Inhaltsverzeichnis - Liebfrauenschule Sigmaringen
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Inhaltsverzeichnis - Liebfrauenschule Sigmaringen
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung S. 1- 2 1.1 Begriffserklärung ‚authentisch’ S. 3- 4 2. Katholische Jugendarbeit in der DDR S. 5 2.1 Verhältnis Kirche – Staat 2.1.1 Religion und Sozialismus S. 5- 6 S. 6 2.2 Die Jugendweihe 2.2.1 Die Jugendweihe als Instrument im Kampf S. 7 zwischen Kirche und Staat S. 7- 9 2.2.2 Die Reaktion der Kirche auf die Jugendweihe 2.3 Was die katholische Jugendarbeit im Kern hat 2.4 Nachteile der Katholiken 2.5 Interviews in Berlin 2.5.1 Pfarrsekretärin S.10-14 ausgemacht S.14-16 2.5.2 Pfarrer 2.6 Kirche und Staat im Kampf um Jugendliche S.16-17 S.17 S.17-19 S.19 S.20 2.7 Ziele katholischer Jugendarbeit 3. Katholische Jugendarbeit in der BRD S.20-21 S.22 3.1 Anfänge der katholischen Jugendarbeit S.22 3.2 Aufgaben katholischer Jugendarbeit S.22-24 3.3 Veränderungen in der katholischen Jugendarbeit S.24 4. Katholische Jugendarbeit im wiedervereinigten Deutschland S.26 4.1 Kirche nach der Wiedervereinigung S.26-27 4.2 Kirche und Jugend im vereinigten Deutschland S.28-29 4.3 Verhältnis Kirche – Staat S.29-31 4.4 Religion in unserer Gesellschaft S.31-32 4.5 Persönliche Erfahrungen in der katholischen Jugendarbeit S.33 5. Vergleich der katholischen Jugendarbeit in der DDR, BRD und im wiedervereinigten Deutschland 6. Ergebnis S. 35 S.36-38 1. Einleitung Im Folgenden untersuche ich, ob die Katholische Kirche in der Zeit der Unterdrückung durch den SED-Staat authentischer war als in der BRD und heute. Dies untersuche ich anhand der katholischen Jugendarbeit in der DDR, BRD und im wiedervereinigten Deutschland. Jugendarbeit beschreibt die öffentliche Freizeitarbeit mit Jugendlichen. Zur Jugendarbeit können alle nicht kommerziellen Maßnahmen gerechnet werden, in denen Heranwachsende außerhalb von Schule und Familie sowie betrieblichen Bildungsstätten die Möglichkeit auf sinnvolle Freizeitgestaltung und Weiterbildung erhalten. Träger dieser Angebote sind außerhalb der öffentlichen Hand vor allem auch Kirchen sowie Jugend- und Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften. Da die Menschen in der DDR der Überwachung durch den Staat fast vollkommen ausgeliefert waren, gestaltete sich kirchliche Jugendarbeit in der SBZ/DDR äußerst widerspruchsvoll. Die staatlichen Instanzen verhielten sich wechselhaft und unterschiedlich. Je nach politischer Wetterlage wurde kirchliche Jugendarbeit bald zugelassen, toleriert, geduldet, dann wieder verteufelt, verboten, in Schranken verwiesen. Dennoch haben sich einige Gläubige dem Staat widersetzt und sind ihrem Glauben auch in dieser schweren Zeit treu geblieben. Die Menschen in der BRD kannten dieses Problem nicht, da diese vom Pluralismus geprägt war und es sowohl mehrere Parteien als auch Konfessionen gab. In der BRD musste sich kein Mitglied der Katholischen Kirche in der Öffentlichkeit verstecken. Zu Beginn der Arbeit zeige ich meine Begriffserklärung von „authentisch“ auf, um meine Ergebnisse für den Leser besser nachvollziehen zu können. Darauf folgt eine Übersicht von den Zielen, Aufgaben und Angeboten der katholischen Jugendarbeit in der DDR. Im Besonderen werde ich hierbei auf das schwierige Verhältnis zwischen der Kirche und dem Staat in der DDR eingehen. Dies soll einen tieferen Einblick in das Leben eines Christen aufzeigen und später für die Beantwortung der Fragestellung dienen. Um einen Vergleich anstellen zu können, betrachte ich ebenfalls die Ziele, Aufgaben und Angebote der katholischen Jugendarbeit in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland. 1 Die unterschiedlichen Formen der katholischen Jugendarbeit in der DDR, BRD und im wiedervereinigten Deutschland betrachte ich im jeweiligen Kapitel unter dem Aspekt, ob die Katholische Kirche authentisch war/ ist. Diese Zusammenfassungen führen schließlich zu einem Vergleich, aus dem ein Ergebnis hervorgeht. Man muss jedoch beachten, dass ich mich zwar konkret auf die Fragestellung beziehe, aber bei längerer Beschäftigung mit diesem Thema immer noch mehr Erkenntnis dazukommt, was zu tiefer greifenden Ergebnissen führt. 2 1.1 Begriffserklärung ‚authentisch‘ Der Begriff ‚authentisch’ lässt einen enorm großen Interpretationsraum. In der Philosophie wird der Begriff der ‚Authentizität’ meist als Synonym für ‚Wirklichkeit’, ‚Wahrhaftigkeit’ oder ‚Ehrlichkeit’ benutzt. Jedoch lassen sich diese Wörter natürlich unter verschiedenen Aspekten betrachten. Einige dieser Aspekte sind vielmehr persönliche Entscheidungen, die jeder Einzelne für sich zu fällen hat. Die Wahrnehmungen gehen auseinander, nicht jeder findet dasselbe authentisch. Jeder dieser Aspekte hat seine Berechtigung, keiner ist besser oder schlechter. Denn die „Authentizität bezeichnet im Grund genommen eine kritische Qualität von Wahrnehmungsinhalten, die den Gegensatz von Schein und Sein als Möglichkeit zu Täuschung und Fälschung voraussetzt. Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden.“1 Differenzen bei der Unterscheidung zwischen dem Authentischen und dem vermeintlich Echten können aufgrund eines unterschiedlichen Selbsterkenntnisses und Weltbildes herrühren. Der bekannte Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm hat das Buch „Authentisch leben“ verfasst. Seine Kernaussage ist die, dass wir nur dann zu einem glücklichen und erfüllten Leben finden, wenn wir authentisch leben. Laut Fromm geschieht das, wenn wir aus uns selbst heraus leben und Entscheidungen treffen, und nicht bloß die Erwartungen von außen erfüllen. Erich Fromm hat früh erkannt, was Menschen verlieren, wenn sie sich in den vielen inszenierten Wirklichkeiten verirren - sie riskieren Langeweile, Depressionen und flüchten in Scheinwirklichkeiten. Authentisch sein ist zu wissen, was die eigene Person ausmacht und sich nicht von außen leiten zu lassen und erkennen zu können, wo genau die Qualitäten in unseren Mitmenschen liegen. Die Sehnsucht nach dem was authentisch ist, ist in der heutigen Gesellschaft vielleicht größer als je zuvor. Damit wir also unser Leben authentisch leben können, müssen wir aus uns selbst heraus leben und selbst Entscheidungen treffen und nicht nur die Erwartungen von außen erfüllen. Dabei kommen natürlich Fragen auf, z.B. wie man anders als die anderen sein kann, ohne an diesem Anders-Sein zu leiden. 1 http://de.wikipedia.org/wiki/Authentizit%C3%A4t#Formen_von_Authentizit.C3.A4t; entnommen am 19.Mai 2010 um 11:42Uhr 3 Die Katholische Kirche ist dann authentisch, wenn die Menschen, die sich dort engagieren und Mitglied sind, authentisch sind. Dabei ist es wichtig sich nicht von äußeren Einflüssen leiten zu lassen. Das Sein und der Schein der Katholischen Kirche müssen übereinstimmen, wenn dies verloren geht, dann kann die Katholische Kirche nicht mehr authentisch auf die Menschen wirken. Besonders hervorgehoben wird die Authentizität der Katholischen Kirche durch öffentliche Bekenntnisse der Gläubigen. In der DDR haben viele Menschen Nachteile in Kauf genommen, nur um in ihrem Glauben leben zu können. Für diese Menschen war die Katholische Kirche authentisch, denn sonst hätten sie nicht ein solches Laster auf sich genommen. Sie haben sich getroffen und waren für einander da. Sie haben eine Gemeinschaft im Namen Gottes gegründet, in der sie sich wohl fühlten. 4 2. Katholische Jugendarbeit in der DDR 2.1 Verhältnis Kirche – Staat Zuerst muss der Blick auf die Tatsache gelenkt werden, dass die ehemalige Deutsche Demokratische Republik ein kommunistisches Regime war, das aus einer größtenteils evangelischen Bevölkerung bestand. Während des Bestehens der DDR sank die Zahl der Katholiken stetig, waren 1950 noch 10% der Bevölkerung katholisch, waren es 1989 lediglich noch 5%. Die Katholische Kirche konnte sich in der DDR nicht als Kirche im Sozialismus definieren. In den verschiedenen Weltanschauungen von Kirche und Staat fand man die grundsätzliche Verschiedenheit der beiden Instanzen. Eine Zusammenarbeit mit dem sozialistischen Staat schloss die Katholische Kirche von Vornherein aus – so erklärte sich auch die Tatsache, dass die Katholische Kirche die DDR nicht als Staat anerkannte, was andere Staaten sehr wohl taten. Obwohl in Berlin alles geteilt wurde, blieb das katholische Bistum in Berlin eine Ausnahme – es wurde nicht geteilt. Es gab eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat. Laut Verfassung der DDR war die Religionsfreiheit gewährleistet und wurde formal auch gewährt. Allerdings wurde schon bald der Religionsunterricht an den Schulen abgeschafft. Die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat gab es nicht. Außerdem richtete der Staat das so genannte ‚Staatssekretariat für Kirchenfragen‘ ein. Die Staatssekretäre in zeitlicher Reihenfolge waren: Werner Eggerath, Hans Seigewasser, Klaus Gysi und Kurt Löffler. Während der Wendezeit, um genau zu sein von November 1989 bis April 1990, war Lothar de Maizière der Minister für Kirchenfragen. Um vor allen Dingen Jugendliche vom Atheismus zu überzeugen, kam es in der Anfangszeit der DDR zu direkter staatlicher Verfolgung von Christen. In ein paar Einzelfällen wurden sogar junge Menschen inhaftiert. 5 In der Schule wurden die Kinder und Jugendlichen atheistisch erzogen. Die Lehrer brachten ihnen die Grundlehren des Marxismus-Leninismus bei. Die Religion wurde im Unterricht teilweise als lächerlich dargestellt und christliche Kinder und Jugendliche waren nicht selten die Außenseiter. Der Staat unternahm in den 60er Jahren relativ drastische Maßnahmen und sprengte oder trug einige kriegsbeschädigte Kirchen ab. Darunter waren die St. Marienkirche in Wismar, die Sophienkirche in Dresden, die Universitätskirche in Leipzig und die Garnisonkirche in Potsdam. Das Ziel die Größe der Katholiken minimal zu halten, wurde in den 40 Jahren nie aus den Augen verloren. 1 2.1.1 Religion und Sozialismus Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) versuchte in der DDR die Idee vom Kommunismus zu verwirklichen. Die Idee vom Kommunismus wurde von Karl Marx und Friedrich Engels entwickelt. Marx sagte, dass die Welt von ständigen Klassenkämpfen geprägt ist und Klassenkämpfe sind nur dann möglich, wenn es Klassen gibt. Beide wollten die Überwindung von Klassengesellschaften durch den revolutionären Umbau der Gesellschaft. Sie hatten das Ziel von einer klassenlosen Gesellschaft vor Augen. Durch eine klassenlose Gesellschaft könne der Einzelne zu einem eigenständigen Individuum heranreifen und sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Nach der marxistischen Ideologie galt die Religion als ein Macht- und Unterdrückungsinstrument der Herrschenden. Die Jenseitsorientierung mache den Menschen zu einem schicksalsergebenen und unselbstständigen Wesen. 2 1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Christen_und_Kirche_in_der_DDR; entnommen am 09. Februar um 08: 22Uhr 2 Vgl. http://www.lehrer-online.de/382224.php Dana Schieck (28.11.2003);entnommen am 09. Februar 2010 um 08:18Uhr 6 2.2 Die Jugendweihe 2.2.1 Die Jugendweihe als Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat Die Schulpolitik der SED reichte noch nicht aus um die ganze christliche Jugendarbeit zu neutralisieren. Mit der ‚Jugendweihe‘ war ein neues Instrument für die ideologische Erziehung der Jugend geschaffen. Der „Zentrale Ausschuss für Jugendweihe in der DDR“ hatte den Vorteil, dass sie unabhängig waren, sprich sie waren auf keine staatliche Unterstützung angewiesen und ebenso wenig an parteiliche Anweisungen gebunden. Die Jugendweihe stellte eine grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat dar. Der vorherrschende Konflikt zwischen Staat und Kirche in der ehemaligen DDR fand wohl ihren Anfang in dem Aufruf des Zentralen Ausschusses für Jugendweihen am 12. November 1954 und dieser Konflikt konnte bis zum Ende der DDR nicht gelöst werden.1 Dort hieß es „In jedem Jahr beginnen viele junge Menschen nach dem Verlassen der Schule einen neuen Lebensabschnitt. Ihr Wunsch und der Wunsch der Eltern ist es, diesen bedeutungsvollen und schönen Schritt im Leben festlich zu begehen. Diesen Wünschen entsprechend sollen alljährlich in der Deutschen Demokratischen Republik Jugendweihen, wie sie in ganz Deutschland stattfinden, durchgeführt werden. An ihnen sollen junge Menschen, ungeachtet ihrer Weltanschauung, teilnehmen können. (…) Das Bewusstsein der Jugendlichen wächst. Sie wirken am Aufbau ihres Lebens, der Gesellschaft und des Staates mit. Gemeinsam mit ihren Altersgenossen und mit ihrer Jugendorganisation stehen sie für die Interessen ihres Volkes ein. Die Jugendweihe soll ein Kraftquell für die weitere Entwicklung der jungen Menschen sein. Sie soll sie anspornen, alle ihre Fähigkeiten zum Wohle ihres Vaterlandes zu entfalten."2 1 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.46 2 Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.46: Zitiert nach: Aufruf des Zentralen Ausschusses für Jugendweihen vom 12. November 1954, in: U. Jeremias, Die Jugendweihe in der Sowjetzone. Hrsg. Vom Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen. Bonn 1956, S.32 f 7 Nicht nur die Katholische Kirche, sondern auch die Evangelische Kirche sah die Jugendweihe als eine Konkurrenzveranstaltung an – Konkurrenz für die Erstkommunion und Firmung, ebenso für die evangelische Konfirmation. Dazu nahm der Weihbischof Rintelen in Magdeburg in seinem Hirtenwort vom 21. Dezember 1954 Stellung: „Die ‚Jugendweihe‘ ist nicht neu. Sie ist schon vor Jahrzehnten eingeführt worden. Sie war und ist eine Angelegenheit der Menschen, welche die Kirche und ihren Glauben und ihre heiligen Feiern ablehnen. Wir katholische Christen aber lehnen die nichtkirchliche und antikirchliche Jugendweihe ab. (…) Lasst Euch nicht vorreden, diese Jugendweihe richte sich nicht gegen die Kirche, ihren Glauben und ihre heiligen Feiern. Ich sage Euch: Sie richtet sich gegen die Kirche, sie richtet sich gegen ihren Glauben und will ihre heiligen Feiern verdrängen.“1 Dass der Begriff der ‚Weihe‘ für eine solche Handlung benutzt wurde, stellte für die Katholische Kirche reine Provokation dar. Auch eine Analyse der Elemente der Jugendweihe zeigte deutlich auf, dass es sich hierbei um ein atheistisches Initiationsritual handelte. Es wurde zwar mit einer vom Zentralen Ausschuss herausgegebenen Thesenreihe mit der Formulierung, dass in den Jugendstunden vor der Jugendweihe kein Unterricht erteilt werde, sondern ein freies Lehrgespräch über Themen der Natur- und Gesellschaftswissenschaft und der Beziehungen der Menschen untereinander stattfinde, gegen diese Meinung gesteuert. Außerdem hieß es, dass dabei von der lebendigen Anschauung ausgegangen und das Erziehungsmoment betont werde. Einen weiteren wichtigen Aspekt für die Kirche im Konflikt mit dem Staat stellte die Aussage des Ausschusses dar, dass die Jugendweihe keine staatliche Angelegenheit darstelle, sondern dass alle Jugendlichen ungeachtet der Weltanschauung teilnehmen können. 1 Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.47 8 Die Teilnahme basiere auf eigenem Entschluss hin und es bestehe die totale Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Konfirmation werde keineswegs berührt.1 Jedoch kann eine relativ schnelle Entwicklung der Jugendstunden zu sozialistischen Propagandastunden verzeichnet werden. Dort wurde den Jugendlichen dann von den bestehenden Vorteilen und Errungenschaften des sozialistischen Gesellschaftssystems erzählt. Dieses Gesellschaftssystem basierte auf dem Atheismus, man versuchte die Jugendlichen davon zu überzeugen, dass die Welt nur mit einer materialistischen Anschauung zu erklären und zu verstehen sei, übernatürliche Wesen gibt es nicht. Im Jahre 1955 lautete die Gelöbnisformel, die die Jugendlichen bei der Jugendweihe mit ‚Ja‘ beantworten mussten noch: „Seid Ihr bereit, alle Eure Kräfte einzusetzen, um gemeinsam mit allen Patrioten für ein einheitliches, friedliebendes, demokratisches und ein unabhängiges Deutschland zu kämpfen?“. Doch dies änderte sich bereits im Jahre 1958, als die Frage dann lautete: „ Seid Ihr bereit, mit uns gemeinsam Eure ganze Kraft für die große und edle Sache des Sozialismus einzusetzen?“.2 1 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S. 47- 48 2 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S. 49 9 2.2.2 Die Reaktion der Kirche auf die Jugendweihe Die Jugendweihe des Staates wurde mit großem Aufwand der Firmung und Konfirmation entgegengesetzt. Mitte des Jahres 1954 wandten sich alle Bischöfe und bischöflichen Kommissare der DDR an die katholischen Christen, um gegen den Beschluss des Zentralen Ausschusses zu reagieren. Bei der Abstimmung über die Jugendweihe in der Ordinarienkonferenz, die am 9. und 10. Dezember 1954 tagte, wurden die Gruppenstunden bis zur Jugendweihe und die Jugendweihe selbst auf das Schärfste abgelehnt. Der Berliner Bischof Wilhelm Weskamm vertrat deutlich die Position, dass man neben der heiligen Kommunion und der heiligen Firmung nicht auch noch an der Jugendweihe teilnehmen kann. Er sagte: „Ihr alle müsst wissen, dass es hierin keine Halbheiten geben kann. Niemand kann zwei Herren dienen!“. 1 Jeder muss sich entscheiden, entweder für die Katholische Kirche oder für die Jugendweihe. Der katholische Glauben und die Jugendweihe stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die Teilnahme von Jugendlichen an der Jugendweihe kommt einer Verleugnung des Glaubens nach. Nicht nur die Katholische Kirche versuchte ihre Seite zusammen zu halten, sondern auch die Gegenseite zog eine erste Bilanz. Etwas zur Verwunderung nahmen nach der Einschätzung der Jugendweihe 1955 nur etwa 18,9% an der Jugendweihe teil. Der Einbruch in die kirchlich gebundenen Kreise sei nicht gelungen, vor allem in den ländlichen Gebieten, wo der Einfluss der Kirche groß sei, konnten sich die Jugendweihen und somit auch der Staat nicht durchsetzen. Ebenso wurde vermerkt, dass in Gebieten mit überwiegend katholischer Bevölkerung die Zahlen der Teilnahme an der Jugendweihe am geringsten sind. 2 1 Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.50 2 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.49-51 10 „Die Jugendweihe muss als Kriterium für die ideologische Reife unserer Genossen betrachtet werden“, diese Aussage zeigt, dass es der Führung der Partei bei der Jugendweihe nicht nur um eine staatsbürgerliche Veranstaltung geht. Und die Aussage „die Jugendweihe sei ein Erfolg in der Verstärkung der atheistischen Propaganda“ zeigte, dass die Katholische Kirche mit ihrer Vermutung von dem atheistischen Charakter der Jugendweihe von Vornherein Recht hatte. 1 Der Konflikt zwischen Kirche und Staat spitzte sich immer weiter zu. Immer wieder hob die Katholische Kirche ihre Position und Meinung gegenüber der Jugendweihe hervor. Die Reaktion erfolgte durch Berichte der SED und des Zentralen Ausschusses für Jugendweihe in denen sie von einer „Hetze“ der Kirchen gegen die Jugendweihen sprachen. Die Partei hatte offenbar den Widerstand der Kirche gegen die Jugendweihe deutlich unterschätzt. Unzufrieden waren sie auch mit dem Ergebnis, denn die Zahl der Teilnehmenden konnte nicht sonderlich erhöht werden. Jetzt äußerten sich innerparteiliche Stimmen, die über eine Namensänderung der ‚Jugendweihe‘ nachdachten. Jedoch hätte diese Namensänderung ein Nachgeben des Staates gegenüber den Kirchen dargestellt. 2 Zusammenfassung: Der Staat sah in der Kirche einen Konkurrenten, der auf keinen Fall die Oberhand gewinnen durfte. Also wurde alles nur Mögliche unternommen, um die Kirche nicht authentisch wirken zu lassen. Zum Beispiel führte der Staat die Jugendweihe ein, damit der Staat etwas Ähnliches wie die Kirche mit der Kommunion und Firmung hatte. 1 Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.52 2 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.53 11 Dass der Staat bei dieser Veranstaltung das Wort Weihe benutzte, stellte für die Kirche natürlich reine Provokation dar. Denn Weihe ist ein besonderes Wort, ein kirchliches Wort. Und gerade deswegen hatten viele auch das Gefühl, dass sie mit der Jugendweihe dennoch etwas Religiöses taten. Wenn jemand geweiht wird, dann bedeutet dies, dass man dieser Person den Eindruck gibt, dass sie Größe, Würde und Erhabenheit besitzt. Natürlich waren Jugendliche dafür ‚besonders geeignet‘, denn diese Gefühle und die Tatsache Aufmerksamkeit zu bekommen, war besonders. Der Staat führte die Jugendlichen damit regelrecht in die Irre. Das Ziel des Staates war, dass der Sozialismus eine höhere Stellung in den Köpfen der Jugendlichen als die Katholische Kirche einnahm. Der Sozialismus sollte auf die jungen Menschen authentisch wirken und nicht die Kirche. Auch das Jahr 1957 brachte keinen Frieden zwischen Kirche und Staat mit sich, sondern weitere Verschärfungen. Der Kampf um die Jugendweihe wurde zu einem Teil des Klassenkampfs. Ab sofort müsse die Jugendstunde noch stärker der sozialistischen Erziehung dienen als bisher. Walter Ulbricht verfolgte das Ziel, alle Jugendlichen für die Jugendweihe zu gewinnen. Er vertrat den Standpunkt, dass allen Jugendlichen, die nicht an den Jugendstunden und an der Jugendweihe teilnahmen, wichtige Kenntnisse verlorengehen würden. Mit dieser Aussage gab Ulbricht offiziell bekannt, dass ab sofort auch staatliche Einrichtungen für diese Arbeit eingespannt werden. Noch einmal wies er darauf hin, dass die Existenz übernatürlicher Wesen absurd sei und die christliche Vorstellung der Erschaffung der Welt Hirngespinste seien. Die Kinder hätten das Recht die Wahrheit über die natürlichen Ursachen der Erde, des Lebens und des Planetensystems zu erfahren. Der Kirche machte er den Vorwurf mit ihrer „Hetze“ die Verbreitung des Wissens aufhalten zu wollen. Die Kirche reagierte auf diese Vorwürfe mit einem Hirtenbrief, der am 23. Oktober 1957 erschien. Sie betonte nochmals, dass alle, die an der Jugendweihe teilnehmen und auch die Eltern, die ihre Kinder zu der Jugendweihe schicken, gegen ihren Glauben sündigen und sie sind der Gemeinde ein schlechtes Beispiel. 12 Dem Druck bei der Jugendweihe von Staat und Partei, dem christliche Jugendliche und auch Lehrer ausgesetzt waren, stieg beständig. Um an manchen Grundschulen überhaupt eingeschult zu werden, war die Teilnahme an der Jugendweihe verpflichtend. Ohne Jugendweihe konnte man weder auf die Oberschule gehen noch erhielt man eine Lehrstelle. Die Jugendweihe blieb also nach wie vor eine große Sorge der Kirche. Mit der Jugendweihe wolle man nur die Loslösung der Menschen von der Gemeinschaft der Kirche bewirken und es finde parallel Propaganda für Kirchenaustritte statt. Somit werde die Jugendweihe weiterhin als Instrument zur Durchsetzung des Atheismus verwendet. Gezielt wurde der Druck in Gebieten mit überwiegend katholischer Bevölkerung ausgeübt, um die Teilnehmerzahlen an der Jugendweihe zu erhöhen. Schenkt man den dort angegeben Zahlen Glauben, so steigerte sich die Teilnahme im gesamten Gebiet der DDR von 44,1% im Jahre 1958 auf 80,4% Im Jahre 1959. In den folgenden Jahren stellte die Katholische Kirche mit Bedauern fest, dass auch die Zahl der katholischen Jugendlichen, die zur Jugendweihe gehen, stetig zunimmt. Trotz allem änderte sich die Haltung der Kirche gegenüber der Jugendweihe bis 1989 nicht. Es musste zwar festgestellt werden, dass immer mehr katholisch getaufte Kinder an der Jugendweihe teilnahmen, aber es gab auch weiterhin viele Katholiken, die trotz der zu erwartenden Benachteiligung dem katholischen Glauben treu blieben. Fakt bleibt, dass die Teilnahme von Jugendlichen an der Jugendweihe bereits Anfang der 60er Jahre bei über 80% lag. Dies verdeutlicht zumindest den Sieg für den Staat in der Frage der Jugendweihe in dem ungleichen Kampf, den der SEDStaat mit der Kirche führte.1 1 Vgl. Thomas Nikolaus Raabe – Die Jugendweihe als ein Instrument im Kampf zwischen Kirche und Staat in den 50er Jahren in: Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.) (1998): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag, Berlin, S.52-53 13 Zusammenfassung: Die Jugendlichen, die sich jedoch immer noch nicht an der Jugendweihe beteiligt hatten, hatten spätestens jetzt aus Zukunftsängsten die Seiten gewechselt. Die Katholische Kirche wollte weiterhin authentisch wirken, um zu verhindern, dass weitere Jugendliche an der Jugendweihe teilnahmen. Dies versuchte sie durch sämtliche Hirtenbriefe, in denen aufgezeigt wurde, dass der Staat Familien und Jugendliche unter Druck setzte. Und dies war nicht im Sinne der Katholischen Kirche. Die Kirche wirkte authentisch, denn sie zwang niemanden zu ihrer Mitgliedschaft, setzte niemanden unter Druck, so wie der Staat es tat. Denn wenn man öffentlich zu seinem Glauben stand, dann brachte dies viele Nachteile mit sich. Der Einritt in die Kirche und der Entscheidung im Glauben zu leben, ist der freie Entschluss eines jeden Christen. 2.3 Was die katholische Jugendarbeit in der DDR im Kern ausgemacht hat Die Antwort auf die Frage warum der Staat großen Einfluss auf die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen hatte, lässt sich relativ leicht beantworten. In den meisten Haushalten arbeiteten beide Elternteile und somit war die Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen konnten, begrenzt. Deswegen waren die meisten Eltern froh, dass der Staat ihnen vieles abnahm, unter anderem auch die Erziehung ihrer Kinder. Bei den katholischen Eltern wurde darauf geachtet, die Kinder im Glauben zu erziehen. Und hierbei kamen die verschiedenen Angebote der Kirche gelegen. Kleinkinder wurden zu den so genannten Kleinkindstunden gebracht, die der Ersatz für die nicht vorhandenen christlichen Kindergärten waren. Ebenso gab es einen Familienkreis, der sich einmal im Monat traf. Dies alles förderte den Zusammenhalt, die Familien kannten sich untereinander und auch die Kinder wuchsen zusammen auf. In der Schule waren die Kinder an die Pflichtveranstaltungen gebunden, dennoch waren sie für die Arbeit der Pfarrei zu begeistern. Für die Kinder und Jugendlichen gab es in den Pfarreien unterschiedliche Angebote, an denen sie teilnehmen konnten. 14 Die Schola beispielsweise war eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die sich einmal wöchentlich mit der Gemeindereferentin oder der Organistin/ dem Organisten trafen, um bei der musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes mitzuhelfen. Diese Tätigkeit war jedoch meist auf die Kindermessen beschränkt. Die Messdiener trafen sich einmal wöchentlich unter der Aufsicht des Priesters zur Messdienerstunde. Hierbei wurde der Messdienerplan erstellt und das gemeinsame Spielen ermöglicht. Die Frohschar bildete das Gegenstück zu der Ministrantengruppe, die lange Zeit eine reine Jungengruppe war. Die Mädchen trafen sich an einem Nachmittag, um gemeinsam zu basteln, zu spielen oder zu singen. Zusätzlich gab es den Religionsunterricht am Nachmittag in der jeweiligen Pfarrei. Die Kinder fühlten sich wohl, was für das zwischenmenschliche Verhältnis sehr wichtig war. Pfarrer und Hauptamtliche teilten sich die anfallende Arbeit. Die Familienverhältnisse der dort anwesenden Kinder und Jugendlichen waren dem Hauptamtlichen bekannt und dieser kannte somit alle Anwesenden. Und der Pfarrer übernahm die Rolle des Glaubensvermittlers. Für Ferienprogramm war ebenfalls gesorgt, so genannte Religiöse Kinderwochen (RKW) fanden statt. Hierbei versuchten Pfarrer, Vikar, Gemeindereferenten und Helfer mit den Kindern und Jugendlichen zusammen eine Woche lang christlich zu leben. In dieser Woche, die es einmal jährlich gibt, wurde gearbeitet, gesungen, gebastelt, gespielt und gebetet. Bei manchen Kindern und Jugendlichen ließ die Motivation nach der Erstkommunion oder der Firmung nach. Sie blieben den Treffen fern. Die „Harten“, der Kern, unter ihnen wurden mit der 9. Klasse in die Jugend aufgenommen. Meist waren es diejenigen, die sich in der Kirche wohl fühlten und dort ihren Freundeskreis hatten. 15 Diese Aufnahme gemeinsamem geschah Abend. durch Diese einen Gottesdienst Jugendlichen trafen mit sich anschließendem zusätzlich zum Religionsunterricht am Nachmittag auch zur wöchentlichen Jugendstunde. 1 2.4 Nachteile der Katholiken Viele Jugendliche wollten mit der Kirche nichts am Hut haben, weil sie dadurch bei der Arbeit benachteiligt wurden, sie verdienten nicht so viel Geld. Vieles erforderte den Austritt aus der Kirche, wie z.B. der Beruf des Schuldirektor oder Staatsbürgerkundelehrer. Es konnte sogar vorkommen, dass so manche katholischen Kinder und Jugendlichen in der Schule schlechtere Noten bekamen. So wurden viele Katholiken regelrecht erpresst. Was blieb ihnen noch für eine andere Wahl, außer aus der Katholischen Kirche auszutreten? Das Leben der Katholiken war schwer genug, aber es wurden immer mehr Mittel ergriffen, um sie auf den ‚richtigen‘ Weg zu bringen. Christen wurden viele Studiengänge vorenthalten. Bevor man nicht aus der Kirche ausgetreten war, drohte eine Nichtzulassung zur Erweiterten Oberschule oder für das angestrebte Studium. Auch blieben einige berufliche Karrieren, wie ein Beruf im Staatsdienst oder eine leitende Funktion, den Mitgliedern einer Kirche verschlossen. Viele der kirchlich aktiven Personen und Mitarbeiter wurden von der Stasi überwacht. Des Öfteren gelang der Stasi der Versuch in den Kirchen informelle Mitarbeiter anzuwerben oder sogar selbst dort zu platzieren. Die Katholische Kirche versuchte dies zu vermeiden und so durften die Pfarrer und Priester selbst keine eigene Stellungnahme geben, sondern nur der Bischof. Die Kirchenzeitungen unterlagen, wie auch alle andern Zeitungen in der DDR, der Zensur. 1 Vgl. Monika Schmidt/ Norbert Sommer – Was die katholische Jugendarbeit im Kern ausgemacht hat in: Bernd Börger/ Michael Kröselberg (Hrsg.) (1993): Die Kraft wuchs im Verborgenen – Katholische Jugend zwischen Elbe und Oder 1945-1990, Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf, S.21-23 16 An Universitäten, Schulen und in der Verwaltung wurden christliche Begriffe ersetzt. Zum Beispiel sagte man statt ‚vor Christus‘ ‚vor unserer Zeitrechnung‘ und die ‚Weihnachtsfeier‘ wurde durch die ‚Jahresendfeier‘ ersetzt. Das Ziel des Staates die Katholiken auf ein Minimum zu reduzieren war erfolgreich. 1 2.5 Interviews in Berlin Im Zuge der diesjährigen Seminararbeit mit dem Thema „20 Jahre Mauerfall“ machten wir Anfang Februar eine fünftägige Exkursion in unsere Bundeshauptstadt Berlin. Dort hatte ich die Möglichkeit die dortige Pfarrsekretärin und den Pfarrer der St. Antonius Kirche, in Friedrichshain-Kreuzberg, zu meiner Seminararbeit zu befragen. Die St. Antonius Kirche war vor der Wende eine relativ kleine katholische Gemeinde und ist dies auch heute noch. 2.5.1 Pfarrsekretärin Die Pfarrsekretärin besuchte in ihrer Jugend regelmäßig die Glaubens- und Gruppenstunden. Zu ihrer Zeit herrschte eine rege Jugendarbeit, die Glaubens- und Gruppenstunden wechselten sich immer alle zwei Wochen ab und wurden entweder von Kaplänen oder dem Pfarrer geleitet. In den Glaubensstunden wurden alle Glaubensfragen, die den Kindern und Jugendlichen auf der Seele lagen, erörtert. Meistens beschäftigten die Jugendlichen Fragen über ihre Religion oder über die Politik. Früher gab es einen großen Altersunterschied unter den Kindern und Jugendlichen, mit 13/14 wurde man in die Jugend aufgenommen und 20/22 Jährige waren keine Seltenheit. Insgesamt waren bei den Treffen immer ungefähr 10-15 Katholiken anwesend. 1 Vgl. Monika Schmidt/ Norbert Sommer - Was die katholische Jugendarbeit in der DDR im Kern ausgemacht hat in: Bernd Börger/ Michael Kröselberg (Hrsg.) (1993): Die Kraft wuchs im Verborgenen – Katholische Jugend zwischen Elbe und Oder 1945-1990, Verlag Haus Altenberg, Düsseldorf, S.26 17 Nach der Erstkommunion wurde man dann auch automatisch Ministrant und man blieb solange Ministrant, bis es nicht mehr ging, sprich bis zur Lehre oder sogar Heirat. In größeren Gemeinden wurden die Gruppen zwischen „jung“ und „alt“ aufgeteilt. Die Pfarrsekretärin selbst ist dort immer sehr gerne hingegangen. Es war ein Zusammensein, bei dem man nicht von den Augen des Staates beobachtet wurde. Kleinere Feten waren verboten, alle Zusammenkünfte mussten unter einem geistlichen Thema stehen. Man war auf der Suche nach Gleichgesinnten, da es beispielsweise in den Klassen nur wenige Katholiken gab, höchstens zwei pro Klasse – die Treffen besuchte man also nicht nur wegen dem gemeinsamen Glauben, sondern vielmehr um unter Gleichgesinnten zu sein. So war man eine starke und große Gemeinschaft. Die Kirche hat einem bei diesen Treffen Kraft gegeben, der Rücken wurde einem gestärkt. Denn das Leben als Katholik war nicht gerade einfach. In der Schule wurde einem deswegen das Leben schwer gemacht. Wenn sie Gedichte von Kommunisten auswendig lernen mussten, erinnerte sich die Pfarrsekretärin, weigerte sie sich und bekam somit eine Fünf. Und nach der Schule durfte man nicht das studieren, was man eigentlich wollte, weil man nicht in der FDJ oder bei den Pionieren war. Bei diesen Treffen wurde auch über Politik geredet und man erhielt von den Pfarrern oder Kaplänen Zustimmung für das was man tat. Früher war man stolz Christ zu sein, man fühlte sich als etwas Besonderes. Die Motivation zu den heimlichen Treffen zu gehen war enorm hoch. Dies lag vor allem auch daran, dass man im Grund genommen etwas Verbotenes tat und dies hatte seinen Reiz. Nach der Wende kam es einem so vor, als dürfte man plötzlich alles, das Zusammenkommen musste nicht mehr unter dem Glauben stehen. Heutzutage ist das Dasein in der katholischen Jugendarbeit nur noch eine Aktivität unter vielen anderen, man hat keine oder lediglich noch wenig Zeit für die Kirche. Erkennbar ist außerdem, dass die Jugend altersmäßig jünger wird. Die Jugendlichen sind heute höchstens bis 18/19 bei der Jugendarbeit tätig, da sie meist in andere Städte gehen, um dort zu studieren, früher war so etwas unmöglich. 18 Auch gibt es heute kaum noch Hänseleien mit politischem Hintergrund. Die Motivation der Jugend bei den Zusammenkünften ist nicht mehr so stark. Heute ist alles lockerer, man geht hin, wenn man gerade Zeit hat – es ist belangloser geworden. 2.5.2 Pfarrer In der DDR war ein Zusammentreffen nur erlaubt, wenn es einen religiösen Hintergrund hatte – Jugendorganisationen waren von Vornherein verboten. Beispielsweise einen DIA- Vortrag über Paulus hätte man anmelden müssen, aber dies wurde meist nicht eingehalten. Nach außen hin durfte man nicht, aber im Inneren machte man es dennoch. Es gab keinen Religionsunterricht in der Schule, also leitete man als Pfarrer die Glaubensstunden im Pfarrhaus. Heute ist es oftmals immer noch so, dass kein Religionsunterricht an Schulen stattfindet, sondern immer noch beim Pfarrer. Um etwas mit den Kindern und Jugendlichen zu unternehmen fuhr man einmal im Jahr zusammen auf die Insel Usedom nach Zinnowitz. Dies nannte man „Religiöse Kinderwoche“, somit war es eine religiöse Angelegenheit und vom Staat anerkannt. Jedes Jahr steht diese Woche unter einem bestimmten Thema, das dann religiös durchgenommen wird. Dieses Miteinander formte die Gemeinschaft, da Kinder von der ersten bis zur achten Klasse vertreten waren. Auch stärkte es den Zusammenhalt in der Gemeinde. Ebenso gab es eine Jugendwallfahrt mit dem Bischof zu der viele Kinder und Jugendliche mitgingen, man war eine große Menge und das Zusammengehörigkeitsgefühl war groß und tat gut. Laut Aussage des Pfarrers war das Gemeinschaftsgefühl vor und nach dem Mauerfall enorm. 19 2.6 Kirche und Staat im Kampf um Jugendliche Durch die Trennung Deutschlands, die durch die politischen Verhältnisse bedingt war, wurde die Pflege des kulturellen und religiösen Erbes, das die beiden Staaten trotz allem miteinander vereinte, besonders dringend. Die ganze Zeit über war die Gefahr relativ groß, dass die Menschen aufgrund der unterschiedlichen Situation die Gemeinsamkeiten untereinander aus den Augen verlieren und das, was sie miteinander verbindet vergessen. Dennoch hat es der christliche Glaube geschafft die Menschen auch über die Grenze hinweg miteinander zu vereinen. Das Ziel des Staates war im Grunde genommen, die Kirche darin zu hindern, Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung der Bevölkerung zu nehmen. Um ihre Pläne auch in der Zukunft verwirklichen zu können, versuchten Kirche sowohl als auch der Staat ihr jeweiliges Gedankengut an die Jugendlichen weiterzugeben. Beide lieferten sich einen harten Kampf die Sympathien und Interessen der Jugendlichen für sich zu gewinnen. Hierbei hatte der Staat eindeutig die bessern Karten in der Hand.1 2.7 Ziele katholischer Jugendarbeit Jugend nennt man die Phase zwischen Kindheit und dem Leben als Erwachsener. Vor allem in dieser Phase sind Jugendliche auf der Suche nach ihrer wahren Identität. Es eröffnen sich Unmengen von Möglichkeiten. Die Katholische Kirche sieht ihre Aufgabe nicht vorrangig darin, den Jugendlichen neue Freiräume zu schaffen, in welchen sie sich austoben können, sondern um Einübungsfelder für das eigenverantwortliche Erproben des eigenen Lebens zu schaffen. Die Verantwortlichen in der Jugendarbeit sollten keinesfalls führen und leiten, sondern begleiten und raten. Besonders wichtig sei der kirchlichen Jugendarbeit die Beziehung zwischen den konkreten Kirchen und den Jugendlichen. 1 Vgl. Professor Dr. Alfons Müller – Vorwort in: Werner Schnatterbeck (1977) – Aspekte kirchlicher Jugendarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik – Eine Materialsammlung - , Verlag Ernst Vögel, München, S.7-10 20 Fragen wie zum Beispiel wie und wo sich Jugendliche und Kirche begegnen oder was sich diese beiden Seiten einander zu sagen haben, spielt eine bedeutende Rolle. Man versucht den Jugendlichen Räume zu schaffen, in denen sie lernen können das Leben zu erfahren, zu verstehen und zu gestalten. Die Jugendarbeit wurde mit der Zeit immer schwieriger, durch die Politik wurden die Verantwortlichen verunsichert, ob das was sie taten richtig sei. Außerdem verschärfte sich der Generationenkonflikt. Das heißt selbst bei Gruppen mit geringem Altersunterschied bestanden Verständigungsschwierigkeiten, die Kluft zwischen ihren Anschauungen und Gewohnheiten wurde zunehmend größer. Jugendliche werden nicht nur als die Adressaten des Dienstes angesehen, sondern vielmehr als dessen Träger.1 Zusammenfassung: Zusammenfassend kann man für die Katholiken, die in der ehemaligen DDR lebten, sagen, dass ihnen die Katholische Kirche und ihr Glaube sehr wichtig waren. Die Kirche stellte für die Gläubigen einen Zufluchtsort dar. Bei den Treffen empfanden sie so, dass die Katholische Kirche der einzige Ort war, an dem sie ungeschützt die Wahrheit sagen konnten, ohne davon auszugehen, dass gleich etwas passieren würde. Und diese heimlichen Treffen lockten auch mit ihrem Reiz. Dennoch waren der Glaube und die Kirche im Alltag ein Tabuthema. Denn hinter seinem katholischen Glauben und somit hinter der Katholischen Kirche zu stehen, bedeutete gerade für die Jugendlichen viele Nachteile ertragen zu müssen. Aber trotz der vorhin aufgeführten Nachteile hat der Staat es nicht geschafft, alle Jugendlichen atheistisch zu erziehen. Durch das Beisammensein mit andern Katholiken fühlte man sich wohl und diese Minderheit und der vertraute Umgang miteinander verschweißte die Jugendlichen umso mehr miteinander. Eben diese starke Verbindung, die die Katholiken untereinander spürten, machte die Katholische Kirche in der DDR so authentisch. Die Katholische Kirche in der DDR lebte nicht zuletzt vom Glaubensmut vieler, die sich durch Verweigerung den Anpassungsmechanismen zur Wehr setzten. 1 Vgl. Werner Schnatterbeck (1977): Aspekte kirchlicher Jugendarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik – Eine Materialsammlung -, Verlag Ernst Vögel, München, S.15-18 21 3. Katholische Jugendarbeit in der BRD 3.1 Anfänge der katholischen Jugendarbeit 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der somit neugewonnenen Freiheit begann eine kirchliche Jugendarbeit. Diese Jugendarbeit hatte im Grund genommen einen doppelten Ursprung: auf der einen Seite wurde das schon bestehende Engagement fortgeführt, welches im Dritten Reich im geheimen und teilweise im Widerstand gegen den Nationalsozialismus überlebt hatte. Auf der anderen Seite orientierte man sich an den „Richtlinien für die katholische Jugendseelsorge“, die von Bischöfen im Jahre 1936 als Maßstäbe zur Abgrenzung gegenüber den Methoden und Zielen der Hitlerjugend herausgegeben worden waren. Diese Richtlinien wurden 1945 nochmals überarbeitet, um die Nachkriegsgeneration in die Kirche und natürlich auch in die Gesellschaft erfolgreich zu integrieren. 1947 wurde der BDKJ, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, als Zusammenschluss aller kirchlichen Jugendverbände gegründet. 3.2 Aufgaben katholischer Jugendarbeit Nachdem an 8.Mai 1975 der Synodenbeschluss „Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“ endgültig verabschiedet wurde, wurde ein neues Theoriekonzept kirchlicher Jugendarbeit als Richtlinie von den Bischöfen festgesetzt. In diesem Beschluss wurde festgelegt, dass die Katholische Jugendarbeit immer zwei Aufgaben hat. Zugleich Dienst der Kirche an der Jugend überhaupt und Dienst an der Jugend in der Kirche. Besondere Aufmerksamkeit soll drei entscheidenden Dimensionen menschlicher Verwirklichung gelten. Einmal in personaler Sicht: die Selbstverwirklichung und der Glaube, dann in sozialer Sicht: die Mitmenschlichkeit und die Gemeinde und zuletzt in diakonaler Sicht: die Welt und der Dienst. Als methodisches Mittel der kirchlichen Jugendarbeit wird besonders die Bedeutung einer ‚reflektierenden Gruppe‘ hervorgehoben. 22 In dieser Gruppe sollen Reflexionen zu der Wahrhaftigkeit, Eigenständigkeit, Partnerschaft, Liebe und Solidarität stattfinden. Die kirchliche Jugendarbeit nennt Gruppen, Verbände, Jugendhäuser, Treffpunkte und offene Arbeit als Anlauforte. Die Mitarbeit der Jugendlichen wird ebenso gefordert, wie die Ausbildung von Haupt-/ Ehrenamtlichen gefördert werden soll. Durch ein auflehnendes oder abweisendes Verhalten zeigen Jugendliche, dass sie sich in ihrer Alters entsprechenden Weise Gedanken über den Sinn ihres Daseins machen. Die katholische Jugendarbeit soll hier bei der emotionalen Loslösung von der Familie und bei der Suche nach einer neuen Beziehung zu den Eltern helfen. Des Weiteren versucht man den Mangel an Wertorientierung aufzuheben, bzw. ihn auf ein Maß zu bringen, mit dem die Jugendlichen fertig werden können. In der Bundesrepublik Deutschland hatte die katholische Jugendarbeit ihren größten Einfluss auf Jugendliche aus der Mittelschicht und aus der unteren Oberschicht. Dennoch ist es in der Bundesrepublik Deutschland wichtig, zwischen zwei verschiedenen Typen von Jugendarbeit zu unterscheiden. Zum einen die, die gesellschaftskritisch ansetzt. Sie versteht sich als Anwalt der Jugendlichen und ihre Aufgabe sehen sie darin, als Sprachrohr der Jugendlichen zu agieren. Sie wollen die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen gegenüber den anderen Interessen zur Sprache bringen. Zum anderen die Jugendarbeit, die direkt in der Kirche stattfindet. Ihr Hauptziel sehen sie darin Jesus den Jugendlichen näher zu bringen. Sie machen die Jugendlichen mit Jesu bekannt und bezeugen die Herrschaft Gottes. In der Tat geht es bei der Katholischen Kirchenarbeit erstrangig um die Erprobung und auch Einübung zwischenmenschlicher Kommunikationsbarrieren/ Beziehungen Verständigungsschwierigkeiten von sollten Jugendlichen. durch die gemeinsame Arbeit verringert werden. Des Weiteren ist der Glaube dazu da, um ihn in der Welt zu verwirklichen. Durch diese Aussage entsteht ein weiterer Auftrag an die kirchliche Jugendarbeit, sie soll den Jugendlichen dabei helfen sich selbst als Mensch in der Gesellschaft zu gewinnen und somit die Welt verbessern. 23 Hierbei sieht die katholische Jugendarbeit ihre Aufgabe im Bereich der Berufsfindung. Jugendliche werden während ihrer Lehre oder bei der Entscheidung zur Berufswahl und Findung unterstützt. Ein weiteres Handlungsfeld besteht in der Selbstfindung des Jugendlichen in seiner Sexualität. Fragen in Bezug auf eine Partnerschaft sollen hier geklärt werden. Das letzte Handlungsfeld findet man im Bereich der Gesellschaft. Hierbei steht das soziale Engagement im Vordergrund, beispielsweise will man Drogensüchtigen oder Gastarbeiterkindern helfen. Jugendliche erfüllen die Jugendarbeit der Kirche mit Leben. 1 3.3 Veränderungen in der katholischen Jugendarbeit In der kirchlichen Jugendarbeit kam es mit der Zeit zu grundlegenden Veränderungen. Bisher verantworteten Pfarrer und Kapläne die Jugendarbeit alleine, so wurde die Verantwortung zunehmend Laien übertragen, wie z.B. Sozialarbeitern und Jugendpflegern im kirchlichen Dienst. Dafür verantwortlich war hauptsächlich der spürbar werdende Priestermangel, was eine Verlagerung der Prioritäten der Geistlichen mit sich brachte. Auf der anderen Seite aber hatte sich inzwischen die Freizeit zu einem eigenen Bereich erzieherischer Verantwortung neben Schule und Familie entwickelt. Und auch dieser außerschulische Bereich musste mit pädagogischer Kompetenz gestaltet werden. Und eben diese Kompetenz haben sich Sozialarbeiter und Jugendpfleger in ihrer Ausbildung erworben. Sie fanden in der kirchlichen Jugendarbeit ein neues Betätigungsfeld. 2 1 Vgl. Werner Schnatterbeck (1977): Aspekte kirchlicher Jugendarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik – Eine Materialsammlung -, Verlag Ernst Vögel, München, S.18 2 Vgl. Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.) (1993): Schwarz/ Rot/ Gott? – Kirchliche (Jugend-) Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH Leipzig, S.9-15 24 Zusammenfassung: Die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland hatten ihre Religionsfreiheit, die Lage hier war also in keiner Weise mit der vorherrschenden Lage in der DDR zu vergleichen. Allgemein hatte die Bevölkerung in der BRD ihre Freiheiten, denn der Staat schrieb weder eine bestimmte Konfession noch eine Parteienzugehörigkeit vor. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat war geregelt und die katholische Jugendarbeit hatte es in der BRD aufgrund dessen wesentlich einfacher. Die Kirche wollte mit ihrer Jugendarbeit den jungen Menschen zeigen, dass sie in der Kirche ernst genommen und angenommen werden. Und das ohne jeglichen Zwang, auch ohne den Zwang, für die Kirche vereinnahmt zu werden, soll den Jugendlichen geholfen werden, ihren persönlichen Standort in einer pluralistischen Gesellschaft zu finden. Die Katholische Kirche hatte mit ihren verschiedenen Angeboten in der Jugendarbeit einen großen Zulauf an Jugendlichen, jedoch war das Verhältnis unter den Jugendlichen nicht mit dem in der DDR zu vergleichen. Der Zulauf den die katholische Jugendarbeit hatte zeigte deutlich, dass auch die Katholische Kirche in der BRD auf die Menschen authentisch wirkte. Hätte sie keine authentische Ausstrahlung, bzw. Wirkung auf die Jugendlichen gehabt, wären diese den Angeboten fern geblieben. Jedoch war das Maß an Authentizität in der BRD ein ganz anderes als das in der DDR. 25 4. Katholische Jugendarbeit im wiedervereinigten Deutschland 4.1 Kirche nach der Wiedervereinigung Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Freude über die Vereinigung bald schon wieder durch die Frage, ob die Katholische Kirche immer noch zusammenpasst, getrübt. Oftmals wird das Zusammenführen der Katholischen Kirche nach der Wiedervereinigung Deutschlands als das ‚Experiment Wiedervereinigung – ein sozialer Großversuch‘ bezeichnet. Das Zusammenführen von einer so enormen Zahl von Menschen, bei denen es sich um zwei unterschiedliche Großsysteme handelte, erwies sich als nicht einfach. Denn bei dieser Zusammenführung mussten die Katholiken aus der Bundesrepublik fast nichts lernen und die Katholiken aus der ehemaligen DDR fast alles neu. Nach dem Abbruch der Mauer aus Beton zwischen den beiden Staaten, ist die geistige Mauer zwischen Ost und West stark zum Vorschein getreten. Nach der Freude über das große Wiedersehen folgte mit der Einsicht darüber, dass diese Trennung für spürbar unterschiedliche Erfahrungen verantwortlich war, ein neuer Schmerz. Diese Erkenntnis sorgte im wiedervereinigten Deutschland dafür, dass sich die Katholiken mit ihrer verschiedenen Herkunft nicht verstanden fühlten. Nicht selten tauchten Begriffe wie ‚Jammer-Ossi‘ und ‚Besser-Wessi‘ auf. Dieser tief sitzende Schmerz machte die Zusammenarbeit nicht gerade leicht. Die Katholiken aus dem Osten für die eine Kirchensteuer unbekannt war, fühlten sich durch diese überrumpelt. Und auch die Katholiken aus dem Westen befürchteten, dass sie allein die Kosten der Vereinigung tragen müssten. Ein weiteres Problem bestand darin, dass der zahlenmäßig starken, an Finanzen, Mitarbeitern und Institutionen reichen katholischen Kirche im Westen eine kleine und im Verhältnis zum Westen arme Kirche im Osten gegenüber stand. Um die aus dem Osten kommenden Katholiken nicht zu überrumpeln, musste man aufpassen, dass der ‚stärkere‘ Partner nicht alles bestimmt. Denn die Katholiken sind eine Gemeinschaft. 1 1 Vgl. Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.) (1993): Schwarz/ Rot/ Gott? – Kirchliche (Jugend-) Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH, Leipzig, S.99 26 Im Osten lebten sie bis zur Wende immer unter politischem Druck, deshalb bedeutete es eine enorme Umstellung, sie mussten im Westen erst einmal ihre eigenen Erfahrungen machen. Besonders beschäftigte sie die Frage, wie die Kirche authentisch nach dem Willen Jesu unter den Bedingungen einer freiheitlichen, pluralistischen und demokratischen Wohlstandsgesellschaft lebt. Über dieses Thema sollten die Katholiken in Konferenzen bei Begegnungen an der Basis ins Gespräch kommen. Es sollte nicht die Anpassung der Kirche-Ost an die Kirche-West stattfinden. Aus diesem Grund begab sich die Katholische Kirche gemeinsam auf die Suche nach einer Kirche in der nicht zuerst Formulare, Moralregeln und Institutionen erfahren werden, sondern nach überzeugten, aus dem Glauben lebenden Menschen. Was wir dabei dringend brauchten, war eine Pastoral, die den Menschen dabei hilft, Gott in ihrem Leben wieder neu zu entdecken. Der materialistische und atheistische Sozialismus in der DDR hat dazu beigefügt, dass viele Katholiken geistig orientierungslos geworden sind und aufgrund dessen meist ihre Identität in der möglichst schnellen Angleichung an den westlichen Lebensstandard suchen. Die Bundesrepublik ist nach der Wiedervereinigung nicht protestantischer, sondern säkularer geworden. Und hierbei muss man beachten, dass auf dem Gebiet der neuen Bundesländer neben den 3,6% Katholiken und 21% Protestanten 75,4% Nichtglaubende zu finden sind. 1 1 Vgl. Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.) (1993): Schwarz/ Rot/ Gott? – Kirchliche (Jugend-) Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH Leipzig, S.100-103 27 4.2 Kirche und Jugend im vereinigten Deutschland Die Erfahrungen der Jugendlichen aus der ehemaligen DDR standen in krassem Gegensatz zu den Erfahrungen, die die Jugendlichen in der BRD gemacht haben. Vor der Wende kannten sie einzig und allein den Marxismus- Leninismus und jetzt folgte mit der durch das Grundgesetz angeforderten Angleichung an das westdeutsche Schulsystem der Religionsunterricht. Der für die atheistisch erzogenen Jugendlichen eine enorme Veränderung darstellte. Kaum jemand der jungen Menschen im Osten ist getauft und es kommt die Frage auf, ob Gott bei ihnen noch eine Chance hat. Nach der riesengroßen Wiedersehensfreude durch den Fall der Mauer 1989, stellte sich je nach Persönlichkeit plötzlich der Realitätssinn, Ernüchterung oder gar Enttäuschung ein. Die Deutschen aus dem Osten wollten während der DDR, das politische System der Bundesrepublik, die soziale Marktwirtschaft und die D-Mark. All das haben sie nach dem Mauerfall bekommen, aber einige waren durch all diese raschen Veränderungen schlicht und weg überfordert. Die Katholische Kirche fragte sich auch, woher die neue geistige Orientierung kommen soll, nachdem der Glaube an den Sozialismus zusammengebrochen ist. 1 Ein weiteres Problem für den Religionsunterricht brachte das atheistische Bildungssystem der DDR mit sich. Die Jugendlichen lernten von klein an, dass die Existenz Gottes von der Wissenschaft widerlegt ist, dass Religion ein Aberglaube sei und mit der Vernunft keineswegs vereinbar sei. Außerdem stehe die Kirche an der Seite des kapitalistischen Systems und die materiellen und gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmen das Denken und die Lebenseinstellungen. All das hat sich in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen festgesetzt. Demzufolge sahen die nichtchristlichen Jugendlichen der DDR die Kirche als etwas Exotisches an und den Atheismus dagegen als eine sehr moderne Weltanschauung. Zu diesen Erziehungsmaßnahmen kam auch noch die Partei dazu, die dafür sorgte, dass die Christen als Andersdenkende und die Kirche als Fremdkörper in der sozialistischen Gesellschaft angesehen wurden. 1 Vgl. Konrad Feiereis/ Michael Wedell – Zur Bedeutungslosigkeit verurteilt? Kirche und Jugend im vereinigten Deutschland in: Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.) (1993) - Schwarz/ Rot/ Gott? Kirchliche (Jugend-)Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH Leipzig, S. 121-122 28 Vor der Wende wurden die Kirchen voll und zur Überraschung der Katholischen Kirche nach dem Mauerfall wieder leerer. Der Grund dafür liegt vermutlich in einer Zwiespältigkeit oder Ambivalenz der Einstellung der Menschen: die Kirchen boten in der ehemaligen DDR die einzigen Freiräume in dem sonst kontrollierten Staat, also setzten die Menschen in die Kirchen eine hohe moralische Einstellung, jedoch war der Glaube selbst aber nicht immer Gegenstand ihres Interessens.1 4.3 Verhältnis Kirche – Staat Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat beruht heute, in krassem Gegensatz zu früher, in der Bundesrepublik Deutschland auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der strikten rechtlichen und organisatorischen Trennung. Trotz dieser strikten Trennung gibt es gleichzeitig wiederum vielfache Kooperationen. Eine intensive Zusammenarbeit der beiden Organe befindet sich im Feld der sozialen Dienste. Ein weiteres Beispiel findet man im Feld des Religionsunterrichtes an den öffentlichen Schulen – der Staat übernimmt die Aufsicht, die Kirche hingegen ist für die Inhalte verantwortlich. Des Weiteren gewährleistet der Staat den kirchlichen Seelsorgern ungehinderten Eintritt in Krankenhäuser oder Strafanstalten. Auch zwischen Kirche und Staat gibt es wechselseitige Rechte und Pflichten, das Staatskirchenrecht hat die Aufgabe diese zu regeln. Der Inhalt besteht auf die Katholische Kirche bezogen aus Konkordaten, sprich den Verträgen unter dem Vatikan und den dafür zuständigen staatlichen Instanzen. Die Kirche und der Staat respektieren sich gegenseitig. 2 1 Vgl. Konrad Feiereis/ Michael Wedell – Zur Bedeutungslosigkeit verurteilt? Kirche und Jugend im vereinigten Deutschland in: Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.) (1993) - Schwarz/ Rot/ Gott? Kirchliche (Jugend-)Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buch- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH Leipzig, S.122 2 Vgl. http://www.dbk.de/katholische_kirche/deutschland/staat/index.html; entnommen am 08. Februar 2010, um 15:02Uhr 29 „Die staatskirchenrechtliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland beruht auf folgenden wesentlichen Grundlagen: 1. Auf einer strikten rechtlichen und organisatorischen Trennung der Bereiche Staat und Kirche. 2. Auf dem Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates, die jedoch nicht als staatliche religiöse Indifferenz verstanden werden darf, sondern als positive Neutralität mit der Bereitschaft zu einer engen Kooperation zwischen Staat und den Kirchen auf vielen Gebieten. 3. Auf der Gewähr einer umfassenden individuellen Religionsfreiheit und der freien Betätigung der Kirchen und sämtlicher übrigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. 4. Auf der Anerkennung einer Stellung der Kirchen im Bereich des Öffentlichen, die in der Verleihung eines öffentlich-rechtlichen Status durch die Verfassung selbst ihren Ausdruck findet. 5. Auf vielfältigen Formen einer Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den religiösen Gemeinschaften, insbesondere 6. in der Förderung der Kirchen und übrigen Religionsgemeinschaften durch den Staat, vor allem in der Form der Einrichtung des Religionsunterrichts als ordentliches und obligatorisches Lehrfach an allen öffentlichen Schulen; 7. in der Einrichtung Katholischer und Evangelischer Theologischer Fakultäten an zahlreichen staatlichen Universitäten, 8. in der Organisation einer in die Streitkräfte integrierten evangelischen und katholischen Militärseelsorge; 9. in der effektiven Gewährleistung der Seelsorge in öffentlichen Krankenhäusern und Strafanstalten; 10. in der Mitwirkung des Staates bei der Einziehung der kirchlichen Steuern; 11. in der Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet der gesamten Wohlfahrtspflege, insbesondere mit den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes der katholischen Kirche und dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche; 12. in einer effektiven und ausreichenden Berücksichtigung der kirchlichen Interessen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Hörfunks und Fernsehens. 30 Will man das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Staat-Kirche-Verhältnis im Sinne einer Kurzformel zusammenfassend umschreiben, so könnte es als verfassungs- und vertragsrechtlich begründetes freiheitliches Kooperationssystem bezeichnet werden.“1 4.4 Religion in unserer Gesellschaft Man muss sich in der heutigen pluralen, individualisierten, entkirchlichten und säkularisierten Gesellschaft wirklich die Frage stellen, ob Religion nicht zu einer Sache von ‚gestern’ geworden ist, eine immer kleiner werdende Schar von Gläubigen innerhalb der Kirchen. Kann man von der Religion behaupten, dass sie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten ist? Allerdings meinen neue Studien gerade bei der jüngeren Generation ein Wiedererstarken der Religion feststellen zu können. Von dem Verschwinden der Religion darf nicht gesprochen werden, denn religionsähnliche Phänomene tauchen meist an unvermuteten Stellen wieder auf. Jedoch ist ein Wandel der Religion bemerkbar. Es wird zwischen zwei religiösen Modellen unterschieden, zum einen die Figur des Praktizierenden (früher) und zum anderen die Figur des Pilgers (heute). Der Charakter hat sich geändert, heute muss die Religion eine freiwillige, veränderliche, individuelle, mobile und autonome Religionspraxis darstellen, die Religion sollte eine Ausnahmeform sein, nichts Gewohnheitsmäßiges. So kann man festhalten, dass die Religion immer in Bewegung sein sollte – deshalb auch religiöse Pilgerschaft genannt. Bemerkbar macht sich auch der Rückgang der Gottesdienstbesucherzahlen, das Verschwinden kirchlich geprägter Rituale in Familien, Wegfall des religiösen Wandschmucks in Wohnungen, Kirchenaustritte, etc. 1 http://www.dbk.de/katholische_kirche/deutschland/staat/grundverhaeltnis/index.html; entnommen am 08. Februar 2010 um 15:08Uhr 31 Für viele Menschen bedeutet Religion keine göttliche Sendung mehr, sondern ein ‚Dienstleistungsbetrieb‘, der einen durch gewisse Riten, wie Geburt, Erstkommunion, Hochzeit und Tod begleitet. Dennoch findet man auch Lichtblicke – einige begeben sich gerade in dieser unübersichtlichen Welt wieder neu auf die Suche nach Traditionen, um so Sicherheit und Halt zu gewinnen. Die Menschheit ist auf der Suche nach Spiritualität. Beispiele dafür sind: die Wiederentdeckung des Klosters als besinnlichen Ort, die plötzliche Beliebtheit von Pilgerwegen – bemerkbar war dies vor allem nach dem Bestseller ‚Ich bin dann mal weg‘ von Hape Kerkeling, ebenso findet man im Fernsehen Sendungen oder Talkshows mit religiösen Inhalten. Vorsichtig muss mit der Beurteilung umgegangen werden, ob es sich um eine ‚echte‘ religiöse Bewegung handelt oder es sich nur um eine ‚religionsähnliche‘ Form handelt. Ob Religion für einen ohne Gott stattfinden kann, muss jeder für dich selbst ausmachen. Von Kritikern wird dieses als so genannter ‚religionsfreundlicher Atheismus‘ verstanden. 1 Was wiederum zum Leben der Menschen heutzutage passt. Meistens stellt sich der Alltag als hektische Reihenfolge verschiedener Aktivitäten heraus, sodass die Religion am besten auch etwas Mobiles darstellen sollte. Es bleibt keine Zeit um in die Kirche zu gehen, Religion sollte man auch unterwegs, zwischendurch, praktizieren können. 1 Vgl. Reinhard Boschki (2008): Einführung in die Religionspädagogik – In Zusammenarbeit mit Stefan Altmeyer und Julia Münch, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S.50- 32 4.5 Persönliche Erfahrungen in der katholischen Jugendarbeit Meine persönlichen Erfahrungen in der katholischen Jugendarbeit sollen einen tieferen Einblick in das zentrale Geschehen der Ministranten gewähren. Jedoch ist zu beachten, dass diese persönlichen Erfahrungen nicht repräsentativ sind, sondern nur einen kleinen Ausschnitt meiner Erfahrungen mit der Organisation zeigen. Des Weiteren wird nur ein kleiner Ausschnitt meiner persönlichen Erfahrungen mit den Ministranten gezeigt. Die Jugendarbeit bei den Ministranten läuft heute unter dem Motto: „Jugend erfährt durch Jugend!“. Die Gruppenleiter sind immer älter als die zu leitenden Gruppenkinder. Bei größeren Aktionen hilft der jeweils zuständige Vikar mit und sonst die Jugendreferenten. Die jeweilige Gruppe trifft sich normalerweise immer ein Mal in der Woche und unternimmt in dieser Zeit etwas gemeinsam. In dieser Zeit versuchen die Leiter die Freizeit der Kinder sinnvoll zu gestalten, wie z.B. das soziale Miteinander. Jedoch muss gesagt werden, dass diese Gruppenstunde auch Spaß für die Kinder bedeuten soll, Spaß zusammen mit Freunden zu haben, die das Ministrant- Sein miteinander verbindet. Besonders gerne werden Angebote wie das jährliche Sommerlager, Fußballspiele oder Gruppenwochenenden angenommen. In Gegensatz zu diesen Angeboten bei denen der Spaß im Vordergrund steht, werden aber auch beispielsweise Wallfahrten oder soziale Aktionen (z.B. Aktion Kilo) angeboten. Zusammenfassend kann man sagen, dass heute im Gegensatz zu früher kaum noch religiöse Themen in den Gruppenstunden besprochen werden. Die Kinder gehen regelmäßig zum Ministrieren und der Ausgleich dazu stellen die wöchentlichen Gruppenstunden dar. In diesen Stunden stehen in der Regel der Spaß und das Miteinander im Vordergrund. Die Kinder nutzen dieses Angebot, weil sie dort einen Freundeskreis gefunden haben, in dem sie sich wohl fühlen und der für sie eine attraktive Freizeitgestaltung bietet. Der Entschluss dort Mitglied zu sein ist völlig zwanglos, die Entscheidung beizutreten und auch auszutreten, kann jeder für sich alleine treffen. 33 Zusammenfassung: Heutzutage darf sich jeder der Religion anschließen, der er sich gerne anschließen möchte. Der Entschluss sich in der Kirche zu betätigen oder nicht ist frei. Jedoch hat die Kirche und vor allem die Religion bei den Jugendlichen und jungen Menschen eine ganz andere Stellung als beispielsweise in der DDR eingenommen. Jugendliche und junge Menschen leben in einer Welt, die sich rasend schnell weiterentwickelt und sie müssen sich genauso schnell weiterentwickeln. Der Stress in der Schule, im Studium und später im Beruf lässt kaum noch Zeit für Freizeit. Somit bleiben auch christlich erzogene Jugendliche sonntags eher in ihren Betten als den Gottesdienst zu besuchen. Die Religion muss etwas Mobiles darstellen, etwas das auch einfach mal so zwischendurch praktiziert werden kann. Es darf nicht mehr heißen, dass man sich nur in der Kirche Gott nahe fühlen kann und man ihm nur dort begegnet. Des Weiteren ist die Religion bei vielen der jungen Menschen nicht mehr die, die sie früher war. Die praktizierende Religion und der Glaube der ehemaligen DDR ist ein ganz anderer als einige der selbst geschaffenen Religionen heutzutage. Denn heute mischt man sich einfach aus den verschiedensten Religionen das Beste zusammen und lebt dennoch als gläubiger Mensch, allerdings mit seiner eigenen Form der Religion. Und wie kann eine Kirche, eine individuelle Religion, die aus vielen verschieden Formen zusammengemischt wurde, authentisch wirken. In diesem Fall wirkt diese individuelle Religion und Kirche eines Jeden nur für sich selbst authentisch. 34 5. Vergleich der katholischen Jugendarbeit in der DDR, BRD und im wiedervereinigten Deutschland Die katholische Jugendarbeit in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland hatte/ hat aufgrund der Glaubens- und Versammlungsfreiheit die Möglichkeit als selbstständige und staatlich akzeptierte Jugendorganisation bestehen zu können. Diese weisen aufgrund dessen untereinander keine bedeutend große Unterschiede auf, was auch auf das Verhältnis zwischen Kirche und Staat zurückzuführen ist. Die Kirche gehört genau so wie andere Verbände auch zur Gesellschaft und erhält dadurch staatliche Unterstützung. Die katholische Jugendarbeit in der DDR hatte es allerdings nicht leicht. Außer der FDJ (Freie Deutsche Jugend), die ganz unter der Führung der SED stand und deshalb eine Entwicklung hin zu einer eigenständigen Organisation nicht möglich war, war keine andere Jugendorganisation in der DDR zugelassen. Die lediglich geringe Bedeutung der Katholischen Kirche lässt sich auf die in der DDR herrschende atheistisch gerichtete Ideologie zurückführen. Die SED akzeptierte die katholische Jugendarbeit nicht, weil die Katholische Kirche nicht nach den sozialistischen Richtlinien handelte und die Jugendlichen anscheinend auf den ‚falschen Weg’ führte. Die katholische Jugendarbeit war somit extremsten Bedingungen ausgesetzt und sowohl ihre Integration in der sozialistischen Gesellschaft, als auch der Alltag der Teilnehmer war sehr problematisch, bzw. sogar ausgeschlossen. Durch Nachteile in der Schule und im Leben hat es die SED größtenteils geschafft, die Kontrolle über die Jugend zu erlangen. Somit wurde eine Erziehung nach dem christlichen Glauben so weit wie nur möglich verhindert. Jedoch hatte die Katholische Kirche in der DDR mit dem erschaffenden Zufluchtsort und Freiraum einen sehr hohen Stellenwert unter den Christen. 35 6. Ergebnis Bei genauerer Betrachtung der Fragestellung, ob die Katholische Kirche in der Zeit der staatlichen Unterdrückung authentischer war, die anhand der katholischen Jugendarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland und im wiedervereinigten Deutschland untersucht wurde, komme ich zu folgendem Ergebnis. Während dem Bearbeiten meiner Seminararbeit konnte ich viele Eindrücke über die katholische Jugendarbeit sammeln. Meine Befürchtung, dass ich zu der katholischen Jugendarbeit in der DDR nicht genügend Literatur finde, war unbegründet. Es war eher umgekehrt, es gibt leider kaum gute Literatur zu der katholischen Jugendarbeit in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland. Deswegen habe ich mich teilweise auch auf meine persönlichen Erfahrungen gestützt. Meine Vorahnung, dass die Auswirkungen der Trennung Deutschlands für die Katholische Kirche und ihre Jugendarbeit in der DDR drastische Folgen hatten, bestätigten sich. Der Staat hatte bei dem Machtkampf mit der Kirche eindeutig die besseren Karten in der Hand und tat alles um die Katholische Kirche in Zaum zu halten. Immer wieder unternahm der Staat weitere Schritte um die Zahl der Katholiken noch weiter zu senken. Durch die gravierenden Nachteile der Jugendlichen, die zu ihrem Glauben standen, in der Schule und bei der Berufsfindung gelang es dem Staat seinem Ziel mehr und mehr entgegenzukommen. Allerdings konnte der Staat nicht verhindern, dass die christlichen Kirchen während dem Bestehen der DDR ein eigenständiger gesellschaftlicher Faktor blieben. Der harte Kern der Menschen, der bis zum Ende der DDR zu seinem Glauben stand und sich vom Staat durch nichts abhalten ließ, machte die Katholische Kirche in der DDR so authentisch. Diese Menschen verliehen der Katholischen Kirche ihre Authentizität, weil sie authentisch gelebt haben, aufgrund der Tatsache, dass sie trotz der vielen Nachteile, die dieser Entschluss mit sich brachte, eine bewusste Entscheidung für die Katholische Kirche getroffen hatten. All jene Menschen, die zu diesem harten Kern gehörten, ließen sich nicht durch die äußeren Einflüsse leiten. Sie sind über die Steine, die der Staat ihnen in den Weg gelegt hatte, einfach hinweg gestiegen. Vielleicht hat hierbei auch der Reiz des Verbotenen ein wenig mitgespielt, denn die Tatsache dass der Staat jegliche Treffen der Katholischen Kirche verbot, machte die Teilnahme reizvoller. 36 Diejenigen, die zu ihrem Glauben und zu der Katholischen Kirche standen, fühlten sich besonders. Und das beruht darauf, dass die Katholische Kirche den Gläubigen Menschen dennoch einen Ort schuf, der eine Art Zuflucht darstellte. Ein Ort, an dem man so sein konnte, wie man sein wollte, an dem man sich selbst sein konnte, was einem in dem Leben ‚außerhalb’, auf der Straße unter den Adleraugen des Staates, nicht möglich gewesen ist. Die Katholische Kirche hatte in der ehemaligen DDR zwar eine geringere gesellschaftliche Reichweite, sie erreichte ihre Mitglieder aber in etwas größerem Umfang. Zwischen der katholischen Jugendarbeit in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland gibt es keine gravierenden Unterschiede. Die schon bestehende Struktur der Jugendarbeit in der BRD wurde nach der Wiedervereinigung Deutschlands übernommen. Die Katholische Kirche war auch in der BRD und später im wiedervereinigten Deutschland authentisch. Denn die gemeinsamen Ziele der katholischen Jugendarbeit in der DDR, BRD und später im wiedervereinigten Deutschland sind die gleichen geblieben. Für die Jugendlichen in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland sollten die in der Jugendarbeit Engagierten ein offenes Ohr und einen Rat haben. Bei Fragen über die Berufswahl, Partnerschaft oder Selbstfindung sollen die jungen Menschen die Möglichkeit haben, bei den Engagierten in der katholischen Jugendarbeit eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten. Diese Angebote wurden auch genutzt, allerdings war das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Jugendlichen keinesfalls mit dem in der DDR zu vergleichen. Denn die politische Situation gewährte den Jugendlichen in der BRD und auch heute ihre persönlichen Freiheiten. Die Katholische Kirche hatte hier und hat heute gar nicht die Möglichkeit so authentisch wie in der DDR zu wirken, weil wir den Beschluss authentisch zu leben nicht mehr so bewusst treffen. Wir leben in einer Zeit der Religionsfreiheit, der Staat versucht nicht mehr mit seiner Meinung zu überzeugen, wir müssen also die konkrete Entscheidung für oder gegen die Kirche nicht mehr treffen. Das öffentliche Bekenntnis der Menschen in der DDR, ist nicht wie das öffentliche Bekenntnis eines Menschen in der BRD oder im wiedervereinigten Deutschland, sie haben nie Nachteile aufgrund ihres Glaubens zu spüren bekommen. 37 Es war einfach selbstverständlich und dadurch, dass es in der DDR eben nicht selbstverständlich war, stellte das Zugeständnis dem Glauben gegenüber etwas Besonderes dar. Etwas Besonderes das eine authentische Wirkung, eine Echtheit und Glaubwürdigkeit besitzt, die in dieser Form, aufgrund der politischen Situation, nur in der DDR zu spüren war. Abschließend ist zu sagen, dass ich meine Fragestellung relativ deutlich beantworten konnte. Anhand meiner bearbeiteten Quellen und Literatur über die katholische Jugendarbeit in der DDR, BRD und im wiedervereinigten Deutschland kann ich davon ausgehen, dass die Katholische Kirche in der Zeit der staatlichen Unterdrückung auf die Menschen authentischer gewirkt hat. 38 7. Quellen Literaturliste: - Bernd Börger/ Michael Kröselberg: Die Kraft wuchs im Verborgenen – Katholische Jugend zwischen Elbe und Oder 1945-1990, Verlag Haus Altenberg GmbH, Düsseldorf 1993 - Bernhard Schäfers/ Albert Scherr: Jugendsoziologie – Einführung in Grundlagen und Theorien, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 - Deutsche Shell (Hrsg.): Jugend 2002 Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 2002 - Dieter Baacke: Jugend und Jugendkulturen – Darstellung und Deutung, Juventa Verlag Weinheim und München 1999 - Dieter Kirchhöfer/ Irmgard Steiner/ Dorle Zilch/ Jürgen Zinnecker: Jugend ’92 Lebenslagen, Orientierungen und Entwicklungsperspektiven im vereinigten Deutschland – Die neuen Länder: Rückblick und Perspektiven, Leske + Budrich, Opladen 1992 - Eduard J. M. Kroker: Die Gewalt in Politik, Religion und Gesellschaft, Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln Mainz 1976 - Hartmut Beile: Zeit Zeichen – Religiöse Emotionen und religiöses Urteil, Schwabenverlag AG, Ostfildern 1998 - Horst Dähn/ Helga Gotschlich (Hrsg.): „Und führe uns nicht in Versuchung…“ Jugend im Spannungsfeld von Staat und Kirche in der SBZ/DDR 1945 bis 1989, Metropol Verlag Berlin 1998 - Imbke Behnken/ Arthur Fischer: Jugend ’92 Lebenslagen, Orientierungen und Entwicklungsperspektiven im vereinigten Deutschland – Gesamtdarstellung und biografische Porträts, Leske + Budrich, Opladen 1992 - Jürgen Zinnecker: Jugend ’92 Lebenslagen, Orientierungen und Entwicklungsperspektiven im vereinigten Deutschland - Im Spiegel der Wissenschaft, Leske + Budrich, Opladen 1992 39 - Michael Wedell/ Franz Georg Friemel (Hrsg.): Schwarz/ Rot/ Gott? – Kirchliche (Jugend-)Arbeit vor und nach der deutschen Vereinigung, St. Benno Buchund Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH Leipzig, 1993 - Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2000. © 1993-1999 Microsoft Corporation - Prof. Dr. Uwe Volker Karst/ Wolfgang-Ulrich Mierau: Freizeit Jugend Profit, Jugendstiftung 1989 - Reinhard Boschki: Einführung in die Religionspädagogik – In Zusammenarbeit mit Stefan Altmeyer und Julia Münch, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008 - Rainer Drews: Zur Krise katholischer Jugendverbandsarbeit – Eine Lokalstudie von Strukturen kirchlicher Jugendarbeit in Berlin (West), Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main 1991 - Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2006 Eine pragmatische Generation unter Druck, Fischer Taschenbuchverlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2006 Internetquellen: - http://www.dbk.de/katholische_kirche/deutschland/staat/index.html - http://www.katholisch.at/content/site/glossar/index.html - http://de.wikipedia.org/wiki/Authentizit%C3%A4t#Formen_von_Authentizit.C3. A4t 40 8. Eidesstattliche Erklärung „Ich erkläre hiermit, dass ich die Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.“ ------------------------------------------ ------------------------------------------------ Ort, Datum Unterschrift 41