Digitale Vogelfotografie –
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Digitale Vogelfotografie –
Digitale Vogelfotografie – lohnt sich der Umstieg? Fotografie Hersteller von digitalen Kameras verheißen geradezu paradiesische Zustände.Einfach zu schön, um wahr zu sein?! Wer sich mit dem Gedanken trägt, seine Vögel in Zukunft auf Chip anstatt auf Film zu bannen, hat einiges zu grübeln.Digitale Kompaktkamera oder digitale Spiegelreflexkamera? Kann man die alten Objektive seiner Spiegelreflexkamera weiterverwenden? Welches Zubehör ist vonnöten? Braucht man einen PC und die entsprechenden Kenntnisse? Die Fragen ließen sich beliebig fortsetzen und im Rahmen des Artikels werden die wichtigsten behandelt. Zukunft auf Chip anstatt auf Film zu bannen, hat einiges zu grübeln. Soll ich mir eine digitale Kompaktkamera (am besten mit Megazoom2) oder doch lieber eine digitale Spiegelreflexkamera zulegen? Kann ich, falls ich schon Besitzer einer Spiegelreflexkamera bin, meine alten Objektive weiterverwenden? Welches Zubehör ist vonnöten? Brauche ich einen PC und die entsprechenden Kenntnisse? Die Fragen ließen sich nahezu beliebig fortsetzen und im Rahmen des Artikels lassen sich nur die wichtigsten abhandeln. Gerhard Hofmann, Andechs (1.Teil) Spiegelreflex oder Kompaktkamera D as Computerzeitalter hat wie kaum eine andere technische Revolution in den letzen Jahren unser Leben verändert. Das Internet wird mehr und mehr zum Medium der täglichen Information, die digitale CD hat die geliebte Schallplatte weitestgehend verdrängt, lediglich die Fotografie schien lange Zeit eine uneinnehmbare Bastion. Die ersten digitalen Kameras waren im Verhältnis zu ihren Bildergebnissen viel zu teuer. Eine digitale Spiegelreflexkamera mit gerade mal 2 Mio. Pixel wurde für 20.000 DM gehandelt. Kein Wunder, dass lediglich Profis aus dem tagesaktuellen Pressebereich, für die das Motto „Zeit ist Geld“ im wahrsten Sinne des Wortes gültig ist, zu diesen Kameras griffen. Doch so ganz allmählich machten sich die Kamerahersteller daran, in die lukrative Nische der Wald- und Wiesenfotografen vorzudringen. Kleine, zwar immer noch teure, aber sehr handliche Kameras mit einer Auflösung von 2, manchmal gar 3 Mio. Pixel eroberten den Markt. Selbst die unglaublich langen Auslösever- 216 GW 1/03 zögerungen1 konnten den Siegeszug der digitalen Revolution nicht aufhalten. Die Würfel waren wieder einmal gefallen, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die digitale Technik qualitativ gleichziehen würde. Schaut man sich heute beim Fotohändler um, so beherrschen Digitalkameras die Auslagen. Hersteller, die nicht mitzogen, sind mittlerweile fast völlig vom Markt verschwunden oder versuchen, mit größter Mühe auf den digitalen Zug aufzuspringen. Die Werbung verheißt geradezu paradiesische Zustände; endlich kann man die Ergebnisse postwendend auf dem Display betrachten und misslungene Aufnahmen löschen. Nie mehr Geld ausgeben für unterbelichtete und verwackelte Aufnahmen – einfach zu schön, um wahr zu sein. Willkommen in „Digitalien“ heißt aber, dass es auch hier nichts umsonst gibt, der Umstieg oder Einstieg in die digitale Fotowelt will im wahrsten Sinne (teuer) erkauft sein. Wer sich mit dem Gedanken trägt, seine Schützlinge in Die Entscheidung Spiegelreflex (mit der Möglichkeit das Objektiv zu wechseln) oder Kompaktkamera war einmal einfach zu beantworten. Wer mit Film fotografierte, hatte keinen Ausweg, die Brennweiten3 der Kompaktkameras waren durchweg viel zu kurz. Aber heute scheint sich das Blatt doch gewandelt zu haben, oder? Leider nein, wenn man ehrlich ist, führt auch heute noch kein Weg an einer Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven vorbei. Die sagenhaft kompakten langen Brennweiten der Kompaktkameras haben einen großen Pferdefuß – sie benötigen einen Aufnahmechip mit sehr kleiner Fläche. Diese kleine Fläche hat für unseren Zweck zwei Nachteile. Zum einen müssen bei gleicher Auflösung (Anzahl Megapixel) die einzelnen Fotoelemente (Pixel) dementsprechend kleiner und damit weniger lichtempfindlich sein und zum wweiten bedingt der kleine Aufnahmechip eine größere Schärfentiefe4. Beides prädestiniert diese Art Kameras damit nicht gerade für die Vogelfotografie. Die geringe Lichtempfindlichkeit führt bei erhöht eingestellter Filmempfindlichkeit5 zu sichtbar stärkerem Bildrauschen6, so dass für gute Ergebnisse spätestens mit einer Einstellung von 200 ISO das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich mit einer Spiegelre- flex noch mit 800 bis 1000 ISO erreichen. Die große Schärfentiefe hat zwei gewaltige Nachteile. Zum einen bedingt sie, dass der Hintergrund oftmals scharf mit abgebildet wird, zum anderen verhindert sie, dass wir beim Fotografieren durch ein Volierengitter dies im Unschärfebereich verschwinden lassen. Als weitere gravierende Nachteile wären noch die bedeutend längere Auslöseverzögerung, ein meist sehr behäbiger Autofokus sowie der elektronische Sucher zu nennen. Sicherlich lassen sich auch mit diesen Kameras gute Aufnahmen erzielen, doch bleiben sie für unsere Zwecke nur die zweite Wahl. Also eine Spiegelreflexkamera, aber welche? Wie viel Spiegelreflex braucht der digitale Vogelfotograf? Muss es eine Profivollformat mit 12 bis 16 Mio. Pixel sein oder ist ausreichende Qualität auch mit einer erschwinglichen Kamera mit 6 bis 8 Mio. Pixel zu erwarten? Diese Frage ist relativ leicht zu beantworten. In der Regel reichen 6 bis 8 Megapixel vollkommen aus. Wer sein Konto allerdings erleichtern muss, kann auch zu den Kameras mit höherer Auflösung (zurzeit 12 und 16 Megapixel) greifen. Vorteile von RAW(NEF-)Bildern Östliche Kreischeule (Otus asio, Eastern Screech-Owl) Mit Diafilm wäre diese Augnahme mit Sicherheit ein Fall für den Papierkorb gewesen. Ich wusste, dass ich mein Blitzgerät dummerweise nicht mit frischen Akkus bestückt hatte und es wohl nicht mehr die gewohnte Leistung liefern würde. Das Ergebnis der JPG-Aufnahme war ernüchternd, doch die Rettung hieß RAW-Datei. Die Datei wurde flugs im entsprechenden Programm geöffnet, um nachträglich eine Belichtungskorrektur von gut 1,5 Stufen einzustellen. Dann beseitigte ich den grünen Farbstich; dazu war lediglich ein Klick mit der Pipette auf eine weiße Gefiederpartie notwendig. Das Ergebnis lässt nicht mehr viel vom schlechten Ausgangsbild erahnen. Ich gehe bei Digitalaufnahmen immer lieber das Risiko der Unterbelichtung ein, da sich dieser Fehler relativ leicht beheben lässt. Je stärker die Unterbelichtung, desto größer allerdings das Bildrauschen im endgültigen Bild. Es zahlt sich auch bei Digitalaufnahmen aus, exakt zu arbeiten. Die Devise, je besser das Ausgangsmaterial, desto besser das Endergebnis, hat auch in der modernen Zeit noch nichts von seiner Bedeutung verloren. Doch beruhigt es, wenn man weiß, dass mancher unwiederbringliche Schuss durch eine leicht fehlerhafte Belichtung/ Farbabstimmung nicht verloren ist. Kronenammer (Zonotrichia atricapilla, Golden-crowned Sparrow) Im letzten Abendlicht bei 2000 ISO. Davon hätte ich als Diafotograf nur träumen können. Die hohe Empfindlichkeit bei relativ guter Qualität macht Aufnahmen bei Lichtbedingungen möglich, die vorher fast unmöglich waren. Bei der Aufnahme der Kronenammer war neben der Unterbelichtung vor allem die Farbabstimmung der JPGAufnahme alles andere als erfreulich. Beides konnte anhand der RAW-Datei mit wenigen Mausklicks behoben werden. Dieses Männchen der Kreischeule liebte es, kurz vor Sonnenuntergang kurz auf einer leicht erhöhten Sitzwarte Ausschau zu halten. Diese Bedingungen sind alles andere als ideal für scharfe Bilder. Mein Belichtungsmesser zeigte bei 640 ISO gerade mal eine 1/20 sec bei Blende 5. So mutig wollte ich dann doch nicht sein und stellte die Belichtungszeit auf 1/60 sec, wohl wissend, dass ich die Unterbelichtung nachträglich korrigieren kann. Der zum Aufhellen der Eule unbedingt notwendige Blitz wurde ebenfalls auf 2 Stufen Unterbelichtung eingestellt (er sollte ja das Abendlicht nicht erschlagen). Das Ergebnis kann sich, so meine ich, sehen lassen.Im letzten Abendlicht bei 2000 ISO. Davon hätte ich als Diafotograf nur träumen können. Die hohe Empfindlichkeit bei relativ guter Qualität macht Aufnahmen bei Lichtbedingungen möglich, die vorher fast unmöglich waren. GW 7/06 217 Was ist weiter zu beachten? Momentan konkurrieren mehrere digitale Autofokus-Systeme der Firmen Canon, Nikon, Olympus, des Neueinsteigers Panasonic, der den gleichen Objektivanschluss wie Olympus verwendet, sowie Pentax/Samsung nebst Sony, die jüngst Konica/Minolta erworben haben, um die Gunst der Käufer. Bei allen Systemen können die vorhandenen Objektive weitergenutzt werden, mit Ausnahme von Olympus und Panasonic. Ferner bleibt bei Sony ein kleines Fragezeichen, inwieweit sie auch auf längere Sicht kompatibel zu den älteren Minolta-Objektiven bleiben werden. Für uns heißt das, wer z. B. schon eine Canon- bzw. Nikonetc. Ausrüstung sein Eigen nennt, braucht lediglich ein neues Gehäuse und kann in die Welt der Digitalfotografie einsteigen. Dies ist sicherlich ein nicht unwichtiger Faktor, erspart es einem doch eine Menge Geld, wenn man nicht auch noch die Objektive erneuern muss. Marktdominanz von Canon und Nikon Wer neu einsteigt, kann unter allen Systemen passende Kameras und Objektive finden. Dabei ist es aber kein Geheimnis, dass sich unter den Profis Canon und Nikon den Markt aufteilen, während die anderen Hersteller in diesem Bereich eher ein Ni- schendasein führen. Diese Marktdominanz gründet vor allem daher, dass Canon und Nikon Systeme anbieten, mit denen sich alle nur erdenklichen fotografischen Aufgaben gerade auch in der Vogelfotografie bewältigen lassen, sowie der Tatsache, dass beide äußerst robuste und schnelle Profikameras offerieren, die im Programm der anderen Anbieter wie Pentax, Konica/Minolta . . . meist fehlen. Wer neu in die Vogelfotografie einsteigt, sollte sein Augenmerk daher auf folgende Faktoren richten. Welches System bietet die größte Auswahl an geeigneten Objektiven? Hier liegen Canon und Nikon klar vor allen anderen Mitbewerbern. Pentax (jetzt fusioniert mit Samsung) sowie Sony (die Konica/Minolta aufgekauft haben) bieten ebenfalls eine recht ansehnliche Palette. Olympus und Panasonic sind eifrig bemüht, die Lücken in ihrem extra für die Digitalfotografie neu entwickelten System zu schließen. Wer bietet technische Lösungen, die mir beim Fotografieren von Vögeln hilfreich sind? A) Canon, Nikon, Olympus sowie einige wenige Minolta-Objektive nutzen zur Fokussierung so ge- nannte Ultraschallmotoren. Der Vorteil von Ultraschall ist zum einen, dass die Fokussierung sehr schnell und nahezu lautlos geschieht, zum anderen lassen diese Objektive ein manuelles Korrigieren der Entfernung durch den Fotografen zu, ohne vorher langwierig auf manuelles Fokussieren umschalten zu müssen. Eine feine Sache, wenn der Autofokus mal wieder der Meinung ist, auf das Volierengitter im Hintergrund und nicht auf den Vogel scharf stellen zu müssen. B) Antiverwacklungssysteme – ja so etwas gibt es tatsächlich seit einiger Zeit. Canon bietet dieses System inzwischen in einer ganzen Reihe von Objektiven an. Dabei wird mittels zweier Sensoren der horizontale und vertikale Wert des Verwackelns ermittelt. Ein Linsenelement nutzt diese Daten und gleicht das Verwackeln mittels zweier Motoren aus. Grob gesagt, lassen sich mit diesem System zwei bis drei Zeitstufen gewinnen, d. h., wer z. B. bisher mit seinem 200-mm-Objektiv bei einer Zeit von 1/250 sec scharfe Aufnahmen erhielt, bekommt dieselben Ergebnisse mit Verschlusszeiten von 1/60–1/30sec. Ein wahrer Segen für die beliebten 100–400mm-Objektive. Nikon verwendet ein ähnliches System, hat bis dato aber, was die Auswahl anbetrifft, noch nicht zu Canon aufgeschlos- 1) Auslöseverzögerung: Entspricht der Zeit, die vom Drücken des Auslösers bis zum tatsächlichen Aufzeichnen des Bilds vergeht. Sie bewegt sich bei Filmkameras und neueren digitalen Spiegelreflexkameras im Bereich von wenigen Millisekunden, während die Zeitspanne bei digitalen Kompaktkameras selbst heute noch eine halbe, in früherer Zeit sogar über eine Sekunde betragen kann. 2) Zoom: Viele digitale Kompaktkameras bieten einen riesigen Zoombereich. Gängig sind Werte, die in etwa 35– 350 mm im Kleinbildbereich entsprechen. 3) Brennweite: Ist eine optische Eigenschaft des Objektivs.Vereinfacht gesagt bilden Objektive mit kurzer Brennweite (Weitwinkel) einen großen Ausschnitt klein ab, während Objektive mit langer Brennweite (Teleobjektive) einen kleinen Ausschnitt groß abbilden. 4) Schärfentiefe: Gibt den Bereich an,der scharf abgebildet wird.Nicht immer ist eine große Schärfentiefe erwünscht. Eine geringe Schärfentiefe hilft, einen homogenen Hintergrund zu erhalten und störende Elemente wie Gitter auszublenden. sen. So fehlen im Nikon-System ein 70–300 mm oder ein 4,0/300 mm Objektiv mit dieser Technik. Konica/Minolta hat einen anderen Weg zur Lösung dieses Problems eingeschlagen und integriert die Antiverwackelungstechnik in seine neuen digitalen Spiegelreflexkameras (5D, 7D). Dabei wird im Unterschied zu Nikon und Canon der Aufnahmesensor als bewegliches Element genutzt. Der Effekt ist der Gleiche, doch wird mit dieser Technik damit praktisch jedes Objektiv zum „Antiwackelkandidaten“, so dass Minolta-Besitzer diese Technik auch mit Makro- oder extremen Weitwinkelobjektiven nutzen können. Im Gegensatz zu Canon und Nikon lässt sich der Effekt nicht im Sucher betrachten und der Einsatz bei mitgezogenen Aufnahmen7 ist bis jetzt nicht möglich. Ob Sony diesen Weg weiterverfolgt, wird die Zukunft zeigen. Die einzelnen Objektive von Canon und Nikon können dagegen auf einen Mitziehmodus umgeschaltet werden. Diese Technik hat die Fotografie mit langen Brennweiten geradezu revolutioniert. Nicht nur, dass damit scharfe Freihandaufnahmen möglich sind, die ohne diese Systeme im Papierkorb gelandet wären, auch Aufnahmen aus einem Boot oder von einem schwankenden Steg profitieren von diesem kleinen, technischen Wunderwerk. Selbst das schwere Supertele auf dem Stativ liefert plötzlich eine Qualität, die bisher nicht oder nur mit Einsatz schwerster Stative und Stativköpfe möglich war. Kamerasysteme, die diese Innovation bei längeren Brennweiten nicht bieten, würden bei mir schon aus diesem Grund bei einer Systemneuanschaffung nicht in die nähere Auswahl mit einbezogen werden. Wird fortgesetzt 5) Filmempfindlichkeit: Als Filmempfindlichkeit wird die Lichtempfindlichkeit von Filmen bzw. in neuerer Zeit der Aufnahmechips bezeichnet. Die Empfindlichkeit wird heute meist ISO angegeben. Einer der großen Vorteile der Digitalfotografie ist, dass sich die Empfindlichkeit von Aufnahme zu Aufnahme ändern lässt. 6) Bildrauschen: Bei der Aufzeichnung des digitalen Bilds entstehen nicht nur die eigentlichen Bilddaten,sondern es werden auch die jedem Sensor eigenen Störungen mit aufgezeichnet.Diese zeigen sich als Bildrauschen (farbiges Grieseln vor allem in den dunklen Bildteilen sichtbar). Ähnlich wie beim Filmkorn nimmt das Rauschen mit höherer ISOZahl zu. Mitentscheidend ist die Größe der einzelnen fotosensitiven Pixel. Vereinfacht gesagt, je größer der Aufnahmechip (bei gleicher Anzahl Megapixel), desto geringer das Rauschen. 7) Mitziehen: Ist eine Technik,bei der man versucht,durch Schwenken der Kamera z. B.einen fliegenden Vogel im Sucher immer an der gleichen Stelle zu halten.Während des Schwenkens wird ausgelöst.Wenn alles klappt, erhält man Bilder, bei denen der Vogel scharf, der Hintergrund aber verwischt abgebildet ist und den Betrachter so am Flug des Vogels teilhaben lässt. Diese Technik produziert meist viele Bilder für den Papierkorb (der bei digital ja keine Kosten verursacht), die gelungenen Bilder sind aber alle Mühe wert. Ohne viel Übung gelingt es kaum, konstant gute Ergebnisse zu erzielen. 218 GW 7/06 Zu dieser Serie über die digitale Fotografie findet am 14. und 15. Oktober in Stuttgart ein Workshop statt (siehe dazu Seite 215).