Bericht zur Diskussion am 23. April 2009 (PDF
Transcription
Bericht zur Diskussion am 23. April 2009 (PDF
Diskussionen über Film und Musik 1. Abend: Musik:Drama! Am 23. April trafen in der gut besetzten Filmpalette Köln die Journalisten Jörg Gerle (film-dienst) und Mike Beilfuß (Cinema Musica), der Komponist Ralf Wienrich sowie der oscar-prämierte Regisseur und Produzent Reto Caffi („Auf der Strecke“) zusammen, um über die Veränderung zu diskutieren, die Filmmusik in ihrer Funktion und ihren Möglichkeiten erlebt. Es moderierte der Komponist Matthias Hornschuh (Vorsitzender von mediamusic). Um die Veränderungen exemplarisch aufzeigen zu können, wandte sich die Runde insbesondere der Musik von Hans Zimmer und James Newton Howard zum Batman-Film „The Dark Knight“ zu. Der Verlauf der Diskussion zentrierte sich vor allem um zwei Kernbereiche. Den ersten bildeten die Möglichkeiten der Filmmusik. Einig waren die Streiter darüber, dass der Raum, den die Musik im Film insgesamt einnimmt, kleiner geworden ist. Zu den Stummfilmen wurden Musiken an der Kinoorgel live gespielt, die stimmgewaltig und mit vielen Effekten der Orgel ein wuchtiges akustisches Pendant zum Visuellen bilden konnte und durfte. Der Orchestersoundtrack des frühen Tonfilms bildete die lineare Fortsetzung. Die Komponisten schrieben Werke, die nach der Überzeugung Korngolds stets auch selbstständig im Konzertsaal bestehen können mussten. Doch nicht nur Dialoge, sondern auch die Klänge der Szenen, die immer detailfreudiger gestaltet werden, verengen den Raum für die Filmmusik, die schlichter und subtiler geworden ist. Eine wirkungsvolle Filmmusik ist in aller Regel nicht mehr als selbständiges Werk überzeugend aufführbar, davon ist Komponist Ralf Wienrich überzeugt. Sind die meisten Musiken nicht doch beliebig einsetzbar? Wienrich bekannte, dass er oft erschrocken darüber sei, wie beliebig Musik letztlich einsetzbar sei. Man könne jede Szene mit unterschiedlichsten Musiken unterlegen, irgendwie würde sie fast immer funktionieren. Komponisten würden deshalb auch oft achselzuckend hinnehmen, dass die Musik, die sie zu bestimmten Szenen geliefert hätten, von Regie und Schnitt unter andere Szenen gelegt und oft zerstückelt eingesetzt würde. Beilfuß räumte ein, dass er das weniger wahrnehme, weil Kritiker stets vom fertigen Ergebnis ausgehen. Sie beurteilen den fertig gestellten Film, und die Frage, was der Komponist ursprünglich beabsichtigt habe, ist dabei nachrangig. Ein Film ist letztlich, darüber waren sich alle einig, immer Teamwork. Und in dieser Zusammenarbeit muss jeder Zugeständnisse an seine eigentlichen Intentionen machen. Reto Caffi wies darauf hin, wie sehr Schnitt und Regie auch das Drehbuch laufend verändern, das kaum weniger betroffen als die Komposition ist. Hornschuh fragte kritisch, wie weit der Filmkomponist denn in diesen Zugeständnissen gehen könne, und Wienrich reagierte pragmatisch. Für ihn zählt es zu wissen, dass seine Musik Teil eines guten Films ist und dass sie so Hörer findet. Seine Kompositionen für Bella-Block-Filme sind bei der Fernsehausstrahlung von bis zu sieben Millionen Menschen gehört worden. Dafür nimmt er manches künstlerisch in Kauf. Letztlich arbeiten fast alle Komponisten im Bewusstsein, dass ihre Musik fast beliebig einsetzbar ist und oft trotzdem „funktioniert“. Den zweiten Kernbereich der Diskussion bildete der Blockbuster des Abends. Stellt Hans Zimmers und James Newton Howards Musik zu „The Dark Knight“ tatsächlich eine Innovation im Genre dar oder gehorcht sie nicht doch ohrenfällig den Gesetzen einer Blockbuster-Produktion? Wenn ersteres der Fall ist, worin besteht die Innovation? Während vor allem Mike Beilfuß und Ralf Wienrich die Meinung vertraten, dass die Musik eigentlich nicht wesentlich über dashinausgeht, was das Komponistenteam bereits in „Batman begins“ angelegt hat, vertraten Matthias Hornschuh und Jörg Gerle die Meinung, dass diese Musik eine wahre Innovation des Genres darstellt. Hornschuh führte Beispiele vor, in denen die Musik maßgeblich für die Zeichnung der Charaktere sorgt, Gerle vertrat die Position, dass diese Musik normalerweise von Produzenten eines Blockbusters nicht angenommen worden wäre. Nur der Ruf Hans Zimmers habe hier eine Art Schutzwall gebildet. Winrich, Caffi und Beilfuß widersprachen, die Charakterzeichnung ginge nicht über das hinaus, was auch sonst schon vorgelegt worden wäre. Aus dem Publikum meldete sich Claudius Brüse, der zum Produktionsteam von Hans Zimmer gehört und an den Soundtracks zu „Pirates of the Carribean“ II und III mitgearbeitet hat: Die Innovation des Soundtracks zu „Dark Knigth“ liege eindeutig im Sounddesign. Dessen ausgefeilte und artifizielle Ausarbeitung war auch in den eingespielten Beispielen zu hören. Brüse benannte aber auch frühe Filme, die wahrhafte Innovationen im Genre dargestellt hätten, gleichwohl lange Zeit ohne Nachfolger auf gleichem Niveau geblieben seien, etwa der Soundtrack von Louis und Bebe Barron zu „Forbidden Planet“ von 1956 (Regie Fred Wilcox) und der von Jerry Fielding zu „The Mechanic“ von 1972 (Regie Michael Winner). Bleibt auch der Soundtrack zu „Dark Knight“ ohne Auswirkungen auf das Genre? Jörg Gerle hält sie in der Tat für ein fast singuläres Ereignis, so wie auch der Soundtrack zu „Black Hawk Down“ ohne Folgen geblieben sei. Reto Caffi und Mike Beilfuß blieben dabei, dass der Zimmers Soundtrack für ihn weder innovativ noch radikal sei. Die Veranstaltung von Landesmusikrat, mediamusic und Filmbüro NW war Auftakt einer Reihe von drei öffentlichen Diskussionen und Filmvorführungen, die das Wechselverhältnis von Film und Musik aus drei Perspektiven betrachten. Der zweite Abend am 7. Mai, 18.00 h, wird sich mit Musik im Dokumentarfilm befassen und Klaus Sterns Film „Weltmarktführer“ zeigen, der dritte mit berufsspezifischen Aspekten des Komponisten, wobei das frühe Werk des Multitalents John Carpenter „Dark Star“ vorgeführt wird. Die Reihe wird gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen.