16. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C
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16. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C
Katholisches Bibelwerk Lektorenhilfe 16. Sonntag im Jahreskreis C Evangelium 16. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C Lk 10,38-42 1. Einführung (kann auch vor dem Evangelium vorgetragen werden) Wir hören heute einen weiteren Abschnitt aus dem Lernweg der Jünger mit Jesus im Lukasevangelium. Es geht darum, wie Nachfolge Jesu in seinem Geist gelebt werden kann. Die Beispielsgeschichte vom barmherzigen Samariter, die wir letzten Sonntag gehört haben und die das Tun der Nächstenliebe herausstellte, wird heute durch eine andere bekannte Geschichte, die ihr im Evangelium folgt, ergänzt: die Erzählung von Marta und Maria. Sie streicht die Notwendigkeit des Hörens heraus. Jegliches Tun in der Nachfolge Jesu muss begründet sein im Hören auf das Wort Jesu. 2. Praktische Tipps zum Vorlesen a. Der Text im Zusammenhang: Einordnung, Textumfang Die Frage, was Nachfolge auf dem Weg Jesu ( Lk 9,51 ) bedeutet, konkretisiert der Evangelienschreiber Lukas innerhalb seines eigenen theologischen Entwurfs (den großen lukanischen Einschaltungen in Lk 9,51-18,14) mit zwei aufeinander bezogenen Erzählungen: dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter Lk 10,25-37 (15. Sonntag im Jahreskreis) sowie der Erzählung von Maria und Marta, Lk 10,38-42. Konnte der/die Leser/in durch das Handeln des Samariters den Eindruck gewinnen, es käme vor allem auf das Tun der Nächstenliebe an, so wird mit der jetzt folgenden Perikope deutlich, dass das Tun im Hören des Wortes Jesu verankert sein muss. Das Hören auf Jesu Wort ist Grundlage der Jesusnachfolge. b. Betonen + Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas 38 In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. 39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. 40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! 41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. 42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden. 1 Kath. Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de Katholisches Bibelwerk Lektorenhilfe 16. Sonntag im Jahreskreis C Evangelium c. Stimmung, Modulation Die Eigenart des Textes ist anfangs geprägt von der betonten Gegenüberstellung der beiden Jesus aufnehmenden Schwestern - Marta und Maria - und der kontrastierenden Darstellung ihres Tuns ( Maria, sich setzend und zuhörend - Marta, sorgend für Jesus ) und gipfelt in dem Vorwurf und dem Appell seitens Martas an Jesus. Die unterschiedlichen Handlungsträger und Positionen können durch ein pointiertes und ausdrucksvolles Erzählen betont werden. Die Autorität der an Marta gerichteten Antwort Jesu mit ihren Gegenüberstellungen ( Marta – Maria; Sorgen und Mühen – das Bessere ) ist zum Schluss ebenfalls stimmlich zu unterstreichen; V 42 kann aber auch stimmungsmäßig so vorgetragen werden, dass hörbar wird, wie Jesus um Einsicht und Verständnis wirbt. 3. Textauslegung Die Auslegungsgeschichte der Erzählung von Marta und Maria ist bekannt und eindeutig: Maria versinnbildlicht für viele Bibelausleger und Prediger das kontemplative, geweihte Leben, das Vorrang haben soll vor dem alltäglichen, normalen Leben der Marta. Nehmen wir aber ernst, dass es Lukas mit der Komposition der beiden Perikopen vom barmherzigen Samariter Lk 10,25-37 und von Marta und Maria Lk 10,38-42 letztlich um den Zusammenhang vom Tun der Nächstenliebe und der Verankerung im Hören auf das Wort Jesu geht, so muss Marta nicht im Dunstkreis des Banalen und des Nebensächlichen verankert bleiben, während Maria allein das Bessere und Selige verkörpert. Kein anderer als der große Mystiker des Mittelalters – Meister Eckhart – ist mit seiner Lesart der Erzählung einen Weg gegangen, der das Bild der beiden Schwestern gänzlich umgekehrt interpretiert. Meister Eckhart setzt die noch unfertige Maria an den Anfang jeglichen geistlichen Lebens, das nach Vervollkommnung strebt. Ihrer Schwester hingegen billigt Meister Eckhart aufgrund ihrer eigenen Lebenserfahrung eine viel größere Nähe zu dem zu, was wirklich wesentlich ist. Aus diesem Grunde musste Jesus Marta in ihre Grenzen weisen, denn „Marta fürchtete“, so Eckharts Deutung, „dass ihre Schwester im Wohlgefühl und in der Süße stecken bliebe“. Marta wünschte sich aber, dass Maria werde wie sie selbst: nicht nur glühende Jüngerin am Rockzipfel Jesu, sondern ebenfalls tatkräftig in der Bewältigung alltäglicher Sorgen und Nöte. „Deshalb sprach Christus und meinte: Sei beruhigt, Marta, auch sie hat den besten Teil erwählt. Das Höchste wird ihr zuteil werden: Sie wird selig wie du!“ ( Quelle der Deutung Meister Eckharts zu Lk 10,38-42: A. Lob-Hüdepohl, Die Wertschätzung des Imperfekten, in: IKZ Commuunio 31, S. 513f ) Textauslegung aus der Reihe „Gottes Volk“ Die Marta-Maria-Erzählung bewegt bis heute die Gemüter (von Frauen). Besonders die Wiedergabe des Schlusssatzes V. 42b nach der Einheitsübersetzung („Maria hat das Bessere gewählt…“) verleitet zum komparativisch-bewertenden Vergleich „besser – schlechter“. Aber auch die korrekte Übersetzung „Maria hat den guten Teil gewählt …“ löst nicht die Probleme. Wenn Maria der gute Teil zukommt, bleibt dann für Marta der schlechte Teil? Ist der Dienst der Marta aber nicht geradezu notwendig – heute wie damals? Ist dieser Frauen-Text auch für Männer relevant? Bei all diesen Problemen ist immerhin auch positiv zu bemerken, dass dies 2 Kath. Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de Katholisches Bibelwerk Lektorenhilfe 16. Sonntag im Jahreskreis C Evangelium die einzige Erzählung in den synoptischen Evangelien ist, in der Jesus ins Haus von Frauen einkehrt. Am Ende der ersten Einheit des lukanischen Reiseberichts (Lk 9,51-19,27) erweist sich Marta durch ihre Gastfreundschaft – im Gegensatz zum samaritanischen Dorf Lk 9,53 – als vorbildliche Jüngerin Jesu und wird zur Tochter des Friedens (vgl. 10,5-6), während Maria, die auf das Wort Jesu hört, die Seligpreisung der Jünger (Lk 10,23-24 „Selig … was ihr hört“) realisiert. Als Apophthegma (Sinnspruch mit den Aufbauelementen: erzählte Szene – Protest – autoritatives Wort Jesu) verweist die Erzählung auf den „Sitz im Leben“ der nachösterlichen Gemeinde. Lukas erachtet Jesu Wort über Marta und Maria als wichtig für die Frauen (und Männer) in seiner Gemeinde. Maria nimmt die emanzipierte Rolle der lernenden Frau ein, die beim Kyrios (göttlichen Herrn) Jesus in die Schule geht. Sie sitzt zu Füßen ihres Meisters analog den Propheten- und Rabbischülern (vgl. 2 Kön 4,38; 6,1; Abot I 4; auch Lk 8,35; Apg 22,3) und erweist sich als Jüngerin durch ihr Hören auf das Evangelium. Ihr Hören ist jedoch nicht Selbstzweck. Wie bei einem Propheten- oder Rabbischüler, so zielt Marias Hören – wenngleich im Text nicht ausdrücklich verbalisiert – auf die Weitergabe des Evangeliums (vgl. Lk 8,35; Apg 22,3) und auf die Umsetzung des Gehörten ins eigene Handeln (vgl. Lk 8,15.21.47; 11,28). Auch Marta erweist sich als ebenbürtige Jüngerin, indem sie als Hausherrin in einer eher traditionellen Rolle die notwendige Versorgung ihres Gastes (und seiner Begleitung) leistet, und dabei vom vielen Dienst in Anspruch genommen wird. Marta stellt in V. 40 dann jedoch die Gleichwertigkeit der beiden Formen von Jüngerin-Sein in Frage. Sie will über Jesus als Autoritätsperson erreichen, dass Maria ihre eigene Gestaltung des Jüngerin-Seins aufgibt zugunsten eines Dienstes, wie er von ihr selbst erbracht wird. Jesus aber beugt sich der Forderung nicht. Er kritisiert ihr Sich-Kümmern und Sorgen um Vielerlei (vgl. auch Lk 8,14 parr; 12,22-31 par; die EÜ übersetzt hier nicht exakt!): Sie mischt sich ein in den Glaubensvollzug Marias und möchte ihn selbst drängen, die Form ihres Jüngerin-Seins zu bevorzugen. Dies behindert ihre eigene Verwirklichung von idealer Jüngerschaft. Daher bekräftigt Jesus die Wahl der Maria als gut und will Marta durch die doppelte Anrede „Marta, Marta“ (vgl. auch Lk 22,31; Apg 9,4) dafür gewinnen, dass sie seine Entscheidung mittragen kann. Die Marta-Maria-Erzählung spiegelt sicherlich Erfahrungen und Konflikte der lukanischen Gemeinde. Diese war für ihre Zusammenkünfte auf die großherzige gastfreundliche Einladung der Wohlhabenden angewiesen, und Frauen werden wohl besonders die Versorgungsarbeit geleistet haben (vgl. Apg: Maria, Lydia, Priszilla). Dass manche Frauen aber ihren Einsatz für die Gemeinde im Hören, Studieren und Weitergeben des Evangeliums sahen, führte zum Konflikt. Unsere Erzählung stellt beide Frauentypen als ideale Protagonistinnen aller Christinnen und Christen dar. Nachfolge darf und soll sich in vielfältigen, auch innovativen Rollen vollziehen. Nutzen und fördern wir heute alle Möglichkeiten? (Maria Trautmann, Gottes Volk 6/2007, 38f) Dr. Ulrich Kmiecik, Berlin 3 Kath. Bibelwerk e.V. www.bibelwerk.de