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Badische Zeitung 10.04.2007 LESERBRIEFE: WERTHMANNPLATZ Die Vorschläge sind kleinspurig Die bisher gemachten Vorschläge für neue Ortseingang- und Straßenschilder zur Verherrlichung unserer 1457 gegründeten Universität und der derzeitigen Regentschaften dort und im Rathaus sind kleinspurig, zu wenig universell. Weiterungen sind geboten: zum Beispiel die Verlängerung der Universitätsstraße in das Institutsviertel. Dann wäre der Fahnenbergplatz, wo sich das Rektorat befindet, entsprechend umzubenennen. Überlegt werden sollte auch, ob nicht Aristoteles und Homer vor dem Kollegiengebäude I zeitgenössisch-lokal ersetzt werden könnten. Weitere Vorschläge mittels Durchsagen erwarte ich von VAG und DB. Karl-Otto Lumpp, Freiburg Platz der Schilderhalter und Spatenstecher Den Werthmannplatz zur Ehrung einer um die Menschlichkeit verdienten Persönlichkeit sollte man unangetastet lassen. Wenn es aber nicht anders geht, wie wäre es dann mit der Umbenennung in "Platz der Schilderhalter, Spatenstecher und Banddurchschneider" . Dieses Szenario nimmt langsam schon albern zu nennende Formen an. Bis zu zehn gut bezahlte Persönlichkeiten und solche, die sich dazu zählen, stehen mit einem Spaten in der Hand grinsend zum Fototermin in der Gegend herum. Andere zerschneiden bunte Bänder oder halten irgend welche Straßenschilder oder Transparente vor die Kamera. Haben diese Leute nichts Gescheiteres zu tun? Wie wäre es wenn die Vorgenannten ihre verschwendeten Stundenlöhne künftig der von Lorenz Werthmann gegründeten Organisation zur Verfügung stellen? Helmut Stolz, Freiburg Den Namen Werder still und leise tilgen Schon lange warte ich darauf, dass der Werderring in Freiburg umbenannt wird. Es grenzt schon an Selbstverleugnung, dass auch das Institut Français jahrzehntelang im Werderring seine Adresse hatte und sich still und ohne Murren diesem Straßennamen unterwarf. Die Wahrheit ist: Am 15. August 1870 begann die badische Artillerie auf Befehl des preußischen Generals Graf v. Werder mit einem gezielten Artilleriefeuer auf Straßburg, um die Bürger einzuschüchtern. Zwischen dem 24. und 27. August erfolgte ein für jene Zeiten unvorstellbares Bombardement, dem die Bibliothek mit ihren unschätzbar wertvollen Inkunabeln, Archiven und alten Schriften ebenso zum Opfer fiel wie hunderte von Häusern. Das weltberühmte (deutsche!) Münster wurde schwer beschädigt. Unter dem Druck der internationalen Kritik musste Graf v. Werder Sanitätseinheiten aus der Schweiz Zugang in die brennende Stadt gestatten. Ob Werders Handeln heute vielleicht als Kriegsverbrechen zu sehen wäre, möchte ich hier nicht vertiefen; jedenfalls ist mit seinem Namen der größte Verlust elsässischer Archivalien und alter Schriften verbunden. Wir sollten die Umbenennungsaktivitäten von Straßen und Plätzen heute nutzen, den Namen Werder still und leise aus dem Freiburger Stadtbild zu tilgen. Nikolaus von Gayling-Westphal, Freiburg Wenig Grund, auf Werder stolz zu sein Der Vorschlag von Oberbürgermeister und Universitätsrektor, den Werderring in Werthmannstraße umzubenennen, verdient Unterstützung. General von Werder war nicht nur, wie in der BZ Info-Box nachzulesen, der Sieger von Belfort. Er veranlasste auch die Bombardierung Straßburgs in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1870, bei der unter anderem die Bibliothèque publique zerstört wurde. Es verbrannte fast der gesamte Buch- und Handschriftenbestand, darunter so einmalige Zeugnisse des gemeinsamen Kulturerbes am Oberrhein wie der "Hortus deliciarum" der Herrad von Landsberg (12. Jh.), Originalhandschrift und lateinische Fassung der Chronik Jakob Twingers von Königshofen (14. Jh.) sowie Bibliothek und Nachlass des aus Sulzburg gebürtigen Vaters der badischen Landesgeschichtsschreibung Johann Daniel Schöpflin (1694-1771). Ebenfalls zerstört wurde einer der wichtigen Textzeugen der ältesten Chronik der Stadt Freiburg, die dritte Redaktion von Johannes Sattlers Zähringerchronik (16. Jh.). Freiburg hat denkbar wenig Grund dazu, auf General von Werder stolz zu sein. Clemens Joos, Freiburg NEUE ORTSTAFELN Neue Ortsschilder sind nicht als provinziell Manche mögen die neuen Ortsnamenschilder "Universitätsstadt Freiburg" für eine tolle Idee halten — indessen sind sie nichts als provinziell. Ein Kleinstädtchen mit einer Universität von früherher mag sich damit aufputzen wollen; für Freiburg ist es schlicht kleinkariert. Und dann die pseudo-schicke, von den Strammen Schrittes USA imitierte "Campus" -Idee mit der Umbenennung marschiert Freiburg eines "Platzes" , nur um akademischen Eitelkeiten zu aufs Unijubiläum schmeicheln! Dafür den Traditionsnamen des zu.(FOTO: INGO Werderringes zu opfern, wäre nichts anderes als ein SCHNEIDER) weiterer Akt banausischer Geschichtsvergessenheit. Das mag vielleicht einer pazifistisch-politischen Überempfindlichkeit entgegenkommen. Aber "social and political correctness" ist immer banausisch! Manfred Kleehammer, Freiburg Das könnte man ja aus Studiengebühren zahlen Na, da gibt doch die Stadt Freiburg ihr Geld mal für etwas Sinnvolles aus. "Allzu teuer ist das Geburtstagsgeschenk die Stadt nicht gekommen" — nur 500 Euro pro Schild, das sind ja nur 17 500 Euro für alle 35 Schilder, die erneuert werden! Das könnte man ja aus den Studiengebühren bezahlen. Oder für Schulensanierung verwenden. Oder für Jugendzentren. Oder für Obdachlosenoder Drogenhilfe. Aber da die Stadt ja mal eben 17 500 Euro über hat, kann sie die ja sicher auch noch den Schulen, den Jugendzentren und anderen Einrichtungen der Sozialen Arbeit zukommen lassen. Kriegt Littenweiler dann eigentlich auch ein Schild mit "Pädagogische Hochschule-Stadtteil Littenweiler" ? Oder werden die anderen Hochschulen der Stadt (mal wieder) übergangen? Eine kritische Auseinandersetzung mit solchen Themen wäre in der größten Tageszeitung der Region darüber hinaus wünschenswert. Elena Lehmann, Freiburg Willkommen Freiburg in der Provinz Universitätsstadt Tübingen" — da hat man geschmunzelt. "Universitätsstadt München" — hat man das je gehört? Eben. Gerta Rücker, Freiburg Auf diese Information hat die Welt gewartet Toll, was den Verantwortlichen im Rathaus da eingefallen ist. Jetzt soll jeder gleich am Ortseingang das Allerneueste erfahren: Das ist eine Universitätsstadt! Auf diese Information hat die Welt 550 Jahre gewartet. Sicher ist die Universität für Freiburg ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens. Das Prädikat, eine der beliebtesten Großstädte Deutschlands zu sein, hat sie gewiss nicht nur ihrer Universität zu verdanken. Diese Umbenennung kommt, Jubiläum hin oder her, für mein Gefühl schon ein wenig schlicht daher. Der Vergleich mit den Universitätsstädten Tübingen, Konstanz, Göttingen und Marburg macht einen recht provinziellen Denkansatz deutlich. Freiburg ist immerhin eine Großstadt mit 210 000 Einwohnern und damit fast doppelt so groß wie die nächst größere der genannten Städte. Unser früherer OB Dr. Keidel hat immer betont, dass Freiburg keine "Universitätsstadt" im engeren Sinne ist, sondern eine "Stadt mit einer Universität" . Ich finde, dass er damit Recht hatte. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, Freiburg auf diese Weise klein zu reden. Schade um das schöne Geld. Immerhin 35 Mal 500 Euro, das hätte in Zeiten des Rotstiftes mancher kulturellen oder sozialen Einrichtung gut getan. Manfred Birkenmeier, Freiburg