Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?

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Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?
DISCUSSION PAPER SERIES
IZA DP No. 555
Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?
Zuwanderung und Spracherwerb in
Kanada und Deutschland
Don J. DeVoretz
Holger Hinte
Christiane Werner
August 2002
Forschungsinstitut
zur Zukunft der Arbeit
Institute for the Study
of Labor
Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?
Zuwanderung und Spracherwerb in
Kanada und Deutschland
Don J. DeVoretz
Simon Fraser University, RIIM and IZA Bonn
Holger Hinte
IZA Bonn
Christiane Werner
Simon Fraser University, RIIM (bis 2001)
Associated Economic Consultants, Vancouver (seit 2001)
Discussion Paper No. 555
August 2002
IZA
P.O. Box 7240
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Germany
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IZA Discussion Paper No. 555
August 2002
Die englische Version dieser Studie ist unter ftp://ftp.iza.org/dps/dp555.pdf abrufbar.
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ABSTRACT
Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?
Zuwanderung und Spracherwerb in Kanada und Deutschland
Deutschland und Kanada befinden sich an entgegengesetzten Enden der Diskussion um
sprachliche Integration und Einbürgerung von Zuwanderern. Seit Januar 2000 findet das
Sprachkriterium explizit Erwähnung im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht. Das
voraussichtlich zum 1. Januar 2003 in Kraft tretende erste deutsche Zuwanderungsgesetz
zielt neben den Kriterien der Begrenzung und Steuerung auch in Richtung eines
Sprachkriteriums für die Zulassung zur Immigration. In Kanada hingegen ist keine der beiden
Amtssprachen zwingende Voraussetzung für Zuwanderung oder Einbürgerung. Über die
Bewertung von Sprachkenntnissen im Rahmen eines Punktesystems für die Auswahl von
Zuwanderern hinaus geschieht das Erlernen der Landessprache(n) in Kanada weitgehend
auf freiwilliger Basis und hängt meist von entsprechenden Arbeitsmarktanreizen ab. Welche
gesetzliche Regelung bildet den besseren Rahmen für den Spracherwerb der Zuwanderer –
das bislang (und in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit auch) staatlich geregelte deutsche
System oder das Laissez-Faire-Modell Kanadas? Um eine Antwort auf diese Frage zu
finden, werden in dieser Studie die gesetzlichen Grundlagen und Sprachförderungsprogramme beider Länder vergleichend bewertet.
JEL Classification:
Keywords:
F22, I29, J60, J61
Immigration, Integration, Spracherwerb, Zuwanderungspolitik, Punktesystem
Don J. DeVoretz
RIIM
Simon Fraser University
Burnaby, BC, V5A 1S6
Canada
Tel.: +1 (604)-291-4575
Fax: +1 (604)-291-5336
Email: [email protected]
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 III
EXECUTIVE SUMMARY
Aufgrund des starken Zustroms von Ausländern und Aussiedlern insbesondere im vergangenen
Jahrzehnt, ist Deutschland de facto zu einem Einwanderungsland geworden. Was Deutschland
dabei von “klassischen” Einwanderungsländern wie Kanada unterscheidet, ist die Tatsache, daß
es auf diese Entwicklung erst jüngst mit Initiativen zu einer umfassenden Immigrationsgesetzgebung reagiert hat. Das Einwanderungsgesetz, das vom Deutschen Bundestag und Bundesrat (von
diesem allerdings in einer verfassungsrechtlich umstrittenen Form) im März 2002 verabschiedet
wurde und am 1. Januar 2003 in Kraft treten soll, könnte einen Wendepunkt in der deutschen
Migrationsgeschichte bedeuten – selbst dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom
Bundesverfassungsgericht in Abrede gestellt oder eine veränderte politische Mehrheit inhaltliche
Korrekturen am Gesetz bewirken sollte.
I.
Im Fehlen einer systematischen Einwanderungsgesetzgebung ist ein wichtiger Grund für den bislang stark eher fragmentarischen Charakter der staatlichen Integrationsprogramme in Deutschland zu sehen. Eine in sich geschlossene, anreizwirksame Strategie zur Sprachförderung gilt es
noch zu entwickeln. Dabei sind Vorstufen einer umfassenden Sprachförderung durchaus bereits
existent. So müssen Aussiedler vor ihrer Einreise nach Deutschland einen Sprachtest bestehen.
Dieser Test gilt allerdings nur für die Einreisewilligen selbst und nicht für ihre Familienmitglieder. Für die weit größere Gruppe der nichtdeutschen Immigranten existiert bislang weder ein obligatorischer Sprachtest vor der Einreise noch ein mit gezielten Lernanreizen versehenes Sprachförderprogramm im Inland. Dieser Umstand trägt wesentlich zu der vielfach beobachtbaren
Sprachbarriere zwischen Immigranten und Deutschen bei. Von ihr wiederum geht ein negativer
Einfluß auf die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt aus.
Eine fundamentale Veränderung dieser Konstellation ist jedoch mittelfristig zu erwarten.
Seit dem Jahr 2000 muß vor der Einlösung eines erworbenen Rechtsanspruches auf Einbürgerung der Nachweis „ausreichender“ Sprachkenntnisse erbracht werden. Dies ist ein erstes Anzeichen dafür, daß dem Spracherwerb eine zusehends größere Bedeutung als zentraler Integrationsaspekt zuerkannt wird. Darüber hinaus wird die deutsche Sprachförderpolitik mit der Einführung eines neuen „Gesamtsprachkonzepts“ einer Reform unterzogen werden, die die verschiedenen Integrationsanstrengungen für Ausländer und Aussiedler, von denen in der vorliegenden Untersuchung die Rede ist, in einem Programm bündelt. Das Zuwanderungsgesetz enthält bereits
erste entsprechende Bestimmungen. Noch wichtiger erscheint freilich die Tatsache, daß Kenntnisse der deutschen Sprache als Auswahlkriterium und Integrationsaspekt im neuen Zuwanderungsgesetz berücksichtigt wurden und insofern in bezug auf neu einreisende Immigranten von
einem zukünftig größeren Anteil bereits hinreichend des Deutschen mächtigen Zuwanderern
ausgegangen werden kann. Das neue Zuwanderungsgesetz sieht überdies vor, daß zukünftig auch
Familienangehörige von Spätaussiedlern den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse führen
müssen, um eine Einreiseerlaubnis zu erhalten.
Diese Studie vergleicht die gegenwärtig vorhandenen Sprachprogramme in Kanada und
Deutschland vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland. Im
IV
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Gegensatz zu Deutschland verfügt Kanada über eine umfassende Immigrationspolitik und eine
Strategie zum Spracherwerb von Zuwanderern, die auf die kanadischen Interessen zugeschnitten
sind. Es gibt guten Grund zu der Annahme, daß das kanadische Punktesystem, das zuletzt Modell stand für die entsprechenden Regelungen im deutschen Zuwanderungsgesetz, den Weg zu
einem erfolgreichen deutschen Sprachförderungsmodell ebnen könnte.
II.
Kanada wirbt bereits seit über 100 Jahren aktiv um Zuwanderer. Seit 1911 bestehen dafür ausdrückliche gesetzliche Regelungen. Gemäß der aktuellen kanadischen Einwanderungspolitik, die
auf ein Gesetz aus dem Jahr 1967 zurückgeht und auf einem Auswahl-Punktesystem basiert, erfolgt die Auswahl von Immigranten insofern unabhängig von ihren Sprachkenntnissen, als die
Zuwanderung auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn keine Sprachkenntnisse vorhanden sind.
Vielmehr kann dieses Defizit an anderer Stelle des Auswahl-Punktesystems „wettgemacht“ werden. Zum Erwerb der kanadischen Staatsangehörigkeit sind nur geringfügige Kenntnisse einer
der beiden Amtssprachen erforderlich. Kann Deutschland aus Kanadas Laissez-Faire-Politik
Lehren für die eigene Politik in bezug auf den Spracherwerb von Immigranten ziehen? Dieser
Frage wird in der vorliegenden Studie nachgegangen. Dazu werden Einwanderungsgeschichte
und Sprachpolitik beider Länder verglichen und die unterschiedlichen Konzepte des Spracherwerbs auf ihre Wirksamkeit untersucht. Aus diesem Vergleich können positive und negative
Lehren für die deutsche Politik gezogen werden.
Kanadas Einwanderungspolitik hat sich in den vergangenen dreißig Jahren dramatisch
gewandelt. Am Anfang stand ein Punktesystem, das Wirtschaftsimmigranten den Vorrang gab
(1967-73), gefolgt von einem hauptsächlich auf Familienzusammenführung ausgerichteten System (achtziger Jahre), bis hin zur heutigen Einwanderungspolitik, die beide Systeme in einem
ausgewogenen Verhältnis kombiniert. Da sich im Falle Kanadas sowohl die Immigrantengruppen als auch die Herkunftsländer verändert haben, hat die Sprachkomponente im Auswahlverfahren an Bedeutung gewonnen. Die kanadische Politik hat mittlerweile erkannt, daß Immigranten,
die mindestens eine der Amtssprachen fließend sprechen, leichter in die Gesellschaft zu integrieren und wirtschaftlich erfolgreicher sind. Derzeit verfügen rund 95 Prozent der erfolgreichen
Bewerber in der Gruppe der qualifizierten Arbeitskräfte über Kenntnisse zumindest einer der
Amtssprachen. Bewerber für die kanadische Staatsangehörigkeit müssen ein Minimum an Englisch- oder Französischkenntnissen besitzen. Allerdings sind die Sprachanforderungen gering,
und Bewerbern ist es sogar erlaubt, die Hilfe eines Übersetzers in Anspruch zu nehmen, um den
Einbürgerungstest zu bestehen. Über die Honorierung von Sprachkenntnissen im Rahmen des
Punktesystems hinaus finden während des Aufenthalts jedoch diverse – zumeist berufsbezogene
– Überprüfungen der Sprachkenntnisse statt. Letztendlich basiert der Erfolg jedes Einwanderers
im kanadischen Arbeitsmarkt auf seinen Kenntnissen der Landessprache.
III.
Im Gegensatz zu Kanada hat sich Deutschland bisher offiziell nicht als Einwanderungsland bezeichnet und sich dieser Selbsterkenntnis auch in der aktuellen Debatte, die zum ersten Zuwanderungsgesetz in der deutschen Geschichte geführt hat, nur zögerlich angenähert. Aufgrund des
Mangels an Arbeitskräften in den 1950 Jahren wurden ausländische Arbeitnehmer als Gastarbei-
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
V
ter angeworben. Als Folge lebt die Hälfte aller Ausländer seit über einem Jahrzehnt in Deutschland, 30 Prozent sogar seit über 20 Jahren. Mittlerweile existieren längst Gastarbeiterfamilien der
zweiten oder gar schon der dritten Generation. Die ehemaligen Gastarbeiter bilden inzwischen
nicht mehr die Mehrheit der ausländischen Bevölkerung in der Bundesrepublik. Ihre Kinder und
die neuen Zuwanderer, besonders aus Osteuropa, gewinnen heute zunehmend an Bedeutung. Die
Frage der Ausländerintegration stellt sich heute anders und aktueller denn je.
Die Situation der Ausländer in der deutschen Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt läßt
sich größtenteils mit der Situation der Aussiedler vergleichen. Auch die meisten Spätaussiedler
aus Osteuropa sowie potentiell anzuerkennende Aussiedler, die noch in diesen Staaten leben, gehören mindestens der zweiten Generation an. Da sie nie in Deutschland gelebt haben, finden sie
ähnliche „Startbedingungen“ in der neuen Heimat vor wie Ausländer. Der starke Zuzug von
Einwanderern im letzten Jahrzehnt führte zu beträchtlichen Integrationsproblemen in Deutschland. Die entstandenen Schwierigkeiten im sozialen Umfeld lassen sich zumindest teilweise auf
die existierenden Sprachbarrieren zurückführen und sind eine Ursache verstärkter Fremdenfeindlichkeit. Im Hinblick auf die starke Zunahme der Antragstellung und Einreise von Aussiedlern
wurden in den 1990er Jahren Sprachtests eingeführt, um die Plausibilität der Anträge besser beurteilen zu können. Die Einführung dieser Tests hat deutlich gemacht, daß eine große Zahl der
Aussiedler keine ausreichenden Deutschkenntnisse besitzt.
IV.
In Kanada verfügt ebenfalls ein großer Anteil der Immigranten über unzureichende Sprachkenntnisse. Darauf reagierte der Privatsektor mit der Gründung von Fortbildungseinrichtungen,
an denen English (French) as a Second Language (ESL/FSL) unterrichtet wird. Die Kurse basieren auf dem Canadian Language Benchmarks Assessment (CLBA), das die Regierung speziell
zur Standardisierung von Sprachkursen entwickeln ließ. Die Kurse Language Instruction for
Newcomers to Canada (LINC) werden von der Regierung gefördert und stehen allen neuen Zuwanderern offen. Der zeitliche Rahmen der Sprachausbildung ist auf maximal drei Jahre beschränkt. Nach dieser Zeit sollen die Absolventen in der Lage sein, ihren alltäglichen Verpflichtungen, die ausreichende Kenntnisse der Amtssprache erfordern, nachzukommen.
Im Gegensatz zum kanadischen Ausbildungssystem wird die Sprachförderung in
Deutschland fast ausschließlich durch den Staat geregelt. Die deutsche Regierung finanziert
Sprachkurse sowohl für Aussiedler als auch für Ausländer. Diese Kurse sollen dazu beitragen,
die Immigranten wirtschaftlich und auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren, soziale Kontakte zu
fördern sowie die politische und kulturelle Partizipation der Zuwanderer zu verbessern. Die Mittel für die jeweiligen Immigrantengruppen werden von verschiedenen Behörden bereitgestellt.
Studien zum Erfolg dieser Programme kommen zu dem Ergebnis, daß ihre Effektivität sehr hoch
eingeschätzt wird. Dabei muß allerdings beachtet werden, daß diese Umfrageergebnisse aufgrund von Selbstauskünften der Anbieter von Sprachkursen und Kursteilnehmern zustande gekommen sind und empirisch nicht überprüft wurden.
Die bis heute getrennt angebotenen Sprachförderungsprogramme für Aussiedler und Ausländer sollen mittelfristig in einem „Gesamtsprachkonzept“ für alle Immigranten aufgehen. Die
im Zuwanderungsgesetz getroffenen Regelungen machen deutlich, daß dabei die unterschiedli-
VI
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
che Behandlung von Aussiedlern (Sprachtest vor der Einreise plus Sprachkursangebot nach der
Einreise) und Ausländern (Sprachkursangebot nach der Einreise) nicht grundsätzlich aufgegeben
werden wird, wohl aber indirekt ein Anreiz zum Spracherwerb auch von Ausländern bereits vor
Antragstellung bzw. Einreise geschaffen werden soll, indem eine Bewertung von Sprachkenntnissen im Rahmen des Punktesystems erfolgt, der Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach Besuch eines Integrationskurses ein Jahr früher eingeräumt wird und der ansonsten freiwillige Besuch von Sprach- und Integrationskursen für Neuzuwanderer dann obligatorisch wird, wenn keine Verständigung „auf einfache Art“ in deutscher Sprache möglich ist.
V.
Im Ganzen gesehen existieren in den beiden betrachteten Ländern zwei sehr unterschiedliche
Spracherwerbsmodelle, die sich jedoch – berücksichtigt man die jüngsten gesetzgeberischen Aktivitäten in Deutschland und Kanada – auf dem Wege einer gewissen Angleichung befinden. Von
der Einreise bis zur Einbürgerung verlangt Kanada von Zuwanderern grundsätzlich keine bzw.
indirekt nur recht geringe Kenntnisse der Amtssprachen, sieht man vor der inzwischen strengeren Bewertung des Sprachniveaus im Punkteverfahren ab. In Kanada ist es vor allem dem Markt
überlassen, den Spracherwerb von Immigranten optimal zu regeln. Deutschland hingegen verwendet Sprachkenntnisse seit 1996 explizit als Anerkennungs- und Einbürgerungskriterium für
Spätaussiedler sowie seit 2000 als Einbürgerungsvoraussetzung für Ausländer. Das neue Einwanderungsgesetz schafft zudem innerhalb eines Punktesystems die rechtliche Grundlage zur
Bewertung von Sprachkenntnissen vor der Einreise und sieht den verpflichtenden Sprachkursbesuch in bestimmten Fällen vor. Darüber hinaus bieten zahlreiche Regierungsbehörden im Rahmen verschiedenster Programme subventionierte Sprachkurse an, um die Integration der Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern.
Die vorliegende Studie stellt einen theoretischen Rahmen vor, der es erlaubt, den optimalen Spracherwerb in unterschiedlichen Handlungsumfeldern (wirtschaftlich, sozial, politisch) zu
messen. Die Quintessenz daraus: Kein Maß an Spracherwerb von Immigranten ist in jedem Umfeld optimal. Jeder Mensch wird – unabhängig von staatlichen Auflagen oder Subventionen – je
nach seinen persönlichen Eigenschaften eine individuelle Mischung von Sprachkenntnissen erwerben. In einem freiwilligen Spracherwerbssystem ohne Subvention werden die Sprachkenntnisse in den ökonomischen, politischen und sozialen Sphären zunächst nur aus minimalen mündlichen Kenntnissen bestehen. Insbesondere ältere Immigranten der ersten Generation werden
womöglich niemals funktionierende Kenntnisse der Landessprache entwickeln. Dieses große
Manko könnte allerdings durch ein Kreditprogramm für den Spracherwerb ausgeglichen werden.
Dazu würden beruflich qualifizierte Immigranten einen Kredit erhalten, den sie dazu nutzen
könnten, ihre Sprachkenntnisse soweit zu verbessern, wie sie es unter sozialen, politischen und
Arbeitsmarktaspekten für sinnvoll halten. Gerade auf dem Arbeitsmarkt müßte ein solches Kreditmodell allerdings großzügig genug sein, um Immigranten die Gelegenheit zu geben, die nötigen Sprachkenntnisse für die berufsbezogenen Zulassungsprüfungen zu erwerben.
VI.
Der Hauptvorteil des kanadischen Freiwilligkeitssystems besteht darin, daß junge und finanzstarke Immigranten einen optimalen Grad an Sprachbeherrschung erreichen, da sie den Spra-
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 VII
cherwerb als lohnenswerte Investition in ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt betrachten. Sie werden ihre Sprachkenntnisse kontinuierlich weiterentwickeln, bis der Grenzertrag dieser Investition
zu gering wird. Falls der Immigrant aufgrund von Diskriminierung oder ungünstigen makroökonomischen Arbeitsmarktbedingungen (Arbeitslosigkeit) die erwartete Rendite nicht erreichen
kann, würde ein erfolgsabhängiges Rückzahlungsmodell jegliches Risiko ausschließen.
Sprachzeugnisse, berufsbezogene Sprachausbildung und Anerkennung der Zertifikate seitens des Arbeitgebers sind notwendige Bestandteile des auf Freiwilligkeit basierenden Programms. Fehlt einer dieser Teile, werden einzelne Immigranten nicht optimal in den Spracherwerb investieren, da die erwarteten Erträge nicht erreicht werden können.
In Deutschland wäre das bislang praktizierte staatlich dominierte Modell des Spracherwerbs insbesondere dann plausibel, wenn die Politik allein darauf abzielte, alle Zuwanderer – ob
Aussiedler oder Ausländer – einzubürgern. Da das Ziel der deutschen Politik jedoch darüber hinaus (vernünftigerweise)darin bestehen muß, die wirtschaftliche und soziale Integration sowohl
von Aussiedlern als auch von Ausländern so frühzeitig wie möglich zu fördern und bereits ihre
Einreise anhand von Auswahlkriterien zu steuern, wäre eine modifizierte deutsche Version des
kanadischen Modells zu favorisieren.
Für Deutschland erscheint es in diesem Zusammenhang allerdings sinnvoll, nicht allein
auf Freiwilligkeit zu vertrauen, sondern auf den Erwerb eines Mindestmaßes an Deutschkenntnissen zu einem frühen Zeitpunkt des Aufenthalts in der Bundesrepublik gezielt hinzuwirken.
Während Kanada seine Laissez-faire-Politik auf den Umstand gründen kann, daß eine der beiden
Amtssprachen zugleich Weltsprache ist und insoweit Immigranten mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest ein Minimum an Sprachkenntnissen mitbringen, verfügen die nach Deutschland
einreisenden Immigranten mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit über keine Grundkenntnisse der
Sprache ihres Ziellandes. Auch gibt es, wie die historische Erfahrung zeigt, nur geringe Anreize
zum Erlernen der deutschen Sprache für den – im Zeitalter der Globalisierung zusehends wahrscheinlicher werdenden – Fall, daß Deutschland mitunter lediglich als Zwischenstation auf dem
Weg in eines der klassischen Einwanderungsländer gewählt wird.
Nicht zuletzt läßt es aber auch der im Vergleich zu Kanada stärkere Zuzug von Immigranten erforderlich erscheinen, den Integrationserfolg durch Sprachkompetenz so frühzeitig wie
möglich anzustreben. Dies kann nicht ausschließlich durch freiwillige Sprachkurse in Deutschland gewährleistet werden, sondern bedarf offenkundig eines geeigneten „Flankenschutzes“. Vor
diesem Hintergrund scheint die Bewertung von Sprachkenntnissen innerhalb des Punktesystems
im neuen Zuwanderungsgesetz eine sinnvolle Lösung zu sein. Gleichzeitig ist bei einem solchen
System jedoch zu beachten, daß die Bedeutung der Sprachkenntnisse nicht zu stark betont wird.
Geschieht dies doch, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß die „besten Köpfe“ ein anderes Einwanderungsland wählen..
Nach der Ankunft in Deutschland können sowohl die individuellen Bedürfnisse der Zuwanderer als auch das allgemeine Interesse an ihrer sozialen Integration am ehesten durch ein
freiwilliges Spracherwerbsmodell nach kanadischem Vorbild erfüllt werden. Ergänzt werden
sollte dieses Modell jedoch durch wirksame positive Anreize zum Spracherwerb, die sich einem
gelegentlich diskutierten Sanktionsmodell gegenüber als überlegen erweisen werden. Ein effek-
VIII DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
tiver Anreizmechanismus könnte beispielsweise in einem Kautionsprinzip bestehen, wie es in
Australien praktiziert wird. Diesem Prinzip zufolge wäre nach einem nicht bestandenen Eingangssprachtest eine Kaution zu zahlen, die nur dann zurückerstattet wird, wenn innerhalb einer
bestimmten Zeit ein zweiter Test bzw. ein Sprachkurs erfolgreich bestanden wird.
Um den Erfolg des Sprachprogramms weiterhin sicherzustellen, könnten die Kursteilnehmer anteilig an den Kurskosten beteiligt werden. Werden die positiven Lernanreize eindeutig
genug gesetzt, wird dies vertretbar sein. Ein Kautionssystem stellt in dieser Hinsicht lediglich
einen Mindestschritt dar. Naheliegend mag es zunächst erscheinen, das Prinzip der obligatorischen Sprachtests für Aussiedler vor der Einreise in die Bundesrepublik auch auf ausländische
Zuwanderer auszudehnen. Von dem erheblichen organisatorischen Aufwand abgesehen, müßte
dazu freilich ein schlüssiges Konzept entwickelt werden, das durch entsprechende Anreizmechanismen Deutschlands Attraktivität als wettbewerbsfähiges Zuwanderungsland nicht mindert,
wohl aber die potentiellen Zuwanderer dazu ermutigt, bereits vor der Einreise ein gewisses Maß
an deutschen Sprachkenntnissen zu erwerben, ohne sich der Zuwanderungsgenehmigung bereits
sicher sein zu können. Es erscheint zweifelhaft, ob dieses Kalkül aufgehen könnte. Die Plausibilität des im neuen Zuwanderungsgesetz vorgesehenen obligatorischen Besuchs von Sprach- und
Integrationskursen im Falle nicht vorhandener minimaler mündlicher Sprachkenntnisse erscheint
insoweit fraglich. Sinnvoller dürfte es sein, für alle Zuwanderergruppen den Kursbesuch mit entsprechenden positiven Anreizen zu verbinden, wobei die Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit
bis zum Erwerb eines Rechtsanspruchs auf Einbürgerung um ein Jahr nicht ausreichend sein
wird.
Eine reformierte deutsche Sprachförderung könnte das kanadische und das deutsche Modell zu einem Gesamtkonzept verknüpfen, das das Prinzip der Freiwilligkeit und die notwendigen Gestaltungsspielräume der Zuwanderer beläßt, zugleich aber durch eindeutige Anreizmechanismen dafür Sorge trägt, daß der Spracherwerb – zum Nutzen von Gesellschaft und Arbeitsmarkt – schneller und zuverlässiger als bislang erfolgt. Die gemeinsame Sprache ist der Schlüssel zum sozialen Zusammenhalt einer offenen Gesellschaft, die – im Falle Deutschlands – gerade
erst behutsam damit begonnen hat, ihr Land als Einwanderungsland wahrzunehmen. Ausreichende Sprachkenntnisse sollten in einer Kombination aus verpflichtenden und freiwilligen
Maßnahmen innerhalb eines attraktiven Integrationskonzepts erworben werden.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 IX
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1
A. Die kanadische Einwanderungspolitik nach 1945
5
B. Kanadas Staatsangehörigkeitsgesetz und seine Sprachanforderungen
12
C. Die geschichtliche Entwicklung der deutschen Zuwanderungspolitik
16
D. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
24
E. Sprachtests für Aussiedler
28
F. Marktorientierte Sprachtests und Sprachförderung in Kanada
33
G. Kanadas Sprach-Benchmarks
38
H. Sprachförderung in Deutschland
43
I. Bewertung des Spracherwerbs in Kanada und Deutschland
59
Resümee
66
Literaturverzeichnis
73
Anhang A
Auszug aus dem Deutschen Grundgesetz
77
Anhang B
Auszug aus den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften
zum Staatsangehörigkeitsrecht – StAR-VwV (Stand: 1. Januar 2000),
Kabinettsbeschluß vom 18. Oktober 2000
78
Anhang C
Auszug aus dem Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung
und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern
und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 20. Juni 2002
79
Anhang D
Sprachförderungsprogramme für Aussiedler
und Ausländer in Deutschland, Stand 2000
83
Anhang E
Auszug aus Gesetzesvorlage C-11
(Kanadas Immigration and Refugee Protection Act)
84
X
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Tabellen und Schaubilder
Tabelle 1: Zuwanderer in Kanada nach Region des letzten Wohnsitzes, 1967-2000
7
Tabelle 2: Sprachkompetenz-Beurteilungshandbuch
9
Tabelle 3: Zu- und Abwanderung von Ausländern in Deutschland, 1991-1999
21
Tabelle 4: Ergebnisse der Sprachtests für Spätaussiedler
30
Tabelle 5: Sprachanforderungen in verschiedenen Phasen des Aufenthalts in Kanada
33
Tabelle 6: Allgemeiner Inhalt der Canadian Language Benchmarks
39
Tabelle 7: Anmeldungen von Spätaussiedlern für Deutschkurse, 1991-1997
46
Tabelle 8: Zeitspanne zwischen Einreise nach Deutschland und Eintritt in einen
Sprachkurs des BMA
49
Tabelle 9: Zeitspanne zwischen Einreise nach Deutschland und Eintritt in einen
GF-SB-Sprachkurs
51
Tabelle 10: Hauptgründe für die Teilnahme am Deutschkurs für Ausländer
56
Tabelle 11: Renditen der Sprachbeherrschung in Kanada
60
Schaubild 1: Netto-Migration, Zuwanderung, Abwanderung
in Deutschland, 1955-2000
16
Schaubild 2: Zuzug von (Spät)Aussiedlern nach Deutschland, 1950-2000
18
Schaubild 3: Gesamtzahl der Aussiedler und Ausländer in Deutschland, 1951-1998
22
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
1
Einleitung
Mit einem Bevölkerungsanteil von gegenwärtig 7,3 Millionen Menschen stellen Ausländer in
Deutschland etwa 9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Darüber hinaus findet seit vielen Jahren
eine erhebliche Zuwanderung deutschstämmiger Spätaussiedler aus Osteuropa1 statt. Es erscheint
somit nicht vermessen, Deutschland den Status eines de facto-Zuwanderungslandes zuzuschreiben. Zwar werden ausländische Zuwanderer ohne und Spätaussiedler mit deutscher Staatsangehörigkeit vom Gesetzgeber unterschiedlich behandelt, doch ihre Integrationsprobleme sind
durchaus vergleichbar. Dazu zählt insbesondere die oftmals deutliche Sprachbarriere zwischen
einheimischer Bevölkerung und Immigranten. Diese Sprachprobleme tragen potentiell zur Entstehung von sozialen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen Deutschen und Zuwanderern
bei.
Um diesem Problem Rechnung zu tragen, vor allem jedoch um den Zustrom von Aussiedlern einzudämmen, wurde 1996 ein Sprachtest für Bewerber um den Spätaussiedlerstatus
eingeführt. Die Antragsteller – nicht jedoch bislang ihre Familienangehörigen – müssen seither
diesen Sprachtest bestehen, um den Status eines Spätaussiedlers und die Einreisegenehmigung zu
erhalten. Damit wurde erstmals ein Sprachkriterium als Auswahlmechanismus für eine große –
deutschstämmige – Zuwanderergruppe rechtlich verankert. Eine Grundsatzdebatte über die generelle Überprüfung der Sprachkenntnisse auch von Ausländern blieb jedoch zunächst aus – der
Zusammenhang mit dem in Deutschland (zu) lange fehlenden umfassenden Zuwanderungsgesetz
ist offensichtlich. Im Rahmen der Diskussion um eine grundlegende Reform des deutschen
Staatsangehörigkeitsrechts wurde der Spracherwerb schließlich allerdings verstärkt auch als Integrationsaspekt thematisiert. Diese politische Debatte resultierte im reformierten Staatsangehörigkeitsrecht des Jahres 2000; darin findet sich erstmals ein Sprachkriterium als Voraussetzung
für einen erfolgreichen Antrag eines Ausländers auf Einbürgerung.
Nach 1998 ist Bewegung in die grundsätzlichen Erwägungen zur Sprachförderung bei
Migranten in Deutschland gekommen. Diese Überlegungen zielten auf eine Verschärfung der
1
Der rechtliche Terminus „Aussiedler“ wurde 1992 in „Spätaussiedler“ umgewandelt. Diese Studie verwendet beide
Bezeichnungen synonym.
2
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Sprachtests für Spätaussiedler (und ihre Familienangehörigen), aber auch auf die Vereinheitlichung der Sprachkurse für alle Immigranten in Deutschland. Zwar weist die deutsche Sprachförderungspolitik zur Zeit noch einen eher fragmentarischen Charakter auf, doch zunehmend wird
erkannt, daß Sprache entscheidend zur sozialen und Arbeitsmarktintegration von Aussiedlern
und Ausländern in der Bundesrepublik beitragen kann.
Der von der Bundesregierung im November 2001 vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur
Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)“ wurde im Frühjahr 2002 nach
heftigem politischen Streit von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Das voraussichtlich zum
1. Januar 2003 in Kraft tretende Gesetz2 (die für diese Studie wichtigsten Bestimmungen sind in
Anhang C wiedergegeben) beabsichtigt nicht nur, die Einreise von Zuwanderern auf eine neue
rechtliche Grundlage zu stellen und erstmals ein systematisches Verfahren zur Immigration von
qualifizierten Arbeitskräften zu etablieren; es sieht auch vor, Sprachkenntnisse von Einwanderungsbewerbern im Rahmen eines Punktesystems nach kanadischem Vorbild zu bewerten und
zum Zulassungskriterium für die Einreise zu erheben.
Darüber hinaus verpflichtet das Zuwanderungsgesetz neu einreisende Zuwanderer, die
sich nicht „auf einfache Art“ in deutscher Sprache verständigen können, zum Besuch eines „Integrationskurses“. Gleichzeitig modifiziert das Zuwanderungsgesetz die staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften dahingehend, daß die erfolgreiche Teilnahme an einem solchen staatlichen Kurs einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung schon nach sieben, statt im Regelfall erst
nach acht Jahren einräumt. Im übrigen sieht das Zuwanderungsgesetz nunmehr auch für Familienangehörige von Bewerbern um den Spätaussiedlerstatus den Nachweis genügender Sprachkenntnisse vor Erteilung einer Einreiseerlaubnis sowie einen Anspruch auf kostenfreie Teilnahme an einem Integrationskurs in Deutschland vor. Die Debatte um den Spracherwerb von Zu-
2
Vgl. Bundesgesetzblatt, Teil 1, Nr. 38, 25. Juni 2002, S. 1946-2000. Das Zuwanderungsgesetz wurde am 1. März
2002 vom Deutschen Bundestag und in einem verfassungsrechtlich bislang umstrittenen Abstimmungsverfahren am
22. März 2002 auch vom Deutschen Bundesrat verabschiedet. Unbeschadet der Unterzeichnung des Gesetzes durch
den Bundespräsidenten am 20. Juni 2002 könnte in letzter Instanz eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
über die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Gesetzes herbeigeführt werden. Auch ein Regierungswechsel
im Herbst 2002 könnte das Zuwanderungsgesetz noch vor seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 2003 erneut zur Disposition stellen.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
3
wanderern dürfte mit dem voraussichtlichen Inkrafttreten dieser Bestimmungen zum 1. Januar
2003 freilich nicht beendet sein.
Aus der bisherigen Praxis der Sprachförderung für Spätaussiedler und Ausländer ergeben
sich folgende Fragen: Sollte es einen einheitlichen Maßstab für Sprachkompetenz geben, der für
Aussiedler und Ausländer gleichermaßen Gültigkeit besitzt? Sollten die Sprachkenntnisse unmittelbar bei der Einreise überprüft werden, später im Rahmen der sozialen Integration oder erst
unmittelbar vor der Einbürgerung? Wie umfangreich müssen die Sprachkenntnisse überhaupt
sein? Sollte eine einheitliche Norm gelten, oder muß auf individuelle Bedürfnisse eingegangen
werden? Wie können Arbeitsmarktaspekte berücksichtigt werden? Sollte sich die Sprachnorm
am jeweiligen Einstiegspunkt in den Arbeitsmarkt orientieren?
Politik und Gesellschaft in Deutschland beginnen gerade erst, sich diese entscheidenden
Fragen zu stellen. Eine umfassende Handlungsstrategie existiert demzufolge noch nicht. Für die
nähere Zukunft ist jedoch ein neues „Gesamtsprachkonzept“ geplant (das neue Zuwanderungsgesetz weist bereits in diese Richtung), das alle Bereiche der Sprachförderung umfassen und auf
diese Weise ein transparenteres und einheitlicheres Sprachkursprogramm ermöglichen soll. Der
Spracherwerb von Ausländern und Aussiedlern soll gleichermaßen von diesem Konzept erfaßt
werden.
Im Gegensatz zu Deutschland wirbt Kanada bereits seit über 100 Jahren aktiv um Zuwanderung. Seit 1911 bestehen dafür ausdrückliche gesetzliche Regelungen. Gemäß der aktuellen kanadischen Einwanderungspolitik, die auf ein Gesetz aus dem Jahre 1967 zurückgeht, erfolgt die Auswahl von Immigranten insofern unabhängig von ihren Sprachkenntnissen, als die
Zuwanderung auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn keine Sprachkenntnisse vorhanden sind.
Vielmehr kann dieses Defizit an anderer Stelle des Auswahl-Punktesystems „wettgemacht“ werden.3 Auch zum Erwerb der kanadischen Staatsangehörigkeit sind nur geringfügige Kenntnisse
einer der beiden Amtssprachen erforderlich. Kann Deutschland aus Kanadas Laissez-FairePolitik Lehren für die eigene Politik in bezug auf den Spracherwerb von Immigranten ziehen?
Dieser Frage soll in der vorliegenden Studie nachgegangen werden. Dazu werden Einwande-
3
CIC (1998), 56-59.
4
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
rungsgeschichte und Sprachpolitik beider Länder verglichen und die unterschiedlichen Konzepte
des Spracherwerbs auf ihre Wirksamkeit untersucht.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
5
A. Die kanadische Einwanderungspolitik nach 19454
Kanada hat sich Immigration seit jeher als Wachstumslokomotive für Wirtschaft und Bevölkerung zu Nutze gemacht. Zur Besiedelung des kanadischen Westens wurden Farmer und landwirtschaftliche Arbeitskräfte zwischen 1890 und 1930 von der Regierung aktiv angeworben. Um eine möglichst homogene Kultur zu bewahren, konzentrierte sich das Einzugsgebiet auf Großbritannien und die USA, später auch auf Nordwesteuropa. Eine Sprachausbildung war daher meist
nicht erforderlich.
Diese recht exklusive – und diskriminierende Einwanderungspolitik blieb unverändert,
bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Arbeitskräfte knapper wurden und die Nachfrage nach
ausländischen Arbeitern anstieg. Als die Zuwanderung aus Großbritannien und den USA
abnahm, warb Kanada verstärkt um Immigranten aus Süd- und Osteuropa. Trotz dieser
Neuorientierung wurde eine strikte Beschränkung der Zuwanderung aus dem asiatischen Raum
aufrechterhalten.5 Zu einem entscheidenden Richtungswechsel kam es erst 1951, als die
kanadische Regierung „kleine, aber symbolisch wichtige“ Zuwanderungsquoten für farbige
Asiaten aus den Commonwealth-Staaten Indien, Pakistan und Ceylon einführte. Das
Einwanderungsgesetz von 1911 wurde 1952 offiziell überarbeitet. Damit verbunden war unter
anderem eine Erleichterung der Familienzusammenführung.6 Die neue Politik führte zu einem
deutlich erhöhten Angebot an Arbeitskräften mit hoher oder mittlerer Qualifikation, die
insbesondere im Rohstoffsektor, in der Bauindustrie und im Verarbeitenden Gewerbe zum
Einsatz kamen.7
4
Dieser Abschnitt beinhaltet lediglich einen kurzen Abriß der kanadischen Zuwanderungspolitik. Ein detaillierter
Überblick findet sich bei Green/Green (1996) oder Chiswick (1992).
5
Vgl. dazu eine Äußerung des kanadischen Premierministers Mackenzie King vor dem House of Commons im Jahr
1947: “…There will, I am sure, be general agreement with the view that the people of Canada do not wish, as a result of mass immigration, to make a fundamental alteration in the character of our population. Large-scale immigration from the Orient would change the fundamental composition of the Canadian population…” [... Es herrscht, da
bin ich mir sicher, allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die Bürger Kanadas nicht wünschen, daß sich unsere
Bevölkerungscharakteristik in Folge von Massenimmigration grundlegend wandelt. Ein hohes Maß an Zuwanderung
aus dem Orient würde die elementare Zusammensetzung der kanadischen Bevölkerung verändern ... “].
(Green/Green 1996, 13).
6
Allerdings blieben gewisse Einschränkungen für asiatische Immigranten selbst in der Kategorie Familienzusammenführung bestehen. Wie alle übrigen de facto rassistischen Bestandteile des Einwanderungsgesetzes von 1952
wurden auch diese Einschränkungen erst 1967 aufgehoben.
7
Green/Green (1996), 16.
6
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Aufgrund dieses starken Zustroms kam es im Zusammenhang mit einer Konjunkturabschwächung in den sechziger Jahren zu einer entscheidenden Wende in der Einwanderungspolitik. Ab 1962 wurden alle unabhängigen Bewerber „nach ihren individuellen Fertigkeiten, oder
genauer gesagt, nach den Anforderungen des kanadischen Marktes“ bewertet.8 Sprachkenntnisse
spielten wiederum keine Rolle. Ebensowenig wurden die Anforderungen an die Immigranten
präzisiert, so daß diese vage Richtlinie die Entscheidung fast völlig ins Ermessen der Einwanderungsbeamten stellte.
Um diesem Mißstand Abhilfe zu schaffen, wurde 1967 ein „Punktesystem“ eingeführt,
durch das alle Bewerber nach objektiven Kriterien wie Alter, Bildung, Arbeitserfahrung und
Sprache bewertet wurden. Erstmals wurden Sprachkenntnisse nun explizit als Auswahlkriterium
benannt. Jeder Bewerber mußte eine Gesamtzahl von 50 Punkten erreichen, wobei bis zu 10
Punkte durch Kenntnisse einer oder beider Amtssprachen erzielt werden konnten. Durch diesen
Schwerpunkt auf Humankapitalaspekten wurden hochqualifizierte Immigranten bei der Auswahl
deutlich bevorzugt, während sämtliche Präferenzen für spezielle Nationalitäten praktisch wegfielen.
In der Folge kam es zu einer „neuen Zuwanderungswelle“9 und somit nach 1968 zu einer
drastischen Veränderung in der Nationalitätenzusammensetzung der Immigranten (siehe Tabelle
1). Vor 1968 stammten fast zwei Drittel aller Immigranten in Kanada aus Europa und den USA.
In den folgenden zwei Jahrzehnten sank der Anteil der Europäer und US-Amerikaner bis auf weniger als ein Viertel (1991-96). Gleichzeitig stieg der Zuzug aus Asien, Afrika und Lateinamerika drastisch an. Die Zuwanderung aus Asien erhöhte sich von 13 Prozent (1968) auf 57 Prozent
(1996). Der Anteil der Immigranten aus der Karibik wuchs zwischen 1968 und 1986 von 5,5 auf
13 Prozent, ging jedoch in den neunziger Jahren wieder auf das ursprüngliche Niveau zurück.
Während Zuwanderer aus Lateinamerika 1968 noch weniger als 1 Prozent der Gesamtimmigration ausmachten, stellten sie 1986 bereits annähernd 9 Prozent. Im gleichen Zeitraum verdoppelte
sich der Anteil der Zuwanderer aus Afrika annähernd von 4 Prozent auf 7,3 Prozent.
8
Chiswick (1992), 33.
9
Simmons (1990), 141.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
7
Tabelle 1: Zuwanderer in Kanada nach Region des letzten Wohnsitzes, 1967-2000
JAHR
Europa Afrika
Asien
Australien
USA
1967 159.979 4.608
20.740
1968 120.702 5.204
21.610
1969
88.383 3.297
23.319
1970
75.609 2.863
21.170
1971
52.031 2.841
22.171
1972
51.293 8.308
23.325
1973
71.883 8.307
43.193
1974
88.694 10.450
50.566
1975
72.898 9.867
47.382
1976
49.908 7.752
44.328
1977
40.748 6.372
31.368
1978
30.075 4.261
24.007
1979
32.858 3.958
50.540
1980
41.168 4.330
71.602
1981
46.295 4.887
48.830
1982
46.150 4.510
41.617
1983
24.312 3.659
36.906
1984
20.901 3.552
41.896
1985
18.859 3.545
38.597
1986
22.709 4.770
41.600
1987
37.563 8.501
67.337
1988
40.689 9.380
81.136
1989
52.105 12.198
93.213
1990
51.945 13.440 111.739
1991
48.055 16.087 119.995
1992
44.871 19.633 139.216
1993
46.602 16.918 147.323
1994
36.641 13.706 141.587
1995
41.266 14.631 129.106
1996
39.970 14.859 144.210
67-85 b 1.132.746 102.571 703.167
86-96 b 462.416 144.123 1.216.462
67-96 b 1.595.162 246.694 1.919.629
6.168
4.815
4.411
4.385
2.902
2.143
2.671
2.594
2.174
1.886
1.545
1.233
1.395
1.555
1.317
938
478
535
506
503
753
745
894
988
952
1.191
1.319
1.108
1.049
1.228
43.651
10.730
54.381
19.038
20.422
22.785
24.424
24.366
22.618
25.242
26.541
20.155
17.315
12.888
9.945
9.617
9.926
10.559
9.360
7.381
6.992
6.669
7.275
7.967
6.537
6.931
6.084
6.597
7.537
8.014
6.234
5.185
5.837
306.243
74.198
380.441
übriges
Nord-/
Mittelamerika
422
374
593
711
636
865
1.141
1.391
1.510
1.356
1.330
950
732
800
1.110
1.651
3.654
4.078
5.016
6.078
6.873
5.671
5.870
7.781
13.404
12.526
7.737
3.503
2.842
3.409
28.320
75.694
104.014
Karibik
Südamerika
8.582
3.090
7.755
2.693
13.315
4.767
12.660
4.385
11.017
2.902
8.353
2.143
19.563 11.057
23.885 12.528
17.973 13.270
14.842 10.628
11.911
7.840
8.328
6.782
6.366
5.898
7.361
5.433
8.633
6.136
8.674
6.870
7.216
4.816
5.630
4.084
6.132
4.456
8.874
6.686
11.227 10.801
9.439
7.225
10.909
8.685
11.689
8.989
12.922 10.582
14.952 10.389
16.563
9.580
9.980
7.919
10.056
7.538
9.322
6.104
208.196 119.778
125.933 94.498
334.129 214.276
Ozea- k.A.a
nien,
übriger
Pazifik
49
323
681
948
878
792
1.143
1.816
2.652
1.414
912
719
13
726
6
942
934
17
1.181 196
735
616
25
622
724
1.074
2
1.077
1.147
49
1.659
7
2.183
44
2.468
59
1.763
1.197
831
834
14.412 4.128
14.957 161
29.369 4.289
Europa/Groß- Afrika & Na- Asien & PaziSüd-/MittelJahr
britannien
her Osten
fik
amerika
USA
k.A.a
1997
38.670
37.792
117.064
17.422
5.028
38
1998
38.516
32.567
84.125
14.031
4.768
152
1999
38.912
33.441
96.370
15.188
5.514
391
2000
42,875
40,779
120,491
16,939
5,809
316
97-00 b
158,973
144,579
418,050
63,580
21,119
897
67-00 b
N/A
N/A
N/A
401,560 5,186
1,754,135
Quellen: Citizenship and Immigration Canada: Calendar Years 1967-1996;
Citizenship and Immigration Canada: Facts and Figures 2000: Immigration Overview
a
keine Angaben
b
kumulierte Zahlen der jeweiligen Jahre
GESAMT
SUMME
222.876
183.974
161.531
147.713
121.900
122.006
184.200
218.465
187.881
149.429
114.914
86.313
112.096
143.117
128.618
121.147
89.157
88.239
84.302
99.219
152.098
161.929
192.001
214.230
230.781
252.842
255.819
223.875
212.504
225.773
2.667.878
2.221.071
4.888.949
GESAMT
SUMME
216.014
174.159
189.816
227,209
807,198
5,696,048
8
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Das Einwanderungsgesetz von 1978 legte erstmals eine jährliche Zuwanderungsquote
fest und definierte bestimmte Ziele, die durch Zuwanderung erreicht werden sollten. Dazu zählte
das Schließen wirtschaftlicher und demographischer Lücken ebenso wie Familienzusammenführung und Kanadas Verpflichtung zur Aufnahme humanitärer Flüchtlinge. Durch das Einwanderungsgesetz von 1978 kam es erneut zu einer deutlichen Veränderung in der Zusammensetzung
der Immigrantengruppen. Zwischen 1968 und 1976 (unter dem Einwanderungsgesetz von 1953)
belief sich der Anteil der Wirtschaftsimmigranten und „Independents“ noch auf rund 70 Prozent.
Unter dem Einwanderungsgesetz von 1978 sank dieser Anteil zunächst auf weniger als 30 Prozent (1975-82) und Mitte der achtziger Jahre auf rund 14 Prozent.10 Der rapide Rückgang der
Wirtschaftsimmigration ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die jährliche Zuwanderungsquote ein Gesamtkontingent darstellte, das nicht zwischen den verschiedenen Immigrantengruppen (Familienmitglieder, Flüchtlinge und Wirtschaftsimmigranten) differenzierte. Standen nicht genügend Wirtschaftsimmigranten zur Verfügung, weitete die kanadische Regierung
schlicht die Zahl der Einwanderungsvisa für Familienangehörige entsprechend aus.
In den neunziger Jahren wurde dieses System erneut überarbeitet, um die Zahl und die
Qualifikation der Wirtschaftsimmigranten zu erhöhen. Seit Januar 2000 muß ein Wirtschaftsimmigrant etwa 70 von 107 möglichen Punkten erreichen. Die Punkte werden dabei wie folgt vergeben: Die Höchstpunktzahl für Sprachkenntnisse beträgt 15 – davon maximal 9 Punkte für
Kenntnisse einer der beiden Amtssprachen und weitere 6 Punkte für die zweite Amtssprache.
Das Gewicht der Kenntnisse einer Sprache liegt innerhalb des Punktesystems also bei unter 10
Prozent der maximal möglichen Gesamtpunktzahl. Jeder Bewerber bewertet seine Sprachkenntnisse selbst. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß in der Sprachkategorie nicht notwendigerweise Punkte erzielt werden müssen, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung (landed
immigrant status) zu erlangen, sondern daß die hier gesammelten Punkte lediglich zum Erreichen der geforderten Gesamtpunktzahl beitragen. Die von den Bewerbern gemachten Angaben
zur Sprachkompetenz werden in Einzelgesprächen stichprobenartig auf Richtigkeit überprüft.
Die Behörden vor Ort beschäftigen dazu Prüfer, die diese Interviews in englischer oder französischer Sprache durchführen.11 Darüber hinaus spielen die Sprachkenntnisse eine indirekte Rolle,
10
DeVoretz/Laryea (1997), 8.
11
Persönliches Gespräch von Don DeVoretz mit Lynda Joyce, Citizenship and Immigration Canada, 24. Mai 1999.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555
9
wenn sie als zweitrangiges Kriterium wiederum zur Beurteilung der Integrationsfähigkeit der
Bewerber herangezogen werden.
Damit bei der Beurteilung der Sprachkompetenz vergleichbare Ergebnisse erzielt werden
können, steht den Prüfern eine Art Beurteilungshandbuch zur Verfügung, dessen wichtigsten
Merkmale in Tabelle 2 dargestellt sind.
Tabelle 2: Sprachkompetenz-Beurteilungshandreichung
Niveau
Sprechen
Lesen
Schreiben
Fließend
Der Bewerber spricht
und versteht verbale
Kommunikation annähernd so mühelos wie
ein Muttersprachler.
Gut
Der Bewerber ist in der
Lage, Gesprächen zu
allgemeinen Themen zu
folgen und sich effektiv
daran zu beteiligen.
Der Bewerber liest
und versteht Texte allgemeinen oder berufsspezifischen Inhalts, z.
B. technische Anweisungen.
Der Bewerber versteht
fast alle Dokumente
allgemeiner bzw. nicht
abstrakter Natur.
Mäßig
Der Bewerber kann nur
äußerst eingeschränkt
kommunizieren.
Keine
Sprachkenntnissevorhanden
Der Bewerber kann das
gesprochene Wort weder verstehen noch
selbst verwenden.
Der Bewerber ist in
der Lage, zu den verschiedensten Themenbereichen
korrekte Texte zu
verfassen.
Der Bewerber kann
einfache Zusammenfassungen zu Themen
schreiben, die mit
seiner Bildung, Arbeit oder sozialen
Lage zu tun haben.
Der Bewerber kann
nur wenige erlernte
Wörter oder Sätze
des täglichen Gebrauchs schreiben.
Der Bewerber ist
nicht in der Lage, eine Aussage schriftlich niederzulegen.
Der Bewerber kann
nur kurze, bekannte
oder auswendig gelernte Texte lesen und
verstehen.
Der Bewerber kann
die Schriftsprache
nicht lesen bzw. verstehen.
Quelle: CIC Overseas Processing Manual, Citizenship and Immigration Canada (internes Dokument).
Canada’s Overseas Processing Manual, eine Publikation der zuständigen kanadischen
Behörde Citizenship and Immigration Canada (im folgenden CIC), weist ferner darauf hin, daß
„die Sprachkenntnisse zwar in der Regel durch Interviews geprüft werden, daß aber auch andere
Faktoren berücksichtigt werden können. Dazu zählen Studien- oder Arbeitsaufenthalte in eng-
10
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
lisch- oder französischsprachigen Ländern, Arbeitserfahrung bei einer englischen oder französischen Organisation sowie der Nachweis von Sprachkursen. Die potentielle Eignung für die angestrebte Tätigkeit sollte ebenfalls in die Beurteilung einfließen.” Derzeit verfügen rund 95 Prozent
der erfolgreichen Bewerber in der Gruppe der qualifizierten Arbeitskräfte über Kenntnisse zumindest einer der Amtssprachen. Unzufriedenheit mit der oben beschriebenen Methode zur Beurteilung von Sprachkenntnissen führte zu einem Alternativvorschlag. Dieser sieht vor, daß Bewerber nicht mehr auf einen Interviewtermin warten müßten, sondern bereits in ihrem Heimatland einen offiziell anerkannten Sprachtest, z.B. den Test of English as a Foreign Language
(TOEFL), absolvieren und die Ergebnisse zusammen mit der Bewerbung einschicken könnten.
Bei einem zufriedenstellenden Testergebnis würde dann auf das Interview verzichtet. Der Bewerber müßte für die Kosten des TOEFL selbst aufkommen. Diese variieren von Land zu Land,
liegen jedoch in der Regel bei umgerechnet etwa 100 US-Dollar.12 In Deutschland gibt es derzeit
neben vier permanenten TOEFL-Testzentren (Berlin, Frankfurt, Hamburg und München) zwei
weitere in Düsseldorf und Freiburg, die nur vorübergehend geöffnet sind.
Insgesamt hat sich Kanadas Einwanderungspolitik in den vergangenen dreißig Jahren
dramatisch gewandelt. Am Anfang stand ein Punktesystem, das Wirtschaftsimmigranten den
Vorrang gab (1967-73), gefolgt von einem hauptsächlich auf Familienzusammenführung ausgerichteten System (achtziger Jahre), bis hin zur heutigen Einwanderungspolitik, die beide Systeme
in einem ausgewogenen Verhältnis kombiniert. Da sich im Falle Kanadas sowohl die Immigrantengruppen als auch die Herkunftsländer verändert haben, hat die Sprachkomponente im Auswahlverfahren an Bedeutung gewonnen. Die kanadische Politik hat mittlerweile erkannt, daß
Immigranten, die mindestens eine der Amtssprachen fließend sprechen, leichter in die Gesellschaft zu integrieren und wirtschaftlich erfolgreicher sind.
Die neuesten Regelungen für die Einreise nach Kanada unter dem System des „unabhängigen Zugangs“ (independent gateway system) wurden im November 2001 verabschiedet (siehe
Anhang E). Darin findet sich auch eine recht subtile, aber doch strategische Anpassung der
Punktezahl, die für Sprachkenntnisse von Immigranten vergeben werden kann. Indem die
12
Detaillierte Informationen zum TOEFL sind in den jeweiligen Testzentren und auf der Homepage
http://www.toefl.org erhältlich. Die in dieser Studie angegebenen TOEFL-Werte beziehen sich auf die Druckversion
des Tests, der mit anderen Punktezahlen jedoch auch als computerbasierte Version angeboten wird.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 11
Höchstpunktzahl von bislang 15 auf 20 Punkte heraufgesetzt wurde, kommt den Sprachkenntnissen – bei unveränderter Gesamtpunktzahl – nunmehr höhere Gewicht zu. Der Ausgleich fehlender Punkte im Bereich Sprachkenntnisse durch Fähigkeiten und Kenntnisse in anderen Bereichen
wird erschwert. Darüber hinaus wurden die Sprachanforderungen nach Qualität der Kenntnisse
umstrukturiert, so daß die Höchstpunktzahl nur noch durch sehr gute praktische Kenntnisse in
einer der beiden Amtssprachen Kanadas erreicht werden kann. Das bedeutet, daß geringe sprachliche Grundkenntnisse nicht mehr mit Punkten belohnt werden.
Mit dieser neuen Gesetzgebung hat Kanada seine Überzeugung akzentuiert, daß Sprachkenntnisse für den Erfolg von unabhängigen Einwanderern von zentraler Bedeutung sind. Formal
ist der Mangel an Sprachkenntnissen noch kein Hinderungsgrund für die Einreise, doch faktisch
ist dies annähernd der Fall.
12
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
B. Kanadas Staatsangehörigkeitsgesetz und seine Sprachanforderungen
Zwar ist die Zuwanderung nach Kanada kein neues Phänomen, wohl aber der Erwerb der kanadischen Staatsangehörigkeit. Auch nach der Gründung Kanadas im Jahre 1867 galt die Bevölkerung noch bis 1947 als britisch. Vor 1914 mußten laut Einbürgerungsgesetz (Naturalization Act,
auch bekannt unter dem Begriff Local Act) alle männlichen Ausländer „beim jeweiligen Gericht,
in dessen Zuständigkeitsbereich sie sich niederließen, vorstellig werden und das Gericht davon
überzeugen, daß sie alle notwendigen Qualifikationen für den Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit besaßen.“13 Dieser sogenannte „British subject status“ galt jedoch nur für den Aufenthalt in Kanada und erlosch bei der Ausreise. Bis 1932 nahm jede Frau ungeachtet ihrer ursprünglichen Nationalität automatisch die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes an, so daß also selbst
eine Britin zur Ausländerin wurde, sobald sie einen Ausländer heiratete. Die geographische Beschränkung wurde 1915 aufgehoben; fortan konnte der „British subject status“ auch nach der
Ausreise aus Kanada beibehalten werden.
Am 1. Januar 1947 trat das erste kanadische Staatsangehörigkeitsgesetz (Canadian Citizenship Act) in Kraft. Darin wurde erstmals die Bezeichnung „kanadischer Staatsbürger” für im
Land ansässige Briten verwendet. Die kanadische Staatsangehörigkeit galt unter diesem Gesetz
als „Privileg nach amtlichem Ermessen.“14 Erst nach dem zweiten Staatsangehörigkeitsgesetz,
das am 15. Februar 1977 in Kraft trat, wurde die Staatsangehörigkeit für jeden zugänglich, der
die gesetzlichen Anforderungen erfüllte. Sämtliche diskriminierenden Untertöne bezüglich ethnischer Herkunft, Geschlecht, Familienstand oder Nationalität wurden gestrichen. Das Gesetz von
1977 ist nach wie vor gültig, allerdings mit einigen bedeutenden Änderungen aus dem Jahre
1999. Um heute kanadischer Staatsbürger werden zu können, muß man volljährig sein (mindestens 18 Jahre alt) und während der letzten sechs Jahre mindestens drei Jahre lang „physisch“ im
Lande gewesen sein.15 Das neue Ortsansässigkeitskriterium hat potentiell eine indirekte Auswir-
13
CIC (1999b).
14
CIC (1999b).
15
Vor dem 25. November 1999 reichte der Besitz von Wohn- oder Geschäftseigentum als Nachweis der
Ortsansässigkeit aus.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 13
kung auf die Verbesserung der Sprachkenntnisse von Immigranten, bevor diese die Staatsangehörigkeit erlangen.
Zusätzlich zu den Anforderungen an Alter und Ortsansässigkeit müssen die Staatsangehörigkeitsanwärter ein Mindestmaß an mündlichen Sprachkenntnissen (englisch oder französisch) vorweisen können und sowohl mit dem Land Kanada als auch mit den Rechten und Pflichten, die sich aus der Staatsangehörigkeit ergeben, hinlänglich vertraut sein.16 Letzteres wird
durch einen schriftlichen Multiple-Choice-Test (in einer der Amtssprachen) überprüft. Erwähnenswert ist hier, daß diese Staatsangehörigkeitsprüfungen vom Zentrum für angewandte
Sprachwissenschaften der Carleton University entwickelt wurden und auf einem Studienhandbuch mit dem Titel A Look at Canada basieren. Eine Kopie dieses Handbuchs wird zusammen
mit der Antragsbestätigung an alle Bewerber versandt. Sämtliche Fragen und Antworten des
Tests beruhen auf A Look at Canada, wobei die Fragen in leicht verständlichem Englisch (oder
Französisch) gestellt werden und Vokabeln aus diesem Buch verwenden.
Hintergrund dieses Tests ist, daß Immigranten ein Mindestmaß an Kenntnissen der kanadischen Sprache und Kultur entwickeln sollten, um die Integration und Identifikation mit denkanadischen Werten zu erleichtern. Um die Sprachanforderungen zu erfüllen, müssen die Kandidaten beweisen, daß sie einfache gesprochene Äußerungen/Fragen in einer der Amtssprachen verstehen und mündlich oder schriftlich darauf antworten können. Als Nachweis der landeskundlichen Kenntnisse müssen die Bewerber ein Grundverständnis der aus der Staatsangehörigkeit resultierenden Rechte und Pflichten sowie der kanadischen Geschichte, Geographie, Kultur und
Regierungsstruktur demonstrieren. Ältere Bewerber (über 60 Jahre) müssen diese Anforderung
nicht erfüllen.
Nach dem derzeitigen System wertet ein „Staatsbürgerschaftsrichter“ (citizenship judge)
die Testergebnisse aus und bestimmt, ob der Bewerber die notwendigen sprachlichen und kulturellen Kenntnisse besitzt. Bewerber, die den schriftlichen Test in einer der Kategorien nicht bestehen, werden in der Regel zu einem mündlichen Prüfungsgespräch beim Staatbürgerschaftsrichter geladen. Diese Möglichkeit wird gewährt, weil die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, keine offizielle Voraussetzung für die Staatsangehörigkeit ist und somit Bewerber nicht von
16
CIC (1999a), 4.
14
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
vornherein wegen Lese- oder Schreibschwächen von der Einbürgerung ausgeschlossen werden
können.
Sobald das Ortsansässigkeitskriterium von drei Jahren erfüllt ist, kann die Staatsangehörigkeit beantragt werden. Die Bearbeitungszeit vom Datum der Antragstellung bis zur Gewährung oder Ablehnung beträgt 10-12 Monate. Der Staatsangehörigkeitstest erfolgt etwa 8-9 Monate nach Eingang des Antrags, wobei das Prüfungsdatum dem Bewerber mindestens zwei Wochen
im voraus bekanntgegeben wird. Unmittelbar vor dem Test überprüfen Mitarbeiter des CIC die
persönlichen Angaben auf den Anträgen, indem sie den Bewerbern Fragen stellen wie z.B. Wo
wohnen Sie? Wie lange sind Sie schon in Kanada? Können Sie mir Ihren Führerschein zeigen?
Durch dieses erste Interview sollen sowohl die Identität der Bewerber bestätigt als auch deren
aktive und passive Sprachkenntnisse einer ersten Prüfung unterzogen werden.17 Falls sich im
Laufe dieses Interviews herausstellen sollte, daß der Bewerber selbst einfachste Fragen nicht
versteht und/oder den schriftlichen Staatsangehörigkeitstest im Anschluß an das Interview nicht
besteht, wird der Staatsbürgerschaftsrichter informiert, der den Bewerber daraufhin zu einer formellen Anhörung vorlädt.
Dabei werden erneut die Landes- und Sprachkenntnisse des Bewerbers geprüft, wobei die
politischen und kulturellen Fragen wiederum auf dem Buch A Look on Canada basieren und die
Sprachfragen sich an Bereichen des täglichen Lebens orientieren, z.B. Welche Art von Arbeit
verrichten Sie? Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?18
Laut CIC19 erfüllen etwa 95 Prozent der Bewerber die Sprach- und Wissensanforderungen. 90 Prozent bestehen den schriftlichen Test (ohne die Hilfe eines Dolmetschers) und weitere
5 Prozent bestehen das Prüfungsgespräch durch den Staatsbürgerschaftsrichter mit Hilfe eines
Dolmetschers.20 Ist der Bewerber erfolgreich, wird seinem Antrag stattgegeben, und er wird
schriftlich über das Datum der Einbürgerungszeremonie informiert, die meist zwei bis vier Wo-
17
Die Bewerber haben 30 Minuten Zeit für den Test, benötigen jedoch in der Regel nur einen kürzeren Zeitraum.
18
Die Bewerber müssen nicht grammatikalisch korrekt sprechen, sondern durch ihre Antworten lediglich zeigen
können, daß sie die Fragen verstehen.
19
20
Persönliche Kommunikation zwischen Don DeVoretz und Susan Nicholson, CIC, Ottawa. 22. September 1999.
Der Dolmetscher darf jedoch ausschließlich für die Wissensprüfung, nicht für den Sprachtest verwendet werden.
Dolmetscher werden zugelassen, da einige Bewerber keine ausreichenden Sprachkenntnisse besitzen, um die komplizierteren Wissensfragen adäquat beantworten zu können.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 15
chen später stattfindet. Anträge von Bewerbern, die beim Prüfungsgespräch durchfielen, werden
hingegen grundsätzlich abgelehnt. Der Antragsteller hat jedoch die Möglichkeit, gegen das Urteil
des Richters Berufung einzulegen.
Angesichts der langen Bearbeitungszeit für Einbürgerungsanträge und der Kosten, die
durch die hohen Zuwanderungszahlen der neunziger Jahre entstanden sind, untersucht das CIC
derzeit „einige Langzeitinitiativen mit dem Ziel, das eigenen Beurteilungsverfahren für die
Sprachkompetenz der Bewerber zu verbessern. Neben einem separaten Sprachtest erwägt die
Behörde auch die Einführung von ‘Kernkompetenz-Zertifikaten’ als Nachweis für Sprach- und
Landeskenntnisse ohne gesonderte Prüfung. Das würde im Grunde bedeuten, daß Bewerber zusätzlich zu ihrem Antrag auf Staatsangehörigkeit ein Dokument einreichen könnten, aus dem ihre
Eignung auf sprachlichem und/oder landeskundlichem Gebiet hervorgeht.“21
21
Persönliche Kommunikation zwischen Don DeVoretz und Susan Nicholson, CIC, Ottawa. 22. September 1999.
16
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
C. Die geschichtliche Entwicklung der deutschen Zuwanderungspolitik
Im Gegensatz zu Kanada bezeichnet Deutschland sich bislang nicht offiziell als Zuwanderungsland. Auch in der aktuellen Debatte um das Zuwanderungsgesetz wird dieser Begriff eher zögerlich verwendet. Doch aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke, seines ausgeprägten Sozialsystems
und seiner zentralen Lage in Europa erlebt Deutschland de facto einen erheblichen Zuzug von
Immigranten und Asylbewerbern. Das Ausmaß des Zuzugs überstieg in den ersten Jahren des
vergangenen Jahrzehnts die Summe aller Einreisen in die USA, Kanada und Australien zusammengenommen. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts kamen jährlich bis zu 1,5 Millionen Zuwanderer nach Deutschland, dies entsprach einer Netto-Zuwanderung von bis zu
800.000 Menschen jährlich (siehe Schaubild 1).
Schaubild 1: Netto-Migration, Zuwanderung und Abwanderung in Deutschland, 1955-2000
1600000
1400000
1200000
1000000
800000
600000
400000
200000
0
-200000
-400000
1955
1960
1965
1970
Zuwanderung
Quelle: Statistisches Bundesamt
1975
1980
Abwanderung
1985
1990
Netto-Migration
1995
2000
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 17
Die größte Gruppe der Immigranten machen Ausländer aus, die in Ermangelung eines Zuwanderungsgesetzes auf Grundlage diverser rechtlicher Regelungen (Familiennachzug, Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung, Asyl, Bürgerkriegs- und Kontingentflüchtlinge etc.) nach
Deutschland eingereist sind. Die zweitgrößte Gruppe stellen anerkannte deutschstämmige
Spätaussiedler und ihre Familien.
Die Geschichte der Aussiedler begann im 18. Jahrhundert, als Deutsche in großem Umfang nach Osteuropa auswanderten.22 Diese Deutschstämmigen in den Ostgebieten des Deutschen Reiches erhielten im Zuge der unter Reichskanzler Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts
begonnenen „Germanisierung“ die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach den territorialen Verlusten Deutschlands infolge des verlorenen Ersten Weltkriegs wurden viele dieser Deutschen zu
Ausländern. Schließlich siedelte Deutschland im Dritten Reich zahlreiche Deutsche in die eroberten Ostgebiete um. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden aus rund 15 Millionen Deutschen Flüchtlinge oder Vertriebene. Die erste westdeutsche Volkszählung nach dem Krieg belegte, daß 1950 fast 10 Millionen Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten in Deutschland lebten und somit nahezu 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stellten. Seit den fünfziger Jahren handelte Deutschland mit einer Reihe der betreffenden Länder Abkommen aus, nach denen ein Teil
der dort verbliebenen Deutschstämmigen nach Deutschland übersiedeln durfte. Dennoch leben
weiterhin Hunderttausende gebürtige Deutsche und insbesondere deren Nachkommen außerhalb
des vereinigten Deutschland. Ihre genaue Zahl läßt sich nur schätzen und hängt von den jeweiligen Anerkennungskriterien ab. Artikel 116 des Grundgesetzes garantiert Aussiedlern nach wie
vor das Recht auf Wiedereinbürgerung (siehe Anhang A). Das Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG) beschreibt die entsprechenden Anerkennungskriterien im Detail. So muß der
Bewerber ein gewisses „Bekenntnis zum Deutschtum“ nachweisen können, das sich in Abstammung, Sprache und Kultur widerspiegelt. Dasselbe Gesetz regelt Regierungsmaßnahmen zur
Förderung der Integration von Aussiedlern, wie etwa niedrig verzinste Kredite oder Sprachkurse.23
22
23
Der folgende Abschnitt basiert auf Zimmermann (1999), 2-8.
Die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Aussiedlern basiert hauptsächlich auf dem Lastenausgleichsgesetz (LAG, 1952), dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG, 1953) und dem Garantiefonds
(1954).
18
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Anfang der neunziger Jahre wurde eine wachsende Ghettoisierung von Aussiedlern in
Deutschland festgestellt. Neuankömmlinge zogen bei früheren Aussiedlern ein, unter denen sich
häufig Freunde und Familienangehörige fanden. Zwar bot diese Netzwerkbildung den Aussiedlern kurzfristige wirtschaftliche Vorteile, doch das davon ausgehende negative Integrationssignal
und die entstehenden Spannungen zwischen Aussiedlern und der übrigen deutschen Bevölkerung
stellten sich als weitaus gravierender heraus. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entwicklung
mit dem Wohnortzuweisungsgesetz. Dieses seit 1996 gültige und 2000 novellierte Gesetz gewährt Spätaussiedlern nur dann Sozialleistungen, wenn sie für bestimmte Zeit an einem zugewiesenen Wohnort gemeldet bleiben. Die Folge war eine Dezentralisierung der Aussiedler auf
Kosten ihrer Mobilität.
Schaubild 2: Zuzug von (Spät)Aussiedlern nach Deutschland, 1950-2000
450000
400000
350000
300000
250000
200000
150000
100000
50000
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
1964
1962
1960
1958
1956
1954
1952
1950
0
Quelle: Bundesministerium des Innern
Während der vergangenen zwanzig Jahre war der Zuzug von Aussiedlern starken
Schwankungen unterworfen (siehe Schaubild 2). Vor 1989 reisten durchschnittlich nicht mehr
als 50.000 Aussiedler pro Jahr in die Bundesrepublik ein. Doch nach der Aufhebung von Freizü-
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 19
gigkeitsbeschränkungen und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Osteuropas stieg dieser
Durchschnitt in den Jahren 1989 und 1990 auf fast 400.000 Personen an. Bis Mitte der neunziger
Jahre pendelten sich die Zahlen bei rund 200.000 Spätaussiedlern pro Jahr ein. Seither ist der Zustrom stark gesunken und umfaßte zwischen 1998 und 2000 nur noch rund 100.000 Personen
jährlich. Für diesen Rückgang gibt es drei Hauptgründe. Erstens ist das Anerkennungsverfahren
strenger geworden. Zweitens wurde Ende 1992 der jährliche Zustrom auf 200.000 Aussiedler
(+/-10%) kontingentiert. Angesichts der sinkenden Zahl von Aussiedlungsanträgen wurde diese
Quote 1999 nochmals auf 100.000 gesenkt. Diese Regelung kann in Verbindung mit den sonstigen Regelungen für Spätaussiedler durchaus als de facto-Einwanderungsgesetz für eine spezielle
Personengruppe betrachtet werden. Drittens wurde 1996 ein Sprachtest eingeführt, den die Bewerber bereits in ihrem „Heimatland“ vor der Einreise in die Bundesrepublik absolvieren müssen. Diese Hürde hat den Rückgang der Aussiedler-Immigration maßgeblich mitbewirkt.
Die Zu- und Abwanderung von Ausländern war in den letzten Jahrzehnten gleichfalls
deutlichen Schwankungen ausgesetzt. Im Zeitraum zwischen 1955 und 1973 warb Deutschland
Gastarbeiter aus Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Jugoslawien, Marokko und der Türkei
an, um so den enormen Arbeitskräftemangel in Industrie und Handwerk auszugleichen. Zwar
ging die ursprüngliche Konzeption entsprechend dem „Gast“-Arbeiter-Gedanken von einem nur
befristeten Aufenthalt aus, doch viele Gastarbeiter ließen sich in Deutschland dauerhaft nieder.
Ein wesentlicher Grund für ihren Verbleib in Deutschland war die deutsche Einwanderungspolitik. Nachdem die Anwerbung von Gastarbeitern 1973 offiziell für beendet erklärt wurde, hätten
diese nach dem Verlassen Deutschlands keine Einreisegenehmigung mehr erhalten. So entschieden sich viele dafür, „für immer“ in Deutschland zu bleiben und ihre Familien nachziehen zu lassen. Die Folge war eine weitere Zunahme der ausländischen Wohnbevölkerung.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs änderte sich die Situation grundlegend, und der
Zuzug von Ausländern erhöhte sich deutlich. In den Jahren 1991-92 kamen netto über eine Million Zuwanderer nach Deutschland, die meisten von ihnen aus Jugoslawien, Polen und Rumänien. Zwischen 1993 und 1996 kamen weitere 800.000 Ausländer hinzu. Ihre Zahl ging erst 199798 zurück, als sogar mehr Ausländer das Land wieder verließen als neu einreisten. Doch 1999
stieg die Netto-Zuwanderung von Ausländern wiederum auf über 100.000 an. Diese Entwicklung
ist auf verschiedene kurzfristige Gründe zurückzuführen. So wurde das Ausländergesetz, in dem
die eingeschränkten Rechte von Ausländern in Deutschland geregelt sind, verschärft. Zudem
20
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
wurde durch die Änderung des Asylrechts im Grundgesetz die Einreise von Ausländern erschwert.24 Darüber hinaus begannen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien in ihre Heimatländer zurückzukehren.25 Schließlich verringerte sich die Zahl der potentiellen Immigranten
durch die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Ost- und Mitteleuropa.
24
In der Asylpolitik kam es 1993 zu einer Kehrtwende. Fortan durften Asylsuchende in Deutschland kein Asyl mehr
beantragen, wenn sie dies auch in einem Nachbarland hätten tun können. Gleichzeitig wurden die Sozialleistungen
für Asylbewerber reduziert.
25
Von insgesamt 345.000 Bürgerkriegsflüchtlingen sind mittlerweile über 300.000 in ihr Heimatland zurückgekehrt.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 21
Tabelle 3: Zu- und Abwanderung von Ausländern in Deutschland, 1991-1999
Herkunftsland
Griechenland
Italien
Jugoslawien 1)
BosnienHerzegowina
Polen
Rumänien
ehemalige Sowjetunion
Türkei
übrige Länder
Gesamtsumme
1991
Zuwanderung
28.305
35.441
221.034
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
23.631 18.267 18.902 20.263
30.055 31.658 38.678 47.998
382.763 278.650 153.888 130.712
18.829
45.821
71.303
16.439
38.996
31.227
15.957
35.074
59.853
17.469
34.540
87.770
-
75.403 107.040
68.335
55.173
11.127
6.901
8.397
10.333
128.387
61.413
131.726 75.117
109.816 81.606
78.646
31.380
87.238
24.814
77.405
17.069
71.214
14.247
66.106
17.032
72.210
18.803
62.372 98.521 100.949
97.928
91.236
78.023
70.443
81.107
38.973
81.901
80.568 67.778 63.946 73.592 73.224 55.981 47.958 47.097
325.037 311.268 228.235 219.205 254.983 301.940 302.270 284.680 304.544
920.491 1.207.602 986.872 773.929 792.701 707.954 615.298 605.500 673.873
Abwanderung
15.443
Griechenland
36.371
Italien
52.957
Jugoslawien 1)
BosnienHerzegowina
115.325
Polen
30.208
Rumänien
ehemalige So12.095
wjetunion
36.134
Türkei
198.943
übrige Länder
Gesamtsumme 497.476
Herkunftsland
1992
16.234 17.519 19.155
32.727 30.945 32.172
129.494 112.285 115.105
19.343
33.969
86.154
20.060
36.841
85.041
21.758
37.937
44.479
19.854
36.837
45.057
19.284
35.496
48.250
4.202 10.343
16.525
15.726
27.237
83.943
97.466
33.346
109.542 101.755
51.864 101.863
65.758
43.996
70.694
25.159
71.661
16.620
70.171
13.558
60.673
13.571
58.572
14.618
13.252 22.946
34.410
39.349
35.092
32.285
30.794
29.247
40.316 46.286 46.363 43.221 43.534 45.978 45.142 40.944
217.116 266.298 247.933 233.826 222.978 286.957 289.561 275.881
614.747 710.240 621.417 567.441 559.064 637.066 638.955 555.638
1991
1992
1993
1994
1995
1996
NettoMigration
12.862
7.397
748
-253
920
-1.231
Griechenland
-930
-2.672
713
6.506 14.029
8.980
Italien
Jugoslawien 1) 168.077 253.269 166.365 38.783 44.558 -13.738
Bosnien- 71.201 96.697 51.810 39.447 -16.110
Herzegowina
13.062 22.184 -26.638 12.888 16.544
5.744
Polen
31.205 57.952 -20.257 -12.616
-345
449
Rumänien
ehemalige So26.878 49.120 75.575 66.539 58.579 56.144
wjetunion
45.767 40.252 21.492 17.583 30.371 29.690
Türkei
übrige Länder
126.094 94.152 -38.063 -28.728 21.157 78.962
Gesamtsumme 423.015 592.855 276.632 152.512 225.260 148.890
1997
1998
1999
-5.319
1.059
-13.252
-3.897
-1.763
14.796
-1.815
-956
39.520
-77.042
-89.069
-23.013
1.043
689
5.433
3.461
13.638
4.185
45.738
39.649
51.860
10.003
15.313
-21.768
2.816
6.153
-4.881 28.663
-33.455 118.235
1) 1991 Sozialistische Bundesrepublik Jugoslawien (SBRJ), seit 1992 SBRJ ohne Bosnien-Herzegowina, Kroatien
und Slowenien, seit 1993 Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
Quelle: Statistisches Bundesamt
22
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Schaubild 3 veranschaulicht die langfristige Entwicklung der Zuwanderung von Aussiedlern und Ausländern zwischen 1951 und 1998.
Schaubild 3: Gesamtzahl der Aussiedler und Ausländer in Deutschland, 1951-1998
8000000
7000000
6000000
Gesamtzahl
5000000
4000000
3000000
A u s lä n d e r
2000000
A u s s ie d le r
1000000
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
1953
1951
0
Jahr
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesanstalt für Arbeit
Fast die Hälfte aller Ausländer lebt seit über einem Jahrzehnt in Deutschland, 30 Prozent
sogar seit über 20 Jahren. Mittlerweile existieren längst Gastarbeiterfamilien der zweiten oder
gar schon der dritten Generation. Die ehemaligen Gastarbeiter bilden inzwischen nicht mehr die
Mehrheit der ausländischen Bevölkerung in der Bundesrepublik. Ihre Kinder und die neuen Zuwanderer, besonders aus Osteuropa, gewinnen heute zunehmend an Bedeutung. Die Frage der
Ausländerintegration stellt sich heute anders und aktueller denn je.
Die Situation der Ausländer in der deutschen Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt läßt
sich größtenteils mit der Situation der Aussiedler vergleichen. Auch die meisten Spätaussiedler
aus Osteuropa sowie potentiell anzuerkennende Aussiedler, die noch in diesen Staaten leben, gehören mindestens der zweiten Generation an. Da sie nie in Deutschland gelebt haben, finden sie
ähnliche „Startbedingungen“ in der neuen Heimat vor wie Ausländer.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 23
Der starke Zuzug von Einwanderern im letzten Jahrzehnt führte zu beträchtlichen
Integrationsproblemen in Deutschland. Die entstandenen Schwierigkeiten im sozialen Umfeld
lassen sich zumindest teilweise auf die existierenden Sprachbarrieren zurückführen und sind eine
mögliche Ursache verstärkter Fremdenfeindlichkeit.
24
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
D. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
Einbürgerung von Ausländern
Während es in Deutschland voraussichtlich erst im Jahr 2003 eine Zuwanderungsgesetzgebung
geben wird, kann das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. Zunächst war die deutsche Staatsangehörigkeit durch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) geregelt. Nach seiner Einführung im Jahre 1914 wurde das Gesetz
mehrfach novelliert, bevor 2000 einige bedeutende Elemente hinzukamen. Bis 1999 konnte die
deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben werden (sofern ein Elternteil Deutsche/r
ist), durch Legitimierung (bei unehelichen Kindern) oder durch Heirat mit einem/einer Deutschen. Das Ausländergesetz (§ 86) sah eine Anspruchseinbürgerung nach 15 Jahren Aufenthalt
in Deutschland vor; Anträge konnten nicht abgelehnt werden, sofern der Bewerber bestimmte
gesetzliche Voraussetzungen erfüllte. Jeder erwachsene Antragsteller mußte vorstrafenfrei und
unbeschränkt geschäftsfähig sein, eine gesicherte Unterkunft nachweisen sowie den Lebensunterhalt für sich und seine Familie selbst bestreiten können. Ausländische Jugendliche hatten einen Anspruch auf Einbürgerung, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hatten,
wobei sie sechs Jahre lang eine deutsche Schule besucht haben mußten (§ 85 Ausländergesetz).
Bis Januar 2000 waren deutsche Sprachkenntnisse keine Voraussetzung für die Anspruchseinbürgerung. Wer hingegen vor 2000 eine Ermessenseinbürgerung beantragte, was in
der Regel nach zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich war, mußte deutsche Sprachkenntnisse nachweisen können. Diese waren allerdings äußerst vage definiert. Die Einbürgerungsrichtlinien forderten eine „freiwillige und dauerhafte Hinwendung zu Deutschland” und
legten ferner fest, daß der Bewerber „die deutsche Sprache in Wort und Schrift in dem Maße beherrschen soll, wie dies von Personen seines Lebenskreises erwartet wird. Bei älteren Einbürgerungsbewerbern können Bildungsstand und gewisse Schwierigkeiten, die deutsche Sprache zu
erlernen, berücksichtigt werden; das gilt vor allem, wenn die übrigen Familienangehörigen die
deutsche Sprache hinreichend beherrschen und die Einbürgerung der gesamten Familie wünschenswert erscheint.”26
26
Einbürgerungsrichtlinien (3.1.1.).
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 25
Laut dieser Richtlinie mußte der Einwanderungsbeamte durch ein Prüfungsgespräch klären, ob ausreichende Sprachkenntnisse vorlagen. Die öffentliche Debatte und der politische
Druck infolge der Einwanderungswelle nach 1991 führte zu einer bedeutenden Erweiterung des
Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrechts. Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) setzte die Mindestaufenthaltsdauer von 15 auf 8 Jahre herab. Wichtiger noch: Zusätzlich zum Abstammungsprinzip (ius sanguinis) wurde das Geburtsortsprinzip
(ius soli) eingeführt. Dadurch qualifizieren sich Kinder ausländischer Eltern nun automatisch für
die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern ein Elternteil in Deutschland geboren wurde oder seit
wenigstens acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die
Staatsangehörigkeit der Eltern darf zunächst beibehalten werden, doch müssen sich die auf diesem Wege Eingebürgerten vor ihrem 23. Geburtstag für eine der beiden Nationalitäten entscheiden, so daß eine permanente doppelte Staatsangehörigkeit ausgeschlossen ist.
Die Anspruchseinbürgerungen können nach der Neufassung des Ausländergesetzes (§
85-86) seit Januar 2000 bereits nach acht Jahren erfolgen. Zugleich wurde allerdings neben dem
Kriterium der „Verfassungstreue“ als neue Voraussetzung der Nachweis „ausreichender“ Kenntnisse der deutschen Sprache geschaffen. Das neue Gesetz erwähnt unzureichende Sprachkenntnisse explizit als Ausschlußgrund für Einbürgerungsanträge. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV, siehe Anhang B) fordert, daß sich „der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in
seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht zu finden vermag. [...] Die Fähigkeit, sich auf
einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht aus.“
Diese Verwaltungsvorschrift nennt darüber hinaus Sprachzertifikate, entsprechende
Schulbildung, Studienabschluß oder eine abgeschlossene Berufsausbildung als Nachweise für
ausreichende Sprachkenntnisse, aufgrund derer eine gesonderte Prüfung durch die Einbürgerungsbehörde in der Regel entfallen kann. Im Zweifelsfall liegt es jedoch im Ermessen der Behörden, einen zusätzlichen Sprachtest anzuordnen. Bewerber können das in der Vorschrift erwähnte Zertifikat Deutsch in Volkshochschulen und anderen Einrichtungen auf eigene Kosten
erwerben.
Für die individuelle Überprüfung der Sprachkenntnisse bei den Einbürgerungsbewerbern,
die zum persönlichen Erscheinen aufgefordert werden, wurde bislang noch kein einheitlicher
26
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Beurteilungsmaßstab entwickelt. Die Durchführung dieser Sprachtests variiert gegenwärtig je
nach Bundesland. Einige Länder delegieren die Prüfung an die Volkshochschulen vor Ort. Diese
Tests dauern 45 Minuten, sind relativ preiswert und können bei Bedarf wiederholt werden. Andere Länder schreiben ein persönliches Gespräch mit einem Einbürgerungsbeamten vor. Während manche Bundesländer den Schwerpunkt bei den mündlichen Sprachkenntnissen setzen,
wird anderswo besonderer Wert auf schriftliche Fähigkeiten gelegt – abgesehen von Analphabeten und schulpflichtigen Kindern. In der Praxis zeigt sich jedoch, daß die große Mehrzahl der
Bewerber, die ihre Einbürgerung nach dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz beantragen, die
geforderten Dokumente vorlegen können. Bislang gibt es allerdings noch keine verläßlichen Informationen über die Effektivität der Sprachprüfungen.27
Anerkennung und Einbürgerung von Aussiedlern
Während des Zweiten Weltkriegs erhielten im Rahmen von sogenannten Sammeleinbürgerungen
alle Deutschstämmigen in den besetzten Gebieten die deutsche Staatsangehörigkeit. Viele dieser
Deutschstämmigen hatten nach dem Krieg unter Diskriminierung, Abschiebung, Unterdrückung
und Verfolgung zu leiden. Die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihnen entzogen, und sie mußten die Staatsangehörigkeit des Landes annehmen, in dem sie sich aufhielten. Diesem Umstand
wurde im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) Rechnung getragen. Nach dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland, Art. 116, Abs. 1 (siehe Anhang A) gilt die deutschstämmigen Personen in diesen Staaten als „Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit“. Aufgrund dieses
Sonderstatus erhalten Deutschstämmige dieselben Rechte wie alle übrigen deutschen Staatsangehörigen, sobald sie sich entschließen (bzw. es ihnen erlaubt wird), nach Deutschland einzuwandern.
Um als Aussiedler anerkannt zu werden, müssen die Bewerber neben ihrer deutschen Abstammung auch nachweisen, daß sie sich durch die Pflege der deutschen Sprache und Traditionen noch immer mit der deutschen Kultur identifizieren. 1996 wurde zu diesem Zweck ein
Sprachtest eingeführt. Wird dem Anerkennungsantrag zugestimmt, so kann der Bewerber unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen und muß im Gegensatz zu Ausländern nicht
27
Informationen des Freistaats Bayern, der mündliche und schriftliche Prüfungen vorschreibt, deuten auf eine relativ
geringe Durchfallquote von 20 Prozent hin.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 27
die übliche langjährige Wartezeit einhalten. Dieser Verzicht auf eine Mindestaufenthaltszeit liegt
in dem besonderen Status begründet, den Spätaussiedler nach geltendem deutschen Recht genießen. Anträge müssen entweder persönlich vom Aufenthaltsland aus oder durch die dortige deutsche Botschaft bzw. das zuständige Konsulat an das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln gerichtet werden. Eine dritte Option besteht darin, einen Vertreter in Deutschland (meist einen
Verwandten) mit der Antragstellung zu beauftragen. Zwischen dem Datum der Antragstellung
und der Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung kann eine Bearbeitungszeit von bis zu vier
Jahren liegen.
28
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
E. Sprachtests für Aussiedler
Angesichts der hohen Bewerberzahl und der damit verbunden öffentlichen Diskussion führte
Deutschland, wie oben bereits erwähnt, 1996 einen Sprachtest ein, um die Deutschkenntnisse der
Aussiedler genauer überprüfen zu können. Der Begriff Test ist in diesem Zusammenhang allerdings etwas irreführend, da es sich nicht um eine Prüfung im eigentlichen Sinne handelt, sondern
vielmehr um eine Art Anhörung, die zur Einstufung des Bewerbers dient. Die Prüfung darf nicht
wiederholt werden, denn sie soll zeigen, ob der Bewerber die deutsche Sprache bereits während
der Kindheit vermittelt bekam (eine Voraussetzung für die Anerkennung als Spätaussiedler) und
nicht, ob er Deutschkurse belegt hat. Für die Durchführung des Sprachtests vor Ort sind entweder Mitarbeiter des Bundesverwaltungsamtes (in Rußland und Kasachstan) oder Botschafts- bzw.
Konsulatsangehörige zuständig.28 Nach der Einführung des Sprachtests hat das BVA die Öffentlichkeit eingehend über die wichtigsten Merkmale informiert. So wurde vor allem darauf hingewiesen, daß ein Bestehen der Prüfung für die erfolgreiche Antragstellung von entscheidender
Bedeutung ist und daß der Test für jeden Hauptantragsteller verpflichtend ist.
Nach Antragseingang verschickt das BVA eine Einladung zum Sprachtest an den Antragsteller bzw. seinen Vertreter in Deutschland. Bis der Brief den Empfänger erreicht hat, wird eine
Frist von einem Monat eingeräumt. Der Bewerber hat dann einen weiteren Monat Zeit, sich bei
der deutschen Botschaft anzumelden.
Dieses Bewerbungsverfahren mag zwar auf den ersten Blick recht starr erscheinen, doch
eine gewisse Flexibilität zeigt sich in der Gestaltung der Tests. Zwei Alternativen stehen zur
Verfügung: ein einfacher Test und ein qualifizierter Test. Während der einfache Test bislang nur
für den Hauptantragsteller gedacht ist, können die übrigen Familienangehörigen auf Wunsch den
sogenannten qualifizierten Test ablegen. Mit diesem gesonderten Text wurde erstmals ein gewisser Anreizmechanismus in die deutsche Sprachförderung integriert. Spricht die gesamte Familie
gut deutsch (besser als für den einfachen Test erforderlich), dann wird das Aufnahmeverfahren
28
In Rumänien und Polen wurden die Sprachtests an den Botschaften durchgeführt. Aufgrund des großen Ansturms
konnten jedoch die Botschaften in Rußland und Kasachstan die vielen Bewerbungen nicht mehr alleine bearbeiten.
Daher wurden Mitarbeiter des BVA entsandt, um die Tests vor Ort durchzuführen. Die Testergebnisse wurden bis
1996 nicht offiziell erfaßt.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 29
beschleunigt. Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von vier Jahren besteht also ein deutlicher Anreiz, den qualifizierten Test erfolgreich zu absolvieren.
Aus Tabelle 4 geht allerdings hervor, daß der Anteil der Familien, die den qualifizierten
Test bestehen, nicht besonders hoch ist. Das läßt sich darauf zurückführen, daß unter den potentiellen Spätaussiedlern immer weniger Bewerber zu finden sind, die noch die deutsche Sprache
und Kultur pflegen. Während die Zahl der Deutschstämmigen abnimmt, wächst der Anteil der
dazugehörigen Familienmitgliedern stetig. Die meisten von ihnen besitzen keinerlei deutsche
Sprachkenntnisse. Die Politik hat auf diese Entwicklung erst im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes reagiert. Es sieht vor, daß künftig auch sämtliche Familienmitglieder von potentiellen
Aussiedlern bereits in ihrem Heimatland den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse erbringen müssen, um die Einreisegenehmigung zu erhalten (siehe Zuwanderungsgesetz, Artikel 6,
Nummer 5, dokumentiert in Anhang C).29
Der bislang praktizierte Test selbst ist recht unkompliziert und wird mündlich durchgeführt. Vor allem werden dabei Fragen zu Themen des alltäglichen Lebens – wie Haushalt, Arbeit, Freizeit etc. – gestellt. Da die Antragsteller häufig einen altdeutschen Dialekt sprechen,
können sie das Prüfungsgespräch auf Wunsch in diesem Dialekt absolvieren. Zu diesem Zweck
wurden die Prüfer speziell in alten Dialekten ausgebildet.
Im Rahmen des Tests soll herausgefunden werden, ob eine einfache Kommunikation
zwischen dem Prüfer und dem Bewerber möglich ist. Dazu werden die Fragen und Antworten
auf Standardformularen notiert. Ist eine Unterhaltung problemlos möglich, so wird der Test verkürzt und für bestanden erklärt. Treten hingegen Kommunikationsprobleme auf, so wird das Gespräch im Wortlaut protokolliert. Hier gliedert sich der Test in zwei Teile. Der erste Teil besteht
aus dem Gesprächsprotokoll und wird von Prüfer und Bewerber unterschrieben. Im zweiten Teil
kommentiert der Prüfer das Gespräch und bewertet die Sprachkenntnisse des Bewerbers. Dieser
Teil wird nur vom Prüfer und, sofern erforderlich, vom Dolmetscher abgezeichnet. Wenn trotz
fehlerhafter Grammatik und Syntax oder mangelndem Sprachfluß eine Unterhaltung möglich
war, gilt der Test als bestanden. Wenn hingegen kein Gespräch zustande kam und der Bewerber
die Fragen kaum zu verstehen schien, gilt die Prüfung als nicht bestanden.
30
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Tabelle 4: Ergebnisse der Sprachtests für Spätaussiedler
Einfacher Test
bestanden,
qual. Test nicht
bestanden
Einfacher
Test
Qualifizierter
Test
5.629
2.567
3.901
69,3
1.386
54,0
+ 688
5.975
72,9
1.728
30,7
1.181
46,0
- 688
2.221
27,1
46.727
10.583
29.610
62,9
4.176
39,5
+ 2.772
36.558
63,9
17.043
36,5
6.407
60,5
- 2.772
21.678
36,1
Gesamtzahl Tests
Bestanden
Anzahl
in %
Nicht bestanden
Anzahl
in %
1999 (bis 31.07.)
51.607
7.322
30.064
58,3
1.888
25,8
+ 2.088
34.040
57,8
21.543
41,7
5.434
74,2
- 2.088
24.889
42,2
Gesamtzahl Tests
Bestanden
Anzahl
in %
Nicht bestanden
Anzahl
in %
12.918
2.017
7.141
55.3
431
21.4
+ 613
8.185
54.8
5.777
44.7
1.586
78.6
- 613
6.750
45.2
Summe
1996
Gesamtzahl Tests
Bestanden
Anzahl
in %
Nicht bestanden
Anzahl
in %
1997
Gesamtzahl Tests
Bestanden
Anzahl
in %
Nicht bestanden
Anzahl
in %
1998
8.196
57.236
58.929
14.935
Quelle: Statistik des Bundesverwaltungsamts Köln vom 31.07.1999
29
Vgl. Zuwanderungsgesetz, Artikel 6, Nummer 5b (Bundesgesetzblatt, 1990); Anhang C dieser Studie dokumentiert den Wortlaut der Bestimmungen.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 31
Im Zweifelsfall – wenn der Prüfling keine zusammenhängenden Sätze formulieren konnte, jedoch die Fragen zu verstehen schien – stellt der Prüfer Fragen zu deutschen Bräuchen, die
im Hause des Bewerbers gepflegt werden. Diese Fragen werden in einer dem Bewerber
verständlichen Sprache gestellt. Gelangt der Prüfer daraufhin zu der Ansicht, daß deutsche
Bräuche und Traditionen im Hause des Antragstellers ausreichend gepflegt werden, um die
Bedingungen des §6 (2) BVFG zu erfüllen, kann er den Test für bestanden erklären.30
Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, hat der Anteil der bestandenen Tests seit 1996 kontinuierlich abgenommen. Diese Entwicklung ist zum einen auf das oben angeführte „Problem der zweiten Generation“ zurückzuführen. Zum anderen entstand durch das beschleunigte Aufnahmeverfahren für Bewerber mit fließenden Deutschkenntnissen aber auch eine Art „Abschöpfungseffekt“.
Selektion erfolgreicher Kandidaten
Abhängig vom Ergebnis des Sprachtests und der Gültigkeit der Dokumente kann das BVA den
Antrag genehmigen, ablehnen oder eine weitere Untersuchung anordnen. Entscheidet das BVA
positiv, so fehlt noch die Zustimmung eines der Bundesländer (gemäß § 28 (2) BVFG), bevor
der endgültige Aufnahmebescheid verschickt werden kann.
Um diese notwendige Zustimmung einzuholen, leitet das BVA den Antrag je nach familiärer Bindung und Verteilungsschlüssel (gemäß § 8 (3) BVFG) an das zuständige Bundesland
weiter. Das Land stellt daraufhin seine eigene Untersuchung an und gelangt unabhängig vom
BVA zu einer Entscheidung. Sind sich beide Behörden einig, erhält der Bewerber den endgültigen Aufnahmebescheid. Kommt das Bundesland zu einem negativen Ergebnis, so wird der Antrag abgelehnt. Gegen diese Entscheidung kann der Antragsteller Berufung einlegen.
Nach Vorlage des Aufnahmebescheids erhält der Bewerber in der zuständigen Botschaft
ein Visum, das ihn zur Einreise nach Deutschland berechtigt. Dort werden seine Dokumente
durch die Erstaufnahmestelle erneut geprüft. Erfüllt der Bewerber sämtliche Voraussetzungen, so
30
Da Deutschstämmige in den Ländern, in denen sie lebten, häufig stark benachteiligt waren oder sogar verfolgt
wurden, standen sie stets unter dem Druck, sich bis zu einem gewissen Grad zu assimilieren. Da sich ihre Herkunft
am ehesten an der Sprache erkennen ließ, sorgten viele Eltern dafür, daß ihre Kinder die Landessprache sprachen. In
Polen war die Verwendung der deutschen Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg sogar einige Jahrzehnte lang verboten. Passive Sprachkenntnisse blieben jedoch oft erhalten.
32
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
wird er (gegebenenfalls zusammen mit seiner Familie) registriert und darf auf Wunsch seinen
Namen eindeutschen. Anschließend muß er sich bei der Landesaufnahmestelle des ihm zugewiesenen Bundeslandes melden. Werden seine Dokumente für ungültig befunden, so wird der Bewerber abgeschoben.
Bei seiner Ankunft am Bestimmungsort werden die Dokumente einer weiteren Prüfung
unterzogen. Erst dann erhält der Bewerber seine Spätaussiedlerbescheinigung. Selbst während
dieses letzten Schritts kann der Antrag noch abgelehnt und die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung abgelehnt werden. Dagegen kann der Antragsteller Berufung einlegen, muß jedoch mit einer Abschiebung rechnen, falls ihm das Visum entzogen wird.
Angesichts der Komplexität dieses Verfahrens ist es nicht verwunderlich, daß nur eine
begrenzte Zahl von Anträgen pro Jahr bearbeitet werden kann. Doch aufgrund des Antragsrückgangs, der nicht zuletzt auf die Einführung von Sprachtests zurückzuführen ist, wird sich das
Verfahren in Zukunft voraussichtlich beschleunigen lassen.
Wenn es um die Beurteilung der Sprachkenntnisse von Aussiedlern geht, stehen die beiden Ziele der Selektion und Integration häufig in Konflikt miteinander. Der derzeit praktizierte
Sprachtest für Aussiedler reicht in der Regel nicht aus, um ein brauchbares Vokabular zu gewährleisten, da auch veraltetes Deutsch, wie es von vielen Aussiedlern gesprochen wird, zugelassen ist. So ergeben sich für Aussiedler ähnliche Kommunikationsprobleme wie für Ausländer,
obwohl für beide Gruppen nach deutschem Recht völlig unterschiedliche Aufnahmeverfahren
gelten.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 33
F. Marktorientierte Sprachtests und Sprachförderung in Kanada
Zwar spielt die Sprachkompetenz der Einwanderer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die
Einreise nur eine geringe Rolle, doch steht sie während des Aufenthalts in Kanada kontinuierlich
auf dem Prüfstand. Bei dieser informellen Bewertung nimmt der kanadische Arbeitsmarkt eine
aktive Rolle ein. So hängt der Arbeitsmarkterfolg des einzelnen letztlich davon ab, in welchem
Umfang er sich die Sprache des Landes angeeignet hat. Tabelle 5 veranschaulicht, inwieweit die
Sprachkenntnisse des Immigranten von der Einreise bis zur Einbürgerung von Bedeutung sind.
Dadurch soll vor allem die wichtige Rolle des Privatsektors in der Sprachförderung unterstrichen
werden. In der Matrix wird die Sprachkompetenz in unterschiedliche sprachwissenschaftliche
Aspekte aufgegliedert (Hörverstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben) und mit der jeweiligen
Integrationsphase in Verbindung gebracht. Um als Immigrant anerkannt zu werden (landed immigrant status), muß der Bewerber bei der Einreise de facto keine formellen Sprachanforderungen erfüllen. Doch durch den Nachweis von Sprachkenntnissen erhöhen sich seine Anerkennungschancen wesentlich.
Tabelle 5: Sprachanforderungen in verschiedenen Phasen des Aufenthalts in Kanada
Hörverstehen/Sprechen
Leseverstehen
Schreiben
*
anerkannter
Immigrant*
Nein
Nein
Nein
Beschäftigung
(verschiedene)
Ja
Ja
Ja
Staatsangehörigkeit
Nein
Ja
Nein
Die Angaben zur Sprachkenntnis erfolgen durch Selbsteinschätzung. In den meisten Fällen wird der
Bewerber zu einem Prüfungsgespräch geladen, in dem seine Angaben mündlich überprüft werden.
Diesen Test kann der Antragsteller jedoch durch Vorlage des TOEFL-Testergebnisses umgehen.
Daß sich der Erwerb der Landessprache(n) in Kanada unter Arbeitsmarktaspekten weitgehend
selbst regelt, wird am Beispiel der hochqualifizierten Berufsgruppen besonders deutlich. In einigen Berufen müssen Immigranten zunächst einen formellen Sprachtest bestehen, bevor sie zur
Prüfung der beruflichen Qualifikationen überhaupt zugelassen werden. So verlangt etwa das College of Physicians and Surgeons (Ärzte und Chirurgen) der Provinz British Columbia, daß ausländische Ärzte mündliche und schriftliche Englischkenntnisse „zur Zufriedenheit der Zulas-
34
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
sungsstelle“31 vorweisen können, bevor eine Zertifizierung in Kanada überhaupt erst erwogen
wird. Eine Teilvoraussetzung für die Approbation ist ferner, daß die Bewerber eine zweijährige
Postgraduiertenausbildung an einer akkreditierten und anerkannten Institution erfolgreich abgeschlossen haben müssen, wobei ausländische Bewerber mindestens eines dieser beiden Jahre in
Kanada absolviert haben müssen.32 Zwar verlangt das Royal College of Physicians and Surgeons
of Canada keinen formellen Sprachtest, doch für die Teilnahme am Postgraduiertenprogramm
sind ausreichende Englischkenntnisse erforderlich, zum Teil sogar eine Mindestpunktzahl von
60033 beim TOEFL-Test.34 Ausländische Mediziner müssen für ihren Abschluß (L.M.C.C.) außerdem die Prüfung durch das Medical Council of Canada ablegen.35 Da diese Prüfungen nur in
englischer und französischer Sprache durchgeführt werden, sind ausreichende Sprachkenntnisse
eine Grundvoraussetzung für das Bestehen.
Ein weiteres Beispiel für diesen selbstregelnden Spracherwerbsprozeß auf dem kanadischen Arbeitsmarkt ist der Sprachtest für ausländische Krankenschwestern. Zusätzlich zu den
notwendigen beruflichen Qualifikationen verlangt die Registered Nurses Association of British
Columbia, daß alle Krankenschwestern, deren Muttersprache nicht Englisch ist, entsprechende
Kenntnisse durch mindestens 550 Punkte im TOEFL-Test und mindestens 50 Punkte im Test of
Spoken English (TSE) nachweisen können. In den übrigen Provinzen Kanadas finden sich ähnliche Regelungen.
Um in Ontario Pharmazie praktizieren zu dürfen, muß jeder Anwärter eine entsprechende
Lizenz vom Ontario College of Pharmacists erwerben. Dieses College schreibt wiederum vor,
daß ausländische Pharmazeuten die englische oder französische Sprache in Wort und Schrift beherrschen müssen. Dazu muß der Bewerber den TSE (mind. 50 Punkte), TOEFL (mind. 580
Punkte) und den Test of Written English (TWE, mind. 5 Punkte) oder einen anderen anerkannten
31
College of Physicians and Surgeons of British Columbia (1997), Section 73 (c), 1.
32
Ibid.
33
Die hier angegebenen Zahlen beziehen sich auf den paper-based TOEFL. Eine Tabelle zum Vergleich mit den
entsprechenden Ergebnissen beim computer-based TOEFL liegt in der TOEFL-CBT-Informationsbroschüre vor
(erhältlich unter www.toefl.org).
34
Dr. D. H. Blackman, Deputy Registrar, College of Physicians and Surgeons of British Columbia, persönlicher
Schriftverkehr mit Don DeVoretz, 22. Juli 1999.
35
Das L.M.C.C. (Licentiate of the Medical Council of Canada) ist Voraussetzung für die Zulassung zum Postgraduiertenprogramm.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 35
Test wie z. B. den CanTEST (je mind. 5 Punkte im Hörverstehen, Leseverstehen, Schreiben und
Sprechen) absolviert haben. Für die französische Sprache gelten der CanTEST (gleiche Mindestpunktzahl wie im englischen Test) oder der Test of Business French (mündlich: 7; schriftlich: 2).
Bewerber müssen darüber hinaus 48 Wochen praktische Ausbildung nachweisen und die Qualifikationsprüfung des Pharmacy Examination Board of Canada (PEBC) sowie die JurisprudenzPrüfung des Ontario College of Pharmacists bestehen.36 Beide Prüfungen werden ausschließlich
in englischer oder französischer Sprache abgehalten.
Für Berufe außerhalb des Gesundheitswesens existieren ähnliche Sprachanforderungen.
So untersucht beispielsweise das National Committee on Accreditation die Berechtigungsnachweise von ausländischen Juristen und verlangt gegebenenfalls entsprechende Zusatzkurse, bevor
sie das Certificate of Qualification erteilt, ohne das eine Zulassung als Rechtsanwalt in Kanada
nicht erfolgen kann. Das Zertifikat bescheinigt dem Bewerber/der Bewerberin eine Qualifikation,
die dem abgeschlossenen Jurastudium an einer anerkannten kanadischen Universität entspricht.37
Je nach Unterrichtssprache an der Heimatinstitution des Bewerbers/der Bewerberin kann das
Komitee einen entsprechenden Nachweis über die Beherrschung der englischen Sprache verlangen. Darüber hinaus werden die notwendigen Zusatzkurse nur an Universitäten angeboten, die
den TOEFL-Test als Eingangsvoraussetzung verlangen.
Weitere Beispiele für derartige Sprachanforderungen finden sich in Kanada zuhauf. Der
Verband der Ingenieure und Geowissenschaftler von British Columbia etwa schreibt für alle angehenden Ingenieure eine „Professional Practice Examination“ vor, die nur in englischer Sprache angeboten wird. Auch hier müssen im Ausland ausgebildete Ingenieure entsprechende
Sprachkenntnisse besitzen, um den Test bestehen zu können. In den übrigen Provinzen Kanadas
gelten ähnliche Bestimmungen.
Als Physiotherapeut muß man in Ontario neben den fachlichen Voraussetzungen entweder Englisch oder Französisch fließend beherrschen. Die Mindestvoraussetzungen sind hier ein
TOEFL-Resultat von 585 und zusätzlich ein TSE-Ergebnis von 45 oder eine Mindestpunktzahl
36
Diese Informationen stammen vom 1997 Occupational Fact Sheet for Foreign Trained Pharmacists,
http://www.ocpharma.com/Registration/putprov.asp
37
National Committee on Accreditation, Evaluation of Legal Credentials of Accreditation,
http://www.flsc.ca/english/cm-nca.htm
36
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
von 85 bei der Michigan English Language Assessment Battery (MELAB). Alternativ genügt ein
Mindestdurchschnitt von 3 beim CanTEST (Englisch oder Französisch) bzw. 7 im International
Language Testing System (IELTS) als Nachweis angemessener Sprachkenntnisse.
Auch für im Ausland ausgebildete Ernährungswissenschaftler schreibt das College of
Dietitians in Ontario die fließende Beherrschung einer der Amtssprachen vor. Als Nachweis
werden hier TOEFL-Test (mind. 550 Punkte) und der TSE (mind. 5) anerkannt.
Selbst in Berufen ohne formale Ausbildung wird die Sprachbeherrschung häufig überprüft. So muß man beispielsweise als Taxifahrer in British Columbia nicht nur verschiedene TaxiHost-Kurse wie den TaxiHost Basic Geography Test belegen und ein einwandfreies Führungszeugnis besitzen, sondern darüber hinaus nachweisen, daß man „gedruckte Angaben in englischer Sprache in ein Formular übertragen kann, einen Englischkurs mindestens der Stufe 8 an
einer beliebigen Sprachschule absolviert hat, oder den TaxiHost English Proficiency Test besteht“38, wobei 78 Prozent bei der mündlichen Kommunikation, 71 Prozent bei der Aussprache
und 67 Prozent beim Lesen erreicht werden müssen. Der TaxiHost English Proficiency Test wurde konzipiert, um unabhängig vom Herkunftsland der Bewerber möglichst faire und objektive
Aussagen über deren Englischkenntnisse zu treffen. Der Test wurde am Vancouver Community
College im Auftrag von TaxiHost entwickelt und soll sicherstellen, daß alle Taxifahrer die nötigen aktiven und passiven Sprachkenntnisse besitzen, um in ihrem Gewerbe professionell arbeiten
zu können.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die kanadische Regierung zwar von Immigranten letztlich keinerlei Sprachkenntnisse zwingend als Vorausbedingung für Einreise, Aufenthalt oder Einbürgerung verlangt, daß jedoch viele Immigranten auf dem Arbeitsmarkt äußerste strenge Sprachmaßstäbe vorfinden. Daraus ergibt sich ein Paradox: Ein Immigrant darf zwar
aufgrund entsprechender fachlicher Qualifikationen ohne Sprachkenntnisse ins Land einreisen,
doch um dort seinen Beruf ausüben zu können, ist häufig die fließende Beherrschung einer der
Amtssprachen notwendig.
Die unübersichtliche Bandbreite der verschiedensten Sprachanforderungen und Tests in
den einzelnen Berufen führte zu einer öffentlichen Diskussion über Sprachstandards. Infolgedes-
38
TaxiHost Centre, New Driver Application Procedures, Justice Institute of B.C., (Stand: 4. Januar 1999), 1.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 37
sen begann man in Kanada mit der Entwicklung eines Benchmark-Standards für Sprachkompetenz. Dieses einheitliche Bewertungssystem soll helfen, Immigranten besser über die für ihren
Beruf notwendigen Sprachkenntnisse zu informieren.
38
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
G. Kanadas Sprach-Benchmarks
In Kanada verfügt ein großer Anteil der Immigranten über unzureichende Sprachkenntnisse.
Darauf reagierte der Privatsektor mit der Gründung von Fortbildungseinrichtungen, an denen
English (French) as a Second Language (ESL/FSL) unterrichtet wird. Für diese privaten Institutionen gilt jedoch meist kein nationaler Standard.39 Somit gestaltet es sich gerade für potentielle
Arbeitgeber schwierig, die Absolventen der verschiedenen Sprachkurse zu vergleichen und ihren
tatsächlichen Kenntnisstand realistisch einzuschätzen.40 Darüber hinaus ist der Umfang der
Sprachförderung in den meisten ESL-Kursen zu begrenzt, um „die Bandbreite und die Qualität
des Sprachgebrauchs, der für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Kanada grundlegend
ist, widerzuspiegeln.“41 Zwar weist das Bildungssystem eine allgemeine Tendenz zu besserer
Überprüfbarkeit und ergebnisorientierteren Lehrplänen auf, doch mangelt es den ESLProgrammen an Informationen und empirischen Nachweisen über das tatsächliche Sprachniveau
der Absolventen.42 Vor diesem Hintergrund war die Entwicklung des CLBA (Canadian Language Benchmarks Assessment) eine Reaktion auf die begrenzten Ausbildungs- und Bewertungsmöglichkeiten der Sprachförderung im Rahmen von ESL-Kursen für Erwachsene.43 Im folgenden wird die Entwicklung der Canadian Language Benchmarks dargestellt.
Die staatliche Behörde, die dem CIC vorausging, nannte 1991 in ihrem jährlichen Bericht
an das Parlament die Sprachförderung für erwachsene Zuwanderer, einschließlich einer Verbesserung der Bewertungsmethoden, als Hauptziel. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 1993 eine
nationale Arbeitsgruppe (National Working Group on Language Benchmarks) eingerichtet, die
die Gestaltung, praktische Erprobung und Überarbeitung von Sprach-Benchmarks überwachen
sollte. Durch diese Benchmarks sollte die „Fähigkeit des einzelnen, die englische Sprache zur
39
Kurse finden beispielsweise in Schulen, Colleges, Gemeindezentren, Universitäten, Fabriken, Büros, Hotels, Kellerräumen von Kirchen, Bibliotheken etc. statt. Sie werden als Voll- oder Teilzeitkurse angeboten und setzen sich
aus Teilnehmern mit den unterschiedlichsten kulturellen und beruflichen Hintergründen zusammen.
40
CIC (1996a), 1.
41
Cumming, zitiert in Norton/Stewart (o.J.), 3.
42
Ebd.
43
Ebd.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 39
Bewältigung verschiedener Aufgaben anzuwenden“ 44, eingeordnet werden können. Zu den Mitgliedern der Arbeitsgruppe zählten rund 20 Sprachlehrer, Administratoren und Teilnehmer von
Sprachkursen aus ganz Kanada. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 1995 eine Publikation mit
dem Titel Canadian Language Benchmarks: English as a Second Language for Adults.
Die kanadischen Sprach-Benchmarks bestehen aus zwölf Vergleichsmaßstäben (in den
drei Bereichen Sprechen/Hörverstehen, Lesen und Schreiben), anhand derer die Sprachkenntnisse von ESL-Kursteilnehmern eingestuft werden können.45 Jeder Benchmark beschreibt das Niveau der Sprachbeherrschung, das die Kursteilnehmer in der jeweiligen Phase erreicht haben
sollten. Die Benchmarks für die einzelnen Teilbereiche untergliedern sich dabei in vier Stufen
der Sprachkompetenz (siehe Tabelle 6).
Tabelle 6: Allgemeiner Inhalt der Canadian Language Benchmarks
Hörverstehen/Sprechen
Lesen
Schreiben
A.
B.
C.
D.
A.
B.
C.
D.
A.
B.
C.
D.
Anweisungen geben und befolgen
Soziale Interaktion
Informationsaustausch
Überzeugungskraft
Anweisungen lesen
Formatierte Texte lesen
Unformatierte Texte lesen
Informative Texte lesen: Analyse und Information
Informationen abschreiben, reproduzieren
Formatierte Texte: Ausfüllen, Erstellen
Unformatierte Texte: Beschreibungen, Informationsweitergabe
Ideen ausdrücken: Analyse, Bewertung, Überzeugung
Quelle: Canadian Language Benchmarks, Einleitung/S. 2. http://language.ca/clb/intro.html
Nach Fertigstellung dieses Dokuments beauftragte das CIC einen Bildungsausschuß in
Ontario mit der Entwicklung von Bewertungsinstrumenten für die einzelnen Benchmarks. Folgendes sollte im Rahmen dieses Projekts entwickelt werden:
44
CIC (1996a), 1.
45
CIC (1996b).
40
§
§
§
§
§
§
§
§
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Aufgaben, die auf die Benchmarks abgestimmt sind;
Aufgaben, durch die Sprachschüler/innen in ein Kontinuum eingeordnet werden können;
Aufgaben ohne Benachteiligung einzelner Rassen oder Kulturen;
Aufgaben, die realistisch und fair sind;
getrennte Instrumente für Hörverstehen/Sprechen, Lesen und Schreiben;
Instrumente für die Einstufung zu Kursbeginn und die Beurteilung nach Kursende;
Bewertungsinstrumente, die wirksam, verläßlich und kosteneffizient angewendet und ausgewertet werden können;
Bewertungsinstrumente, die für den Bereich Erwachsenenbildung transparent sein müssen.46
Das daraus entstandene Canadian Language Benchmarks Assessment (CLBA) ist eine
handlungsorientierte Prüfung, durch die „erwachsene Sprachschüler landesweit den für ihre Vorkenntnisse angemessenen Sprachförderungsprogrammen zugeordnet und ihre Fortschritte im
Rahmen dieser Programme gemessen werden können.”47 Testinstrumente wurden entwickelt, die
die Benchmarks 1 bis 8 abdecken.48 (Eine detaillierte Beschreibung der Canadian Language
Benchmarks ist im Internet unter http://www.language.ca abrufbar.)
Für Kinder und Jugendliche sind die ESL-Kurse innerhalb des kanadischen Schulsystems
einheitlich. Darüber hinaus erlernen Zuwandererkinder durch die Interaktion mit anderen Kindern die in ihrer Region vorherrschende Sprache (Englisch oder Französisch) recht schnell. Dies
gilt nicht notwendigerweise auch für Erwachsene. Um die soziale, wirtschaftliche und kulturelle
Integration von erwachsenen Immigranten zu erleichtern, richtete das CIC ein Programm mit
dem Titel Language Instruction for Newcomers to Canada (LINC) ein.49 Das LINC-Programm
wird landesweit von beauftragten Institutionen durchgeführt. Dazu zählen Unternehmen, gemeinnützige Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Gemeindegruppen, Bildungsinstitute, Einzelpersonen sowie die Verwaltungen der jeweiligen Provinzen, Territorien
und Kommunen.
Um sich für LINC-Kurse zu qualifizieren, muß der Anwärter älter als 19 Jahre und im
Besitz einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung sein bzw. diese erfolgreich beantragt haben.
Der Unterschied zwischen LINC und früheren Sprachförderungsprogrammen der Regierung liegt
46
Norton/Stewart (o.J.), 4.
47
Ebd., 2.
48
Tests für die Benchmarks 9 bis 12 sind geplant.
49
LINC entspricht ELSA (English Language Services for Adults) in der Provinz British Columbia.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 41
darin, daß der potentielle Teilnehmer nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv sein muß, um zum
Sprachkurs zugelassen zu werden. Zuvor gab es drei größere Programme, die von der kanadischen Regierung finanziert wurden: das Language Training Program der Canada Employment
and Immigration Commission (CEIC), Sprachförderungsprogramme des Außenministeriums (die
Finanzierung dieser Programme wurde mit dem Haushalt 1989 eingestellt) und das vom CEIC
finanzierte Settlement Language Training Program (SLTP) für Immigranten, die nicht aktiv am
Arbeitsmarkt teilnehmen.
Das Language Training Program richtete sich ausschließlich an Erwerbstätige. Potentielle Teilnehmer mußten den Nachweis erbringen, daß englische bzw. französische Sprachkenntnisse für ihre Beschäftigung zwingend erforderlich waren. Das Programm des Außenministeriums
richtete sich speziell an einbürgerungswillige Immigranten und wurde nach dem „Total Immersion“-Prinzip (vollständiges „Eintauchen“ in die Sprache) einsprachig durchgeführt. Dieses Unterrichtsmodell wirkte jedoch auf viele Teilnehmer – insbesondere jene mit unzureichender Leseund Schreibfähigkeit – eher abschreckend und behinderte den Lernprozeß. Ferner wurde oft kritisiert, das Programm sei wenig „kulturell einfühlsam“ und gehe nicht ausreichend auf Alltagssituationen ein.
Das aktuelle LINC-Programm soll erwachsenen Immigranten in erster Linie Basiskenntnisse der englischen bzw. französischen Sprache vermitteln. Dies soll möglichst früh geschehen,
um die gesellschaftliche Integration zu erleichtern. Der zeitliche Rahmen der Sprachausbildung
ist auf maximal drei Jahre beschränkt. Nach dieser Zeit sollen die Absolventen in der Lage sein,
ihren alltäglichen Verpflichtungen, die ausreichende Kenntnisse der Amtssprache erfordern,
nachzukommen. Um den ungehinderten Zugang zu den LINC-Programmen zu gewährleisten,
haben die Teilnehmer weiterhin Anspruch auf staatliche Unterstützung, Kinderbetreuung und
Fahrtkostenzuschüsse, so daß jeder Sprachschüler regelmäßig an den Kursen teilnehmen kann.
Die LINC-Kurse basieren auf einem landesweit einheitlichen Lehrplan und setzen sich
aus drei Komponenten zusammen. Zunächst werden die Vorkenntnisse des Sprachschülers anhand der oben angeführten Benchmarks (CLBA) eingestuft. Der Prüfer empfiehlt daraufhin eine
Sprachförderungseinrichtung, die am besten auf die Bedürfnisse des Anwärters zugeschnitten ist.
Diese Empfehlung ist jedoch nicht bindend. Bei der Anforderung von Mitteln des CIC muß jeder
42
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Sprachkursträger angeben, welche zusätzlichen Leistungen den Kursteilnehmern zur Verfügung
stehen, z. B. Kinderbetreuung oder behindertengerechte Räumlichkeiten.
Die zweite Komponente besteht aus dem Sprachkurs selbst. Um eine vergleichbare
Qualität der verschiedenen Kurse zu gewährleisten, sollen die Fortschritte der Teilnehmer
ebenfalls anhand der CLBA-Benchmarks verfolgt werden. Alle Träger des LINC-Programms
müssen in der Lage sein, auch Sprachschüler der Stufe 1 (gemäß CLB) auszubilden.
Der dritte Teil beinhaltet die Verbesserung und Verbreitung von Sprachkursen und
Sprachprüfungen im Rahmen des LINC-Programms.50 Dazu sollen der Sprachförderungsbedarf
der Immigrantengruppen vor Ort untersucht und die Effektivität des LINC-Programms beurteilt
werden. Aufgrund der Ergebnisse sollen entsprechende Verbesserungsvorschläge entwickelt
werden.
50
CIC (1997), 5.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 43
H. Sprachförderung in Deutschland
Im Gegensatz zum kanadischen Ausbildungssystem wird die Sprachförderung in Deutschland
zur Zeit fast ausschließlich durch den Staat geregelt. Die deutsche Regierung finanziert Sprachkurse sowohl für Aussiedler als auch für Ausländer (siehe Überblick in Anhang D). Diese Kurse
sollen dazu beitragen, die Immigranten wirtschaftlich und auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren,
soziale Kontakte zu fördern sowie die politische und kulturelle Partizipation der Zuwanderer zu
verbessern. Die Mittel für die jeweiligen Immigrantengruppen werden von verschiedenen Behörden bereitgestellt. Sprachförderung für Spätaussiedler wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.
Darüber hinaus bieten das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium des Innern (BMI)
in der Russischen Föderation und Kasachstan Sprachkurse an, durch die potentielle Aussiedler
noch im Herkunftsland ihre deutschen Sprachkenntnisse auffrischen bzw. verbessern können.
Staatlich finanzierte Sprachkurse für Ausländer finden hingegen nur in Deutschland
selbst statt. Sie fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA). Die Mittel für die Sprachausbildung beider Immigrantengruppen beliefen
sich zuletzt auf 340-350 Mio. DM51 jährlich. Davon entfielen über 90 Prozent auf Sprachkurse in
Deutschland, der Rest auf Sprachkurse für Aussiedler in deren Herkunftsländern. Für die Jahre
2001 und 2002 sind im Bundeshaushalt Mittel in Höhe von rund 320 Mio. DM (ca. 165 Mio. Euro) vorgesehen. Der folgende Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über die angebotenen
Leistungen und die in der Praxis beobachtete Wirksamkeit dieser Programme.
Sprachförderung für Aussiedler
Im Jahr 2000 wurde die Sprachförderung für Aussiedler von der Bundesregierung mit insgesamt
rund 310 Mio. DM unterstützt. Die verschiedenen geförderten Programme werden im folgenden
näher erläutert.
51
Da in dieser Studie auch Werte aus der zurückliegenden Jahren vergleichend herangezogen werden, sind die Angaben durchweg in DM statt in der seit Jahresbeginn 2002 gültigen neuen Euro-Währung angeführt. Ein Euro
entspricht 1,95583 DM.
44
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
a) Sprachförderung in den Herkunftsländern
Die Sprachkurse, die von der deutschen Regierung in der Russischen Föderation und in
Kasachstan angeboten werden, richten sich in erster Linie an Bleibewillige. Indem interessierten
Bürgern dieser Staaten die Teilnahme an Deutschkursen angeboten wird, soll der Gebrauch der
deutschen Sprache in der Region gefördert werden. Dadurch will man den interkulturellen Austausch fördern und die Akzeptanz der verbliebenen Deutschstämmigen in der Russischen
Föderation und Kasachstan erhöhen. Diejenigen von ihnen, die sich doch zur Übersiedlung nach
Deutschland entscheiden, können die Sprachkurse zur Auffrischung bzw. Verbesserung ihrer
Deutschkenntnisse nutzen und so ihre Integration in Deutschland erleichtern. Schätzungen zufolge leben derzeit rund eine Million Deutschstämmige und deren Verwandte in der Russischen Föderation sowie weitere 300.000 in Kasachstan.52
Das Auswärtige Amt (AA) fördert verschiedene Deutschkurse für Aussiedler. Dazu zählen insbesondere die Kurse der deutschen Botschaft in Kasachstan, Kurse und Arbeitsgruppen
des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA) sowie eine Reihe indirekter Maßnahmen.
Der Rat der Deutschen in Kasachstan sieht das Ziel dieser Kurse darin, den Ausreisewilligen eine sprachliche Grundlage mitzugeben und den Unentschlossenen eine Entscheidungshilfe anzubieten. Die Sprachschüler können kostenlos an bis zu drei Kursen von je 160 Stunden teilnehmen
und müssen am Ende jedes Kurses schriftliche und mündliche Prüfungen ablegen. Mit rund 2,1
Mio. DM förderten das AA und das Bundesministerium des Innern (BMI) 1998 insgesamt 750
dieser Kurse, in denen etwa 15.000 Teilnehmer ausgebildet werden konnten.
Der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) bietet seit 1993 in Kasachstan und der
Russischen Föderation sogenannte „integrierte Sprachkurse“ an. In diesen Kursen lernen die
Teilnehmer die deutsche Sprache nicht nur im Rahmen von strukturierten Unterrichtseinheiten,
sondern auch durch gemeinschaftliche Aktivitäten wie Kochen, Tanzen und Chorproben. Das
Hauptziel dieser Aktivitäten besteht darin, die deutsche Sprache und Kultur in der Region aufrechtzuerhalten. Neben den Deutschstämmigen können auch die Landsleute des jeweiligen Staates teilnehmen. Von diesem Angebot wird reger Gebrauch gemacht: Nicht-Deutschstämmige
52
Dormann et al. (1998), 26.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 45
stellen immerhin rund die Hälfte der Teilnehmer. Bis zu vier aufeinanderfolgende, dreimonatige
Kurse à 40 Stunden können besucht werden. Die „Arbeitsgruppen“ verteilen sich in der Regel
auf 32 Stunden pro Monat und schließen ebenfalls mit einem Sprachtest ab.
Häufig fehlt es bei den Sprachkursen in dieser Region an Unterrichtsmaterialien, geeigneten Räumlichkeiten oder qualifizierten Lehrkräften. Um diese Lücken zu füllen, stellt das AA
Mittel und Ausbildungsmöglichkeiten für Sprachlehrer bereit.
Das Bundesministerium des Innern (BMI) betreibt eine umfangreiche Sprachförderung
für Familienangehörige der deutschstämmigen Minderheiten in der ehemaligen Sowjetunion. Indem auf diese Weise die deutsche Identität und das Gemeinschaftsgefühl der Deutschstämmigen
gefördert werden, sollen potentielle Aussiedler einen Anreiz zum Bleiben erhalten. Sprachkurse
sind ein wichtiger Teil der angebotenen Programme. Darüber hinaus richtet das BMI Begegnungsstätten ein, in denen Deutschstämmige und interessierte Mitbürger zusammenkommen und
zum deutsch-russischen Kultur- und Sprachaustausch beitragen können. Seit diese sogenannte
Breitenarbeit 1996 begonnen wurde, konnten bereits über 200.000 Interessenten gewonnen werden. Die Sprachkurse sind kostenlos und in der Regel offen für jedermann, sofern ein gewisser
Anteil an deutschstämmigen Teilnehmern gewährleistet ist. Bis 1999 umfaßten die Kurse 80 Unterrichtsstunden (über drei Monate), eine Aufstockung auf 160 Stunden ist geplant. Im Gegensatz
zu den zuvor beschriebenen Kursen sind bei den Sprachkursen im Rahmen der Breitenarbeit keine Abschlußprüfungen vorgeschrieben. Statt dessen erhalten die Absolventen eine Teilnahmebestätigung. Dieser Bereich wurde 1999 mit rund 16 Mio. DM gefördert.
Insgesamt existiert somit zwar eine Fülle von Sprachförderprogrammen, es fehlt allerdings jede Information über ihre Effektivität . Dies liegt zum Teil daran, daß die Sprachförderung in den Herkunftsregionen darauf abzielt, die Deutschstämmigen vom Umsiedeln abzuhalten. Allerdings sind ebensowenig Informationen darüber verfügbar, ob diese Art der Sprachförderung für diejenigen Deutschstämmigen von Nutzen ist, die dennoch den Spätaussiedlerstatus
beantragen.
b) Sprachförderung in Deutschland
Wie bereits erwähnt, wird die Sprachförderung für Aussiedler in Deutschland von verschiedenen Behörden finanziert: dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA),
46
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Diese Kurse sind wesentlich strukturierter, und
die Anforderungen sind strenger als bei den Sprachkursen in den Herkunftsländern.
Für ältere Aussiedler bietet das BMA über die Bundesanstalt für Arbeit (BA) in den regionalen Arbeitsämtern Sprachkurse an. Diese Kurse richten sich nach dem Bedarf der lokalen
Arbeitsmärkte. Für die ersten sechs Monate werden die Kursgebühren vollständig übernommen,
wobei auch die Kosten für notwendige Fahrten und Kinderbetreuung bis maximal 120 DM monatlich erstattet werden. Tabelle 7 zeigt, wie viele der neu eingereisten Spätaussiedler zwischen
1991 und 1997 an einem Sprachkurs teilnahmen. Dieser Prozentsatz blieb während des gesamten
Zeitraums relativ stabil (um die 50%), was darauf schließen läßt, daß die Regierung ihr Engagement für dieses Programm kontinuierlich fortgeführt hat.
Tabelle 7: Anmeldungen von Spätaussiedlern für Deutschkurse, 1991-1997
Jahr
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1991-1997
Neu eingereiste
Spätaussiedler
221.995
230.565
218.888
222.591
217.898
177.751
134.419
1.424.107
Anmeldungen
118.733
109.359
121.900
120.139
107.478
89.774
77.515
744.898
Anteil in
Prozent
53,5 %
47,4 %
55,7 %
54,0 %
49,3 %
50,5 %
57,7 %
52,3 %
Quelle: Social Consult, 1998
Die Kurse des BMA erfordern eine regelmäßige Teilnahme an 35 Wochenstunden, verteilt auf
fünf Tage. Das Niveau dieser Kurse wird nicht nur durch die Beschäftigung qualifizierter
Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrer gewährleistet, sondern durch die Überprüfung der Vorkenntnisse und die Kontrolle des Lernerfolgs anhand von regelmäßigen Zwischentests und Abschlußprüfungen. Die Teilnehmer können den Kurs frühzeitig verlassen, insbesondere um ein Stellenangebot anzunehmen, sofern sie ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen konnten. Um einen
qualitativen Mindeststandard garantieren zu können, arbeiten die Sprachkursträger bei der Aus-
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 47
wahl des Lehrplans und der Unterrichtsmittel eng mit den Kultusministerien der Bundesländer
zusammen. Die staatlichen Mittel für die BMA-Kurse pendelten sich in den letzten Jahren bei
etwa 240-250 Mio. DM ein; aufgrund der abnehmenden Aussiedlerzahlen bedeutet dies einen
leichten Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bietet
Sprachkurse an, um vor allem die jüngeren Spätaussiedler in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Die Mittel dafür werden vom sogenannten „Garantiefonds“ bereitgestellt, der aus zwei
Komponenten besteht: dem Schul- und Berufsbildungsbereich (SB) sowie dem Hochschulbereich (H).
Die Sprachkurse über den Garantiefonds Schul- und Berufsbildungsbereich (GF-SB)
richten sich speziell an junge Spätaussiedler wie auch an ausländische Jugendliche (bis 27 Jahre)
mit oder ohne Schulabschluß, deren Sprachkenntnisse als unzureichend für eine Weiterbildung
eingestuft werden. In den Kursen sollen den Jugendlichen ausreichende Sprachkenntnisse für
eine weiterführende schulische oder berufliche Ausbildung bzw. für das Erreichen eines deutschen Schulabschlusses vermittelt werden. Es werden verschiedene, teils berufsorientierte
Sprachkurse in Kombination mit Schulunterricht oder einer Internatsunterbringung angeboten.
Abhängig von den Berufswünschen der einzelnen Teilnehmer variiert die Kurslänge zwischen 10
und 12 Monaten (40 Wochenstunden). Der Fortschritt der Schüler wird durch Zwischen- und
Abschlußprüfungen kontrolliert. Die Zuschüsse für die Kursgebühr liegen in der Regel bei 630
bis 820 DM monatlich. In Härtefällen kann darüber hinaus Nachhilfe oder Internatsunterbringung finanziell gefördert werden, sofern dies für die soziale Integration des Jugendlichen als
notwendig erachtet wird. Die Höchstförderdauer beträgt für jeden Teilnehmer 30 Monate, wobei
nach 60 Monaten Aufenthalt in Deutschland der Förderungsanspruch erlischt. Durch den GF-SB
wurden 1997 insgesamt 71.886 Jugendliche gefördert, davon waren 96 Prozent Aussiedler. In
diesem Bereich der Sprachförderung beliefen sich die Staatsausgaben im Jahr 2000 auf etwa 45
Mio. DM.
Die Sprachkurse, die durch den Garantiefonds Hochschulbereich (GF-H) finanziert werden, sollen jungen Spätaussiedlern (bis 30 Jahre) die notwendigen Qualifikationen für ein Hochschulstudium vermitteln. Die Kursdauer beträgt in der Regel sechs Monate (32 Wochenstunden).
Vor Kursantritt werden die Deutsch-Vorkenntnisse der Teilnehmer überprüft. Der Lernerfolg
48
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
wird regelmäßig durch Zwischentests, Studienarbeiten und eine Abschlußprüfung kontrolliert,
wobei letztere nur einmal wiederholt werden darf. Um aktive Sprachbeherrschung zu vermitteln,
orientieren sich die Kursinhalte am soziokulturellen Umfeld der Teilnehmer. Aufgrund des „Integrationscharakters“ dieses Programms erlischt der Förderungsanspruch nach 60 Monaten Aufenthalt in Deutschland bzw. 30 Monate nach Kursantritt. Zusätzlich zu den Kursgebühren und
Arbeitsmaterialien kommt der GF-H für die notwendigen Fahrtkosten auf. Falls der Teilnehmer
für die Dauer des Programms nicht bei seinen Eltern wohnen kann, werden unter Umständen
auch die Unterbringungs- und Lebenshaltungskosten übernommen. Im Jahr 2000 konnten mit 23
Mio. DM aus dem GF-H Sprachkurse für etwa 4.000 Teilnehmer finanziert werden, davon waren
90 Prozent Aussiedler.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt die Mittel für das sogenannte „Akademikerprogramm“ (AKP) bereit. Dieses Programm wurde 1985 eingerichtet, um
Akademikern unter den Spätaussiedlern die Wiederaufnahme ihres Berufs zu ermöglichen.
Durch das Programm sollen Wissenslücken der Teilnehmer aufgrund von systemspezifischen
Bildungs- und Qualifikationsunterschieden geschlossen werden. Für das AKP werden Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge im Alter zwischen 30 und 50 Jahren zugelassen, deren im
Herkunftsland erworbene Qualifikationen (Hochschulabschluß oder vergleichbare Ausbildung)
in Deutschland nicht ohne weiteres anerkannt werden. Die AKP-Teilnehmer können Deutsch,
Fachdeutsch oder Englisch lernen, an einer deutschen Universität studieren und an beruflichen
Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen. Die Kurse erstrecken sich über drei Monate (35 Wochenstunden). Finanzielle Unterstützung für dieses Programm steht nicht automatisch zur Verfügung,
sondern muß vom Aussiedler innerhalb eines Jahres nach Ankunft in Deutschland beantragt
werden. Der Staat trägt die Kosten für die sprachliche (und berufsorientierte) Ausbildung, die
Lebenshaltungskosten und gegebenenfalls auch die Heilfürsorge für die Dauer des Programms.
In den letzten Jahren betrugen die Staatsausgaben für das AKP durchschnittlich etwa 10 Mio.
DM, von denen allerdings weniger als 10 Prozent auf die Sprachkurse selbst entfielen.
Effektivität der Sprachförderung für Aussiedler
Im Auftrag des Bundesministeriums für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) hat die
Social Consult GmbH 1998 eine umfangreichen Studie zur Effektivität der Sprachkurse für
Spätaussiedler erstellt. Darin untersuchte das Bonner Beratungsunternehmen, wie die unter-
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 49
schiedlichen Programme von der Theorie in die Praxis umgesetzt werden, wie sie ineinandergreifen und welche Aspekte des Programms sich verbessern ließen. Im folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefaßt dargestellt.
Die Befragung erfaßte 378 Träger von Sprachprogrammen mit einer Gesamtteilnehmerzahl von 14.032 Personen, davon 82,3% Aussiedler (einschließlich Familienangehörige), 13,4%
Kontingentflüchtlinge und 3,9% asylberechtigte Personen. Fast ein Viertel der Teilnehmer
(23,4%) war höchstens 28 Jahre alt. Wie aus Tabelle 8 hervorgeht, begann die überwiegende
Mehrheit der Teilnehmer die Sprachausbildung innerhalb des ersten Jahres nach der Einreise,
83,7% sogar innerhalb der ersten sechs Monate. Dieser durchweg frühe Zeitpunkt des Kursantritts trägt zur Integration bei und belegt die starke Motivation der Teilnehmer, möglichst schnell
die deutsche Sprache zu erlernen.
Tabelle 8: Zeitspanne zwischen Einreise nach Deutschland und
Eintritt in einen Sprachkurs des BMA
Teilnehmer
Absolut
in %
bis 1 Monat
2 927
20,9
1 - 6 Monate
8 819
62,8
6 - 12 Monate
1 397
10,0
1 - 2 Jahre
229
1,6
mehr als 2 Jahre
130
0,9
keine Angabe
530
3,8
Quelle: Social Consult Trägerbefragung, 1998
Etwa 85 Prozent der Sprachkursträger stufen die Vorkenntnisse der Teilnehmer vor Kursbeginn
ein. Von diesen Trägern verfügen rund 80 Prozent über spezielle Testinstrumente. Diese Vielzahl
verschiedener Einstufungstests schließt einen einheitlichen Bewertungsmaßstab aus und macht
somit Vergleiche zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Kurse unmöglich. Die Träger benötigen also standardisierte Tests, um die Kursergebnisse auswerten zu können. Der Studie zufolge priorisierten die Kursträger die Ziele der BMA-Sprachkurse wie folgt:
50
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
1. Vermittlung von Sprechfertigkeit
2. Vermittlung grundlegender Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
3. Trainieren von Selbstlernfähigkeiten
4. Vermittlung von Wissen über das Schul- und Berufssystem in Deutschland
5. Vermittlung berufsbezogener sprachlicher Fertigkeiten
35,9%
31,3%
12,2%
11,1%
9,5%
Quelle: Social Consult Trägerbefragung, 1998
Fast 93 Prozent der Kursträger stellen den Lernerfolg anhand einer Abschlußprüfung fest.
Die Durchfallquote fällt dabei mit rund 15 Prozent relativ gering aus. Es existieren jedoch keine
einheitlichen Abschlußprüfungen, so daß direkte Vergleiche ausgeschlossen sind. Darüber hinaus liegen keine Informationen über den Schwierigkeitsgrad dieser Prüfungen vor.
Etwa 5,5 Prozent der Teilnehmer (767 Personen) hatten bereits in ihrem Herkunftsland
einen Deutschkurs belegt. 57 Prozent von ihnen schnitten in den Sprachkursen des BMA besser
ab als die übrigen Teilnehmer. Das deutet zwar darauf hin, daß sich der Besuch eines Sprachkurses vor der Einreise nach Deutschland lohnt, doch der geringe Umfang der Stichprobe läßt keine
endgültige Schlußfolgerung zu.
Nach Ansicht der befragten Kursträger beginnen die meisten Teilnehmer den Sprachkurs
mit einem hohen Maß an Motivation. Daher überrascht es nicht, daß die Mehrheit der Träger
(65,8%) der Meinung ist, die Sprachkurse leisteten einen (sehr) hohen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Integration der Spätaussiedler. Bei den Verbesserungsvorschlägen wird häufig
die Kursdauer genannt: Die meisten Kursträger (77,3%) waren der Meinung, daß eine Ausdehnung der Kurse über die üblichen sechs Monate hinaus zur Qualitätssteigerung beitragen würde.53
Tabelle 9 zeigt Ergebnisse einer Studie zur Sprachförderung für Aussiedler, die von Social Consult für das BMFSFJ erstellt wurde. Die Befragung erfaßte 114 Sprachkursträger mit
insgesamt 5.166 Teilnehmern, darunter 89,3 Prozent Spätaussiedler (einschließlich Familienangehörige), 5,3 Prozent Kontingentflüchtlinge und 1.7 Prozent asylberechtigte Personen. Der Anteil der Teilnehmer, die nach weniger als sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland einen
53
Es gilt jedoch zu bedenken, daß die Träger schon aus eigenen wirtschaftlichen Erwägungen an einer Verlängerung
der Kursdauer interessiert sind, da in dem Falle auch die Mittel aufgestockt werden müßten.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 51
Sprachkurs aufnahmen, lag bei lediglich 44,2 Prozent, während immerhin rund 75 Prozent innerhalb eines Jahres in einen Kurs eintraten. Als problematisch sind die restlichen fast 25 Prozent zu
werten, die erst nach einem Jahr oder später einen Kurs besuchten, wodurch sich der Integrationsprozeß gerade der jungen Spätaussiedler verzögert.
Tabelle 9: Zeitspanne zwischen Einreise nach Deutschland und
Eintritt in einen GF-SB-Sprachkurs
Teilnehmer
Absolut
in %
282
5,5
1 - 6 Monate
1 998
38,7
6 - 12 Monate
1 629
31,5
1 - 2 Jahre
1 034
20,0
156
3,0
67
1,3
bis 1 Monat
mehr als 2 Jahre
keine Angabe
Quelle: Social Consult Trägerbefragung, 1998
Laut dieser Befragung sehen die meisten Sprachkursträger das Hauptziel der GF-SBSprachkurse in der Vermittlung von Grundkenntnissen in Sprache und Schrift, gefolgt von der
Sprechfertigkeit und den Selbstlernfähigkeiten. Die Ergebnisse der Abschlußprüfungen belegen
geringe Durchfallquoten von rund 18 Prozent in den Intensivsprachkursen bzw. 12 Prozent in
den berufsorientierten Sprachkursen. Die Kursträger gaben ferner an, daß rund 40 Prozent der
Teilnehmer mit einem hohen Maß an Motivation beginnen, da sie äußerst bestrebt sind, ihre Arbeitsmarktchancen zu erhöhen. Allerdings hat das Niveau der von den Spätaussiedlern mitgebrachten Deutschkenntnisse, wie bereits erwähnt, in den letzten Jahren insgesamt abgenommen.
Nicht zuletzt deshalb wird der Beitrag der Sprachkurse zur beruflichen und sozialen Integration der Aussiedler von den meisten Trägern (rund 70%) als sehr hoch oder hoch eingeschätzt. Zu den genannten Verbesserungsvorschlägen zählten die Intensivierung und Individualisierung der Sprachbeschulung und eine Verringerung der Mindestteilnehmerzahl. Des weiteren
52
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
forderten einige Träger eine verstärkte regionale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen
im Bereich der Aussiedlerintegration tätigen Institutionen, um die einzelnen Aktivitäten besser
aufeinander abstimmen zu können.
Die dritte Befragung richtete sich an alle zwölf Träger von GF-H-Sprachkursen (Garantiefonds Hochschulbereich). Sie erfaßte Kurse mit insgesamt 1.547 Teilnehmern, davon 80,9
Prozent Spätaussiedler, 15,8 Prozent Kontingentflüchtlinge und 3,3 Prozent asylberechtigte Personen. Etwa 72 Prozent der Teilnehmer traten innerhalb eines Jahres nach ihrer Ankunft in
Deutschland einen Kurs an.
Auf der Grundlage eines schriftlichen Einstufungstests werden die Teilnehmer je nach
Vorkenntnissen auf drei verschiedene Kursstufen verteilt. Fast 30 Prozent der Teilnehmer konnte
in Stufe 2 oder höher eingestuft werden, was auf ein allgemein recht hohes Niveau der Vorkenntnisse schließen läßt.
Bei der Priorisierung der Lernziele vergaben die Träger die höchste Punktzahl (50%) an
die Vermittlung grundlegender Deutschkenntnisse in Wort und Schrift – gefolgt von Wissen über
deutsche Kultur, Wirtschaft und Politik sowie Vermittlung von Selbstlernfähigkeiten (jeweils
18%). Kenntnisse über das deutsche Hochschul- und Berufssystem rangierten auf Platz vier.
Zur Lernerfolgskontrolle geben sämtliche Träger Hausaufgaben auf und führen Zwischen- und Abschlußprüfungen durch. Die meisten Teilnehmer (77 Prozent) bestehen die Abschlußprüfung beim ersten Versuch, während 15 Prozent mindestens eine Prüfung wiederholen
müssen und fast 29 Prozent nach einer nicht bestandenen Prüfung den Kurs abbrechen. Mit steigendem Schwierigkeitsgrad nimmt auch die Zahl der „Abbrecher“ kontinuierlich zu.
Die meisten Träger (73%) schätzen die Motivation der Spätaussiedler hoch ein. Ebenso
beurteilen die meisten Träger (mehr als 80%) den Beitrag der Sprachkurse zur beruflichen und
sozialen Integration der Aussiedler als (sehr) hoch. Zu den häufig genannten Verbesserungsvorschlägen zählen längere Sprachkurse und geringere Mindestklassenstärken.
Die Politik verfolgt inzwischen mit Nachdruck das Ziel, Aussiedlern bereits vor ihrer
Einreise nach Deutschland bessere Deutschkenntnisse zu vermitteln. Wie bereits erwähnt, ist unter anderem beabsichtigt, in Zukunft – im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes – auch von Familienangehörigen den Nachweis von Deutschkenntnissen zu verlangen. Darüber hinaus soll allen
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 53
Aussiedlern nach Einreise ins Bundesgebiet ein Anspruch auf kostenfreie Teilnahme an den für
alle Immigranten vorgesehenen „Integrationskursen“ gewährt und damit die bisherige Sprachförderung für Aussiedler im Inland abgelöst werden. Ungeachtet der bezweifelbaren Praktikabilität einer solchen Zusammenfassung von Sprachkursen für eine sehr heterogen zusammengesetzte
Gruppe von Immigranten, dokumentiert sich in diesen Bemühungen ein wachsendes Bewußtsein
über den integrationspolitischen Stellenwert ausreichender Sprachkenntnisse.
Sprachförderung für Ausländer
Sprachkurse für in Deutschland lebende ausländische Arbeitnehmer und deren Familienangehörige werden in Deutschland vom Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e. V.
geregelt. Dieser Verband wurde 1974 auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) gegründet und wird von diesem vollständig finanziert. Die Sprachförderung
für Ausländer schlug 1997 mit 24,95 Mio. DM zu Buche. Seither sind die zur Verfügung gestellten Mittel auf 32 Mio. DM (1999) bzw. 34 Mio. DM (2000) aufgestockt worden. Während der
vergangenen Jahre nahmen durchschnittlich 68.000 Personen pro Jahr, davon zwei Drittel Frauen, an Sprachkursen teil. Die Kurse sollen zur sozialen und beruflichen Integration der Ausländer
beitragen, indem durch handlungsorientiertes Sprachtraining Alltagssituationen simuliert werden. Der Sprachverband entwickelt inhaltliche und qualitative Richtlinien, die für die Sprachkursträger verpflichtend sind. Im Gegensatz zu den Sprachkursen für Aussiedler, die in der Regel
komplett finanziert werden, können die Träger von Ausländer-Sprachkursen von den Teilnehmern Beiträge in Höhe von bis zu 2 DM pro Unterrichtsstunde erheben.
Förderungsfähig im Rahmen der Sprachverbandskurse sind nur ausländische Arbeitnehmer (und deren Familien) aus der Europäischen Union (EU) und aus den ehemaligen Anwerbestaaten.54 Spätaussiedler, Flüchtlinge und asylberechtigte Personen dürfen ebensowenig wie ausländische Jugendliche unter 15 Jahren an diesen Kursen teilnehmen.
Es werden vier Kurstypen angeboten, die sich im wesentlichen in der Zahl der Unterrichtsstunden unterscheiden:
54
Türkei, Jugoslawien, Marokko, Tunesien, Südkorea, Philippinen und die Anwerbeländer der ehemaligen DDR:
Angola, Mozambique und Vietnam.
54
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a. Allgemeine Sprachkurse richten sich an Teilnehmer, die höchstens an drei Tagen (bzw.
9 Stunden) pro Woche zum Unterricht erscheinen können. Die Kurse bestehen aus vier aufeinander aufbauenden Einheiten (à 60-80 Stunden), so daß sich ein Gesamtumfang von bis zu 320 Unterrichtsstunden ergibt.
b. Alphabetisierungskurse richten sich an Teilnehmer, deren Lese- und/oder Schreibfertigkeiten nicht für einen normalen Deutschkurs ausreichen. In diesen Kursen sollen die Teilnehmer zunächst Lesen und Schreiben lernen (gegebenenfalls auch in der Muttersprache), bevor ihnen grundlegende deutsche Sprachkenntnisse vermittelt werden. Die Höchstförderdauer beträgt
240 Unterrichtsstunden, die in drei Blöcke von je 60-80 Stunden gegliedert sind. Die Wochenstundenzahl darf dabei 20 nicht überschreiten.
c. Intensivsprachkurse umfassen 10-20 Stunden pro Woche und verfolgen definierte Ziele, wie etwa einen Zertifikatsabschluß, die Vorbereitung für eine Berufsausbildung, eine Beschäftigung oder eine berufliche Bildungsmaßnahme. Die Kurse bestehen aus drei Blöcken von
je 60-240 Stunden, so daß sich ein maximaler Gesamtumfang von 640 Stunden ergibt.
Alle Kurstypen können auch als reine Frauenkurse mit stärker handlungsorientiertem Unterricht und frauenspezifischen Themen durchgeführt werden. Kinderbetreuung wird finanziell
gefördert, sofern im Haushalt der teilnehmenden Person mindestens fünf Kinder vorhanden sind.
Die Teilnehmer können nicht zwei Kurse gleichzeitig belegen und dürfen einen nicht bestandenen Kurs nur einmal wiederholen.
Im Anschluß an einen Allgemein- oder Intensivsprachkurs können die Teilnehmer einen
sogenannten Grundbaustein-Kurs belegen, der zur gezielten Vorbereitung auf die international
anerkannte Grundbaustein-Prüfung dient. Die Kursdauer beträgt 60 Stunden (maximal 20 Wochenstunden). Angeboten werden diese Kurse insbesondere von Volkshochschulen, die mehr als
ein Drittel aller Sprachkurse stellen und derzeit bundesweit rund 2.400 Lehrkräfte beschäftigen.
Die Social Consult GmbH, die Infratest Burke Sozialforschung GmbH und der Fachbereich Deutsch als Fremdsprache der Universität Essen haben 1999 im Auftrag des BMA eine
umfangreiche Studie zum Thema Sprachförderung für Ausländer erstellt, in deren Rahmen unter
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 55
anderem eine Befragung ehemaliger und derzeitiger Teilnehmer der verschiedenen Programme
durchgeführt wurde. Im folgenden werden die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.55
Die Befragung erfaßte 344 Sprachkursträger. Die meisten von ihnen bieten zusätzlich
Kurse an, die nicht vom Sprachverband gefördert werden. Insgesamt ist daher ihre finanzielle
Abhängigkeit vom Sprachverband relativ gering. Die meisten Träger finanzieren sich durch Eigenmittel, Kursgebühren oder andere Subventionen. Ein Großteil der Kurse (etwa 40%) beginnt
auf sehr niedrigem Niveau, was darauf schließen läßt, daß die von den meisten Teilnehmern mitgebrachten Deutschkenntnisse gering sind. Fast alle Träger (96,4%) stellen am Ende der Kurse
Teilnahmebescheinigungen aus, doch nur 6,8% vergeben einfache Zeugnisse. Darüber hinaus
verwenden nur 21 Prozent der Träger standardisierte Tests zur Lernerfolgskontrolle, während die
meisten sich auf eine informellere Bewertung beschränken, wie z. B. die Einschätzung des Kursleiters oder schlicht die erfolgreiche Bearbeitung eines bestimmten Kapitels im Lehrbuch.
Nach Einschätzung der meisten Träger leisten ihre Kurse einen wichtigen Beitrag zur sozialen (72,7%) und beruflichen (57,4%) Integration der Ausländer. Zu den genannten Verbesserungsvorschlägen zählt vor allem die Erweiterung der Zielgruppe, da viele potentielle Sprachschüler nicht vom Sprachverband gefördert werden. So hat die Zahl der förderungsfähigen Teilnehmer abgenommen, obwohl die Gesamtnachfrage gestiegen ist. Neben einer Zielgruppenerweiterung fordern die meisten Träger daher mehr Unabhängigkeit bei der Verwendung der Mittel, um das Kursangebot breiter fächern und flexibler gestalten zu können.
Eine Teilnehmerbefragung zeigte, daß ihre Hauptmotivation für die Teilnahme am
Deutschkurs darin bestand, besser im Alltag zurechtzukommen. Das zweithäufigste Motiv war
die Erhöhung der Arbeitsmarktchancen, gefolgt vom Wunsch nach besseren Kontakten zu Deutschen. Tabelle 10 enthält eine Auflistung der von den Teilnehmern genannten Gründe für den
Besuch eines Sprachkurses.
55
Für eine detaillierte Analyse vgl. Dorfmann et al. (1999).
56
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Tabelle 10: Hauptgründe für die Teilnahme am Deutschkurs für Ausländer
Teilnehmer
(Befragungszeitpunkt)
Ehemalige
Teilnehmer
Um im Alltag besser zurechtzukommen
45 %
51 %
Um einen Arbeitsplatz zu finden
22 %
11 %
Um die Kontakte mit Deutschen zu verbessern
18 %
12 %
Um am Arbeitsplatz besser zurechtzukommen
11 %
5%
Um meinen Arbeitsplatz zu behalten
1%
0%
Sonstiges
4%
21 %
Wichtigster Grund
Quelle: Infratest Burke Sozialforschung (in: Social Consult, 1998)
Darüber hinaus wurden die ehemaligen Kursteilnehmer befragt, ob die Deutschkurse zur
Zielerreichung beigetragen hätten. Etwa 90 Prozent sagten aus, der Kurs habe entweder viel oder
zumindest etwas geholfen. Von den Teilnehmern zum Befragungszeitpunkt glauben 47%, daß
sich ihre Deutschkenntnisse während des Kurses sehr verbessert haben und 49%, daß sie etwas
besser geworden sind. Ähnliches gilt für die ehemaligen Teilnehmer (43%: sehr verbessert, 48%:
etwas verbessert).
Nur 20 Prozent der Teilnehmer gaben an, eine Einstufungsprüfung absolviert zu haben.
Die meisten waren jedoch der Meinung, daß der Kursträger durch solche Tests eine bessere Einteilung der Teilnehmer in Kurse mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden vornehmen könne.
Ferner wurden höchst selten Abschlußprüfungen durchgeführt, obwohl die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (etwa 75%) glaubte, eine Abschlußprüfung solle vorgenommen werden, zumindest auf freiwilliger Basis.
Ähnlich wie in Kanada ist auch in Deutschland für einige Berufe eine gewisse Sprachkompetenz zur Zulassung von ausländischen Bewerbern erforderlich. So müssen etwa Ärzte, um
in Deutschland ihre Approbation zu erhalten, unter anderem „ausreichende” Deutschkenntnisse
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 57
nachweisen können, sofern sie nicht aus einem EU-Mitgliedsstaat stammen.56 Um das geforderte
Sprachzertifikat zu erhalten, müssen sie die Mittelstufenprüfung bestehen. Zur Prüfungsvorbereitung müssen in der Regel die begleitenden Sprachkurse, die vom Goethe-Institut und an Volkshochschulen angeboten werden, für eine Dauer von sechs Monaten belegt werden. Die anfallenden Gebühren müssen vom Bewerber selbst entrichtet werden. Da hingegen EU-Bürger ohne
jegliche Deutschkenntnisse zugelassen werden, ist es beispielsweise möglich, daß ein hochqualifizierter iranischer Arzt nicht unmittelbar in Deutschland praktizieren darf, während ein nachweislich geringer qualifizierter Arzt aus Italien sofort zugelassen wird.
Deutsch ist an allen deutschen Universitäten und Fachhochschulen die gängige Unterrichtssprache. Daher müssen ausländische Studierende nicht nur die sogenannte Feststellungsprüfung ablegen, um die formalen Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen, sondern auch die
Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber (DSH) bestehen.57 Wer bereits zu einer anderen anerkannten Hochschule mit Deutsch als Unterrichtssprache
zugelassen ist oder ein entsprechendes Sprachdiplom58 (meist vom Goethe-Institut ausgestellt)
besitzt, ist von der DSH befreit.
Da die DSH Bestandteil der Feststellungsprüfung ist, werden im Rahmen von Studienkollegs zur Prüfungsvorbereitung auch Sprachkurse angeboten. Um zum Studienkolleg zugelassen
zu werden, muß der Bewerber ausreichende Deutschkenntnisse (Mittelstufe II) nachweisen.59
Die Studienkollegs dauern in der Regel zwei Semester (ein Jahr) und enden mit der Feststellungsprüfung. Die Kurswochen beinhalten 10-12 Stunden Sprachunterricht und etwa 20 Stunden
fachbezogenen Unterricht. Die DSH kann jederzeit abgelegt werden und besteht aus einem
schriftlichen und einem mündlichen Teil. Bewerber, die den Prüfungsteil Deutsch nicht bestanden haben, werden automatisch abgelehnt – eine Wiederbewerbung ist nur einmal möglich.
56
Vgl. auch Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (1994), 782.
57
Vgl. Deutscher Akademischer Austauschdienst/Fachverband Deutsch als Fremdsprache (1998).
58
Deutsches Sprachdiplom, Stufe II der Kultusministerkonferenz, Kleines deutsches Sprachdiplom, Großes
deutsches Sprachdiplom, Zentrale Oberstufenprüfung.
59
Ferner bieten die meisten Universitäten Sprachkurse zur Vorbereitung auf die Studienkollegs und die DSH an. Im
Gegensatz zu den Kursen des Goethe-Instituts sind diese Angebote kostenlos. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, und
die erforderlichen Vorkenntnisse variieren. Die Universitäten raten daher den Bewerbern dringend, sich bereits im
Heimatland durch Kurse des Goethe-Instituts eine gewisse Sprachkompetenz anzueignen.
58
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Zwischenfazit
Die bislang getrennt behandelten Sprachförderungsprogramme für Aussiedler und Ausländer sollen mittelfristig in dem bereits mehrfach erwähnten „Gesamtsprachkonzept“ aufgehen. Die im
Zuwanderungsgesetz getroffenen Regelungen machen deutlich, daß dabei die unterschiedliche
Behandlung von Aussiedlern (Sprachtest vor der Einreise plus Sprachkursangebot nach der Einreise) und Ausländern (Sprachkursangebot nach der Einreise) nicht grundsätzlich aufgegeben
werden wird, wohl aber ein Anreiz zum Spracherwerb auch von Ausländern bereits vor Antragstellung bzw. Einreise geschaffen werden soll, indem eine Bewertung von Sprachkenntnissen im
Rahmen des Punktesystems erfolgt, die erfolgreiche Teilnahme an Integrationskursen mit einer
verkürzten Einbürgerungsfrist honoriert wird und der ansonsten freiwillige Besuch von Sprachund Integrationskursen für Neuzuwanderer obligatorisch wird, wenn keine Verständigung „auf
einfache Art“ in deutscher Sprache möglich ist. Das Augenmerk sollte in diesem Zusammenhang
allerdings verstärkt auch den schon lange in Deutschland lebenden Ausländern gelten, deren
Sprachkenntnisse nicht selten defizitär sind.60
60
Die mitunter völlig unzureichenden Sprachkenntnisse insbesondere von Angehörigen der ersten Zuwanderergeneration in Deutschland werden in der aktuellen Diskussion zumeist übersehen. Das Zuwanderungsgesetz enthält
für diese Gruppe keine entsprechenden Angebote. Vgl. dazu Frick/Wagner (2001).
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 59
I. Bewertung des Spracherwerbs in Kanada und Deutschland
Nach diesem Einblick in die kanadischen und deutschen Sprachprogramme für Zuwanderer stellt
sich die Frage, welcher Ansatz der effektivere ist. In den beiden betrachteten Ländern existieren
zwei sehr unterschiedliche Spracherwerbsmodelle, die sich jedoch – berücksichtigt man die
jüngsten gesetzgeberischen Aktivitäten in Deutschland und Kanada – auf dem Wege einer gewissen Angleichung befinden. Von der Einreise bis zur Einbürgerung verlangt Kanada von Zuwanderern grundsätzlich keine bzw. indirekt nur recht geringe Kenntnisse der Amtssprachen,
sieht man vor der inzwischen strengeren Bewertung des Sprachniveaus im Punkteverfahren ab.
In Kanada ist es vor allem dem Markt überlassen, den Spracherwerb von Immigranten optimal
zu regeln. Deutschland hingegen verwendet Sprachkenntnisse seit 1996 explizit als Anerkennungs- und Einbürgerungskriterium für Spätaussiedler sowie seit 2000 als Einbürgerungsvoraussetzung für Ausländer. Das neue Einwanderungsgesetz schafft zudem innerhalb eines Punktesystems die rechtliche Grundlage zur Bewertung von Sprachkenntnissen vor der Einreise und sieht
den verpflichtenden Sprachkursbesuch nach der Einreise in bestimmten Fällen vor. Darüber hinaus bieten zahlreiche Regierungsbehörden im Rahmen verschiedenster Programme subventionierte Sprachkurse an, um die Integration der Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern. Wie läßt sich die Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze messen?
DeVoretz und Werner (1999) bieten einen theoretischen Rahmen an, der es erlaubt, den
optimalen Spracherwerb in unterschiedlichen Handlungsumfeldern (wirtschaftlich, sozial, politisch) zu messen. Die Quintessenz daraus: Kein Maß an Spracherwerb von Immigranten ist in
jedem Umfeld optimal. Jeder Mensch wird – unabhängig von staatlichen Auflagen oder Subventionen – je nach seinen persönlichen Eigenschaften eine individuelle Mischung von Sprachkenntnissen erwerben. Anhand der empirischen Daten aus Kanada und Deutschland lassen sich
die relativen Erträge des Sprachzuerwerbs auf den jeweiligen Arbeitsmärkten messen.
Tabelle 11 faßt die Ergebnisse ausgewählter Studien zusammen, die während der vergangenen beiden Jahrzehnte in Kanada durchgeführt wurden, um den Zusammenhang zwischen dem
Sprachzuerwerb von Immigranten und ihrer Leistung auf dem Arbeitsmarkt zu untersuchen. Die
Studien belegen einen durchweg positiven Effekt auf das Einkommen und die Beschäftigungschancen der Zuwanderer. Unabhängig von der erlernten Sprache (Französisch oder Englisch),
60
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
dem Geschlecht und der ethnischen Abstammung sind die Renditen des Spracherwerbs für alle
Immigranten enorm hoch. So stiegen die Einkünfte für männliche und weibliche Immigranten
um 12,2 bzw. 17,1 Prozent in jedem Jahr, nachdem der Immigrant die Landessprache erlernt hatte.
Tabelle 11: Renditen der Sprachbeherrschung in Kanada
Autoren
Erhebungszeitraum
Chiswick und
Miller (1988)
Einkommenseffekt (in %)
zweispr.
1981
+ 18
Chiswick und
Miller (1992)
Boyd (1990)
DeSilva
(1997)
Pendakur und
Pendakur
(1997)
nur englisch
QUE ROC
+
+ 7.8 12.1
1981 (nur
Männer)
1986 (nur
Frauen)
80er Jahre
1991 Zensus
Montreal
Toronto
Vancouver
Beschäftigungseffekt (in %)
nur französisch
QUE
ROC
+ 4.5
nur Muttersprache
N/A
+ 17.9
+ 12.2
N/A
+ 17.1
+ 4.6
+ 25
+ 26
-3
+4
+3
-1
N/A
-1
+6
-2
- 17
- 16
-9
Diese Renditen sind Durchschnittswerte für sämtliche Qualifikationsstufen und fallen für
hochqualifizierte Zuwanderer zweifellos noch höher aus.61 Pendakur und Pendakur (1997) stellen ferner fest, daß in Kanada „ausschließliche Kenntnisse der Muttersprache mit schlechteren
Arbeitsmarktresultaten korrelieren”, da „die große Mehrheit der Menschen, die Nichtamtssprachen sprechen, der ethnischen Sprachgemeinschaft angehören.“ Dies wird durch die Beobachtung unterstützt, daß die ausschließliche Beherrschung einer Nichtamtssprache in Toronto und
Montreal die Einkünfte der Immigranten um 16 bzw. 17 Prozent reduziert. Insgesamt läßt sich
also feststellen, daß der kanadische Arbeitsmarkt das Erlernen der Landessprache belohnt und
die Einsprachigkeit von Immigranten bestraft.
61
DeVoretz/Werner (1999),
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 61
Für Deutschland findet sich ein empirischer Nachweis des Zusammenhanges zwischen
Deutschkenntnissen und der Einkommensleistung bei Dustmann (1997) und Schmidt (1997) dokumentiert. Schmidt zeigt, daß die Einkünfte von Aussiedlern mit denen von gebürtigen Westdeutschen auf einer Höhe liegen, da beide Gruppen über eine vergleichbare Ausstattung mit Humankapital verfügen. Da Ausländer jedoch im Durchschnitt eine geringere Bildung aufweisen,
verdienen sie deutlich weniger als Aussiedler. Aus den Auswirkungen der unterschiedlichen
Sprachkenntnisse auf die Einkommensdifferentiale zwischen gebürtigen Westdeutschen und
Aussiedlern schließt Schmidt, daß „landesspezifisches Humankapital“ auf die Dauer keine Rendite abwirft. Mit anderen Worten: Durch die Vertiefung der deutschen Sprachkenntnisse nach
der Einreise können Aussiedler ihre Einkünfte relativ zu denen der gebürtigen Westdeutschen
nicht erhöhen.
Noch interessanter ist jedoch Schmidts Beobachtung, daß die Einkommensdifferentiale
zwischen Ausländern und Aussiedlern verschwinden, wenn für die Variable Bildung kontrolliert
wird. Daraus folgt, daß das Erlernen der deutschen Sprache für Ausländer mit minimalen Erträgen verbunden ist. Allerdings verhalten sich Bildung und Fremdsprachenerwerb komplementär,
und Schmidts Studie bestätigt indirekt, daß der gleichzeitige Erwerb von Bildung und Sprache
des Einreiselandes potentiell hohe Renditen für Ausländer mit sich bringt. Dustmann (1997) bestätigt diesen Aspekt ebenfalls, indem er zeigt, daß die elterliche Erziehung sich bei Ausländern
positiv auf das Erlernen der deutschen Sprache auswirkt. Insgesamt belegen beide Studien, daß
Sprache und Bildung sich als Bestandteile des Humankapitals gegenseitig ergänzen und so die
Löhne ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland steigen lassen.
Soziale Sphäre
Im Hinblick auf die soziale Umgebung stellen DeVoretz und Werner (1999) weiter fest, daß
Kenntnisse der Landessprache deutliche Netzwerkeffekte herbeiführen und die Integration der
Immigranten fördern. Dies gilt insbesondere für jugendliche Immigranten, die sich in einer wichtigen Phase der Sozialisierung und der Auswahl eines potentiellen Heiratspartners befinden. Das
Erlernen der Sprache erhöht die Wahrscheinlichkeit der sozialen Integration durch Heirat und
senkt die Wahrscheinlichkeit anhaltender „Kettenmigration“ zur Erleichterung der Heirat. Im
kanadischen Zusammenhang wurde festgestellt, daß männliche Immigranten mit geringen
62
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Kenntnissen der Landessprache weit eher dazu neigen, eine Heiratspartnerin zu „importieren“ als
in der kanadischen Gesellschaft zu suchen.
Diese Konstellation stellt sich in Deutschland ganz ähnlich dar. Netzwerkeffekte und
Sprachdefizite sorgen dafür, daß zu geringe Anreize zum Erlernen der deutschen Sprache und
zum Aufbau sozialer Kontakte zum deutschen Umfeld bestehen. So ist es beispielsweise möglich, in den türkischen Vierteln der Großstädte ausschließlich in türkischer Sprache zu kommunizieren. Gleiches gilt mitunter für Zuwanderer anderer ethnischer Herkunft. Diese sprachliche
Isolation kann zu einer „Ghettoisierung“ verschiedener Kulturen führen, in deren Verlaufdie ausländische Gemeinschaft weitgehendvon der deutschen Mehrheitsgesellschaft abgekapselt wird.
Soziale Integration ist dann nur schwer zu erreichen.
Darüber hinaus besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der Länge des Aufenthalts
in Deutschland und dem Grad der Sprachbeherrschung. Je länger sich Immigranten in Deutschland aufhalten, ohne einen Sprachkurs zu belegen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, daß sie
ihre deutschen Sprachkenntnisse weiterentwickeln werden. Ohne formale Ausbildung haben sie
ihre geringen Deutschkenntnisse zumeist „auf der Straße“ gelernt. Diese Kenntnisse reichen häufig nicht aus, um sie in einem breiteren sozialen Kontext anwenden zu können. Die Kinder der
Zuwanderer befinden sich in einer anderen Situation, da sie Deutsch in der Schule lernen und oft
wichtige bilinguale und bikulturelle Kompetenzen besitzen. Dennoch haben auch einige junge
Immigranten (besonders diejenigen, die als Kinder eingereist sind und nur kurze Zeit an deutschen Schulen verbracht haben) aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse mit Integrationsproblemen zu kämpfen. Häufig bleibt der Spracherwerb unvollständig, da in den Familien an dem
vagen Ziel festgehalten wird, eines Tages ins Heimatland zurückzukehren. In anderen Fällen ist
die sprachliche und soziale Ghettoisierung der ausländischstämmigen Jugend möglicherweise
auch eine Folge der halbherzigen deutschen Integrationspolitik gegenüber diesen jungen Menschen, die „zwischen zwei Welten“ leben.62
62
Eine allgemeine Beschreibung der Situation von ausländischen Jugendlichen und Erwachsenen in der deutschen
Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt findet sich im Bericht zur Lage der Ausländer in der Bundesrepublik
Deutschland, herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen (verfügbar unter
www.bundesauslaenderbeauftragte.de/publikationen/index.stm).
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 63
Ökonomische Sphäre
Wie bereits zuvor erwähnt, verlangen sowohl der kanadische als auch der deutsche Arbeitsmarkt
ein gewisse Sprachkompetenz als Zulassungsvoraussetzung für bestimmte Berufsgruppen. In
Deutschland sind umfangreiche Sprachkenntnisse jedoch nur in hochqualifizierten Berufen erforderlich. Für geringqualifizierte Tätigkeiten werden nur geringe Deutschkenntnisse vorausgesetzt. So reichen grundlegende Sprachkenntnisse in Deutschland für eine Stelle als Reinigungskraftvöllig aus, nicht aber für die soziale Integration. Da ausländische Ärzte hingegen umfangreiche Deutschkenntnisse in Wort und Schrift benötigen, stehen ihrer erfolgreichen Integration
vergleichsweise geringe Schwierigkeiten entgegen.
In diesem Zusammenhang stellen sich daher folgende Fragen: Sollten für beide Personengruppen dieselben Sprachstandards bei der Zulassung als Immigranten gelten? Sollte ein bestimmtes Maß an Sprachbeherrschung verpflichtend sein, um soziale Integration sicherzustellen?
Oder sollte das jeweils notwendige Sprachniveau vom Markt bestimmt werden?
Politische Sphäre
In Kanada wie in Deutschland sind bestimmte Mindestkenntnisse der Landessprache Voraussetzung für die Einbürgerung und damit für den Erwerb der vollständigen staatsbürgerlichen Rechte. Einen Sonderfall stellen in Deutschland derzeit noch die Spätaussiedler dar, denen zwar im
Vorfeld ihrer Anerkennung und Einreise ein Sprachtest abverlangt wird, die jedoch im Anschluß
an ihre Einreise automatisch eingebürgert werden, obwohl bislang gerade die nicht vom Sprachtest betroffenen (jüngeren) Familienangehörigen kaum deutsche Sprachkenntnisse mitbringen.
Insofern werden hier die staatsbürgerlichen Rechte, vor allem das aktive und passive Wahlrecht,
nicht an die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache geknüpft.
Für Ausländer, die nicht die Einbürgerung anstreben, waren Deutschkenntnisse bislang
nicht verpflichtend. Die voraussichtliche Realisierung des lange umstrittenen Zuwanderungsgesetzes wird diesbezüglich zumindest für Neuzuwanderer eine fundamentale Änderung eintreten
lassen. Für den überwiegenden Teil der ausländischen Wohnbevölkerung wird sich jedoch nichts
daran ändern, daß unabhängig vom Niveau ihrer Sprachkenntnisse eine politische Teilhabe jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn aus eigenem Entschluß auf die Einbürgerung verzichtet
wird oder sie rechtlich noch nicht möglich ist. Mit Ausnahme des aktiven wie passiven kommu-
64
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
nalen Wahlrechts, das Bürger der Europäischen Union kraft Unionsbürgerschaft an ihrem
Wohnort innerhalb der EU ausüben können, ist die Einbürgerung Grundvoraussetzung für das
Wahlrecht und die Kandidatur für einen Parlamentssitz. Demgegenüber haben die verbreiteten
Ausländerbeiräte bestenfalls geringe politische Anhörungs- und Mitwirkungsrechte. Langjährig
in Deutschland lebende Nicht-EU-Bürger mit womöglich guten Sprachkenntnissen fühlten sich
in der Vergangenheit deshalb oftmals vom politischen Prozeß ausgeschlossen, während andere
ihre mangelnde Sprachkompetenz auch mit den fehlenden Partizipationsmöglichkeiten begründeten.
Auch der bislang nicht offen artikulierte Status der Bundesrepublik als Einwanderungsland hat wesentlich dazu beigetragen, daß unter den Zuwanderern selbst das Bewußtsein über die
Dauerhaftigkeit des Aufenthalts in Deutschland noch nicht immer ausreichend entwickelt und
die Bereitschaft zum Erlernen der deutschen Sprache keineswegs selbstverständlich ist. Die relative Zurückhaltung von Zuwanderern bei der Einlösung eines Einbürgerungsanspruchs (der nach
deutschem Recht im Regelfall die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit erfordert) ist auch
auf diesen Umstand zurückzuführen. Eine gewisse „politischen Apathie“ in Teilen der ausländischen Wohnbevölkerung Deutschlands hat ihre Ursache nicht zuletzt in der subjektiv empfundenen Inkonsequenz des gesellschaftlichen Integrationsangebots und fehlenden LobbyingStrukturen. Seit der Reduzierung der Mindestaufenthaltszeit für den Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit von 15 auf 8 Jahre treten diese Klagen allerdings zusehends in den Hintergrund. Vielmehr sind seitdem nicht nur die Einbürgerungszahlen deutlich gestiegen, sondern
auch die politischen Parteien bemühen sich verstärkt um die Klientel der eingebürgerten Zuwanderer.
Auch in Kanada setzt die aktive Teilnahme an der Politik voraus, daß die kanadische
Staatsangehörigkeit erworben wird, also zumindest minimale Sprachkenntnisse vorhanden sind.
Die Kandidatur für einen Parlamentssitz erfordert darüber hinausgehende Kenntnisse der Amtssprache(n). Ethnisch homogene Wählerblöcke oder gar Parteien spielen in Kanada keine nennenswerte Rolle; aussichtsreiche Kandidaturen sind nur in den großen Mainstream-Parteien möglich. Diese wiederum haben im Wettbewerb um die entsprechenden Wählerklientel ein durchaus
erhebliches Interesse an der Aufstellung eingebürgerter Kandidaten. Im Ergebnis sind Zuwanderer verschiedenster ethnischer Herkunft in den kanadischen Parteien vergleichsweise stark repräsentiert. So bestand etwa in der kanadischen Provinz British Columbia in den neunziger Jahren
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 65
die gesamte Parlamentsfraktion der Regierungspartei aus eingebürgerten Abgeordneten ursprünglich ausländischer Herkunft.
Dieser selbstverständliche Umgang mit eingebürgerten politischen Kandidaten und Wählern fehlt Deutschland bislang. Das modifizierte Staatsangehörigkeitsrecht und die Perspektive,
im Rahmen Zuwanderungsgesetzes konsequentere Integrationsanreizen zu setzen, könnte die
deutsche freilich der kanadischen Situation schrittweise angleichen. Je nachdrücklicher der Spracherwerb durch solche Anreize gefördert wird, um so unbegründeter erscheint jedenfalls die
Sorge, „übertriebene“ Sprachanforderungen könnten eine politische Ghettoisierung bewirken
und das Ziel der Integration gefährden.
66
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Resümee
Diese vergleichende Studie zum Thema Sprachförderung in Kanada und Deutschland stellt zwei
mögliche Sprachförderungsmodelle für Zuwanderer vor. Das bislang staatlich dominierte deutsche Modell beinhaltet formale Sprachprüfungskriterien bei der Einreise von Spätaussiedlern und
der Einbürgerung von Ausländern. Im Falle der tatsächlichen Realisierung des bereits verabschiedeten Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2003 kommen eine Bewertung von Sprachkenntnissen ausländischer Zuwanderungsbewerber im Rahmen eines Punktesystems, zusätzliche Lernanreize durch (geringfügig) verkürzte Einbürgerungsfristen, eine Pflichtteilnahme an Sprach- und
Integrationskursen für zuwandernde Ausländer ohne „einfache“ Sprachkenntnisse sowie der
Einbezug der Familienangehörigen potentieller Spätaussiedler in die Sprachprüfung vor der Einreise hinzu. Sonstige Sprachanforderungen gelten für bestimmte Berufsgruppen oder individuell
gewählte Bildungslaufbahnen.
Im kanadischen Modell nimmt der Staat zwar einen über den Zeitverlauf in seiner Bedeutung gewachsenen, aber dennoch eher geringen Einfluß auf den Spracherwerb von Immigranten.
Auch wer keine der beiden Amtssprachen in Wort und Schrift beherrscht, aber eine ausreichende
Bewertung innerhalb des Punktesystems erreicht, darf einreisen und sogar die kanadische Staatsangehörigkeit annehmen. Die Zuwanderer erlernen die Landessprache in Kanada überwiegend –
wenn sie sich durch den prophylaktischen Spracherwerb nicht Vorteile im Punktesystem erhoffen – auf freiwilliger Basis und in Abhängigkeit von sozialen, Bildungs- und Arbeitsmarktanreizen. Nur durch die Subventionierung der Sprachförderung und die partielle Vorgabe von Bewertungsmaßstäben greift der kanadische Staat indirekt lenkend ein.
Der freiwillige und individuell motivierte Spracherwerb in Kanada weist zunächst einen
Nachteil auf, der erstmals von DeVoretz und Werner (1999) theoretisiert wurde. In einem freiwilligen Spracherwerbssystem ohne Subventionierung werden die Sprachkenntnisse in den ökonomischen, politischen und sozialen Sphären zunächst nur aus minimalen mündlichen Kenntnissen bestehen. Insbesondere ältere Immigranten der ersten Generation werden womöglich niemals
funktionierende Kenntnisse der Landessprache entwickeln. Dieses große Manko könnte allerdings durch ein Kreditprogramm für den Spracherwerb ausgeglichen werden. Dazu würden beruflich qualifizierte Immigranten einen Kredit erhalten, den sie dazu nutzen könnten, ihre
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 67
Sprachkenntnisse soweit zu verbessern, wie sie es unter sozialen, politischen und Arbeitsmarktaspekten für sinnvoll halten. Gerade auf dem Arbeitsmarkt müßte ein solches Kreditmodell allerdings großzügig genug sein, um Immigranten die Gelegenheit zu geben, die nötigen Sprachkenntnisse für die Zulassungsprüfungen zu erwerben.
Der Hauptvorteil des kanadischen Freiwilligkeitssystems besteht darin, daß junge und
finanzstarke Immigranten einen optimalen Grad an Sprachbeherrschung erreichen, da sie den
Spracherwerb als lohnenswerte Investition in ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt betrachten. Sie
werden ihre Sprachkenntnisse kontinuierlich weiterentwickeln, bis der Grenzertrag dieser Investition zu gering wird. Falls der Immigrant aufgrund von Diskriminierung oder ungünstigen makroökonomischen Arbeitsmarktbedingungen (Arbeitslosigkeit) die erwartete Rendite nicht erreichen kann, würde ein erfolgsabhängiges Rückzahlungsmodell jegliches Risiko ausschließen.63
Worin bestehen die Nachteile des Freiwilligkeitsprinzips? Sprach-Benchmarks müssen
existieren und potentiellen Arbeitgebern oder anderen Interessenten bekannt sein, damit das Niveau der Sprachkenntnisse ohne große Schwierigkeiten überprüft werden kann. Sprachzeugnisse,
berufsbezogene Sprachausbildung und Anerkennung der Zertifikate seitens des Arbeitgebers
sind notwendige Bestandteile des auf Freiwilligkeit basierenden Programms. Fehlt einer dieser
Teile, so werden einzelne Immigranten nicht optimal in den Spracherwerb investieren, da die
erwarteten Erträge nicht erreicht werden können.
Würde dieses Modell auch in Deutschland funktionieren, oder sollte die Bundesrepublik
sich eher darauf konzentrieren, einheitliche Sprachförderprogramme für Aussiedler und Ausländer zu entwickeln und unmittelbar nach deren Ankunft in Deutschland durchzuführen? In
Deutschland wäre das bislang praktizierte staatlich dominierte Modell des Spracherwerbs insbesondere dann plausibel, wenn die Politik allein darauf abzielte, alle Zuwanderer – ob Aussiedler
oder Ausländer – einzubürgern. Da das Ziel der deutschen Politik jedoch darüber hinaus (vernünftigerweise)darin bestehen muß, die wirtschaftliche und soziale Integration sowohl von Aussiedlern als auch von Ausländern so frühzeitig wie möglich zu fördern und bereits ihre Einreise
anhand von Auswahlkriterien zu steuern, wäre eine modifizierte deutsche Version des kanadischen Modells zu favorisieren.
68
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Für Deutschland erscheint es in diesem Zusammenhang allerdings unabdingbar, nicht allein auf Freiwilligkeit zu vertrauen, sondern auf den Erwerb eines Mindestmaßes an Deutschkenntnissen zu einem frühen Zeitpunkt des Aufenthalts in der Bundesrepublik gezielt hinzuwirken. Während Kanada seine Laissez-faire-Politik auf den Umstand gründen kann, daß eine der
beiden Amtssprachen zugleich Weltsprache ist und insoweit Immigranten mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest ein Minimum an Sprachkenntnissen mitbringen, verfügen die nach
Deutschland einreisenden Immigranten mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit über keine Grundkenntnisse der Sprache ihres Ziellandes. Auch gibt es, wie die historische Erfahrung zeigt, nur
geringe Anreize zum Erlernen der deutschen Sprache für den – im Zeitalter der Globalisierung
zusehends wahrscheinlicher werdenden – Fall, daß Deutschland mitunter lediglich als Zwischenstation auf dem Weg in eines der klassischen Einwanderungsländer gewählt wird. Nicht zuletzt
läßt es aber auch der im Vergleich zu Kanada stärkere Zuzug von Immigranten erforderlich erscheinen, den Integrationserfolg durch Sprachkompetenz so frühzeitig wie möglich anzustreben.
Dies kann nicht ausschließlich durch freiwillige Sprachkurse in Deutschland gewährleistet werden, sondern bedarf offenkundig eines geeigneten „Flankenschutzes“.
Je eher Zuwanderer grundlegende Sprachanforderungen erfüllen, desto schneller kann die
soziale Integration erfolgen. Insofern drängt sich ein Sprachkriterium innerhalb eines Punktekatalogs zur Bewertung von Zuwanderungsanträgen förmlich auf. Bei der Gewichtung der Punkte
wäre darauf zu achten, für das gewünschte Ziel einer beschleunigten Integration nicht einen zu
hohen Preis zu zahlen und die „Besten“ abzuschrecken.
Nach der Ankunft in Deutschland können sowohl die individuellen Bedürfnisse der Zuwanderer als auch das allgemeine Interesse an ihrer sozialen Integration am ehesten durch ein
freiwilliges Spracherwerbsmodell nach kanadischem Vorbild erfüllt werden. Ergänzt werden
sollte dieses Modell jedoch durch wirksame positive Anreize zum Spracherwerb, die sich einem
gelegentlich diskutierten Sanktionsmodell gegenüber als überlegen erweisen werden. Ein effektiver Anreizmechanismus könnte beispielsweise in einem Kautionsprinzip bestehen, wie es in
Australien praktiziert wird. Diesem Prinzip zufolge wäre nach einem nicht bestandenen Ein-
63
Bei den erfolgsabhängigen Krediten richtet sich die Rückzahlungsverpflichtung (null bis 100 Prozent des Kredits)
nach der Einkommensentwicklung im Anschluß an den Spracherwerb.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 69
gangssprachtest eine Kaution zu zahlen, die nur dann zurückerstattet wird, wenn innerhalb einer
bestimmten Zeit ein zweiter Test bzw. ein Sprachkurs erfolgreich bestanden wird.
Der Bericht der „Unabhängigen Kommission Zuwanderung der Bundesregierung“ hat die
hohe Bedeutung der Sprachkenntnisse von Ausländern nachdrücklich unterstrichen.64 Darüber
hinaus wurden zuletzt mehrere Vorschläge veröffentlicht, die die Sprachdebatte vorangetrieben
haben. So kritisiert der Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer, frühere Sprachförderungsprogramme der Regierung hätten nicht alle Immigranten einbezogen, sondern vielmehr eine Trennlinie zwischen Ausländern und Aussiedlern gezogen. Deshalb schlägt der
Sprachverband vor, allen dauerhaften Zuwanderern – einschließlich derer, die bereits in Deutschland leben – ein Anrecht auf 600 Stunden Sprachausbildung zu geben.65 Ferner argumentiert der
Verband, die Teilnehmer sollten sich an der Finanzierung der Sprachkurse beteiligen. Die
Schwierigkeit wird jedoch darin liegen, Personen mit einem eindeutigen Mangel an Sprachkenntnissen zur Teilnahme zu bewegen. Positive Anreize im Rahmen des deutschen Arbeitserlaubnis- und Einbürgerungsrechts dürften notwendig sein, um die Effektivität eines solchen Programms zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang hat die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen
vorgeschlagen, „Integrationsverträge“ zwischen Zuwanderern und den deutschen Behörden zu
schließen.66 Dieses Modell sieht unter anderem vor, Zuwanderern einen „Integrationsscheck“
auszustellen, den sie für Sprach- und Integrationskurse verwenden können. Durch ausreichende
Flexibilität sollen dabei die individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden können. Wer diese
Schecks innerhalb von drei Jahren einlöst, soll leichter in den Genuß von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen kommen bzw. schneller eingebürgert werden. Ein vergleichbares Konzept
wurde bereits in den Niederlanden erfolgreich implementiert und sollte auch in der deutschen
Diskussion stärkere Beachtung finden. Zwar liegen die geschätzten Kosten mit rund 315 Mio
Euro pro Jahr fast doppelt so hoch wie die bisherigen Etatansätze, dennoch ist dem Konzept eine
hohe Plausibilität zu eigen. Vor allem wäre damit ein transparenter, positiver Anreizmechanismus verbunden, an dem es der deutschen Sprachförderung bislang mangelt.
64
Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001).
65
Vgl. auch Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e. V. (1999).
70
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß der alleinige Erwerb von Sprachkenntnissen nicht ausreicht, um die Einkommenssituation ausländischer Beschäftigter auf dem deutschen Arbeitsmarkt relativ zu den Einkommen einheimischer Arbeitnehmer zu erhöhen. Die
Verbesserung der Sprachkenntnisse muß vielmehr mit einer Verbesserung auch des
(Aus)Bildungsniveaus einhergehen, um diesen Effekt zu erzielen. Spracherwerb und Bildung
verhalten sich komplementär zueinander – eine Politik zur Sprachförderung sollte dies angemessen berücksichtigen.
Ob das geplante, im neuen Zuwanderungsgesetz bereits antizipierte Gesamtsprachkonzept zur organisatorischen und inhaltlichen Vereinheitlichung der Sprachförderung für Ausländer
und Spätaussiedler die Sprachkenntnisse der Immigranten tatsächlich nennenswert verbessern
wird, kann noch nicht abgeschätzt werden. Einerseits wird die neue Struktur der Sprachförderung
voraussichtlich dazu führen, daß mehr Zuwanderer in den Genuß von Sprachkursen kommen.
Nach Schätzungen der Bundesregierung werden zu dem bisherigen Jahresdurchschnitt von
96.000 weitere 14.000 Teilnehmer hinzukommen. Andererseits sollen die Staatsausgaben auf
dem bisherigen Niveau gehalten werden. Darüber hinaus wird eine äußerst heterogene Gruppe
von Aussiedlern und Ausländern mit einem einheitlichen Sprachstandard konfrontiert sein, während das neue Gesamtsprachkonzept gleichzeitig darauf abzielt, homogenere Teilnehmergruppen
je nach Vorkenntnissen, beruflichem Hintergrund und schulischer Bildung zusammenzusetzen.
Mehrfachförderung nach dem bislang recht verwirrenden Ausbildungssystem soll vermieden
werden. Eine organisatorische Reform soll außerdem Synergieeffekte mit sich bringen. Nach
dem Gesamtsprachkonzept soll die Sprachförderung in Deutschland künftig in den gemeinsamen
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) und des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fallen. Während das
BMA die Sprachförderung für alle Zuwanderer über 27 Jahren regeln wird, soll das BMFSFJ für
die jüngeren Immigranten zuständig sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läßt sich noch nicht abschätzen, ob dieses neue Konzept die Sprachkenntnisse der Immigranten tatsächlich nennenswert
verbessern wird. Immerhin ist eine intensive Qualitätsbewertung Bestandteil des Gesamtsprach-
66
Vgl. auch Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen (2000c).
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 71
konzepts und könnte ihrerseits bereits zu einer insgesamt effektiveren Sprachförderung beitragen.67
Um den Erfolg des Sprachprogramms weiterhin sicherzustellen, könnten die Kursteilnehmer anteilig an den Kurskosten beteiligt werden. Werden die positiven Lernanreize eindeutig
genug gesetzt, wird dies vertretbar sein. Das neue deutsche Zuwanderungsgesetz sieht diese
Möglichkeit grundsätzlich vor; eine solche Kostenbeteiligung ließe sich mit einem Kautionsprinzip sinnvoll verknüpfen. Beides hätte einen unmittelbaren Erfolgsanreiz zur Folge, auf den nicht
verzichtet werden sollte. Naheliegend mag es zunächst erscheinen, das Prinzip der obligatorischen Sprachtests für Aussiedler vor der Einreise in die Bundesrepublik auch auf ausländische
Zuwanderer auszudehnen. Von dem erheblichen organisatorischen Aufwand abgesehen, müßte
dazu freilich ein schlüssiges Konzept entwickelt werden, das durch entsprechende Anreizmechanismen Deutschlands Attraktivität als wettbewerbsfähiges Zuwanderungsland nicht mindert,
wohl aber die potentiellen Zuwanderer dazu ermutigt, bereits vor der Einreise ein gewisses Maß
an deutschen Sprachkenntnissen zu erwerben, ohne sich der Zuwanderungsgenehmigung bereits
sicher sein zu können. Es erscheint zweifelhaft, ob dieses Kalkül aufgehen könnte. Die Plausibilität des im neuen Zuwanderungsgesetz vorgesehenen obligatorischen Besuchs von Sprach- und
Integrationskursen im Falle nicht vorhandener minimaler mündlicher Sprachkenntnisse erscheint
insoweit fraglich. Sinnvoller dürfte es sein, für alle Zuwanderergruppen den Besuch entsprechender Kurse bzw. die private Initiative mit entsprechenden positiven Anreizen zu verbinden.
Ein solches Anreizsystem dürfte einer Sanktionsdrohung überlegen sein - die im Zuwanderungsgesetz geregelte Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit bis zum Erwerb eines Rechtsanspruchs
auf Einbürgerung um ein Jahr im Falle der erfolgreichen Teilnahme an einem Integrationskurs
erscheint dabei allerdings eher unzureichend.
Erst aus einem konsequenten Anreizmechanismus wird im übrigen auch eine überzeugende Wirkung des von der Politik inzwischen nach kanadischem Vorbild gewählten Verfahrens
resultieren können, die Auswahl von Immigranten im Rahmen eines umfassenden deutschen
Zuwanderungsgesetzes anhand eines Punktesystems vorzunehmen, das neben der Arbeits-
67
Diese Informationen über das geplante „Gesamtsprachkonzept“ stützen sich auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Studien zur Sprachförderung, BMFSFJ/BMA, 12. Oktober 2000, die dem Haushaltsausschuß des
Deutschen Bundestages vorgelegt wurde (bis dato nicht veröffentlicht).
72
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
markteignung auch die etwaigen Sprachkenntnisse der Bewerber honoriert (Vorlage von Bescheinigungen), ohne sie in Relation zu anderen Qualifikationsmerkmalen überzubewerten. Eine
konsequente Anreizstrategie zur Beschleunigung und Verbesserung des Spracherwerbs im Inland
ist dabei unerläßlich.
Eine reformierte deutsche Sprachförderung könnte so gesehen das kanadische und das
deutsche Modell zu einem Gesamtkonzept verknüpfen, das das Prinzip der Freiwilligkeit und die
notwendigen Gestaltungsspielräume der Zuwanderer beläßt, zugleich aber durch eindeutige Anreizmechanismen dafür Sorge trägt, daß der Spracherwerb – zum Nutzen von Gesellschaft und
Arbeitsmarkt – schneller und zuverlässiger als bislang erfolgt. Die gemeinsame Sprache ist der
Schlüssel zum sozialen Zusammenhalt einer offenen Gesellschaft, die – im Falle Deutschlands –
gerade erst behutsam damit begonnen hat, ihr Land als Einwanderungsland wahrzunehmen.
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 73
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IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 77
Anhang A
Auszug aus dem Deutschen Grundgesetz (Stand: 3. November, 1995)
Artikel 16
Staatsangehörigkeit, Verbot der Auslieferung
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.
Artikel 116
Begriff „Deutscher“, Wiedereinbürgerung
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicherRegelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai
1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und
nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.
78
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Anhang B
Auszug aus den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht
(StAR-VwV, Kabinettsbeschluß vom 18.10.2000)
II. Ausländergesetz
86
Zu § 86
Ausschlussgründe
86.1
Zu Nummer 1 (keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache)
86.1.1
Begriffsbestimmung
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht zu finden vermag und mit ihm
ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann.
Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text
des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann. Auf Behinderungen, die dem Einbürgerungsbewerber das Lesen oder
Sprechen nachhaltig erschweren, ist Rücksicht zu nehmen.
Die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht
aus.
86.1.2
Nachweis der Sprachkenntnisse
Der Ausschlussgrund nicht ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache ist von
der Einbürgerungsbehörde zu prüfen. Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind in der
Regel nachgewiesen, wenn der Einbürgerungsbewerber
a) das Zertifikat Deutsch oder ein gleichwertiges Sprachdiplom erworben hat,
b) vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) besucht hat,
c) einen Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertigen deutschen Schulabschluss erworben hat,
d) in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule (Realschule,
Gymnasium oder Gesamtschule) versetzt worden ist oder
e) ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder
eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.
Sind die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend nachgewiesen, soll das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers
zur Überprüfung der Sprachkenntnisse angeordnet werden, vergleiche Nummer 91.1.
Die Anforderungen des Zertifikats Deutsch (ISBN 3-933908-17-5) sind dafür ein geeigneter Maßstab. [...]
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 79
Anhang C
Auszug aus dem Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung
des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) – 20. Juni 2002
Artikel 1: Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG)
Kapitel 2: Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet
Abschnitt 4: Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit
§ 20 Zuwanderung im Auswahlverfahren
(1) Eine Niederlassungserlaubnis wird zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erteilt, wenn ein
Ausländer erfolgreich am Auswahlverfahren teilgenommen hat. Dies gilt auch für Ausländer, die
sich bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2) Das Auswahlverfahren erfolgt im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland und dient der Zuwanderung qualifizierter Erwerbspersonen, von denen
ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und die Integration in die Lebensverhältnisse der
Bundesrepublik Deutschland zu erwarten sind. Die Auswahl erfolgt durch ein Punktesystem unter besonderer Berücksichtigung von Staatsangehörigen der Länder, mit denen die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union eröffnet sind.
(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
Bundestages und des Bundesrates die Bedingungen für die Teilnahme an dem Auswahlverfahren, die allgemeinen Kriterien für die Auswahl der Zuwanderungsbewerber sowie die Bewertung
durch ein Punktesystem und Einzelheiten des Verfahrens festzulegen. Als Mindestbedingungen
für die Teilnahme sind die gesundheitliche Eignung, ein guter Leumund, die Sicherung des
Lebensunterhalts und eine Berufsausbildung vorzusehen. Für die Auswahl der Zuwanderungsbewerber ist zumindest die Bewertung der folgenden Kriterien vorzusehen:
1. Alter des Zuwanderungsbewerbers;
2. schulische und berufliche Qualifikation sowie die Berufserfahrung des Zuwanderungsbewerbers; [...]
3. Familienstand des Zuwanderungsbewerbers;
4. Sprachkenntnisse des Zuwanderungsbewerbers;
5. Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland;
6. Herkunftsland.
Bei der Auswahl der Zuwanderungsbewerberinnen und Zuwanderungsbewerber ist ein den Bewerbungen entsprechender Anteil von Frauen und Männern auszuwählen.
80
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
(4) Das Auswahlverfahren wird nur durchgeführt, wenn das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge und die Bundesanstalt für Arbeit nach Beteiligung des Zuwanderungsrates (§ 76)
gemeinsam eine Höchstzahl für die Zuwanderung im Auswahlverfahren festgesetzt haben.
[...]
Kapitel 3: Förderung der Integration
§ 43 Integrationskurs und -programm
(1) Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert.
(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration
(Integrationskurs) unterstützt. Der Integrationskurs umfasst Angebote, die Ausländer an die
Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass
sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.
(3) Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher
Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Die
erfolgreiche Teilnahme wird durch eine vom Sprachkursträger auszustellende Bescheinigung
nachgewiesen. Die Teilnahme am Basissprachkurs ist in der Regel Voraussetzung für die Teilnahme am Aufbausprachkurs. [...] Für die Teilnahme am Integrationskurs kann unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit ein angemessener Kostenbeitrag erhoben werden. [...]
§ 44 Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs
(1) Einen Anspruch auf die einmalige Teilnahme an einem Integrationskurs hat ein Ausländer,
der erstmals eine Aufenthaltserlaubnis
1. zu Erwerbszwecken [...]
2. zum Zweck des Familiennachzugs [...],
3. aus humanitären Gründen [...] oder
4. ohne Bindung an einen Aufenthaltszweck [...]
erhält, wenn er sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhält. [...] Einen Anspruch [...] hat auch, wer
eine Niederlassungserlaubnis [...] erhält. Ausgenommen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in der
Bundesrepublik Deutschland fortsetzen.
[...]
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 81
§ 45 Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs
(1) Ein Ausländer, der nach § 44 einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs hat,
ist zur Teilnahme verpflichtet, wenn er sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann.
(2) Die Ausländerbehörde stellt bei der Ausstellung des den Teilnahmeanspruch begründenden
Aufenthaltstitels fest, ob der Ausländer zur Teilnahme verpflichtet ist.
(3) Ein Ausländer ist von der Teilnahmepflicht nach Absatz 1 ganz oder teilweise zu befreien,
wenn
1. er sich im Bundesgebiet in einer beruflichen oder sonstigen Ausbildung befindet,
2. er die Teilnahme an vergleichbaren Bildungsangeboten im Bundesgebiet nachweist oder
3. seine Teilnahme auf Dauer unmöglich oder unzumutbar ist.
[...]
Artikel 5: Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Das Staatsangehörigkeitsgesetz [...] wird wie folgt geändert:
[...]
7. Nach § 9 werden folgende §§ 10 bis 12b eingefügt:
§ 10
(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
hat, ist auf Antrag einzubürgern, wenn er
1. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keineBestrebungen verfolgt oder unterstützt oder
verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind [...].
2. freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger oder gleichgestellter Staatsangehöriger eines EWRStaates ist [...].
4. seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert [...].
(3) Hat ein Ausländer erfolgreich an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes
teilgenommen, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt.
§ 11
Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht nicht, wenn
1. der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, [...].
82
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Artikel 6: Änderung des Bundesvertriebenengesetzes
Das Bundesvertriebenengesetz [...] wird wie folgt geändert:
[...]
3. § 9 wird wie folgt geändert:
a) Es wird folgender neuer Absatz 1 eingefügt:
(1) Spätaussiedler [...] sowie deren Ehegatten oder Abkömmlinge, welche dieVoraussetzungen
[...] erfüllen, haben, sofern sie der allgemeinen Schulpflicht nicht unterliegen, Anspruch auf kostenlose Teilnahme an einem Integrationskurs, der einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von
gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur
Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland
umfasst. Der Sprachkurs dauert bei ganztägigem Unterricht (Regelfall) längstens sechs Monate.
[...]
5. § 27 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
[...]
b) Die Sätze 2 bis 4 werden wie folgt gefasst:
Der im Aussiedlungsgebiet lebende nichtdeutsche Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei
Jahren besteht, oder nichtdeutsche Abkömmling [...] werden [...] in den Aufnahmebescheid der
Bezugsperson nur dann einbezogen, wenn [...] sie ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache besitzen und in ihrer Person keine Ausschlussgründe [...] vorliegen; [...].
IZA DISCUSSION PAPER NO. 555 83
Anhang D
Sprachförderprogramm für Aussiedler und Ausländer in Deutschland, Stand 2000
Förderprogramm
SGB III
Garantiefonds-
Sprachverband
Schul- und Berufsbildungsbereich
GarantiefondsHochschulbereich
Akademikerprogramm
Förderberechtigte
Spätaussiedler,
Asylberechtigte,
Kontingentflüchtlinge
Spätaussiedler,
Asylberechtigte,
Kontingentflüchtlinge unter 27
Ausländische Arbeitnehmer aus
EU u. ehem. Anwerbestaaten und
ihre Familienangehörigen
Spätaussiedler,
Asylberechtigte,
Kontingentflüchtlinge unter
30
Spätaussiedler,
Kontingentflüchtlinge
Integrationsziel
Gesellschaftlliche
Integration
(einschl. Arbeitsmarkt)
Schulische/berufliche
Ausbildung
Allgemeine und
berufliche Integration
Integration in
Richtung Hochschule
fachberufliche
Integration
Stunden insgesamt
903 Zeitstunden
bis zu 2000 Unterrichtsstunden
bis zu 640
(durchschn.400)
Unterrichtsstunden
800 Unterrichtsstunden
bis zu 420 Unterrichtsstunden
Fördermonate
6
bis zu 12
-
6
3
Stunden pro
35
bis zu 40
4 – 20
32
bis zu 36
Teilnehmer
bis zu 25
15 – 20
8 – 20
20
20
Sozialpädagogische
Betreuung
14 Stunden insgesamt
bis zu 50 %
bis zu 50 % (auch
als Teamteaching)
bis zu 15 %
Nach Bedarf
Testverfahren
freiwillig
freiwillig
freiwillig
ja
ja
Fahrtkosten
ja
ja
nein
ja
ja
Kinderbetreuung
ja
nein
ja
nein
nein
Einheitliche Lehrmaterialien
nein
nein
nein
nein
nein
Sprachkursträger
788
348
445
9
4
Mittelansatz 2000
240 Mio. DM
45 Mio. DM
34 Mio. DM
11 Mio. DM
0,65 Mio. DM
Ressort
BMA
BMFSFJ
BMA
BMFSFJ
BMBF
Durchführung
Bundesanstalt für
Arbeit
Länder
Sprachverband
Otto Benecke Stiftung
Otto Benecke
Stiftung
Förderung
Individualbeihilfe,
Trägerabrechnung,
Unterrichtsgelder
Individualbeihilfe
und Zuwendung an
den Sprachkursträger
Vertrag und Abrechnung mit dem
Träger
Individualbeihilfe
und Zuwendung
an den Träger
Individualbeihilfe,
Trägerabrechnung
Kosten
durchschnittlich
722,-DM pro
Teilnehmer/Monat
630,-; 800,-; und
820,- DM pro Teilnehmer/Monat
35,- pro Kursstunde
Durchschnittlich
900,-DM pro Teilnehmer/Monat
durchschnittlich
750,-DM pro
Teilnehmer/Monat
Woche
Quelle: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Studien zur Sprachförderung, BMFSFJ/BMA 12.Okt 2000.
84
DEVORETZ / HINTE / WERNER - KEINE INTEGRATION OHNE SPRACHKENNTNISSE?
Anhang E
Auszug aus Gesetzesvorlage C-11 (Kanadas Immigration and Refugee Protection Act)
Vorgeschlagenes Punktesystem
Alter
max. 10 Punkte
21-44
10 Punkte
zwei Punkte weniger für jedes Lebensjahr über 44
(Aus)Bildung
max. 25 Punkte
Promotion oder Magisterabschluß
25 Punkte
Bachelor
20 Punkte
High School Abschluß
5 Punkte
Sprache
max. 20 Punkte
Sehr gute Kenntnisse in einer Amtssprache
16 Punkte
Gute Kenntnisse in einer Amtssprache
8 Punkte
Grundkenntnisse in einer Amtssprache
0 Punkte
Sehr gute Kenntnisse in der zweiten Amtssprache
4 Punkte
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M. E. Ward
High Skilled Migration and the Exertion of Effort
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1
08/02
541
B. Cockx
M. Dejemeppe
Do the Higher Educated Unemployed Crowd Out
the Lower Educated Ones in a Competition for
Jobs
2
08/02
542
M. Frölich
Programme Evaluation with Multiple Treatments
6
08/02
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J. Darby
R. A. Hart
Wages, Productivity, and Work Intensity in the
Great Depression
5
08/02
544
P. Portugal
A. R. Cardoso
Disentangling the Minimum Wage Puzzle: An
Analysis of Worker Accessions and Separations
3
08/02
545
M. Fertig
C. M. Schmidt
The Role of Background Factors for Reading
Literacy: Straight National Scores in the PISA
2000 Study
6
08/02
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A. M. Stiglbauer
F. Stahl
R. Winter-Ebmer
J. Zweimüller
Job Creation and Job Destruction in a Regulated
Labor Market: The Case of Austria
2
08/02
547
G. S. Epstein
I. N. Gang
Government and Cities: Contests and the
Decentralization of Decision Making
3
08/02
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M. Frölich
What is the Value of Knowing the Propensity
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6
08/02
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E. Wasmer
Interpreting Europe and US Labor Markets
Differences: The Specificity of Human Capital
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2
08/02
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D. Clark
The Impact of Local Labour Market Conditions
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08/02
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T. Bauer
G. Epstein
I. N. Gang
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the U.S.
1
08/02
552
R. Fahr
U. Sunde
Estimations of Occupational and Regional
Matching Efficiencies Using Stochastic
Production Frontier Models
6
08/02
553
S. Machin
P. A. Puhani
Subject of Degree and the Gender Wage
Differential Evidence from the UK and Germany
2
08/02
554
W. Koeniger
Employment Protection, Product Market
Competition and Growth
3
08/02
555
D. J. DeVoretz
H. Hinte
C. Werner
Keine Integration ohne Sprachkenntnisse?
Zuwanderung und Spracherwerb in Kanada
und Deutschland
1
08/02
An updated list of IZA Discussion Papers is available on the center‘s homepage www.iza.org.
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