt. Der tritt jedoch nicht nur bei Klassik, sondern durchaus auch bei Heavy Metal auf. Hauptsache,
dem Zuhörer gefallen die Klänge.
Foto: DPA
Musik macht schlau - ob nun aus der Tuba oder aus dem Bauch heraus
In leichtem Lauf plätschert die "Kleine Nachtmusik" dahin. Auch wenn Mozarts Stücke beim bürgerlichen
Nachmittagstee wohl nicht alle Teilnehmer erfreuen, schreiben Forscher ihnen gerne eine besondere
Bedeutung zu: Die Klänge sollen die Denkfähigkeit der Menschen fördern. Vom "Mozart-Effekt" ist die Rede.
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Zehn Minuten fröhlicher Melodien des Salzburger Musikgenies versetzen Menschen in einen Zustand höherer
Leistungsbereitschaft.
Studien zu den Auswirkungen von Musik auf den menschlichen Geist gibt es viele. Sie prüfen, ob musikalische
Früherziehung den Intelligenzquotienten erhöht und ob sich die Struktur des Gehirns nach regelmäßigem
Klavierspiel verändert. Geforscht wird auch, ob Pop oder Klassik, Dur oder Moll unterschiedliche Effekte auf
den Menschen haben. Auch wird untersucht, in welchem Alter mit dem Musikunterricht begonnen werden
sollte und ob passives Rezipieren ausreicht oder aktiv musiziert werden muss. "Allerdings gibt es viele
Missverständnisse in der Interpretation der Studienergebnisse zu den Effekten von klassischer Musik auf die
menschliche Kognition", so Forscher in einer jüngst veröffentlichten Übersichtsstudie.
1993 publizierten Gordon Shaw und Frances Rauscher in der Fachzeitschrift "Nature", dass nach
zehnminütigem Mozart-Genuss Studenten besser bestimmte Papierfalt- und Schnittaufgaben nach
Origami-Art lösen konnten. Ihre räumliche Vorstellungskraft war höher als die von Studenten ohne den
Musikgenuss. Fortan florieren bei amerikanischen Eltern und Bildungspolitikern Lern- und Musikprodukte. In
Florida wurde Schulkindern das tägliche Hören klassischer Musik empfohlen, in Georgia erhielten die Eltern
jedes Neugeborenen vom Bundesstaat sogar eine CD mit klassischer Musik.
In den folgenden Jahren haben Mozart-Anhänger genauso wie Skeptiker wieder und wieder die
verschiedenen Effekte von Musik auf die Kognition erkundet. Mit teilweise bizarren Ausrutschern: So wollten
Wissenschaftler nachweisen, dass Rattenbabys, wenn ihnen noch im Mutterleib Musik vorgespielt wird, sich
später in einem T-Labyrinth besser zurechtfinden, wenn die gleiche Musik erklingt. Dabei vergaßen die
Forscher, dass Ratten gehörlos geboren werden, im Mutterleib also gar keine Musik hören können. Andere
Forscher konnten zeigen, dass - je nach Präferenz des Probanden - das Vorlesen einer Geschichte von
Stephen King genauso aktivierende Effekte haben kann wie die Beschallung mit Mozart, Schubert, Bach oder
Heavy Metal.
Mit einem vom Bundesbildungsministerium unterstützten Bericht wollen Forscher nun endlich klarstellen, ob
musikalische Erziehung Kinder leichter lernen lässt oder sogar den Intelligenzquotienten steigern kann. Eine
Antwort auf die schlichte Frage "Macht Mozart schlau?" wurde gesucht. Doch eine einfache Antwort gibt es
nicht.
Der Umstand, dass Berufsmusiker in der Regel keinen höheren Intelligenzquotienten haben als Nichtmusiker,
spricht allerdings für sich. Dennoch mühen sich Forscher mit diversen Studien, bei denen sie Kinder
verschiedener Altersstufen auf verschiedenste Art und Weise mit Musik in Kontakt brachten (Klavierunterricht,
Chorstunden, Musik hören), einen Zusammenhang zwischen Musik und Klugheit herzustellen. Dabei ist
mittlerweile klar, dass nach dem Hören angenehmer Musik die kognitive Leistungsfähigkeit kurzfristig erhöht
ist. Allerdings muss es nicht immer Mozart sein. Forscher der schottischen Glasgow Caledonian University
haben im Elektroenzephalogramm zeigen können, dass der Musikgeschmack eine wichtige Rolle spielt.
Andere Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es zudem einen Unterschied macht, ob Berufsmusiker in den
Studien getestet wurden oder Menschen, die kein Instrument spielen und keine ausgeprägte
Musikbegeisterung an den Tag legen. Auch macht es einen Unterschied, ob selbst musiziert oder den Klängen
nur gelauscht wird. Dennoch: Das Gehirn organisiert sich unter dem intensiven Einfluss von Musik eindeutig
um. Dafür führt Professor Eckard Altenmüller von der Hochschule für Musik und Theater in Hannover mehrere
Gründe an. "Berufsmusiker beginnen meist in frühem Kindesalter, in einer Zeit, in der das Gehirn sich also
gerade organisiert, mit dem Musizieren." Entsprechend strukturiere sich das Gehirn. Zudem sei Musizieren
selbstbelohnend und stelle einen starken emotionalen Reiz dar. Auch finde professionelles Musizieren in einem
"unnachgiebigen gesellschaftlichen Belohnungs- und Bestrafungssystem statt", so Altenmüller. Wenige falsch
gespielte Töne und Takte könnten in einer Wettbewerbs- oder Konzertsituation oft biografisch wichtige
Konsequenzen nach sich ziehen. Professionelles Musizieren ist also nicht nur mit einer erhöhten neuronalen
Aktivität, sondern auch mit einer erhöhten Ausschüttung von Adrenalin, Dopamin und Endorphinen verbunden.
"Diese Effekte können wahrscheinlich aber auch 20 Minuten Sport hervorrufen", sagt Altenmüller.
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"Hauptsache, die Menschen haben Spaß daran."
Dass Forscher und Bildungspolitiker unbedingt einen Zusammenhang zwischen Musik und Intelligenz finden
wollen, ist nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz sind andere Effekte von Musik auf die Menschen bisher eher
vernachlässigt worden. "Aus der Korrelation, dass Musikalität in vielen Fällen bei den Kindern beobachtet
wird, die auch besser in der Schule sind, ist eine Kausalität gemacht worden", beschreibt Altenmüller das
Problem.
Dabei scheint ein anderer Effekt von Musik mindestens genauso spannend. "Kinder, die früh mit Musik in
Kontakt kamen, können, unabhängig davon ob sie im Chor gesungen oder für sich alleine Gitarre gespielt
haben, bestimmte Zwischentöne in der Kommunikation besser wahrnehmen", so der Neurologe. Er erklärt
dies damit, dass sie durch die Musik gelernt haben, ihren eigenen Emotionen nachzugehen und am
Stimmenklang anderer Menschen zu erspüren, ob etwas nicht stimmt. "Wir sollten in Zukunft eher den Fokus
auf die Erforschung der emotionalen Auswirkungen von Musik legen."
Der Band "Macht Mozart schlau? - Die Förderung kognitiver Kompetenzen durch Musik" ist in der Reihe
"Bildungsforschung" beim Bundesbildungsministerium erschienen. Er kann beim Ministerium bestellt oder im
Internet heruntergeladen werden.
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