Haareszeiten! Verbandstagung der Barbier-, Friseur
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Haareszeiten! Verbandstagung der Barbier-, Friseur
Haareszeiten! Verbandstagung der Barbier-, Friseur- und PerückenmacherInnung in Kötzschenbroda Der Verband der Barbier-, Friseur- und Perückenmacher- Innung hielt Anfang Juni im Bahnhotel von Kötzschenbroda einen Verbandstag ab, der mit dem gleichzeitigen 25jährigen Bestandsjubiläum sowie einer Ausstellung von den sächsischen Fachschulen verknüpft war. Genügend Anlass also zur feierlichen Zusammenkunft in der schönen Lößnitz. Dies sahen auch die Kötzschenbrodaer so, denn mit einem großen Banner wurden die Gäste aus allen Landesteilen willkommen geheißen. Nachdem alle eingetroffen waren, beging man zur Stärkung für die sich anschließenden Beratungsstunden ein geselliges Mittagsmahl, das sowohl der Küche als auch dem Hotelwirt Herrn Hebestreit alle Ehre machte. Mehrere Begrüßungsreden wurden gehalten, bis man sich an dem umfangreichen Tagesprogramm widmete, denn insgesamt 34 Punkte galten dringend diskutiert zu werden. Es wurde begonnen mit der Mandatsprüfung und dem zusammenfassenden Bericht über das Geschäftsjahr 1911/1912. Danach wurden einige Punkte der Gewerbeordnung besprochen. Beispielsweise erhielten Redner das Wort, welche die Frage aufwarfen, ob die Zwangs- Innung dem Gewerbe eher zum Vorteil oder zum Nachteil gereiche. Ein weiterer wunder Punkt war die Sachlage der Vergütung seitens der Staatsanstalten. Ferner reichte die Innung Chemnitz einen Antrag ein, der sich explizit gegen die Waffenausbildung der Lehrlinge richtet. Seit Einführung 1813/14 bestand die allgemeine Wehrpflicht zunächst bis 1919. Ein weiterer Streitpunkt war die Anstellung von sogenannten Einseifjungen. Diese waren meist zwischen 14 und 16 Jahre alt und gingen dem Personal zur Hand. Es kam vor, dass diese sich als gelehrig und geschickt entpuppten, ihre Fähigkeiten unter Anleitung weiter ausbauten und dann kleinere Arbeiten eines Barbiers oder Friseurs übernahmen. Allerdings erhielten sie dann immer noch den Lohn eines Einseifjungens. Dies wurde als verbreiteter Missstand stark kritisiert. Leider sei das Friseurgewerbe ein Handwerk und zum Einschreiten habe die Behörde keine Befugnis, nur wenn der Junge jünger als 14 Jahre wäre, könne das Kinderschutzgesetz greifen. "Über 14 Jahre sei der Lehrvertrag das einzige Mittel zur Beseitigung des Übelstandes ." (Kötzschenbrodaer Generalanzeiger vom 05. Juni 1912) Dieser Antrag wurde einstimmig für die Bundeskonferenz in München zur Vorlage bestätigt. Außerdem wurde gefordert, die Sonntagsarbeit an allen vier Adventssonntagen im gesamten Königreich einheitlich zu gestalten. Einige beantragten, die Ausbildungszeit um ein Jahr auf vier Jahre zu erhöhen. Dem wurde aber nicht stattgegeben, vorerst betrachtete man eine Lehrzeit von drei Jahren als ausreichend. Dennoch zog man eine Erweiterung der Ausbildungszeit in ferner Zukunft in Erwägung, angesichts der steigenden Nachfrage und in Zusammenhang mit größeren Ansprüchen seitens der Meister sowie der Kundschaft. Umrahmt wurde die Tagung von einer Ausstellung u.a. der Arbeiten von Schülern der Fachschulen Chemnitz, Dresden und Meißen. Neben Theaterperücken für Männer und Frauen, verschiedensten Haararbeiten, nützlichen Utensilien für Haar-, Gesichts- und Körperpflege verdienten auch die ausgestellten über 100 Jahre alten Haararbeiten besondere Aufmerksamkeit. Zur Auflockerung zwischen den Diskussionspunkten gab die hiesige Lößnitzkapelle im Sommergarten des Bahnhotels mehrere Konzerte, wo sich vor allem auch die mitangereisten Ehefrauen vergnügten sowie die an den neuesten Haartrends interessierten Damen. Den Höhepunkt des kulturellen Rahmenprogrammes aber bildete freilich die abendliche Jubelfeier zum 25jährigen Bestehen des Verbandes. Es wurde ausgiebig gesungen und getanzt, gespeist und gelacht. Tags drauf erholte man sich von den zähen Verhandlungen mittels eines erquicklichen Spazierganges durch den Lößnitzgrund nach Moritzburg, wo die Tagung in der Wildtierfütterung ein vergnügliches Ende fand. Maren Gündel (Stadtarchiv) Link: www.radebeul.de/ Tourismus +_ +Kultur/ Die +Stadt/ Hist %C3%B6rchen/ Radebeul +vor +100+Jahren_ +Juni/ Haareszeiten!.htm Datum: 16.01.2017