Konjunkturprognose 2014/2015

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Konjunkturprognose 2014/2015
E CON OMI C RE S E ARCH
Working
Paper
08.04.2014
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M AKROÖKONOMI E
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F IN ANZ M ÄR KT E
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173
W IR TSC H AFTS PO LIT I K
Benjamin Arold, Claudia Broyer, Gregor Eder, Thomas Hofmann,
Ann-Katrin Petersen, Dr. Rolf Schneider
Konjunkturprognose 2014/2015
}
B R A NC H EN
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Working Paper
Nr. 173
Konjunkturprognose 2014/2015
1. Weltwirtschaftliche Lage und Perspektiven...............................2
2. Wirtschaftslage und -ausblick in Deutschland ..................... 12
2.1 Konjunktur im Vorwärtsgang ................................................ 12
2.2 Ausfuhr mit kräftigen Zuwächsen....................................... 14
2.3 Beschleunigte Expansion der Verbrauchsnachfrage ... 17
2.4 Ausrüstungsinvestitionen auf Erholungskurs................ 19
2.5 Bau weiter im Aufwind ............................................................. 20
2.6 Moderate Beschleunigung des Preisauftriebs ................ 21
2.7 Besserung am Arbeitsmarkt hält zunächst an ............... 22
2.8 Leichter Überschuss im Staatshaushalt ........................... 23
1
Economic Research
AUTOREN :
BENJAMIN AROLD
Fon: +49.69.24431-5144
[email protected]
CLAUDIA BROYER
Fon: +49.69.24431-3667
[email protected]
GREGOR EDER
Fon: +49.69.24431-3358
[email protected]
THOMAS HOFMANN
Fon: +49.69.24431-4912
[email protected]
ANN-KATRIN PETERSEN
Fon: +49.69.24431-3790
[email protected]
DR. ROLF SCHNEIDER
Fon: +49.69.24431-5790
[email protected]
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
1. WELTWIRTSCHAFTLICHE LAGE UND PERSPEKTIVEN
Die Weltwirtschaft hat im Verlauf von 2013 wieder etwas an Fahrt aufgenommen. Zu
sehen war dies beispielsweise bei der globalen Industrieproduktion. Im Zeitraum Juli bis
Dezember legte sie annualisiert um 3,6% gegenüber dem vorangegangenen 6-Monatszeitraum zu. In den Monaten Januar bis Juni lag der Anstieg bei 2,4%. Vor allem die Industrieländer trugen zu der etwas dynamischeren Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte bei. Im Durchschnitt des Jahres 2013 expandierte die Industrieproduktion insgesamt um 2,3%. Die globale Wertschöpfung erhöhte sich im selben Zeitraum ebenfalls um
2,3% und verzeichnete nicht zuletzt bedingt durch den schwachen Start in das vergangene Jahr damit das geringste Plus seit der großen Rezession im Jahr 2009.
Ingesamt stehen die Chancen jedoch gut, dass die 2013 eingesetzte wirtschaftliche
Belebung anhalten wird. Der globale Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe befindet sich trotz des leichten Rückgangs im März immer noch deutlich über der
Expansionsschwelle von 50 Punkten. Werte darüber signalisieren eine Ausweitung der
wirtschaftlichen Aktivität. Die Daten zur Industrieproduktion im Januar 2014 sprechen
für einen positiven Jahresauftakt. Gegenüber dem Vormonat legte sie auf globaler Ebene
um 0,2% zu. Recht kräftig fiel der Anstieg mit einem Plus von 0,5% in den Industrieländern
aus – und das trotz eines witterungsbedingten Einbruches in den USA von 0,8%. Die
Industrieproduktion in den Schwellenländern stagnierte indes.
Grafik 1
Einkaufsmanagerindex signalisiert anhaltende Produktionsausweitung
Globale Industrieproduktion und JP Morgan Global Manufacturing PMI
4
Globaler Einkaufsmanagerindex Industrie
60,0
Globale Industrieproduktion (linke Skala)**
3
57,5
2
55,0
1
52,5
0
50,0
-1
47,5
-2
45,0
Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan
2010
2011
2012
2013
2014
*) Prozentuale Veränderung des gleitenden Durchschnitts über 3 Monate ggü. dem vorausgegangenen Dreimonatszeitraum
Quellen: Bloomberg, EcoWin, eigene Berechnungen.
Gleichwohl dürfte auch 2014 kein einfaches Jahr werden, wie die vergangenen Wochen
und Monate bereits gezeigt haben. Beispiel 1: Die Turbulenzen bei zahlreichen Währungen von Schwellenländern Ende Januar. Diese Turbulenzen sind nach unserer Einschätzung jedoch nicht Vorboten einer nachhaltigen Wachstumsabschwächung in der gesamten Gruppe der Schwellenländer. Sie sind vielmehr die Reaktion darauf, dass sich die
Investoren an den internationalen Finanzmärkten auf eine allmähliche Normalisierung
der Geldpolitik einstellen. Damit wird künftig tendenziell wohl weniger Kapital in die
Schwellenländer fließen als das bislang der Fall gewesen ist. Diese Umorientierung
seitens der Investoren trifft natürlich insbesondere diejenigen Länder hart, die bedingt
durch hohe Leistungsbilanzdefizite und/oder ein erhebliches Maß an Fremdwährungsverbindlichkeiten auf den Zufluss ausländischen Kapitals stark angewiesen sind. Es
überraschte daher auch nicht, dass gerade die Währungen von Ländern wie der Türkei,
2
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Südafrika und Russland zu den größten Verlierern der jüngsten Turbulenzen zählten.
Beispiel 2: Die Annexion der Krim und die Spannungen mit Russland. Während die
jüngsten Währungsschwankungen in den Schwellenländern keinen signifikanten Einfluss auf unser diesjähriges Konjunkturbild gehabt haben und wohl auch nicht haben
werden, könnte dies im Falle einer weiteren Eskalation des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland spürbar anders sein. Derzeit gehen wir jedoch davon aus, dass sich der
Konflikt trotz der fortschreitenden Integration der Krim in das Staatsgebiet der Russischen Föderation nicht auf andere Teile der Ukraine ausbreiten wird. Insbesondere
rechnen wir nicht mit gezielten Handlungen von russischer Seite zur Destabilisierung
der östlichen Landesteile der Ukraine. In diesem Basisszenario dürften die Konjunktureffekte insbesondere für die europäische Wirtschaft gering bleiben. Sollte die EU jedoch in
Folge einer weiteren Kriseneskalation weitreichende Wirtschaftssanktionen wie beispielsweise Exportverbote oder die Beschränkung der Energieimporte aus Russland
verhängen, die wahrscheinlich zu entsprechenden russischen Gegen-Sanktionen führen
würden, könnte dies die noch fragile Konjunkturerholung im Euro-Raum zumindest
vorübergehend zum Erliegen bringen.
Im Einzelnen haben wir folgende Einschätzung zu den wirtschaftlichen Perspektiven in
einzelnen Ländern und Regionen:
USA
Die US-Wirtschaft erreichte 2013 trotz des restriktiven finanzpolitischen Kurses ein
Wachstum von 1,9%. Erstaunlich stabil entwickelte sich der private Verbrauch. Bedeutsam war, dass die privaten Haushalte die Erhöhungen von Steuern und Abgaben zu
einem erheblichen Teil durch eine Rücknahme der Sparquote abfederten. Unterstützt
durch einen verstärkten Lageraufbau und eine solide Exportentwicklung beschleunigte
sich das Wachstum im zweiten Halbjahr 2013 auf eine Jahresrate von mehr als 3%.
Der Start in das Jahr 2014 hat sich allerdings als holprig erwiesen. Die Wirtschaftsindikatoren entwickelten sich sehr uneinheitlich und legen per saldo nahe, dass die Konjunktur in den ersten zwei Monaten dieses Jahres an Schwung verloren hat. Ein maßgeblicher
Teil dieser Schwäche ist aber offensichtlich dem überdurchschnittlich kalten Winter
geschuldet, der Produktionsstörungen verursacht. Angebotsseitige Indikatoren stützen
eine solche Einschätzung. So lag die Zahl der Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit aufgrund
schlechten Wetters reduzieren mussten, im Dezember und Februar weit über dem
historischen Durchschnittsniveau der jeweiligen Monate. Angesichts der Abschläge bei
der wöchentlichen Arbeitszeit je Beschäftigten lag das Arbeitsvolumen im Januar/Februar um 0,2 % unter dem Niveau des vierten Quartals 2013. Nachholeffekte bei der
Produktion im Zuge einer Normalisierung der Wetterlage sollten in den kommenden
Monaten entsprechend zu über dem Trend liegenden Produktionszuwächsen beitragen.
3
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Grafik 2
Finanzierungssalden*
7000
12,5
10,0
Teilzeitbeschäftigte infolge schlechten
Wetters (Februar-Werte, in Tsd,)
Übrige inländische Sektoren
6000
7,5
Ausland
5,0
2,5
5000
4000
0,0
3000
-2,5
-5,0
-7,5
-10,0
2000
Bundesstaaten
& Kommunen
Bundeshaushalt
-12,5
1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012
*) in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts.
Februar-Durchschnitt
(2000-2013)
1000
0
2000
2004
2008
2012
Quellen: EcoWin, Bureau of Labor Statistics.
Für eine in der Grundtendenz stärker aufwärts gerichtete konjunkturelle Grunddynamik
in diesem Jahr spricht wesentlich die Ausrichtung der Finanzpolitik. Fiskalpolitische
Maßnahmen dürften das Wachstum mit weniger als 0,5 Prozentpunkten weitaus geringer dämpfen als im vergangenen Jahr (etwa 1,5 Prozentpunkte). Überdies sind vorerst
keine akuten haushaltspolitischen Kontroversen mehr zu erwarten, da sich der Kongress
auf den Bundeshaushalt für das gesamte Fiskaljahr geeinigt und sich auf die Anhebung
der Staatsschuldenobergrenze bis März 2015 verständigt hat. Verminderte finanzpolitische Unsicherheiten sollten positiv auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen
ausstrahlen. Auch 4½ Jahre nach dem Ende der Rezession verfügten die nichtfinanziellen
Kapitalgesellschaften Ende 2013 anhaltend über einen erheblichen Spielraum, Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Finanzierungsüberschüsse über einen so
langen Zeitraum sind im historischen Vergleich untypisch.
Zudem haben sich die Bilanzrelationen im Haushaltssektor im Verlauf von 2013 nochmals verbessert. Das Verhältnis von Kreditmarktverschuldung und Reinvermögen ging
weiter zurück und lag Ende 2013 wieder sehr nahe dem durchschnittlichen Niveau der
1990er Jahre. Alles in allem dürfte die von der Rückführung der Schulden ausgehenden
dämpfenden Effekte auf Konsum und Wirtschaftsaktivität weiter an Bedeutung verlieren.
Gleichzeitig bleibt das Potenzial für kräftiges Wachstum im Wohnungsbau beträchtlich.
Die Wohnungsbauinvestitionen beliefen sich 2013 auf lediglich 3,1% des Bruttoinlandsprodukts und lagen somit noch spürbar unter dem längerfristigen Durchschnitt von
etwa 4½ %. Die Zahl der Haushaltsneugründungen – bedeutsamste Determinante der
längerfristigen Nachfrage nach Wohnimmobilien – dürfte sich mit fortgesetzt verbessernder Arbeitsmarktlage weiter normalisieren. Positiv ist in diesem Zusammenhang zu
sehen, dass die Belastungen für den finanziellen Sektor durch Kreditausfälle und Zahlungsverzögerungen Schritt für Schritt zurückgegangen sind. In diesem Umfeld haben
die Banken in den zurückliegenden Quartalen ihre Vergabestandards für Hypothekenkredite, die noch deutlich strikter sind als vor der Finanzkrise, per saldo leicht gelockert.
Eine weitere Lockerung, insbesondere für Ersterwerber von Wohneigentum, würde eine
dynamischere Bauaktivität unterstützen. Schließlich könnte der Außenhandel auch in
diesem Jahr positiv zum Wachstum beitragen, zumal eine weiter steigende inländische
Ölproduktion das Importwachstum voraussichtlich weiterhin zurückhalten wird.
Alles in allem rechnen wir mit einem Wirtschaftswachstum von 2,9% für das laufende
Jahr und von 2,6% im kommenden Jahr.
4
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Euroraum
Die EWU-Stimmungsindikatoren sind seit einigen Monaten klar im Aufwärtstrend und
das Vertrauen der Investoren kehrt zurück. Schlagzeilen wie „ Spanien und Italien als
sichere Häfen“ zeugen davon. In der Tat sind die Renditespreads der Anleihen der Problemländer gegenüber zehnjährigen deutschen Staatsanleihen in letzter Zeit massiv
gesunken. Sie haben zwar die Niveaus von vor der Euro-Schuldenkrise nicht wieder
erreicht, aber die Renditen zehnjähriger Staatspapiere aus Irland, Italien, Portugal und
Spanien liegen mittlerweile unter den Ständen von Anfang 2010. Und nicht nur dass
staatliche Emissionen guten Absatz finden, sondern zudem kehren Banken und nichtfinanzielle Unternehmen in den Problemländern verstärkt mit Emissionen an die Kapitalmärkte zurück.
Die Chancen für eine anhaltende Konjunkturerholung und nachhaltige Beruhigung der
Finanzmärkte nach der Krise stehen gut. Allerdings sind aus unserer Sicht drei Hauptrisiken zu nennen: Erstens könnten im Zuge des Asset Quality Review und der Stresstests
nochmals Spannungen im Bankensystem auftreten. Zweitens könnte – womöglich
angestoßen durch die Europawahl – der Integrationswille nachlassen beziehungsweise
eine Renationalisierung der Politik erfolgen (im Sinne von verstärkt durch nationale
Interessen geprägtes/populistisches Denken und Handeln). Drittens besteht das Risiko,
dass mit abnehmendem Krisendruck oder durch politische Instabilität die Anstrengungen der EWU-Länder sowohl hinsichtlich notwendiger Haushaltskonsolidierung als auch
in puncto erforderlicher Strukturreformen nachlassen.
In unserem Basisszenario rechnen wir für dieses und nächstes Jahr mit einem BIPAnstieg von 1,5% im Euroraum. Dabei gewinnt das EWU-Wirtschaftswachstum geografisch an Ausgewogenheit. Wir erwarten nicht, dass sich Kernländer wie Frankreich,
Italien oder die Niederlande zu neuen Sorgenkindern Europas entwickeln, sondern sie
dürften von der allgemeinen EWU-Konjunkturverbesserung profitieren. Die tiefen aus
der Krise kommenden Peripherieländer werden im laufenden Jahr alle ein positives
Wirtschaftswachstum erreichen und insbesondere 2015 voraussichtlich teils stärker als
der EWU-Durchschnitt expandieren.
Grafik 3
Euroraum: Steigende Wirtschaftsleistung in den Jahren 2014 und 2015
Reales BIP-Wachstum (%)
4,5
ES
GR
3,5
2,5
2,0
1,5 1,5
1,5
1,2 1,2
0,0
-0,6
1,2
0,3
1,8
1,0
0,6
0,2
-0,3
-1,9
-2,5
-1,2
-1,6
-1,4
-2,6
-3,5
-3,7
EWU
DE
FR
IT
-5,5
-6,5
-7,5
1,5 1,5
0,8
-0,4
-1,5
-4,5
PT
2,4
2,0
1,6
0,7 0,5
0,5
-0,5
IE
3,0
-6,4
-3,2
2012
2013
2014
2015
2012
2013
2014
2015
5
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Im ersten Quartal 2014 könnte der Euroraum nach den vorliegenden Indikatoren eine
BIP-Verlaufsrate von 0,5% verzeichnen (nach 0,3% im Schlussquartal 2013). Der Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungs- und Industriesektor zusammengenommen lag
im ersten Quartal mit 53,1 Punkten klar höher als im letzten Jahresviertel 2013. Der
Wirtschaftssentimentindex der EU-Kommission ist im Dezember über seinen langfristigen Durchschnitt von 100 Punkten geklettert und im März weiter auf 102,4 Punkte gestiegen. Entscheidend für die Qualität der Konjunkturerholung im Euroraum wird die Investitionsentwicklung in den nächsten Quartalen sein.
Feiern die Investitionen im Euroraum ihr Comeback?
Die konjunkturelle Erholung im Euroraum gewinnt nicht nur geografisch an Breite.
Im weiteren Jahresverlauf dürfte das Wirtschaftswachstum zunehmend von binnenwirtschaftlichen Kräften getragen werden.
Im Zuge von Finanzkrise und europäischer Schuldenkrise war die Investitionstätigkeit im Euroraum sowohl auf staatlicher als auch auf privater Seite stark eingebrochen – von ihrem Höchststand im ersten Quartal des Jahres 2008 sanken die Bruttoanlageinvestitionen kumuliert um mehr als 17%. Dieser Rückgang erklärt einen
Großteil der seit 2008 verzeichneten Abnahme der Wirtschaftsleistung im Euroraum.
Denn obwohl die Investitionsnachfrage einen deutlich geringeren Anteil an der Gesamtnachfrage ausmacht als der private Verbrauch (Investitionsquote von 18% vs.
Konsumquote von 56%), ist ihr Beitrag zu konjunkturellen Schwankungen erheblich.
EWU: Moderate Konjunkturerholung, aber
BIP-Niveau von 2008 noch nicht erreicht
EWU: Investitionstätigkeit noch deutlich unter
Vorkrisenniveau
Bruttoinlandsprodukt
real, saisonbereinigt, Index Q1 2008 = 100
Bruttoanlageinvestitionen*
real, saisonbereinigt, Index Q1 2008 = 100
105
100
Deutschland
Niveau 2008
Frankreich
EWU 18
Portugal
100
Einbruch der Investitionen im Euroraum um
kumuliert 17,5% seit ihrem Höchststand 2008.
Niveau 2008
Deutschland
90
Frankreich
EWU 18
80
95
90
110
Spanien
Irland
Italien
85
2008Q1 2008Q4 2009Q3 2010Q2 2011Q1 2011Q4 2012Q3 2013Q2
70
Spanien
Portugal
Italien
60
50
Irland
40
2008Q1 2008Q4 2009Q3 2010Q2 2011Q1 2011Q4 2012Q3 2013Q2
*) Bestehend aus Ausrüstungsinvestitionen, Bauinvestitionen und Sonstigen Anlagen.
EWU: Rückgang der Investitionen erklärt Großteil
der seit 2008 verzeichneten Abnahme des BIP
EWU: Zuletzt spürbarer Anstieg der
Investitionstätigkeit
Reales BIP: Wachstumsbeiträge der Verwendungskomponenten
in Prozentpunkten
Bruttoanlageinvestitionen
real, saisonbereinigt, Veränderung ggü. Vorquartal in %
3
2
1
0
-1
-2
Vorratsveränderungen
Außenbeitrag
-3
Bruttoanlageinvestitionen
-4
Staatsverbrauch
-5
Privater Verbrauch
-6
-7
2008Q1 2008Q4 2009Q3 2010Q2 2011Q1 2011Q4 2012Q3 2013Q2
3
2
1
0,2
0,6
1,1
0
-1
-2
-0,6
-1,1
-1,8
-1,3
-1,7
-3
2012Q1 2012Q2 2012Q3 2012Q4 2013Q1 2013Q2 2013Q3 2013Q4
Quellen: Eurostat, eigene Berechnungen.
Im Privatsektor fuhren sowohl Unternehmen als auch Haushalte ihre Investitionstätigkeit zurück.1 Ursächlich für die fallende Investitionsbereitschaft dürften die weit
verbreitete Unsicherheit, schwache Gewinnentwicklung im Unternehmenssektor,
unterausgelastete Kapazitäten, restriktive Finanzierungsbedingungen und nicht zuletzt der notwendige Schuldenabbau im Privatsektor gewesen sein. Konsolidierungserfordernisse begrenzten auch im öffentlichen Sektor den finanziellen Spielraum für
Investitionen.
1
Siehe EZB-Monatsbericht Januar 2014, S. 49f.
6
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
In den krisengeschüttelten EWU-Ländern Spanien, Portugal und insbesondere in Irland sind die Bruttoanlageinvestitionen seit dem ersten Quartal 2008 um über 30%
geschrumpft, einhergehend mit deutlich sinkenden gesamtwirtschaftlichen Investitionsquoten. Der Anteil der Bruttoanlageinvestitionen Irlands am BIP hat sich seither
fast halbiert (Ende 2012: 13%). Dass diese Entwicklung nicht rein zyklischer Natur ist,
sondern auch Ausfluss struktureller Anpassungsprozesse auf dem Weg zu einem
ausgewogeneren Wachstumspfad, zeigt ein Blick auf die Komponenten der Bruttoanlageinvestitionen – Ausrüstungsinvestitionen, Bauinvestitionen und Sonstige Anlagen. So haben sich beispielsweise – ausgehend von einer überhöhten Bautätigkeit –
die Wohnungsbauinvestitionen in Spanien seit dem Jahr 2008 halbiert.
Im Vergleich mit den (ehemaligen) Programmländern weniger volatil hat sich dagegen die Investitionstätigkeit in Deutschland und Frankreich entwickelt. Nichtsdestotrotz: Auch in den beiden größten EWU-Volkswirtschaften liegt das Investitionsniveau noch knapp 7% bzw. 13% unter Vorkrisenniveau, während das BIP-Niveau von
2008 mittlerweile überschritten bzw. wieder erreicht ist.
Die Talsohle bei der Investitionstätigkeit im Euroraum scheint im ersten Halbjahr
2013 erreicht worden zu sein – im vierten Quartal 2013 verzeichneten die Bruttoanlageinvestitionen sogar ein merkbares Plus von 1,1% gegenüber dem Vorquartal. Setzt
die Investitionstätigkeit im Euroraum den jüngst eingeschlagenen Erholungskurs
fort? Die Rahmenbedingungen für ein „Comeback“ der Investitionen als Wachstumstreiber sind günstig.
EWU: Günstigere Rahmenbedingungen für Investitionen
Kapazitätsauslastung am Wendepunkt
Wirtschaftsvertrauen steigt
Economic Sentiment Indicator*)
Kapazitätsauslastung in der Industrie
120
87,5
115
85,0
Deutschland
110
Deutschland
82,5
Euroraum
105
80,0
100
Portugal
75,0
90 Spanien
Frankreich
Euroraum
77,5
Frankreich
95
72,5
Italien
85
70,0
Portugal
80
Italien
Spanien
67,5
75
65,0
2010
2011
2012
2013
2014
2010
2011
2012
2013
*) Der Economic Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission ist ein Verbundindikator aus Vertrauensindikatoren einzelner Wirtschaftsbranchen und
Konsumenten.
Quelle: EcoWin.
Nachlassende Segmentierung der Finanzmärkte
Mehr Spielraum für öffentliche Investitionen
Zinssätze im Neugeschäft mit nichtfin. Unternehmen*
Staatlicher Finanzierungssaldo, in % des BIP
8
Portugal
7
6
Spanien
5
Irland
4
EWU
3
2
2004
Italien
2006
2008
2010
Deutschland
2012
2014
*) Kredite bis EUR 1 Mio., variabel oder mit anfänglicher Zinsbindung bis 1 Jahr.
Quelle: EZB.
2014
Quelle: EcoWin.
6
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
-12
-14
-16
Spanien
EWU 18
Deutschland
Portugal
Italien
Frankreich
Irland
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014p
Quellen: Eurostat, eigene Prognosen.
Bisher zurückgestellte Investitionsprojekte dürften mit dem weiteren Abklingen der
Unsicherheit der privaten Wirtschaftsakteure, zunehmender Auslastung der Kapazitäten und angesichts aufgehellter Absatzperspektiven der Unternehmen nachgeholt
werden. Für einen kräftigeren Zuwachs speziell der Unternehmensinvestitionen
spricht zudem, dass sich deren Finanzierungsbedingungen dank der allmählich
nachlassenden Segmentierung der Finanzmärkte verbessern. Auf EU-Ebene wurden
Maßnahmen ergriffen, um speziell kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang
zu Finanzmitteln zu erleichtern. Darüber hinaus dürfte der voraussichtlich geringere
7
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Konsolidierungsumfang mehr Haushaltsspielräume für öffentliche Investitionen
lassen.
Ungeachtet von „Nachholeffekten“ dürften die Bruttoanlageinvestitionen im Euroraum jedoch nur in moderatem Tempo ausgeweitet werden, da Belastungsfaktoren
wie Restriktionen bei der Kreditvergabe und notwendige Bilanzanpassungen im privaten und öffentlichen Sektor nur schrittweise abebben werden.2 Wir erwarten ein
Plus bei den Anlageinvestitionen von 2,7% im Jahr 2014 und 3,0% im Jahr 2015 (2013:
-2,8%).
Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass die Konsolidierungs- und Reformanstrengungen
in den Peripherieländern Früchte tragen. Doch unsere Prognose von 1,5% BIP-Anstieg im
Euroraum bedeutet keinen kräftigen Konjunkturaufschwung sondern „nur“ eine moderate Wirtschaftsbelebung. Zu EWU-weit gesundem, ungebremstem Wachstum bleibt
noch ein langer Weg, denn erstens ist die Sanierung der Staatsfinanzen ein langwieriger
Prozess. Zweitens wird sich der Schuldenabbau im Privatsektor noch Jahre hinziehen.
Drittens wird es in vielen Euroländern dauern, bis wieder akzeptable Verhältnisse am
Arbeitsmarkt herrschen. Dass sich die Arbeitslosigkeit im Euroraum stabilisiert hat und
in den Problemländern teils fällt, gibt Hoffnung – genauso wie der seit langem erste
geringfügige EWU-Beschäftigungszuwachs im vierten Quartal letzten Jahres um 0,1%
gegenüber Vorquartal (besonders erfreulich ist, dass die Beschäftigung in Irland und
Portugal zuletzt um 3,2% beziehungsweise 0,5% über Vorjahresniveau lag, während der
Euroraum noch ein Beschäftigungsminus von 0,5% verglichen mit dem vierten Quartal
2013 aufwies).
Angesichts der Diskussion über Deflationsrisiken zeigt sich die EZB derzeit in puncto
weiterer Lockerungsoptionen sowohl hinsichtlich Leitzinsen als auch unkonventioneller
Maßnahmen handlungsbereit. In der EWU wird sich die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2014 und 2015 voraussichtlich bei 0,9% beziehungsweise 1,5% liegen. Die gesunkenen Teuerungsraten stützen den privaten Verbrauch durch höhere real verfügbare
Haushaltseinkommen. Deflationsrisiken bestehen aus unserer Sicht trotz rückläufiger
Preisniveaus in einzelnen EWU-Ländern nicht, da sie Ausdruck notwendiger Kosten- und
Preisanpassungen sind. Zudem bessert sich auch in diesen Ländern die wirtschaftliche
Stimmung. Angesichts der Konjunkturlage und -aussichten halten wir eine weitere
Leitzinssenkung weder für nötig noch für wahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass der
EZB-Schlüsselzins mindestens bis Ende dieses Jahres unverändert bei 0,25% bleibt.
Weitere Liquiditätshilfen sind dagegen notwendig, da der Interbankenmarkt nicht richtig funktioniert, die Restlaufzeit der Dreijahrestender inzwischen unterjährig ist und im
Zuge des AQR/der Stresstests keinesfalls erneut Zweifel an der Solidität des Bankensystems und der Staatsfinanzen aufkommen sollten (die unlimitierte Liquiditätsversorgung
bei den Refinanzierungsgeschäften hat die EZB bis Mitte 2015 zugesichert).
2
Siehe auch Allianz Euro Monitor 2013,
https://www.allianz.com/v_1392371045000/media/economic_research/publications/working_papers/de/EURO
MONITOR2013d.pdf, S. 22ff. und 37 ff.
8
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Euroraum: Kennzahlen und Prognosen*
2013
BIP real
Privater Verbrauch
Staatsverbrauch
Anlageinvestitionen
Exporte
Importe
2014
2015
Q1
-0,2
-0,1
0,3
-1,7
-0,9
-1,1
Q2
0,3
0,2
0,0
0,2
2,3
1,7
Q3
0,1
0,1
0,4
0,6
0,0
1,0
Q4
0,3
0,1
-0,2
1,1
1,2
0,4
Q1
0,5
0,2
0,2
0,5
1,0
1,0
Q2
0,4
0,2
0,2
0,7
1,2
1,0
Q3
0,4
0,3
0,1
0,6
1,3
1,1
Q4
0,4
0,3
0,1
0,6
1,0
1,0
Q1
0,4
0,4
0,2
0,9
1,2
1,2
Q2
0,3
0,3
0,3
0,8
1,0
1,3
Q3
0,3
0,2
0,2
0,6
0,9
0,9
Q4
0,3
0,2
0,3
0,6
0,8
0,9
2013 2014p 2015p
1,5
1,5
-0,4
0,8
1,2
-0,5
0,4
0,8
0,3
2,7
3,0
-2,8
4,3
4,3
1,3
3,8
4,5
0,1
Industrieproduktion (ohne Bau)
Arbeitslosenquote
%
0,4
12,0
0,7
12,0
0,0
12,0
0,4
11,9
0,5
11,9
0,7
11,8
0,6
11,7
0,6
11,5
0,9
11,4
0,8
11,2
0,7
11,1
0,7
11,0
-0,7
12,0
2,0
11,7
3,0
11,2
Verbraucherpreise
Produzentenpreise
J/J
J/J
1,9
1,2
1,4
-0,1
1,3
-0,6
0,8
-1,1
0,7
-1,5
0,8
-0,2
0,9
0,2
1,4
1,1
1,5
1,8
1,7
1,8
1,5
1,8
1,5
1,9
1,4
-0,2
0,9
-0,1
1,5
1,8
Mrd. EUR, sb.
% BIP
% BIP
47,9
56,8
46,2
63,4
65,0
60,0
55,0
55,0
60,0
60,0
60,0
60,0
214,3 235,0
2,4
2,2
-3,0
-2,5
240,0
2,4
-2,0
Leistungsbilanzsaldo
Finanzierungssaldo
*) Quartalswerte: Veränderung gegen Vorperiode in %, saisonbereinigt - sofern nicht anders angegeben. BIP-Jahreswert unbereinigt. Außenhandel inkl. Intrahandel.
p = Prognose.
Emerging Markets
Im vergangenen Jahr verzeichnete die Gruppe der Schwellenländer ein für ihre Verhältnisse lediglich moderates Wachstum. Mit einem Anstieg von 4,4% lag das Expansionstempo sogar noch leicht unter dem des Vorjahres. Hierfür gab es mehrere Gründe. Zum
einen dämpfte die insgesamt noch sehr verhaltene wirtschaftliche Entwicklung in den
Industrieländern deren Importnachfrage. Die zum Teil sehr stark exportabhängigen
Schwellenländer haben dies natürlich deutlich zu spüren bekommen. Der globale Warenhandel expandierte 2013 um lediglich 2,7%, das ist der zweitschlechteste Wert seit der
globalen Rezession im Jahr 2009. Zum anderen hatte die gedämpfte Konjunkturdynamik
bei einer ganzen Reihe von Schwellenländern aber vor allem „hausgemachte“ Ursachen.
An dieser Stelle seien exemplarisch und in aller Kürze einige Länder genannt. Russland
leidet nun schon seit Jahren unter einem schlechten Investitionsklima, hohen Kapitalabflüssen und damit einhergehend einem rückläufigen Potenzialwachstum. Durch die
jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise dürften sich diese
Probleme nun noch weiter verschärfen. In Ländern wie der Türkei, Südafrika und Indien
haben sich in den vergangenen Jahren teils erhebliche makroökonomische Ungleichgewichte in Form substanzieller Leistungsbilanzdefizite und/oder einer hohen Abhängigkeit von ausländischen Krediten aufgebaut. Diese Ungleichgewichte müssen nun – da
sich internationale Investoren allmählich wieder verstärkt den Industrieländern zuwenden (Stichwort: gradueller geldpolitischer Exit) – abgebaut werden, was Wachstum
kostet. Ein weiteres Beispiel ist China. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sieht sich
gleich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: Kampf gegen eine ausufernde
Kreditvergabe und eine zumindest lokale Immobilienblase sowie eine explodierende
Verschuldung der Provinzen und Kommunen. Gleichzeitig versucht die Regierung, das
stark export- und investitionsgetriebene Wachstumsmodell hin zu einem mehr konsumorientierten Modell umzubauen. Auch das kostet natürlich Wachstum.
9
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Grafik 4
Russland: Private Kapitalabflüsse nehmen wieder spürbar zu
Nettokapitalströme des russischen Privatsektors, Mrd. US-Dollar
60
40
20
0
-20
-40
-60
-80
-100
-120
-140
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014s
Quellen: Russische Zentralbank, russisches Wirtschaftsministerium.
Für das laufende Jahr sprechen aktuelle Wirtschaftsindikatoren wie beispielsweise die
Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und die Auftragseingänge in der
Industrie für eine leicht anziehende Konjunkturdynamik in der Gruppe der Schwellenländer. Allerdings gibt es nicht nur zwischen den drei großen Regionen Asien, Lateinamerika und Osteuropa erhebliche Unterschiede, sondern auch innerhalb der einzelnen
Regionen selbst. In Asien dürfte sich das Wachstum in diesem Jahr auf 6,1% leicht abschwächen. Verantwortlich hierfür ist im Wesentlichen die anhaltende Konjunkturverlangsamung in China. In den meisten anderen asiatischen Schwellenländern dürfte das
BIP-Wachstum hingegen – unter anderem getragen durch eine höhere Exportdynamik –
etwas höher ausfallen als im vergangenen Jahr. Für 2015 rechnen wir dann mit einem
regionalen BIP-Anstieg von 6,2%. In Lateinamerika zeichnet sich eine spürbare Konjunkturbelebung ab, die jedoch fast ausschließlich getragen wird von Mexiko, das von einem
deutlich verbesserten makroökonomischen Umfeld profitieren dürfte. Wir gehen von
einem regionalen BIP-Wachstum von 2,7% in diesem Jahr aus. 2015 dürfte es mit 3,1%
dann noch etwas höher ausfallen, wenn auch die brasilianische Wirtschaft wieder etwas
an Dynamik gewinnt. In Osteuropa wird das Wachstumsgefälle zwischen den einzelnen
Ländern sehr ausgeprägt sein. Nicht zuletzt bedingt durch die wirtschaftlichen Folgen
der Ukraine-Krise wird das Wachstum in Russland 2014 voraussichtlich nicht mehr als
1% betragen. Bei den meisten osteuropäischen EU-Ländern rechnen wir hingegen mit
einer deutlich lebhafteren konjunkturellen Entwicklung. Der Grund hierfür ist offensichtlich: Die Region ist über Handels- und Kapitalverflechtungen sehr stark abhängig von der
wirtschaftlichen Entwicklung im Euro-Raum. Die dortige Konjunkturerholung führt
somit auch in den östlichen Nachbarländern zu einer lebhafteren Entwicklung. Insgesamt rechnen wir für die osteuropäischen Schwellenländer in diesem Jahr mit einem
BIP-Wachstum von 1,7% (nach 1,4% im vergangenen Jahr). Für 2015 erwarten wir ein Plus
von 2,4%.
Alles in allem gehen wir davon aus, dass die Gruppe der Schwellenländer in diesem Jahr
um 4,5% expandieren wird. 2014 wäre damit bereits das dritte Jahr in Folge mit einem im
Vergleich mit den Boomjahren 2003 bis 2007 klar unterdurchschnittlichen Wachstum
(2003 - 2007: jahresdurchschnittlicher BIP-Anstieg von 7,3%). 2015 dürfte das reale Wirtschaftswachstum mit einem Plus von 4,8% dann etwas höher ausfallen – getragen durch
eine erneut dynamischere wirtschaftliche Aktivität in den osteuropäischen und latein10
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
amerikanischen Schwellenländern. Aber selbst mit diesen insgesamt vergleichsweise
moderaten Wachstumsraten leisten die Schwellenländer immer noch den größten
Beitrag zur weltwirtschaftlichen Expansion. Da ihr Anteil an der globalen Wertschöpfung
mittlerweile deutlich höher ist als noch beispielsweise vor sieben Jahren (2007: 29,4%,
2013: 39,6%; jeweils auf Basis laufender Wechselkurse), tragen die Schwellenländer trotz
ihres geringeren Expansionstempos sogar noch etwas mehr zum jährlichen globalen
Wachstum bei als zuvor.
Wachstum wichtiger weltwirtschaftlicher Regionen
Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorjahr in %
2009
Industrieländer
2010
2011
2012
1)
2)
2)
2013
2014
2015
-3,7
2,6
1,5
1,3
1,1
2,2
2,0
Europäische Union
-4,5
2,0
1,7
-0,4
0,1
1,7
1,8
Euroraum
-4,4
1,9
1,6
-0,6
-0,4
1,5
1,5
Deutschland
-5,1
4,0
3,3
0,7
0,4
2,0
1,6
USA
-2,8
2,5
1,8
2,8
1,9
2,9
2,6
Japan
-5,5
4,7
-0,5
1,4
1,5
1,2
1,2
1,5
7,4
6,2
4,5
4,4
4,5
4,8
5,9
9,5
7,5
6,1
6,2
6,1
6,2
Emerging Markets
Asien
Lateinamerika
-1,5
6,0
4,2
2,8
2,2
2,7
3,1
Osteuropa
-6,3
3,3
4,1
1,9
1,4
1,7
2,4
-2,1
4,1
3,0
2,4
2,3
3,0
3,0
Welt
1) Schätzung; 2) Prognose.
Quellen: EcoWin, eigene Prognosen.
Alles in allem wird die globale Wertschöpfung 2014 nach unserer Einschätzung um 3%
steigen (Ländergewichtung jeweils auf Basis aktueller Wechselkurse). Maßgeblich hierfür ist die höhere gesamtwirtschaftliche Leistung in der Gruppe der Industrieländer.
Auch 2015 dürfte dieses Wachstumstempo gehalten werden. Dabei dürfte es im Euroraum zu einer weiteren Einebnung der Wachstumsdifferenzen kommen.
Neben der zentralen Prämisse eines weiteren Abebbens der EWU-Staatsschuldenkrise,
gehen wir bei unserer Konjunkturprognose von folgenden Rahmenbedingungen aus:
•
Der Welthandel entwickelt sich dynamischer. Nach schätzungsweise 2¾% im vergangenen Jahr dürfte er 2014 um 4½%-5% zulegen. Für das kommende Jahr rechnen
wir mit einer weiteren Belebung und einer Ausweitung des internationalen Warenund Dienstleistungsverkehrs um rund 5%. Damit wird der Welthandel voraussichtlich weiterhin weniger elastisch auf einen Anstieg der Weltwirtschaftsaktivität reagieren als in den Jahren vor der Finanzkrise.
•
Der Rohölpreis (Brent) dürfte sich im laufenden Jahr in einer Bandbreite zwischen
105 und 110 US-Dollar/Barrel bewegen. Seit Mitte 2012 schwankt er in relativ engen
Grenzen um ein mittleres Niveau von gut 108 USD/Barrel. Ein höheres Angebot aus
Nicht-OPEC-Ländern wie die USA und Kanada trägt zur relativen Stabilität der Ölpreise bei. Bei fortgesetzt stabilem Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich die
Preisspanne 2015 auf 110-115 US-Dollar/Barrel leicht nach oben verschieben. Insbesondere der derzeitige Konflikt zwischen Russland und der Ukraine birgt erhebliche
Risiken für die weitere Ölpreisentwicklung. Sollte sich die Krise weiter verschärfen
und käme es im Zuge von Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland zu einer Einschränkung der russischen Energielieferungen nach Europa, dürfte dies zumindest
kurzfristig zu einem deutlichen Preisschub führen. Dieser erklärt sich durch das
11
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
dann gesunkene reale Angebot an Erdöl sowie durch die spürbar gestiegene Unsicherheit über die wirtschaftlichen und politischen Folgen des Konflikts.
•
In der US-Geldpolitik hat die Wende mit dem „tapering“ der Fed zwar angefangen
und im Euroraum ist die geldpolitische Ausrichtung gemessen am Rückgang der
EZB-Bilanzsumme (der allerdings keine aktive Maßnahme der EZB darstellt) nicht
mehr ganz so locker. Die Geldpolitik wird aber voraussichtlich expansiv bleiben. Wir
gehen davon aus, dass die Fed und die EZB bis in die erste Jahreshälfte 2015 hinein
ihre Leitzinsen nahe Null halten werden.
•
Der Euro wird gegenüber dem US-Dollar im weiteren Jahresverlauf wieder
schwächer notieren. Weder die Zinsdifferenzen am kurzen Ende des Kapitalmarktes
noch das Konjunkturgefälle zugunsten der USA legen eine nachhaltig hohe
Bewertung des Euro nahe. Ende 2014 dürfte der USD/EUR-Wechselkurs bei 1,30
liegen. Auf einem ähnlichen oder sogar noch etwas niedrigeren Niveau sehen wir
ihn auch Ende des kommenden Jahres.
2. WIRTSCHAFTSLAGE UND –AUSBLICK IN DEUTSCHLAND
2.1 Konjunktur im Vorwärtsgang
Die deutsche Wirtschaft ist schwungvoll ins Jahr 2014 gestartet. Die Auftragseingänge
und die Produktion in der Industrie lagen im Januar und Februar dieses Jahres erheblich
über dem entsprechenden Niveau des vergangenen Jahres. Der Einzelhandel setzte in
den ersten beiden Monaten 2014 deutlich mehr um als Ende 2013, Ausfuhr und Einfuhr
legten im Januar ebenfalls beträchtlich zu. Auch die Arbeitslosigkeit entwickelte sich
spürbar günstiger als dies Anfang des Jahres üblich ist. Wir rechnen damit, dass alle
Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage – Export, Konsum und Investitionen – zum wirtschaftlichen Wachstum Anfang 2014 beigetragen haben. Wir schätzen
den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal 2014 auf 0,6% gegenüber dem
Vorquartal und auf 2,0% gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal (arbeitstäglich bereinigt).
Grafik: 5
Wieder stärkeres Wachstum in Deutschland
Reales BIP, Index, 2005 = 100
118
+1,6%
116
+2,0%
114
112
+0,7%
+0,4%
+3,3%
110
+1,1%
108
+4,0%
106
104
-5,1%
102
100
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Jahresdurchschnitt
Quellen: EcoWin, eigene Prognosen.
12
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Trotz einiger globaler Störfaktoren dürfte sich an den insgesamt positiven konjunkturellen Rahmenbedingungen für Deutschland – günstige Finanzierungsbedingungen, Realeinkommensgewinne dank niedriger Inflationsraten, ein beträchtlicher Beschäftigungszuwachs und die konjunkturelle Besserung im Euroraum – im weiteren Verlauf des
Jahres wenig ändern, jedenfalls sofern die Ukraine-Krise geopolitisch nicht eskaliert.
Sowohl von der Ausfuhr als auch von der Binnenkonjunktur sind über das gesamte Jahr
2014 positive Impulse zu erwarten. Trotz der Aufwertung des Euro, der die preisliche
Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure dämpft, kann die deutsche Ausfuhr 2014 u.a. dank
besserer Exportperspektiven in Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie volumenmäßig voraussichtlich einen ähnlichen Zuwachs wie der Welthandel (4,5-5%) verzeichnen. Die Ausrüstungsinvestitionen, die im Jahresdurchschnitt 2013 noch spürbar
geschrumpft sind, nehmen 2014 im Zuge einer steigenden Kapazitätsauslastung deutlich zu. In allen Segmenten des Baus (Wohnungsbau, gewerblicher und öffentlicher Bau)
ist in diesem Jahr mit steigenden Investitionen zu rechnen. Die Stimmung der Konsumenten ist ausgesprochen positiv. Angesichts höherer Zuwächse bei den Lohn-, Transfer- und Gewinneinkommen sollte auch der private Verbrauch 2014 kräftiger expandieren als 2013. Alles in allem prognostizieren wir, dass die deutsche Wirtschaft im Jahresdurchschnitt und auch im Jahresverlauf 2014 um 2,0% wächst.
Die deutsche Wirtschaft dürfte damit leicht überdurchschnittlich ausgelastet ins Jahr
2015 gehen. Aus heutiger Sicht ist 2015 mit einer Fortsetzung des Aufschwungs zu rechnen, allerdings dürfte sich die wirtschaftliche Dynamik im Verlauf von 2015 etwas abschwächen. Die Einführung des Mindestlohns wird nach unserer Einschätzung den
Beschäftigungsaufbau deutlich dämpfen. Damit verbundene Kostensteigerungen werden sich auch im Preisauftrieb mit einigen Zehnteln niederschlagen. Mit positiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkrafteffekten ist bei der Einführung des Mindestlohns nicht zu
rechnen. Auch sollte sich der 2015 verstärkende Auftrieb der Lohnstückkosten zumindest
leicht negativ auf die Unternehmenserwartungen und wohl auch auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auswirken. Vor diesem Hintergrund erwarten wir 2015 nur
noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,6%. Die Arbeitslosigkeit, die 2014
spürbar sinkt, wird im Verlauf von 2015 voraussichtlich stagnieren.
Deutschland: Kennzahlen und Prognosen*
2013
BIP real
Privater Verbrauch
Staatsverbrauch
Ausrüstungen
Bauinvestitionen
Binnennachfrage
Exporte
Importe
2014
2015
Q1
Q2
Q3
Q4
Q1
Q2
Q3
Q4
Q1
Q2
Q3
Q4
2013
0,0
0,7
0,3
0,4
0,6
0,6
0,4
0,4
0,4
0,3
0,2
0,2
0,4
2014p 2015p
2,0
1,6
0,3
0,2
-1,4
-1,5
0,3
-1,0
-0,5
0,6
-0,4
0,5
1,7
0,4
2,4
1,9
0,2
1,2
0,1
2,1
0,6
0,2
0,8
-0,1
0,0
1,4
1,4
-0,7
2,6
0,6
0,5
0,2
2,0
1,0
0,7
1,2
1,5
0,6
0,2
1,5
-0,5
0,5
1,2
1,2
0,4
0,3
1,5
0,5
0,4
0,8
1,0
0,5
0,2
1,5
0,5
0,4
1,0
1,2
0,4
0,3
1,0
0,8
0,4
0,8
0,8
0,3
0,3
0,8
0,8
0,3
0,6
0,8
0,2
0,3
0,6
0,6
0,2
0,6
0,7
0,3
0,3
0,6
0,6
0,3
0,4
0,7
0,9
0,7
-2,4
0,1
0,5
0,8
0,9
1,5
1,0
5,6
3,6
1,3
5,6
4,7
1,6
1,1
4,6
2,7
1,7
3,4
4,0
Industrieproduktion (ohne Bau)**)
Arbeitslosenquote (EU)
Arbeitslosenquote (BA)
Erwerbstätige (Stat. Bund.)
%
%
J/J
0,5
5,4
6,9
0,6
1,2
5,4
6,9
0,5
0,6
5,3
6,8
0,5
0,4
5,2
6,9
0,6
1,1
5,1
6,7
0,7
1,0
5,1
6,7
0,8
1,1
5,0
6,6
0,8
0,8
5,0
6,5
0,8
0,7
4,9
6,5
0,6
0,7
4,9
6,5
0,5
0,4
4,9
6,5
0,4
0,4
4,9
6,5
0,3
0,2
5,3
6,9
0,6
3,8
5,0
6,6
0,8
3,0
4,9
6,5
0,5
Verbraucherpreise
Verbraucherpreise (HVPI)
Produzentenpreise
J/J
J/J
J/J
1,5
1,8
0,8
1,5
1,5
-0,1
1,6
1,7
-0,3
1,3
1,3
-0,7
1,2
1,0
-0,8
1,3
1,2
0,2
1,2
1,3
0,8
1,7
1,8
1,3
1,8
1,9
1,7
1,8
1,8
1,7
1,8
1,8
1,9
2,0
2,0
1,9
1,5
1,6
-0,1
1,4
1,3
0,4
1,8
1,9
1,8
Mrd. EUR
% BIP
Mrd. EUR
% BIP
48,7
52,9
50,2
56,0
54,0
54,0
53,0
52,0
51,0
50,0
49,0
48,0
206,0
7,5
0,3
0,0
213,0
7,6
4,3
0,2
198,0
7,0
4,9
0,2
Leistungsbilanzsaldo
Finanzierungssaldo
(Maastricht-Definition)
*) Quartalswerte: Veränderung gegen Vorperiode in %, saison- und arbeits täglich bereinigt - s ofern nicht anders angegeben. Jahreswerte:
Veränderung in %, nicht arbeitstäglich bereinigt. **) Jahresdurchschnitt arbeits täglich bereinigt.
p = Prognos e.
13
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
2.2 Ausfuhr mit kräftigen Zuwächsen
Die Nachfrage aus dem Ausland hat sich erheblich verstärkt. So lagen die Auftragseingänge aus dem Ausland im Januar dieses Jahres um rund 6% höher als vor einem halben
Jahr und um fast 12% höher als im Januar des vergangenen Jahres. Beträchtliche Zuwächse bei den Bestellungen kamen zuletzt aus dem Ausland außerhalb des Euroraums,
aber auch die Aufträge aus dem Euroraum übersteigen inzwischen klar das entsprechende Vorjahresniveau.
Grafik 6
Nominaler effektiver
Wechselkurs des Euro
115
Indikator der preislichen
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands1)
gegenüber den Währungen der EWK-20-Gruppe, 1Q99=100
Quartalsdurchschnitte
Auf Basis der Lohnstückkosten, Quartalsdurchschnitte
100
98
110
96
94
105
92
100
90
88
95
86
90
84
82
85
80
1999 2001
80
2003 2005 2007 2009
2011 2013
78
1999
2001 2003
2005 2007
2009
2011
2013
1) Ein Rückgang der Werte bedeutet eine Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit.
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Die kräftig steigende Auslandsnachfrage ist umso bemerkenswerter als die preisliche
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exporteure durch die kräftige Aufwertung des Euro
belastet wird. Seit Mitte 2012 ist der gewogene Außenwert des Euro immerhin um gut 8%
gestiegen. Offensichtlich sind die weltwirtschaftlichen Aufschwungskräfte derzeit so
stark, dass sie gegenüber dem Außenwert als Determinante der Auslandsnachfrage klar
dominieren. Wir rechnen damit, dass das Wachstum des Welthandels 2014 mit 4,5-5%
deutlich höher ausfällt als in den vergangenen beiden Jahren. Die deutsche Ausfuhr an
Waren und Dienstleistungen dürfte 2014 volumenmäßig nach unseren Schätzungen um
5,6% zunehmen, nach lediglich 0,8% im vergangenen Jahr. Im Jahr 2015 erwarten wir
einen weiteren Ausfuhranstieg um 3,5%. Der Zuwachs der deutschen Ausfuhr bleibt 2015
allerdings voraussichtlich hinter der Expansion des Welthandels von rund 5% zurück, da
sich die recht hohe Bewertung des Euro allmählich ausfuhrdämpfend auswirken dürfte.
14
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss: Veränderte regionale
Struktur
Seit die EU-Kommission im Rahmen des Makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens den deutschen Leistungsbilanzüberschuss in einer vertieften Länderprüfung
analysiert und vor kurzem als Ungleichgewicht bewertet hat, ist der Überschuss erneut in den Fokus ökonomischer Debatten geraten. Hinzu kommt dabei, dass
Deutschland im vergangenen Jahr einen neuen Rekordüberschuss mit 206 Mrd. EUR
erzielt hat und in Prognosen teilweise mit einem weiteren Anstieg gerechnet wird.
Deutschland: Steigender Überschuss mit Amerika und Asien
Saldo der Leistungsbilanz in Mrd. EUR
120
EWU Länder
90
60
Amerika
30
EU Länder exkl. EWU
0
Asien
-30
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Deutsche Bundesbank.
Die Betrachtung der Gesamthöhe des außenwirtschaftlichen Überschusses verdeckt
jedoch den nachhaltigen Wandel, der sich in seiner regionalen Zusammensetzung
vollzogen hat. Die Leistungsbilanz mit den Ländern des Euroraums ist nicht mehr
der Kern des Überschusses. Im Jahr 2007 – kurz vor der Wirtschaftskrise – erreichte
der Überschuss Deutschlands mit den EWU-Ländern mit 107,6 Mrd. EUR und knapp
60% des Gesamtüberschusses einen Höchststand, im vergangenen Jahr betrug er lediglich noch rund 56,4 Mrd. EUR und damit nur noch rund 27% des Gesamtüberschusses. Dabei ist der Rückgang des deutschen Überschusses nicht nur die Folge
krisenbedingt niedriger Exporte in die EWU-Länder, sondern in stärkerem Maß höherer Importe aus der EWU. Von daher kann von einem anhaltenden Abbau des Ungleichgewichts ausgegangen werden.
Noch ausgeprägter als gegenüber dem Euroraum ist die Verringerung des deutschen
Überschusses gegenüber den von der Schuldenkrise betroffenen Ländern Südeuropas. Der kumulierte Überschuss Deutschlands gegenüber Italien, Spanien, Portugal
und Griechenland hat sich von 56,6 Mrd. EUR im Jahr 2007 auf 20,4 Mrd. EUR im vergangenen Jahr annähernd gedrittelt.
Angesichts der stark gesunkenen Überschussposition Deutschlands gegenüber dem
Euroraum, aber eines neuen Höchststands des Gesamtüberschusses muss es gegenüber anderen Regionen zu deutlich steigenden Überschüssen gekommen sein: Diese
Regionen sind Asien und Amerika. Gegenüber Amerika und hierbei insbesondere den
USA verfügt Deutschland traditionell über einen Außenhandelsüberschuss.
15
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Deutschland: Fallender Überschuss mit den südeuropäischen
EWU-Ländern
Saldo der Leistungsbilanz in Mrd. EUR
30
Spanien
20
Italien
10
Portugal
Griechenland
0
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Deutsche Bundesbank
Dieser Überschuss ist allerdings von 37,7 Mrd. EUR im Jahr 2007 nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf 70,7 Mrd. EUR im vergangenen Jahr angestiegen. Fast
44 Mrd. EUR gehen dabei auf die USA zurück. Mit Asien hat sich in den letzten Jahren
sogar ein markanter Vorzeichenwechsel in der deutschen Leistungsbilanz ergeben.
Betrug das Leistungsbilanzdefizit mit Asien 2007 noch 22 Mrd. EUR, so ergab sich
2013 ein Überschuss von 34,9 Mrd. EUR. Gegenüber den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens mit ihrem Ölreichtum hat Deutschland einen Überschuss von 24,1 Mrd.
EUR. Noch überraschender ist, dass Deutschlands Leistungsbilanz gegenüber China
2013 mit 5,5 Mrd. EUR im Plus war, nachdem sie 2007 noch ein Defizit von 23,1 Mrd.
EUR auswies.
China ist heute einer der größten Handelspartner Deutschlands. Bei den deutschen
Exporten liegt China inzwischen auf Platz 5 der wichtigsten Partner, bei den Importen sogar auf Platz 2. Während die deutsche Wareneinfuhr aus China aber 2007 noch
um mehr als 80% die deutsche Warenausfuhr nach China übertraf, betrug der entsprechende Abstand 2013 gerade noch 7%.
Markante Veränderungen ergaben sich hierbei insbesondere seit 2010. Deutschland
importierte 2013 wertmäßig weniger Waren aus China als 2010 (-3,0 Mrd. EUR), exportierte aber deutlich mehr Waren nach China (+13,5 Mrd. EUR). Die Gründe für die
rückläufigen Importwerte aus China dürften vielschichtig sein. Mehr als ein Drittel
der Importgüter aus China sind Datenverarbeitungsgeräte, elektrische und optische
Erzeugnisse. Ihr Importwert sank von 2010 auf 2012 (Werte für 2013 noch nicht verfügbar) um rund ½ Mrd. EUR. Rückläufige Preise dürften hier eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die zweitwichtigste Gütergruppe bei den Importen aus China mit
einem Anteil von rund 10% ist Bekleidung. Ihr Importwert sank von 2010 auf 2012 um
0,2 Mrd. EUR. Wahrscheinlich spielen bei dieser Entwicklung abnehmende Kostenvorteile Chinas gegenüber anderen Emerging Market eine Rolle.
Zukünftig dürften sich nach unserer Einschätzung neben den Importen aus China
auch die deutschen Exporte nach China nur noch moderat entwickeln. Hierfür
spricht die zunehmende deutsche Automobilproduktion vor Ort und die wegen des
Umbaus des chinesischen Wirtschaftsmodells voraussichtlich gedämpfte Nachfrage
nach Investitionsgütern.
16
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Deutscher Warenhandel mit China ausgeglichener
In Mrd. EUR
80
Deutsche Einfuhren von China
60
Deutsche Ausfuhren nach China
40
20
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Statistisches Bundesamt.
Am Beispiel des deutschen Außenhandels mit China wird ersichtlich, wie vielfältig
die Einflussfaktoren auf die Entwicklung der deutschen Leistungsbilanz sind. Einfache Empfehlungen zum Abbau des Leistungsbilanzüberschusses wie „Deutschland
müsse seinen Konsum ankurbeln“ führen hier nicht weiter.
Die Einfuhr hat Anfang 2014 stärker noch als die Ausfuhr zugelegt. Die recht kräftige
Binnennachfrage dürfte auch im Verlauf von 2014 und 2015 zu einem weiter steigenden
Einfuhrvolumen führen. Im Jahresdurchschnitt 2014 erwarten wir einen Anstieg des
Einfuhrvolumens um 4,7%, im Jahr 2015 dann um 4,0%.
Infolge der rückläufigen Rohstoffpreise und des steigenden Euro haben sich die Termsof-Trade, das Preisverhältnis von Ausfuhren und Einfuhren 2013 und auch Anfang 2014
verbessert. Die Einfuhrpreise sind spürbar stärker gesunken als die Ausfuhrpreise. Dies
hat erhöhend auf den Außenhandelsüberschuss gewirkt. Wir rechnen damit, dass die
Tendenz zur Verbesserung der Terms-of-Trade im Verlauf dieses Jahres zwar ausläuft, im
Jahresdurchschnitt 2014 die Einfuhrpreise aber noch einmal moderat sinken, während
die Ausfuhrpreise in etwa stagnieren. Da zudem das Ausfuhrvolumen 2014 kräftig zunimmt, wird die Leistungsbilanz 2014 mit einem voraussichtlichen Überschuss von 213
Mrd. EUR (2013: 206 Mrd. EUR) einen neuen Höchststand erreichen. Im Jahr 2015 dürfte
der Überschuss infolge allmählich anziehender Importpreise und eines geringeren
Exportwachstums dann leicht sinken (2015: 198 Mrd. EUR).
2.3 Beschleunigte Expansion der Verbrauchsnachfrage
Der private Verbrauch nahm im vergangenen Jahr real um immerhin 0,9% zu, obgleich
die nominalen verfügbaren Einkommen mit 2,2% so mäßig expandierten wie seit 2009
nicht mehr. Ein rückläufiger Preisauftrieb und eine höhere Konsumneigung trugen zu
der verhältnismäßig positiven Entwicklung der realen Verbrauchsnachfrage bei.
In diesem Jahr ist eine weitere Kräftigung der Konsumnachfrage zu erwarten, da sich
eine Beschleunigung in der Einkommensentwicklung abzeichnet. Für die verfügbaren
Einkommen rechnen wir 2014 mit einem Zuwachs um 3,1% und 2015 sogar um 3,4%.
Angesichts eines moderaten Preisauftriebs von voraussichtlich 1,4% in diesem Jahr und
1,8% im nächsten Jahr, sind 2014 und 2015 jeweils Realeinkommensteigerungen von
17
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
reichlich 1,5% zu erwarten. Dies bietet die Grundlage für ein höheres Wachstum des
realen privaten Verbrauchs als in den vergangenen beiden Jahren.
Die Effektivverdienste je Arbeitnehmer, die 2013 lediglich um 2,2% zunahmen, werden in
diesem Jahr voraussichtlich um 2,6% und im nächsten Jahr um 3,3% ansteigen. Die stärkeren Zuwächse sind insbesondere auf eine Aufschwung bedingt positivere Lohndrift
zurückzuführen, im Jahr 2015 dürfte aber auch die Einführung des Mindestlohns eine
Rolle spielen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Konjunkturbericht 65, 12. März 2014) hat errechnet, dass eine flächendeckende Einführung
des Mindestlohns von 8,50 EUR je Stunde auf der Basis des Lohnniveaus und der Lohnstruktur 2012 den gesamtwirtschaftlichen Effektivlohn je Stunde um etwa 1% erhöht
hätte. Aufgrund der Lohnzuwächse seit 2012, der Möglichkeit Übergangsregelungen bis
2017 in Anspruch zu nehmen und der zu erwartenden Ausnahmeregelungen rechnen
Grafik 7
Lohnschichtung der Arbeitnehmer 2012
Kumulierte Anteile in %
18
16,8
16
14
11,3
12
10
8
5,2
6
4
3,2
2
0
unter 5 Euro
unter 6 Euro
unter 7,5 Euro
unter 8,5 Euro
Quelle: Hagen Lesch, Alexander Mayer, Lisa Schmidt, Das deutsche Mindestlohngesetz, IW policy paper 4/2014.
wir damit, dass es durch den Mindestlohn 2015 zu einer Erhöhung der Effektivverdienste
je Stunde um etwa 0,5% kommt. Der Effekt auf die Effektivverdienste je Arbeitnehmer
dürfte etwas höher ausfallen, da Beschäftigungseinbußen im überdurchschnittlichen
Maße bei geringfügig Beschäftigten zu erwarten sind. Die Summe der Bruttoarbeitseinkommen nimmt nach unseren Schätzungen 2014 um 3,4% und 2015 um 3,9% zu nach
3,0% im vergangenen Jahr. Die Summe der Nettoarbeitseinkommen dürfte mit 3,3% in
diesem Jahr und 3,2% im nächsten Jahr allerdings insbesondere infolge der kalten Progression und der 2015 zu erwartenden Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung etwas weniger steigen als die der Bruttoverdienste.
Die Entwicklung der monetären Sozialleistungen wird 2014 und 2015 von einer ganzen
Reihe von Faktoren beeinflusst. Insgesamt steigen sie aber infolge der Leistungsausweitungen für Rentner wieder stärker. Wir schätzen den Zuwachs der monetären Sozialleistungen 2014 auf 2,5% und 2015 auf 3,4% nach 1,3% in 2012 und 2,1% in 2013. Die Mütterrente und der abschlagfreie Renteneintritt mit 63 nach 45 Beitragsjahren führen zu
zusätzlichen Leistungen von reichlich 4 Mrd. EUR in diesem und rund 9 Mrd. EUR im
nächsten Jahr. Ausgaben dämpfend bei den monetären Sozialleistungen wirken die
Verringerung der generellen Rentenerhöhung 2015 um 0,8 Prozentpunkte infolge des
Verzichts auf die Senkung des Rentenbeitragssatzes, der Rückgang der Arbeitslosigkeit
18
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Grafik 8
Deutschland: Einkommen der privaten Haushalte steigen 2014 und 2015
wieder stärker
Veränderung gegen Vorjahr in %
7
Nettolöhne und -gehälter
Monetäre Sozialleistungen
Betriebsüberschuss,
Selbständigen- und
Vermögenseinkommen
verfügbare Einkommen
6
5
4
3
3,9
2,8
3,4
3,3 3,2
2,1
2
1,3
3,0
2,5
1,5
1,9
3,5
3,1
3,4
2,3 2,2
1
0
-1
-2
2012
2013
2014
2015
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Prognosen.
und geringere Ansprüche an Sozialleistungen infolge der Einführung des Mindestlohns.
Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, die in den beiden vergangenen Jahren mit 1,5% bzw. 1,9% nur mäßig gestiegen sind, dürften infolge der besseren
Konjunktur wieder stärker expandieren. Wir rechnen 2014 mit einem Zuwachs um 3,0%
und 2015 um 3,5%.
Der zu erwartende Anstieg der Realeinkommen wird sich voraussichtlich in einem entsprechenden Zuwachs des realen Verbrauchs niederschlagen, da wir keine nennenswerten Veränderungen der Sparquote erwarten (2013: 10,0%, 2014: 10,1%, 2015: 10,1%). Der
reale private Verbrauch dürfte 2014 um 1,5% und 2015 um 1,6% zunehmen
2.4. Ausrüstungsinvestitionen auf Erholungskurs
Der Rückgang der Investitionstätigkeit ist gestoppt. Seit nunmehr drei Quartalen nehmen die (saisonbereinigten) Ausrüstungsinvestitionen wieder zu. Dennoch gab es im
Jahresdurchschnitt 2013 nochmals einen Rückgang bei den Investitionen in Ausrüstungen um 2,4%.
Die steigende Kapazitätsauslastung, die sehr günstigen Finanzierungsbedingungen und
die gute Ertragslage der Unternehmen sprechen klar für eine weitere konjunkturelle
Erholung der Investitionstätigkeit. Unternehmensumfragen signalisieren auch positive
Geschäftserwartungen und eine deutlich verbesserte Beurteilung der Geschäftslage. Mit
der Entspannung in der europäischen Staatsschuldenkrise hat sich auch ein erheblicher
Unsicherheitsfaktor für die wirtschaftlichen Perspektiven vermindert. Inwieweit die
Russland/Ukraine-Krise neue Unsicherheiten erzeugt, die die Investitionsneigung dämpfen, ist derzeit noch schwer zu beurteilen. Im aus unserer Sicht wahrscheinlichen Fall
keiner weiteren größeren Eskalation sehen wir die Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit als sehr begrenzt an.
19
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Grafik: 9
Deutschland: Investitionen stabilisieren sich
140
9,0
Ausrüstungsinvestitionen 2000=100 in
Vorjahrespreisen (rechte Skala)
8,5
8,0
6,5
P
120
R
110
O
100
G
7,5
7,0
130
N
O
Anteil der
Ausrüstungsinvestitionen am BIP
in % (linke Skala)
90
80
S
70
E
60
50
40
6,0
Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3 Q1 Q3
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Prognosen.
Von daher erwarten wir in diesem Jahr mit 5,6% und im nächsten Jahr mit 4,6% eine
deutliche Ausweitung der Investitionen in Ausrüstungsgüter. Dennoch wird auch Ende
2015 der Anteil der Ausrüstungsinvestitionen am BIP mit 6,8% noch leicht unter dem
durchschnittlichen Anteil seit dem Jahr 2000 (7,2%) liegen. Die Investitionsschwäche ist
trotz der aktuellen Aufwärtstendenz nicht überwunden. Nach wie vor wird Deutschlands
hohe Sparkraft nicht durch entsprechende Investitionen im eigenen Land absorbiert,
sondern zu einem beachtlichen Teil exportiert.
2.5 Bau weiter im Aufwind
Die Bauinvestitionen, die im vergangenen Jahr mit 0,1% nur minimal expandierten,
werden in diesem und im nächsten Jahr wieder deutlich kräftiger zunehmen. Hierfür
spricht, dass die Perspektiven in allen drei Bereichen des Baus – Wohnungsbau, Gewerblicher Bau und Öffentlicher Bau – inzwischen günstig sind.
Der Wohnungsbau bleibt im Aufwärtstrend. Die Wohnungsbauinvestitionen haben
nunmehr bereits im vierten Jahr in Folge zugenommen. Auch 2014 und 2015 ändert sich
an dieser positiven Tendenz voraussichtlich nichts. Der beachtliche Zuwachs bei den
Baugenehmigungen für Wohnungen im Jahr 2013 um 12,9% ist eine Voraussetzung für
eine weitere Ausweitung der Bautätigkeit. Wir rechnen 2014 mit einem realen Wachstum
der Wohnungsbauinvestitionen um 3,8% und 2015 um 2,5%.
Die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau sind außergewöhnlich günstig. Die
Hypothekenzinsen sind nach wie vor sehr niedrig, die Einkommensperspektiven der
Haushalte sind deutlich besser als noch vor einigen Jahren, die Zuwanderung aus dem
Ausland erhöht den Wohnraumbedarf und renditeorientierte Bauherren erzielen mit
den aktuellen Mietrenditen deutlich höhere Erträge als bei vielen anderen Anlageformen.
So stiegen 2013 die Baugenehmigungen für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, bei
denen Renditeaspekte häufig eine Rolle spielen, um außergewöhnliche 22,3%. Allerdings
dürfte die Einführung einer „Mietpreisbremse“ diese Dynamik abschwächen. Gegen allzu
hohe Zuwächse bei den Wohnungsbauinvestitionen spricht zudem die hohe Geräteauslastung im Bau, die auf näher rückende Kapazitätsgrenzen hinweist.
Der gewerbliche Bau, der in den vergangenen beiden Jahren jeweils leicht schrumpfte,
sollte 2014 wieder auf einen Expansionspfad zurückkehren. Die steigende Kapazitätsaus20
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
lastung der Unternehmen dürfte in diesem Zusammenhang der entscheidende Auslöser
für eine Wende zum Positiven sein. Generell ist mit dem Abebben der Unsicherheiten
infolge der europäischen Schuldenkrise mit einer höheren Bereitschaft zu Erweiterungsinvestitionen zu rechnen. Die realen gewerblichen Bauinvestitionen steigen nach unseren Schätzungen in diesem Jahr um 1,8% und 2015 um 3,3%.
Die öffentlichen Bauinvestitionen haben seit dem zweiten Quartal 2013 kräftig zugenommen. Eine verbesserte Finanzlage der Gemeinden und die Aufbaumaßnahmen der
Fluthilfe dürften die wesentlichen Gründe sein. Mittel des Fluthilfefonds werden auch
noch in diesem Jahr zur Belebung des öffentlichen Baus beitragen. Die angekündigte
Aufstockung der Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur sowie Kitas, Schulen und Hochschulen werden sich voraussichtlich überwiegend erst im Jahr 2015 positiv auf die öffentliche Bautätigkeit auswirken. Wir rechnen bei den realen öffentlichen Bauinvestitionen 2014 mit einem Zuwachs um 7,0% und 2015 um 3%.
Insgesamt dürfen die realen Bauinvestitionen 2014 um 3,6% und 2015 um 2,7% ansteigen.
2.6 Moderate Beschleunigung des Preisauftriebs
Seit dem Herbst 2013 liegt der Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland nun schon
unter 1,5%. Zuletzt stiegen die Preise im Februar 2014 um 1,2% und im März 2014 sogar
nur um 1,0%. Als eine Ursache für diese disinflationäre Entwicklung lassen sich Energiepreise ausmachen, die mit einem Gewicht von 11% im Warenkorb im Februar 2014 um
1,6% gegenüber dem Vorjahresmonat sanken. So sind insbesondere die Preise von Mineralölprodukten wie Kraftstoffe und leichtes Heizöl deutlich zurückgegangen. Hingegen
nahmen die Preise von Nahrungsmitteln im gleichen Zeitraum um 2,2% zu.
Von der außenwirtschaftlichen Seite gehen erhebliche preisdämpfende Effekt aus. Im
Februar 2014 waren die Einfuhrpreise um 2,7% niedriger als im Vorjahresmonat, womit
sich der seit zwei Jahren andauernde Rückgang der Einfuhrpreise fortsetzte. Auch hier
sind fallende Energiepreise als eine Ursache zu betrachten (Februar 2014: -8,1%). Ein
relativ starker Außenwert des Euro und eine lediglich moderat anziehende Weltkonjunktur sind dafür maßgeblich verantwortlich.
Grafik: 10
Deutschland: Verbraucherpreisindex
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
4,0
P
3,0
Gesamtindex
R
O
2,0
G
N
1,0
O
ohne Energie
S
0,0
-1,0
2006
E
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Prognosen.
21
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Im Jahr 2014 prognostizieren wir einen Anstieg der Verbraucherpreise von 1,4%. Dabei
dürfte der Anstieg in der zweiten Jahreshälfte etwas höher sein als in der ersten, da nach
unserer Einschätzung kein weiterer Rückgang der Energiepreise zu erwarten ist. Von
binnenwirtschaftlicher Seite dürften 2014 geringe Teuerungsimpulse ausgehen. Dies ist
in erster Linie auf eine noch gemäßigte Entwicklung der Lohnstückkosten – dem Arbeitnehmerentgelt je produzierter Einheit – zurückzuführen. Ein ausgeprägter Zuwachs des
Arbeitsnehmerentgelts (Summe der Bruttolöhne und -gehälter plus Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber) von 3,4% führt dank eines realen Wirtschaftswachstums
von 2,0% zu einem Lohnstückkostenanstieg von lediglich 1,4%. Bei den Energiepreisen ist
2014 nur mit einer leichten Teuerung zu rechnen. Während wir von einem jahresdurchschnittlichen Ölpreis auf heutigem Niveau in Höhe von 105-110 US-Dollar pro Barrel
ausgehen, erwarten wir für die Stromkosten in Deutschland nicht zuletzt wegen der
Anhebung der EEG-Umlage einen weiteren Anstieg.
Im Jahr 2015 rechnen wir mit einer wieder etwas stärkeren Zunahme der Verbraucherpreise in Höhe von 1,8%. Diese Entwicklung wird insbesondere von einem spürbaren
Anstieg der Lohnstückkosten angetrieben werden. So führt ein erwarteter Zuwachs des
Arbeitseinkommens von 3,9% in Kombination mit einem realen Wirtschaftswachstum
von 1,6% zu einer Lohnkostensteigerung je Produktionseinheit von 2,3%. Dabei fällt die
Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1.1.2015 ins Gewicht, die unseren
Einschätzungen zufolge 2015 alleine einen Anstieg der Arbeitskosten von etwa einem
halben Prozent verursachen wird. Von außenwirtschaftlicher Seite sind 2015 – im Unterschied zu 2014 – leicht preissteigernde Effekte zu erwarten. So dürfte sich insbesondere
eine moderate Teuerung bei Energieprodukten, aber auch bei anderen Importgütern,
ergeben.
2.7 Besserung am Arbeitsmarkt hält zunächst an
Der positive Trend der letzten Jahre am deutschen Arbeitsmarkt setzte sich Anfang
dieses Jahres fort. So waren im Januar 2014 saisonbereinigt erstmals mehr als 42 Millionen Menschen erwerbstätig. Im Februar 2014 stieg die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 315 Tausend, was einer Zunahme von 0,8% entspricht. Gleichzeitig reduzierte sich die Zahl der Erwerbslosen (nach Definition der
Internationalen Arbeitsorganisation) im gleichen Zeitraum um 200 Tausend Personen,
so dass die Quote nun saisonbereinigt bei 5,1% steht. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote (gemäß Definition der Bundesagentur für Arbeit) betrug im März 2014 noch 6,7%
und damit 0,2 Prozentpunkte weniger als im Vorjahresmonat. Bei der Arbeitslosenquote
werden im Unterschied zur Erwerbslosenquote auch Personen eingerechnet, die geringfügig beschäftigt sind (mit weniger als 15 Stunden in der Woche), sowie Personen, die
zukünftig arbeiten wollen aber zuletzt nicht aktiv gesucht haben.
Dass die Zunahme der Erwerbstätigenzahl nicht mit einer Abnahme der Erwerbs- und
Arbeitslosenzahl in gleichem Umfang einhergeht, lässt sich durch einem Zuwachs an
erwerbsfähigen Menschen erklären. So verzeichnete Deutschland im Jahr 2012 einen
positiven Einwanderungssaldo von knapp 370 Tausend Menschen. Außerdem steigt die
Erwerbsbeteiligung von Älteren schon seit vielen Jahren kontinuierlich an, was sich
positiv auf die Beschäftigung auswirkt. So waren 2012 rund die Hälfte der 60- bis 64jährigen am Arbeitsmarkt aktiv, während es zehn Jahre zuvor lediglich gut ein Viertel
waren.
22
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Grafik 11
Deutschland: Erwerbstätige und Arbeitslose
In Millionen
4,2
42,4
42,1
41,8
Erwerbstätige
(linke Skala)
P
R
3,8
O
3,6
41,5
G
41,2
N
40,9
40,6
Arbeitslose
(rechte Skala)
3,4
O
3,2
S
3,0
E
40,3
4,0
40,0
2,8
2,6
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Quellen: EcoWin, eigene Prognosen.
Eine spezifische Betrachtung zeigt allerdings, dass sich die Besserung am Arbeitsmarkt
nicht auf alle Branchen gleichmäßig verteilt. So verzeichneten die Wirtschaftlichen
Dienstleistungen zuletzt den größten Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung mit einem Anstieg von rund 98 Tausend Beschäftigten relativ zum Vorjahresmonat, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen mit einem Plus von 81 Tausend.
Im Verarbeitenden Gewerbe nahm die Zahl der Beschäftigten mit 49 Tausend auch noch
recht deutlich zu, während sie in der Finanzbranche sogar stagnierte.
Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt wird sich im Verlauf von 2014 aller Voraussicht nach fortsetzen. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im Jahresverlauf 2014 um knapp
150 Tausend sinken, im Jahresdurchschnitt rechnen wir mit einem Rückgang um knapp
90 Tausend auf 2,86 Millionen Personen. Wesentlich größer als die Abnahme der Arbeitslosigkeit ist 2014 in absoluter Betrachtung erneut der Zuwachs bei der Beschäftigung, da
die hohe Zuwanderung aus dem Ausland anhalten dürfte. Wir erwarten einen Beschäftigungszuwachs von gut 300 Tausend Personen sowohl im Jahresverlauf als auch im
Jahresdurchschnitt 2014.
Für das Jahr 2015 sehen wir keine so günstigen Perspektiven mehr am Arbeitsmarkt wie
in diesem Jahr. Die Einführung des Mindestlohns dürfte den Beschäftigungsanstieg
spürbar dämpfen. Bei der Anzahl der geringfügig Beschäftigten wird es voraussichtlich
sogar zu Rückgängen kommen. Wir erwarten im Verlauf von 2015 lediglich noch einen
Beschäftigungszuwachs von 100 Tausend Personen und damit rund 100 Tausend weniger Beschäftigte als ohne Einführung des Mindestlohns. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte
im Verlauf von 2015 stagnieren, im Durchschnitt 2015 sind dann rund 2,80 Millionen
Menschen arbeitslos.
2.8 Leichter Überschuss im Staatshaushalt
Der deutsche Staatshaushalt, der in den vergangenen beiden Jahren einen leichten
Überschuss verzeichnete, wird voraussichtlich auch 2014 und 2015 schwarze Zahlen
schreiben. Wir erwarten einen Überschuss von reichlich 4 Mrd. EUR in diesem Jahr und
rund 5 Mrd. EUR im nächsten Jahr.
23
Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Die staatlichen Einnahmen dürften konjunkturbedingt weiterhin kräftig sprudeln. Dabei
ist der Zuwachs bei den Steuereinnahmen 2014 leicht gedämpft durch die Erhöhung des
Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer. Durch die entfallene Senkung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung in diesem Jahr und die geplante Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung im nächsten Jahr nehmen die Einnahmen aus Sozialbeiträgen 2014 und insbesondere 2015 kräftig zu. Insgesamt rechnen wir damit, dass die
staatlichen Einnahmen 2014 um 3,2% und 2015 um 3,4% steigen, nach 2,5% im vergangenen Jahr.
Die staatliche Ausgabendisziplin ist spürbar gesunken. Nachdem sich die staatlichen
Ausgaben in den vergangenen drei Jahren kumuliert lediglich um 2,4% erhöht haben,
nehmen sie innerhalb von zwei Jahren – 2014 und 2015 – kumuliert schätzungsweise um
6,4% zu. Das Rentenpaket 2014 (Mütterrente, Renteneintritt mit 63, Erwerbsminderungsrenten) wird den Zuwachs bei den monetären Sozialleistungen deutlich beschleunigen.
Hohe Ausgabenzuwächse sind weiterhin bei den sozialen Sachleistungen zu erwarten,
hierzu trägt insbesondere auch die Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung bei.
Ebenfalls mit höheren Ausgabensteigerungen als in den vergangenen Jahren ist beim
Arbeitnehmerentgelt zu rechnen. Dämpfend auf die Dynamik der Staatsausgaben wirken
die nochmals leicht sinkenden Zinsausgaben. Ingesamt kalkulieren wir den Zuwachs der
staatlichen Ausgaben 2014 mit 2,9% und 2015 mit 3,4%.
Damit entwickeln sich die staatlichen Einnahmen und Ausgaben zwar weitgehend im
Einklang, angesichts der steigenden und 2015 voraussichtlich überdurchschnittlichen
gesamtwirtschaftlichen Auslastung wäre bei stärkerer Ausgabendisziplin aber ein höherer Überschuss im Staatshaushalt möglich. Im Hinblick auf eine strikte Haushaltskonsolidierung wäre dies auch sinnvoll, da haushaltsbelastende Konjunkturrückschläge nicht
auszuschließen sind.
Deutschland: Einnahmen und Ausgaben des Staates
in Mrd. Euro
Einnahmen
darunter:
Steuern
Sozialbeiträge
Ausgaben
darunter:
Vorleistungen
Arbeitnehmerentgelt
Geleistetes Vermögenseinkommen (Zinsen)
Subventionen
Monetäre Sozialleistungen
Soziale Sachleistungen
Sonstige laufende Transfers
Bruttoinvestitionen
Finanzierungssaldo
nachrichtlich:
1)
Staatsquote
1)
Finanzierungssaldo
2010
2011
2012
2013
1089,8
1157,2
1193,8
549,9
421,2
1194,1
592,8
437,0
1178,7
121,7
195,7
63,5
28,8
430,2
203,0
53,5
41,6
-104,3
126,5
199,5
65,7
27,2
425,8
207,5
53,8
43,6
-21,5
47,9%
-4,2%
45,2%
-0,8%
2)
2)
2014
2015
1223,4
1262,9
1306,3
617,7
448,9
1191,5
636,4
459,1
1223,1
658,0
474,7
1258,6
679,1
494,6
1301,3
130,9
203,8
63,8
24,6
430,3
213,1
57,1
41,4
2,3
135,2
208,4
59,1
25,7
440,1
223,9
65,9
42,8
0,3
139,5
214,2
57,3
25,7
452,0
232,8
68,3
46,2
4,3
143,9
221,5
57,3
25,7
468,2
242,1
70,4
49,0
4,9
44,7%
0,1%
1)
in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen.
2)
Prognosen basierend auf den für 2014 und 2015 beschlossenen Änderungen bei Steuern, Sozialausgaben und Staatsausgaben.
44,7%
0,0%
44,4%
0,2%
44,6%
0,2%
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Prognosen.
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Economic Research
Working Paper / Nr. 173 / 08.04.2014
Die Einschätzungen stehen wie immer unter den nachfolgend angegebenen Vorbehalten.
ÜBER DIE ALLIANZ GRUPPE
Die Allianz ist zusammen mit ihren Kunden und Vertriebspartnern eine der stärksten Finanzgemeinschaften.
Mehr als 83 Millionen von der Allianz versicherten Privat- und Unternehmenskunden setzen auf Wissen, globale
Reichweite, Kapitalkraft und Solidität der Allianz, um finanzielle Chancen zu nutzen, Risiken zu vermeiden und
sich abzusichern.
2013 erwirtschafteten rund 148.000 Mitarbeiter in über 70 Ländern einen Gesamtumsatz von 110,8 Milliarden Euro
und erzielten ein operatives Ergebnis von 10,1 Milliarden Euro. Die Leistungen an Kunden summierten sich auf
93,9 Milliarden Euro.
Dieser Geschäftserfolg mit Versicherungs-, Asset Management- und Assistance-Dienstleistungen fußt zunehmend
auf dem Kundenbedarf nach krisenfesten Finanzlösungen für die alternde Gesellschaft und die
Herausforderungen des Klimawandels. Transparenz und Integrität sind wesentliche Elemente einer nachhaltigen
Unternehmensführung der Allianz SE.
VORBEHALT BEI ZUKUNFTSAUSSAGEN
Soweit wir in diesem Dokument Prognosen oder Erwartungen äußern oder die Zukunft betreffende Aussagen
machen, können diese Aussagen mit bekannten und unbekannten Risiken und Ungewissheiten verbunden sein.
Die tatsächlichen Ergebnisse und Entwicklungen können daher wesentlich von den geäußerten Erwartungen und
Annahmen abweichen.
Neben weiteren hier nicht aufgeführten Gründen können sich Abweichungen aufgrund von (i) Veränderungen der
allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Wettbewerbssituation, vor allem in Allianz Kerngeschäftsfeldern und märkten, (ii) Entwicklungen der Finanzmärkte (insbesondere Marktvolatilität, Liquidität und Kreditereignisse),
(iii) dem Ausmaß oder der Häufigkeit von Versicherungsfällen (zum Beispiel durch Naturkatastrophen) und der
Entwicklung der Schadenskosten, (iv) Sterblichkeits- und Krankheitsraten beziehungsweise -tendenzen, (v)
Stornoraten, (vi) insbesondere im Bankbereich, der Ausfallrate von Kreditnehmern, (vii) Änderungen des
Zinsniveaus, (viii) Wechselkursen, einschließlich des Euro/US Dollar-Wechselkurses, (ix) Gesetzes- und sonstigen
Rechtsänderungen, insbesondere hinsichtlich steuerlicher Regelungen, (x) Akquisitionen, einschließlich
anschließender Integrationsmaßnahmen, und Restrukturierungsmaßnahmen, sowie (xi) allgemeinen
Wettbewerbsfaktoren ergeben. Terroranschläge und deren Folgen können die Wahrscheinlichkeit und das
Ausmaß von Abweichungen erhöhen.
KEINE PFLICHT ZUR AKTUALISIERUNG
Die Gesellschaft übernimmt keine Verpflichtung, die in dieser Meldung enthaltenen Informationen und
Zukunftsaussagen zu aktualisieren, soweit keine gesetzliche Veröffentlichungspflicht besteht.
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