Bayern - Gut Aiderbichl

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Bayern - Gut Aiderbichl
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Bayern
Hochwasser-Magazin
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Wochenende, 15./16. Juni 2013
Landwirtin aus Winzer verliert alles – Gut Aiderbichl nimmt sie auf
DeggenDorf
gauck lobt Helfer
Bundespräsident Joachim Gauck ist voller Bewunderung für die vielen tausend
Helfer in den Hochwassergebieten. Bei
seinem Besuch am Freitag in Deggendorf
zeigte er sich erschrocken über die Kraft
der Wassermassen, die er vom Hubschrauber aus sehen konnte. Auch die
vom Hochwasser betroffenen Anwohner
imponierten Gauck: „Das Allerbeeindruckendste ist aber: Du schaust die Menschen an – die sind total erschöpft, aber
nicht traurig. Die sind innerlich bewegt.“
Das zeige ihm, dass die Deutschen sich in
Notsituationen auf einander verlassen
könnten. Gauck sprach auch mit Einsatzkräften von THW und Bundeswehr. F: dpa-
regensBurg/Passau
schiffe dürfen wieder fahren
Mit den sinkenden Pegeln der bayerischen Flüsse entspannt sich auch die Lage
für die Schifffahrt. In Teilbereichen ist
die Donau zwischen Regensburg und
Passau bereits wieder befahrbar. An diesem Samstag (15. Juni) sollen nach Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes
(WSA) in Regensburg (Foto: dpa) auch die
vom Hochwasser besonders betroffenen
Edeltraud H. streichelt eines ihrer Rinder auf dem Gnadenhof bei Deggendorf. „Ich bin so froh, dass uns bei dieser Flut geholfen wurde“
Abschnitte bei Deggendorf für den
Schiffsverkehr freigegeben werden. Dann
können etwa 50 Frachter und Hotelgastschiffe, die während des Hochwassers an
Schleusen, Liegeplätzen und in den Häfen vertäut waren, ihre Fahrt fortsetzen.
Berlin/Bayern
rekordschaden durch flut
Die Versicherungen rechnen durch die
Überschwemmungen in Deutschland mit
höheren Sachschäden als beim Hochwasser im August 2002. „Wir müssen davon
ausgehen, dass der Schaden durchaus höher sein kann als bei der Elbe-Flut 2002“,
sagte der Präsident des Gesamtverbandes
der Deutschen Versicherungswirtschaft
(GDV), Alexander Erdland, in Berlin.
Eine Zahl lasse sich erst nennen, wenn
das Wasser in allen Hochwassergebieten
abgelaufen und die Schäden sichtbar seien. Durch das Elbe-Hochwasser 2002
entstand in Privathaushalten und Unternehmen ein versicherter Schaden von 1,8
Milliarden Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden betrug damals rund elf Milliarden Euro.
MüncHen/DeggenDorf
sprach-Probleme bei rettern
Die Hochwasserkatastrophe hat die Bayern zusammenrücken lassen. So eng, dass
sogar die sonst gerne betonten regionalen
Zugehörigkeiten zwei Wochen lang vergessen waren. Schwäbische, fränkische
und oberbayerische Helfer von BRK,
Feuerwehr und Polizei strömten nach
Niederbayern. Die gute und reibungslose
Zusammenarbeit wurde viel gelobt. Nur
hinter den Kulissen, so gab Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Freitag in
Deggendorf zu, holperte es manchmal ein
bisschen. Nicht menschlich – sondern
sprachlich. „Das haben sie mir jetzt am
Schluss gesagt, dass es manchmal im
Funkverkehr nicht ganz einfach war, sich
zu verständigen“, sagte Seehofer. „So zwischen Franken und Niederbayern.“
Fotos: Gut Aiderbichl, dpa
Wie die flut Bäuerin
edeltraud
rettete
e
deltraud H. hat es nicht
immerleichtgehabt.Nein,
das Leben als Bäuerin ist
nunmal kein Zuckerschlecken. Trotzdem hat die fleißige Landwirtin aus Winzer (bei
Osterhofen) ihre Arbeit immer geliebt: die Familie, die
Tiere, die Natur. Ja, alles war
gut. Und dann – dann wurde
der 51-jährigen Frau in wenigen Monaten alles genommen.
Erst starb ihr Vater im Januar,
dann der Ehemann im März,
ihre Mutter vor wenigen Tagen. Wie grausam kann das
Schicksal sein? Plötzlich kam
auch noch die Flut. „Ich dachte, jetzt verlier’ ich auch noch
meine Kühe, meine Tiere“, erzählt Edeltraud, sie hat Tränen
in den Augen. Doch es sollte
ganz anders kommen: Das
Hochwasser – es sollte die Rettung für die Bayerin sein.
Das Drama um Edeltraud
H. – es ist eine Geschichte
über Leid, aber auch über
Hoffnung. Und darüber, wie
wichtig es ist, gebraucht zu
werden. Am 5. Juni nimmt das
Schicksal seinen Lauf: Die
Donau ist bei Winzer – einem
kleinen Dorf im Kreis Deggendorf – so angeschwollen,
dass die Deiche bald brechen
werden. Edeltraud H. ist alleine, als die Rettungskräfte auf
ihren Hof kommen und sagen:
„Wir müssen Sie evakuieren.
Sie müssen hier weg.“ Die
Landwirtin schüttelt nur den
Kopf: „Weg? Ohne meine Viecher? Nein, ich bleibe!“
Die Donauschleife nahe Winzer und Niederalteich: Das Hochwasser überschwemmte hier hunderte Häuser und Bauernhöfe
Wenig später kommen Helfer von Gut Aiderbichl auf den
Hof. Die zögern keinen Moment: „Sie müssen hier weg.
Wir bringen ihre 23 Rinder per
Transporter auf unser Gut und
sie kommen mit.“ Das bewegende Angebot – Edeltraud H.
kann es nicht ausschlagen. „Ich
war so froh, dass mir da jemand
hilft“, sagt sie später über die
spontane Hilfsaktion.
Dann geht alles blitzschnell
– die Flut kommt ja bald. Die
Tiere werden einzeln in die Anhänger verladen, Edeltraud
hilft nervös mit. Nach ein paar
Stunden ist alles erledigt. „Ich
dachte, meine Kühe würden
wild umherspringen, aber sie
blieben ganz ruhig.“ Das freie
Leben auf den trockenen Wie-
Schnell befreiten Helfer die Tiere aus Edeltrauds Stall, brachten alle in Sicherheit
so können sie helfen
Seit vielen Jahren kümmert sich Gut Aiderbichl
um geschundene Tiere,
versorgt und pflegt sie.
Nun – nach der Jahrtausendflut – sind viele weitere Tiere auf dem Gut
aufgenommen worden.
Daher sind natürlich
Geldspenden immer
herzlich willkommen.
Hier die Daten für alle,
die helfen wollen:
Konto: Gut Aiderbichl
Stiftung Deutschland
Konto: 80 41 10 28 67
BLZ: 70 12 07 00
bei Oberbank Bayern
Stier Egon, der auch gerettet wurde, ist
schon eine Attraktion auf Gut Aiderbichl
sen auf Gut Aiderbichl schien
ihnen zweifelsohne zu gefallen.
„Das hat richtig gut getan, sie so
glücklich zu sehen“, sagt die
Bäuerin.
Aber die Rettung war noch
lange nicht vorbei. Denn nach
den Tieren ging es nun um Edeltraud selbst. Was sollte mit ihr
und den Tieren geschehen? Sollten sie nach der Flut wieder alleine zurück auf den großen Hof?
Ein Gedanke, der der Landwirtin einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Und so nahm sie
nach ein paar Tagen ihr Herz zusammenundfragteinGutAiderbichl: „Darf ich bei euch bleiben?
Mit meinen Rindern? Ich kann
und will nicht mehr zurück.“
Die Antwort? Die ließ nicht
lange auf sich warten. Hatte
Selbst die Bundeswehr half, um Heu und Stroh
auf den Gnadenhof zu transportieren
Edeltraud doch die ganzen
letzten Tage gewerkelt auf dem
Gut wie es für jede fleißige
Landwirtin üblich ist: Ställe
ausgemistet, die Tiere gefüttert
– alles was so anfiel. „Wir haben ihr dann einfach eine Festanstellung angeboten“, sagt
Gut-Aiderbichl-Gründer Michael Aufhauser gegenüber der
tz. „Es war ja klar, dass wir hier
helfen müssen und natürlich
auch wollen.“ Mit Tränen in
den Augen sagte Edeltraud
dann auch sofort zu. Nun ist sie
also sozusagen die hauseigene
Bäuerin auf dem Gnadenhof in
Deggendorf. „Diese schreckliche Flut hatte für mich also
auch etwas Gutes – nach all den
Schicksalsschlägen“, sagt sie
über das neue Zuhause. „Ich
fühle mich hier wohl und werde
mich nun um alle Tiere so gut
ich kann kümmern.“
Edeltrauds Hof nahe Winzer war gestern noch immer
teils überschwemmt. Der Donaupegel – er sinkt in der ganzen Region nur sehr langsam.
Eins ist klar: Wenn das Wasser
verschwunden ist, werden viele hier ganz neu beginnen
müssen.
Armin Geier