Jugendkulturen zwischen Globalisierung und
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Jugendkulturen zwischen Globalisierung und
Dirk Villányi/Matthias D. Witte Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung Glocal Clash – Der Kampf des Globalen im Lokalen am Beispiel Russlands Zusammenfassung Wie formt sich der Prozess der Globalisierung in den Lebensstilen Jugendlicher aus? Dieser allgemeinen Fragestellung gehen wir im folgenden am Beispiel russischer Jugendlicher nach, denn auf der Suche nach Identität erfahren russische Jugendliche seit der Perestrojka immer stärker das Kräftefeld der westlichen Kultur. Der folgende Beitrag beschreibt das Verhältnis russischer Jugend und Jugendkulturen zur westlichen und schließlich zu ihrer eigenen russischen Kultur. Anhand einer rekonstruierten alltagsweltlichen Episode zweier fiktiver russischer Jugendlicher werden wir dieses Verschmelzen von globalen und lokalen zu glokalen Kulturen illustrieren. Der erste Abschnitt umreißt die Grundlagen einer vermeintlichen McDonaldisierung russischer Kultur und Jugendkultur, den wirtschaftlichen Zerfall der Sowjetunion und den West-Ost-Transfer neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Der sich dann anschließende geschichtliche Abriss der vier Perestrojka-Phasen dient der Verdeutlichung der Entwicklung russischer lokaler Gegenkulturen hin zu transnationalen Jugendkulturen. Ausgehend von Roland ROBERTSONs Idee der Glokalisierung wird im dritten Abschnitt der globale Kampf westlicher und russischer Kulturelemente im Lokalen dargestellt, der hier als glocal clash bezeichnet wird. Abschließend beschreiben wir transnationale Jugendkulturen aufgrund ihrer Organisationsstruktur als Network-Culture, welche sich medial konstituiert. Summary Youth Culture between Globalization and Ethnicization: Glocal clash – the Russian example of the battle of the global in the local How does the process of globalization affect young peoples‘ lifestyles? This general question will be discussed using the example of Russian youths, since young Russians searching for an identity after Perestroika increasingly experience the pull of Western culture. This contribution describes the relationship of Russian youth and youth culture to both Western and to their own Russian culture. On the basis of reconstructed episodes for two fictive Russian youths, the simultaneous melting of global and local into „glocal“ cultures will be illustrated. The first section outlines the fundaments of an apparent McDonalization of Russian culture and youth culture: the economic down-turn of the Soviet Union and the West-East-transfer of new information and communication technologies. The subsequent historical outline of the four phases of Perestroika facilitates a clarification of the development of Russian local anti-cultures into transnational youth cultures. Following Roland ROBERTSON’s idea of Glocalization, the third section presents the global battle of Western and Russian cultural elements in the local, which is termed here „glocal clash“. Finally, transnational youth cultures are described in terms of a network culture, which constitutes itself in medial form. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7. Jahrg., Heft1/2004, S. 58-70 59 Der hier zunächst weit gefasste thematische Fokus von Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung muss eine Eingrenzung erfahren: Allein die wissenschaftliche Popularität und inflationäre Verwendung des Begriffes der Globalisierung als auch seine Vieldeutigkeit und Missverständlichkeit (vgl. DÜRRSCHMIDT 2002, S. 6) und die Vielzahl an Konzeptualisierungen von Ethnizität (vgl. GROENEMEYER 2003, S. 11ff.) machen dies notwendig. So soll in diesem Artikel Globalisierung als kulturelle Globalisierung gelesen werden, die als eine Dimension neben anderen, wie die der wirtschaftlichen, ökologischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Globalisierung beobacht- und beschreibbar ist. Denn Globalisierung, so schreibt Ulrich BECK, „– scheinbar das Ganz-Große, das Äußere, das, was am Ende noch dazukommt und alles andere erdrückt – wird faßbar im Kleinen, Konkreten, im Ort, im eigenen Leben, in kulturellen Symbolen“ (BECK 1997, S. 91). Mit Blick auf Roland ROBERTSONs Begriff der Glokalisierung (vgl. ROBERTSON 1994, 1995, 1998) konstatiert BECK, dass eine Globalisierungssoziologie erst und nur als glokale Kulturforschung empirisch möglich und nötig wird (vgl. BECK 1997, S. 91). Der Prozess der Ethnisierung von Jugend und Jugendkulturen hingegen, der – man könnte sagen – unter einem permanenten und immer massiver werdenden Globalisierungsbeschuss steht, wird mit einem Begriff beschrieben, den wir in Anlehnung an den viel zitierten clash of civilizations (vgl. HUNTINGTON 1993, 1997) als glocal clash bezeichnen wollen, d.h. als einen im Lokalen stattfindenden Kampf globaler Kulturen. Diese theoretische Figur wird anhand einer rekonstruierten alltagsweltlichen Episode zweier russischer Jugendlicher illustriert.1 Der Achssprung, d.h. die sich in den Lebensstilen2 russischer Jugendlicher widerspiegelnde Wahrnehmung globaler Prozesse, soll den Globalisierungsschub verdeutlichen, den das neue Russland und mit ihm die russischen Jugendkulturen seit Beginn der 1990er-Jahre erfahren haben. Nicht zuletzt ging dieser u.a. von dem durch die Perestrojka in Gang gesetzten Zerfall der Sowjetunion selber aus (vgl. CASTELLS 2003a, S. 5ff.). So schließen sich regionale Zentren (vgl. CASTELLS 2003b, S. 434f.), wie Madrid, São Paulo, Buenos Aires, Mexiko Stadt, Tapai, Budapest, Moskau oder St. Petersburg, nicht nur mit großer Geschwindigkeit an das Finanznetz der von Saskia SASSEN (1991) beschriebenen Global City an, sondern eben auch an ein kulturelles globales Netzwerk, zu dessen globalen Zentren der Kulturproduktion (vgl. KRÄTKE 2002) u.a. Los Angeles, New York, London, Paris, Amsterdam, Berlin und München zählen. 1 McDonaldisierung? Es ist früher Nachmittag in St. Petersburg. Unser Weg führt uns in eine kleine 3-Raum-Wohnung nicht weit von der Metro-Station „Москóвская Проспéкт“ (»Moskauer Prospekt«). In der Küche deckt eine junge Russin – wir nennen sie Tamara – den Mittagstisch. Neben Brot, Wurst und Käse stehen Ketchup, Mayonnaise und Cola, genauer: Coca-Cola auf dem Tisch. Es riecht nach Pommes. Aus dem Nachbarzimmer dröhnt Musik: Red Hot Chili Peppers. Das vor wenigen Wochen neu erstandene Sony-Fernsehgerät arbeitet mit 100 Hertz. Sobald die Eltern aus dem Haus sind, stellt Tamara für gewöhnlich den music channel MTV an, der nun alle Räume dieser kleinen, bescheiden eingerichteten Wohnung für sich vereinnahmt. Und während die quirlige, hübsche junge Frau – Tamara ist 28 und lebt erst seit einigen Monaten wieder bei ihren Eltern und dem jüngsten Bruder Sergej – das Mittagessen zubereitet, singt sie, so gut es geht, die Songs mit, die sie beinahe alle kennt. Wird der Musikfluss jedoch durch Werbeblöcke 60 D. Villányi/M. D. Witte: Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung unterbrochen, rennt Tamara schnell ins Wohnzimmer, setzt sich vor den Fernseher und schaut sich interessiert die neusten collections der Musik- und Modeindustrie an. Die kurze Sequenz hätte durchaus an anderen Orten der Erde ähnlich beobachtet werden können. Sie beschreibt an sich nichts Außergewöhnliches (geht man einmal davon aus, dass Tamara aufgrund finanzieller Engpässe nur einige Monate bei ihren Eltern leben wird). Dennoch wird man sich erinnern, dass Russland bis vor wenigen Jahren noch jenseits des einheitlichen Organismus der Weltwirtschaft stand, wie es Michail GORBATSCHOW (1989 zit. nach CASTELLS 2003a, S. 6) in einer Rede vor den Vereinigten Nationen 1988 formulierte. Die Konstruktionsfehler einer etatistisch ausgerichteten Volkswirtschaft und die wachsende Unzufriedenheit, vor allem bei der Jugend, führten schließlich zum Zusammenbruch des sozialistischen Systems. Und so setzte mit der Öffnung Osteuropas und Russlands ein Transferprozess technologischer Errungenschaften des Westens ein, der nun im Osten nationale wie regionale Transformationsprozesse beschleunigte. Mit diesem Transfer an Informations- und Kommunikationstechnologien, der sich besonders in Form von neuen IuK-Technologien (vgl. VOLLBRECHT 2002, S. 47 und passim), wie Computer, Internet, Mobiltelefon gebiert, wurden vormals in der Peripherie befindliche (Millionen-)Städte, wie das einstige „Ленинград“ (»Leningrad«), innerhalb weniger Jahre an das globale Netz angedockt. Damit wurde die materielle Grundlage gelegt für den danach zügig einsetzenden Einmarsch westlicher Kulturelemente in Russlands Kultur und Jugendkultur. Man erinnert sich an die von George RITZER (vgl. 1993) formulierte These der McDonaldisierung der Welt, die davon ausgeht, dass eine globale Kulturindustrie auch eine zunehmende Konvergenz kultureller Symbole und Lebensformen bedeute: Satelliten erlauben es, wie Ulrich BECK (1997, S. 82) es veranschaulicht, „alle nationalen und Klassen-Grenzen zu überwinden und die sorgfältig ausgetüftelte Glitzerwelt des weißen Amerika in die Herzen der Menschen in allen Winkeln der Welt zu pflanzen“.3 Fernsehgerät, oder genauer: westliche Kanäle wie MTV, erzeugen und formen in dieser Perspektive nicht nur ein globales Bewusstsein (vgl. ROBERTSON 1992), sondern zugleich uniforme Bedürfnisse nach westlichen Kulturprodukten, sei es nun Heinz-Ketchup oder Coca-Cola. 2 Perestrojka Zurück nach St. Petersburg. Die Wohnungstür springt auf. Sergej kommt wie jeden Tag um diese Zeit von der Schule nach Hause. Der 16-Jährige lässt die Tasche im Flur fallen, grüßt im Vorbeigehen und geht in sein Zimmer. Nach kurzer Zeit besetzen neue Klänge die Räume. Sergejs Lieblingsband „Граждáнская Оборóна“ (»Bürgerwehr«) – „guter russisch-nationalistischer Punk“, wie er sagt – schallt gegen das MTV-Programm nun ebenso durch die gesamte Wohnung. Eine Kakophonie aus russischem Punk aus Sergejs Zimmer kommend und amerikanischem Cross-Over aus dem Wohnzimmer betäuben jetzt zugleich die Ohren. Tamara fühlt sich von der Musik ihres Bruders gestört. Sie geht in Richtung Sergejs Zimmer, bleibt im Türrahmen der Küche jedoch stehen und schreit verärgert zu ihrem Bruder ins Zimmer: „Vor der Perestrojka hättest du die Musik nicht laut hören dürfen! Mach den Quatsch aus und komm essen!“ Die einstmals durch den „совет“ (»Rat«) regierte, zutiefst konservative Vorperestrojka-Gesellschaft erhob bis 1986 den totalitären Machtanspruch und zwang so den Menschen ihren Willen auf (vgl. ausführlich MATHYL 2000, S. 213). Analog zur Profitmaximierung des Ka- Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7. Jahrg., Heft1/2004, S. 58-70 61 pitalismus richtete sich der Etatismus auf Maximierung von Macht (vgl. CASTELLS 2003a, S. 8). Von einem Punkt ausgehend drang das System bis in den letzten Winkel vor, um zu steuern und zu kontrollieren. Ziel war die Gleichschaltung. Jegliche Autonomiebestrebungen gegenkultureller Strömungen wurden durch den Staat als Bedrohung deklariert und als feindlich bekämpft. Es gab eine legitime (öffentliche) Kultur und damit auch eine vororganisierte, d.h. eine von oben gesteuerte Jugendkultur (als Stammkultur). Zugleich entstand eine – vorerst kleine, dann zunehmend stärker werdende – (heterogene) Gegenkultur, die sich in dieser Zeit nur im Privaten, d.h. in elterlichen Wohnungen oder auch Kellerräumen entfalten konnte (vgl. EGGELING 1999, S. 268; MATHYL 2000, S. 213). Bands probten hier und gaben auch kleinste Konzerte, wobei die Gegenkulturellen auch hier nicht vor staatlichen Repressionen geschützt waren. Die Jugendkultur in der Vorperestrojka war eine politische, da sie sich (für sich selbst) politisch zu positionieren hatte. Mit den Reformbestrebungen in den nun folgenden Jahren (1986 bis 1991) wurde eine neue Phase des längst marode gewordenen Sowjet-Systems eingeläutet: die Perestrojka (was soviel wie: „Umbau“ bedeutet). Diese sollte die sich nunmehr abzeichnende ökonomische Krise abwenden, die der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt unmittelbar bevorstand: Die Menschen – und hier wieder vor allem die Jugend – „waren mit dem System unzufrieden und kleideten ihren Rückzug in unterschiedliche Formen: Zynismus, kleine Diebstähle am Arbeitsplatz, Absentismus, Selbstmord und weit verbreiteten Alkoholismus“ (CASTELLS 2003a, S. 7, vgl. EGGELING 1999, S. 284). Dies alles schien plötzlich, im Zuge des angestrebten, durch die Regierung offen dargelegten Plans zum Umbau der Gesellschaft, aufzubrechen. Gesellschaftliche Selbsttätigkeit und Initiative sollten wiederbelebt werden. Und mit den eingeleiteten Reformen eröffneten sich den gegenkulturellen Gruppen „neue, bis dahin unbekannte Entwicklungen“ (MATHYL 2000, S. 215). Es kam zu einer ersten für die Öffentlichkeit sichtbaren Ausdifferenzierung von Jugendkulturen, die zugleich – nach wie vor Gegenkultur – einen Zustrom an neuen Anhängern und Sympathisanten erfuhren (vgl. EGGELING 1999, S. 281f.). Analoge Entwicklungen subkultureller Strömungen, geprägt von westlichen Kulturelementen, vollzogen sich (zeitlich verschoben) auch andernorts in Osteuropa. In Hinblick auf die Jugendkultur in der ehemaligen DDR etwa konstatiert Dieter BAACKE: „Die Partei- und Staatsführung der ehemaligen DDR bemühte sich zwar bis zuletzt, die Unfehlbarkeit der eigenen Politik auch durch ein Jugendbild zu stützen, das Zuverlässigkeit und Loyalität zum Staat zum Hintergrund hatte; gerade deshalb wurden die jugendkulturellen Szenen in diesem Land zur oft einzigen Chance musikalisch, stilistisch, oft aber auch politisch artikulierten Widerstands“ (BAACKE 1999, S. 85). Im nun neu entstehenden Russland indes wurde die Gegenkultur nicht nur zahlenmäßig stärker, sondern ging mit politischer Motivation auf die Straßen und Plätze von Moskau und St. Petersburg und errichtete dort Barrikaden: Ein Machtkampf zwischen den Reformkräften und deren Gegnern – diese kamen zumeist aus dem konservativen Flügel der Partei- und Regierungsspitze – entbrannte und eskalierte. Am 19. August 1991 wurde der Ausnahmezustand verhängt. Diejenigen, die als erste Barrikaden bauten, waren entweder Studenten, Punks oder Hippies (vgl. EHLERS 1992; zur Rolle der allgemeinen Jugend vgl. MALJUTIN 1988; LEWADA/DUBIN 1994, S. 168f.; SCHLOTT 1994, S. 13ff.). Mit der Niederschlagung des Putsches nach nur vier Tagen begann in der anhaltenden Transformation von einer sowjetischen hin zu einer russischen Gesellschaft die so genannte Zwischenperiode (1991 bis 1993). Mit der Einführung des demokratischen Mehrheitssystems kam es schließlich zu einer endgültigen, sich im Regierungsbild manifestierenden Spaltung der verschiedenen politischen Auffassungen. Die Auflösung der Sowjet- 62 D. Villányi/M. D. Witte: Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung union jedoch bedeutete zugleich eine Auflösung des für die gegenkulturelle Jugend „konstitutiven Feindbildes eines omnipotent repressiven Staates“ (MATHYL 2000, S. 220). Gleichzeitig verdrängten neu entstehende Wirtschaftsverhältnisse im jungen Russland, angetrieben durch den in den Metropolen stärker werdenden Globalisierungsprozess, die alten Kommunikations- und Distributionsnetze der nun an Authentizität verlierenden Gegenkultur: Selbstproduzierte und -duplizierte Musik- und Konzertmitschnitte wichen kommerziellen Schallplattenproduktionen, Event- und Konzertveranstaltungen. Jugendklubs und andere kulturelle Einrichtungen fielen marktwirtschaftlich orientiertem Denken zum Opfer. Mit der in den Jahren 1993/94 einsetzenden Phase der Postperestrojka ist schließlich die bis in die Gegenwart reichende, jüngste Etappe des Transformationsprozesses hin zu einem globalen Russland bezeichnet. In ihr werden die Ambivalenzen globaler Prozesse im Lokalen am eindrucksvollsten sichtbar. So findet die russische Jugend und Jugendkultur zwar eine nie da gewesene Palette transnationaler Kulturelemente im eigenen Lande vor – und hier kann keineswegs von einer einseitigen Homogenisierung gesprochen werden. Zugleich aber wird ein junges Land mit einer sich derzeitig neu formierenden Identität, die sich auf dem Boden einer eigenen, außerordentlich reichhaltigen Kultur zu stützen in der Lage wäre, mit westlichen Kulturimporten geradezu überschüttet. Und so erfährt der durch die politischen Umwälzungen in Gang gesetzte Prozess der russischen (Re-)Ethnisierung ein weiteres auf ihn wirkendes Kräftemoment: die Globalisierung. Kulturprodukte, scheinbar inkommensurabel, kollidieren. Und mit dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zur russischen oder westlichen Kultur tritt Ethnizität als Form kollektiver, d.h. sozialer Identität zu Tage. Der kulturelle Hegemonialanspruch – illustriert durch die oben dargestellte Episode – wird durch die (akustische) Besetzung (vermittels des expansiven Phänomens der Musik) zum Ausdruck gebracht. Macht wird gewonnen, weniger weil das Zentrum besetzt, als vielmehr weil die Umwelt erfüllt wird (vgl. SERRES 1987, S. 144). In diesem ereignis- und nach wie vor spannungsreichen Raum ist die heutige russische Jugend und Jugendkultur zu verorten, die keineswegs in ihrer Gesamtheit als unumschränkte Befürworter des Westens beschrieben werden kann. Der Umbau-Prozess Russlands, der sich in die vier historischen Phasen der Perestrojka gliedern lässt, hat die Öffnung des Landes und schließlich den Prozess der Globalisierung Russlands vorangetrieben. Die Gegenkulturen können dabei als treibende Kraft dieser Entwicklung angesehen werden.4 Über die Phasen hinweg (beginnend bei der Vorperestrojka bis hin zur Postperestrojka) kommt es notwendig zu einer Steigerung der Potenzialität kultureller Kollisionen im Lokalen, die wir im Folgenden als glocal clash bezeichnen und beschreiben wollen. 3 Glocal Clash Die Musik verstummt. Sergej betritt die Küche und setzt sich auf seinen Stuhl. Als er das Essen sieht, läuft sein Gesicht rot an. Gleichzeitig dreht er mit den Augen und schiebt den Pommes-Teller mit dem rechten Handrücken von sich weg: „Du weißt genau“, sagt er mit energischem Ton, „dass ich Fastfood nicht esse. Immer und immer wieder servierst du mir so einen Abfall.“ Die Arme verschränkend, schüttelt er mit dem Kopf. Tamara kann die Abneigung ihres Bruders nicht verstehen. Sie setzt sich an den Tisch, nimmt die Ketchup-Flasche und drückt mit freudigen Augen den Ketchup auf die Pommes, sodass diese darin „zu ertrinken“ drohen. „Du hast immer was auszusetzen! Jedes Mal die gleiche Prozedur“, sagt sie und schaut ihren Bruder an, der sich mit dem Messer eine Scheibe Weizenbrot abschneidet, die- Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7. Jahrg., Heft1/2004, S. 58-70 63 se mit Käse belegt und sich bei einem Schluck schwarzen Tee zurücklehnt und seiner Schwester antwortet: „Tamara, schau dich mal um: überall schleichen sich ausländische Produkte ein“. Dabei zeigt er mit dem Finger wild, aber zielgerichtet durch die Küche. „Oder die Werbung im Fernsehen; die läuft doch immer häufiger auf englisch. Und das alles, ob wir wollen oder nicht: Wir werden zusehends verwestlicht.“ Sergejs Stimme wird ruhiger, er senkt den Kopf und fragt: „Was sind wir eigentlich noch? Mittlerweile doch nichts anderes als eine amerikanische Kolonie.“ Sergej schiebt mit dem Finger, mit dem er vorher die westlichen Gegenständen in der Küche ortete, seine Brille zurück und fragt Tamara, die ihrem Bruder die gesamte Zeit still zuhört: „Was ist von der russischen Kultur geblieben? Hatten wir denn nichts? Die großen Literaten wie DOSTOJEWSKI, GOGOL, PUSCHKIN, TOLSTOI oder die Komponisten RIMSKY-KORSSAKOW, GLINKA, TSCHAIKOWSKY. Was machen wir mit dem kulturellen Erbe? Entweder radikal vermarkten oder einfach vergessen!“ Mitten in Sergejs Aufzählung, singt leise der chartbreaker Tatu. Tamaras Nokia-Handy klingelt! Das Gerät vibriert und blinkt nun im Rhythmus des Liedes. Noch im Sitzen greift sie mit der Hand auf die Ablage des Geschirrschrankes, drückt beim Aufstehen auf’s Handy. Während sie zum Fenster geht, begrüßt sie ihre Freundin: „Hallo Olga, wie geht es dir?“. Nach einer kleinen Pause, in der sie sich mit der rechten Schulter an den Fensterrahmen anlehnt und gleichzeitig immer wieder von neuem aus dem Fenster schmunzelt, sagt sie mit freudigem Ton. „Klar, lass uns heute Abend in den Club „Eurodance“ tanzen gehen. Dann kann ich gleich meine neue Levis anziehen.“ Sergej springt auf – sichtlich genervt von den Äußerungen seiner Schwester – und geht mit einer Scheibe Brot in der Hand in sein Zimmer. Wieder vergeht eine kurze Zeit, in der Tamara nichts sagt, aber vor sich hinlächelt. Dann nickt sie zweimal und sagt „Okay, wir sehen uns heute Abend.“. Sie geht zurück zum Tisch und legt das Handy an den alten Platz. Folgt man den Ausführungen Roland ROBERTSONs (vgl. 1994, 1995, 1998) zur kulturellen Globalisierung, so wird deutlich, dass das Lokale und das Globale sich keineswegs ausschließen müssen. Vielmehr muss das Lokale als ein Aspekt des Globalen verstanden werden. Vor diesem Hintergrund schlägt ROBERTSON den Begriff der Glokalisierung vor, der aus der Wortverbindung von Globalisierung und Lokalisierung hervorgeht. Ausgehend vom Begriff der Glokalisierung lassen sich im Weiteren zwei Prozesse beschreiben: die globale Lokalisierung und die lokale Globalisierung: Als globale Lokalisierung lässt sich der Prozess fassen, der lokal eingefärbte Kulturelemente global anwendbar macht, indem diese von den Eigentümlichkeiten der regionalen Kultur befreit werden. Regionales wird so in die Welt getragen. Analog dazu werden beim Prozess der lokalen Globalisierung (vgl. ROBERTSON 1992, S. 26ff.) universalisierte (und in Hinblick auf Russland westliche) Kulturimporte vor Ort mit Lokalkolorit versehen. So wird beispielsweise Amerikanisches, einmal nach Russland gelangt, russifiziert. Beispiele für die selektive Globalisierung von Konsumstilen sind hinlänglich bekannt (McDonalds, Coca-Cola, Marlboro, Blue Jeans etc.). Vor allem in der Musik, als ein zentrales konstitutives Merkmal einer mehr und mehr transnationalen Jugendkultur (vgl. ROTH 2002), kommen globale Kultur und lokale Praktiken vereint zum Ausdruck: „Lokale Popkulturen können als Dialekte einer globalisierten Popsprache verstanden werden. Da auch die Sprache des Pop auf einer Syntax und Grammatik beruht, können lokale Popkulturen als Alteration des sprachlichen Grundmusters verstanden werden. Lokale Varianten einer globalen Popkultur bringen ähnliche Ästhetiken und Stile hervor und provozieren oft auch einen ähnlichen Lebensstil ihrer Anhänger. Zugleich aber wird die globale Sprache des Pop durch lokale Einflüsse verändert und gebrochen“ (KLEIN/FRIEDRICH 2003, S. 95; vgl. BINAS 2001; für HipHop: vgl. GÜNGÖR/LOH 2002, ANDROUTSOPOULOS 2003; für Techno: vgl. MEYER 2003). Aus einer ähnlichen Perspektive beschreibt Anthony GIDDENS (vgl. 1994) die von ROBERTSON beschriebenen Prozesse der globalen Lokalisierung und lokalen Globalisie- 64 D. Villányi/M. D. Witte: Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung rung. Während im Modernisierungsprozess die Entkopplung von Raum und Zeit zunächst zu einer Reorganisation beider Dimensionen führt – dies bezeichnet GIDDENS als timespace distanciation –, können in einem weiteren Schritt soziale Beziehungen aus lokalen Interaktionskontexten herausgelöst (disembedding) und schließlich über raum-zeitliche Distanzen hinweg wieder restrukturiert werden (reembedding). Die Globalisierungstendenz der Moderne beruht schließlich auf einem dritten Prozess, den GIDDENS als (institutional) reflexivity bezeichnet: So vollzieht sich, vor dem Hintergrund sich permanent wandelnder Informationen, eine fortlaufende institutionelle wie individuelle Überprüfung und Veränderung sozialer Praktiken. Und so kommt es bei einem Aufeinandertreffen lokaler Kulturen, d.h. bei einem reembedding-Versuch, nicht notwendigerweise zu einer offenen Umarmung. Es erscheint gleichsam sinnvoll, sich noch einmal die hier vorfindbare Art und Weise kulturellen Aufeinanderstoßens vor Augen zu führen. Während in klassischen Theorien der Migrations- und schließlich Integrationsforschung noch von einer räumlichen Bewegung (eines Migranten) ausgegangen werden musste, sehen wir uns im Zuge der globalen Vernetzung vor einer zunehmend an Bedeutung gewinnenden, neuen Form von „Migration“. Kultur wird heute nicht mehr ausschließlich durch einen sich auf den Weg begebenden Menschen in eine andere Kultur überführt, sondern vermittels Informations- und Kommunikationstechnologien transportiert. Mit dem Anschluss ans globale Netz werden Kulturen, und so auch konstitutive Elemente einer Jugendkultur, in die Welt hinaus getragen und kommen schließlich auch in Moskau und St. Petersburg an. Im Lokalen nun kommt es zu einem Kampf der Kulturen, sofern globale Kulturimporte als kultur-hegemoniale Fremdkörper gelabelt werden und ihnen mit Bezug auf eine originäre lokale Kultur Widerständigkeit5 entgegengebracht wird. Diese Widerständigkeit drückt sich weniger in kriegerischen Auseinandersetzungen und Gewaltakten auf globaler Ebene aus, als vielmehr im Kontext kultureller Differenzen im Alltagshandeln: Ethnische Konflikte, so schreibt Axel GROENEMEYER, „sind nicht nur Anlass für spektakuläre Gewaltakte, vielmehr wird Ethnizität als Strukturierungsmoment von Gesellschaften gerade auch im ‚normalen‘ Handeln und alltäglichen Konflikten mobilisiert und aktiviert. Hierbei geht es dann nicht um die ‚großen‘ Auseinandersetzungen um ideologische Grundfragen, sondern um den alltäglichen Kampf um Anerkennung von Identitäten“ (GROENEMEYER 2003, S. 13). Der (lokale) Streit zweier russischer Jugendlicher wird so zum empirisch beobachtbaren Austragungsort konfligierender (globaler) Kulturmomente. Der clash of civilization wird somit zu einem glocal clash. Es bleibt festzuhalten, dass es nicht ausreicht, bei einem Aufeinandertreffen von Elementen verschieden kulturellen Ursprungs bereits von einem glocal clash zu sprechen. Vielmehr müssen zwei Grundbedingungen hierfür erfüllt sein: Zum einen muss der Hegemonialanspruch, d.h. der Verdrängungswille der von außen „einfallenden“ Kultur angezeigt werden. Zum anderen muss die lokale der globalen Kultur Widerständigkeit entgegensetzen. Der glocal clash ist der Kampf des Globalen im Lokalen. Eine von Tatjana EGGELING (vgl. 1999) in der Zeit der Perestrojka durchgeführte ethnographische Studie gewährt Einblicke in die Lebensstile russischer Jugendlicher. Anhand von veröffentlichten und unveröffentlichten Leserbriefen untersucht EGGELING u.a. die Bedeutung des Imports westlicher Massenkulturgüter (z.B. von Musik und Kleidung). Ein in den Leserbriefen geführter Diskurs, so stellt sie heraus, formiert sich im Wesentlichen entlang der „polarisierten Auseinandersetzung um Kulturvorstellungen“ (a.a.O., S. 253): Während eine Seite den Vorwurf zunehmender Verwestlichung sowjetischer Ju- Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7. Jahrg., Heft1/2004, S. 58-70 65 gend vertritt, befürwortet das andere Lager der Leserschaft die Rezeption und Nutzung ausländischer Massenkulturwaren. Dieser in den 1980er-Jahren einsetzende Diskurs hat sich bis in die Gegenwart erhalten und zudem weiter ausdifferenziert, wie es die von Hilary PILKINGTON (vgl. 2000) 1997/98 in Russland durchgeführte Befragung verdeutlicht.6 PILKINGTONs Studie fokussiert die Umwandlung kultureller Formen des Westens in Russlands kulturelle Praxis und untersucht ebenfalls den Umgang russischer (15- bis 25jähriger) Jugendlicher mit der westlichen Kultur. Dabei stellt PILKINGTON vier Gruppen (»Narrative«) vor, die in unterschiedlicher Weise, die kulturellen Entwicklungen des heutigen Russlands bewerten. – Die erste Gruppe vertritt die Ansicht, dass Russlands Jugend nicht länger vom globalen Informationsfluss ausgeschlossen ist und bereits heute einer globalen Jugendkultur angehört. Dennoch wird der kulturelle Austausch als einseitig, von West nach Ost, wahrgenommen. – Russlands Rückständigkeit und die Notwendigkeit, diese durch eine Orientierung am Westen aufzuheben, wird von einer zweiten Gruppe betont. Amerika sei Symbol für Demokratie, Fortschritt, Modernisierung, Konsum, Freiheit, aber auch für Vergnügen. – Eine dritte Gruppe vertritt die Andersartigkeit russischer Kultur und bringt die Verärgerung über die Amerikanisierung, d.h. Kolonialisierung und kulturelle Nötigung Russlands durch die Macht Amerikas, zum Ausdruck. – Schließlich stellt eine vierte Gruppe sogar auf die kulturelle Überlegenheit Russlands ab. Sie bewertet amerikanische und westliche Kultur als ausschließlichen Kommerz. Russland befindet sich nach Dafürhalten dieser Gruppe keineswegs in der Peripherie einer globalen Kultur. Vielmehr wird die russische Kultur als reichhaltig und anspruchsvoll beschrieben. Die materiellen Bedingungen eines höheren Lebensstandards des Westens werden von diesen Jugendlichen zwar bejaht, dessen Werte (wie z.B. Individualismus, Fehlen von Gemeinschaftssinn oder sinnlose Anhäufung von Gütern) werden zugleich jedoch entschieden zurückgewiesen. Vor allem die zwei letztgenannten Gruppen spiegeln die Widerständigkeit gegenüber einer sich aufdrängenden amerikanischen und west-europäischen Kultur wider. Die Meinung dieser russischen Jugendlichen, der Westen erhebe einen globalen kulturellen Machtanspruch, deckt sich mit der Auffassung von einer Vielzahl russischer Globalisierungsforscher (u.a. SIMONIJA, SMOLJAN, SOLONICKIJ, ZINOVÉV; vgl. dazu PILKINGTON 2000, S. 153). Die global society wird nur als ein Mythos gewertet, der zur Verschleierung der wahren politischen, ökonomischen und letztlich auch kulturellen Machtverhältnisse in der Welt diene. Dafür stehen Begriffe wie Kulturimperialismus und Kulturindustrie (vgl. HORKHEIMER/ADORNO 1987). Die Potenzialität eines glocal clashs ist in diesen beiden Gruppen, im Gegensatz zur ersten und zweiten Gruppe, außerordentlich hoch. Die vierte Gruppe, so PILKINGTON (2000, S. 156), stellt bei den befragten Jugendlichen sogar die am meisten verbreitete Meinung dar. Weitere empirische Analysen sind allerdings notwendig, um genauer zu bestimmen, wo die Ursachen für die in den Studien von EGGELING und PILKINGTON konstatierte Widerständigkeit, z.T. auch Ablehnung russischer Jugendlicher gegenüber westlichen Kulturelementen liegen. Die erste und zweite Gruppe hingegen verdeutlichen, dass es den befragten russischen Jugendlichen wichtig ist, am globalen Netz transnationaler Jugendkulturen angeschlossen zu sein. Und so scheint in Russland eine neue Generation heranzuwachsen, die Julija Petrovna MELENT’EVA (2001, S. 94) als PC-Generation charakterisiert. 66 4 D. Villányi/M. D. Witte: Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung Network-Culture Sergej kommt aus seinem Zimmer, nimmt die Jacke und geht, ohne sich zu verabschieden. Die Tür springt zu. Er wird sich mit seinen Freunden treffen. Sie werden mit dem „Троллéйбус“ (»Trólleybus«) in die Innenstadt fahren und in das Internet-Café auf dem „Невский Проспéкт“ (¸Newsky Prospekt«) gehen. Von dort aus informieren sie sich regelmäßig in Portalen und Communities über aktuelle Events und chatten mit Gleichgesinnten anderer russischer Städte. Neue Informations- und Kommunikationsmedien, hier insbesondere das Internet, bilden die Schnittstelle von Globalität und Lokalität. Während sich jugendkulturelle Realgemeinschaften (Gemeinschaften im Sinne von DURKHEIM und TÖNNIES) im Lokalen verorten lassen, konstituieren auf globaler Ebene virtuelle Gemeinschaften transnationale Jugendkulturen. Diese Entwicklung impliziert keineswegs eine Verdrängung von Gemeinschaften im real life. Vielmehr können virtuelle Kommunikationsräume als eine Erweiterung von Erfahrungsräumen Jugendlicher begriffen werden (vgl. VOGELGESANG 2000). Ausgehend von den technologischen Errungenschaften am Ende des 20. Jahrhunderts ist heute immer deutlicher eine Entwicklung hin zu transnationalen Jugendkulturen zu beobachten. Dabei lassen sich besonders im Zusammenhang mit dem Internet lokale Globalisierung und globale Lokalisierung nachzeichnen. So finden nicht nur (einseitig) universalisierte Elemente einer nun globalen Kultur via Net Zugang zum Lokalen. Ebenso nutzen lokale Jugendkulturen das Internet als einen translokalen, transnationalen und schließlich globalen Präsentations- und Kommunikationsraum. Das Internet fungiert somit als Katalysator eines vermeintlichen glocal clashs, da es als Medium die zeitliche und räumliche Distanz von Kulturen geradezu gegen Null laufen lässt. Das Internet ist wie kaum ein zweites Medium in der Lage, translokale und transnationale Distanzen in räumlicher, dann auch zeitlicher Perspektive zu komprimieren – David HARVEY (vgl. 1993) bezeichnet dies als time-space compression – und schließlich im virtuellen Raum aufzuheben. Die Möglichkeiten von Medien, hier im Besonderen des Internets, erkennen und nutzen russische Jugendliche für sich (vgl. MELENT’EVA 2001, S. 94). Wenngleich Medien als originär westlich aufgefasst werden, werden diese dennoch von den jeweils durch sie transportierten (häufig westlichen) Inhalten unterschieden. Ein Teil der russischen Jugend und Jugendkulturen könnten demnach als anti-amerikanisch, keineswegs aber als anti-medial identifiziert werden, wie dies auch die o.g. Gruppen von PILKINGTON verdeutlichen. So füllen russische Jugend und Jugendkulturen die Medien mit selbst gewählten Inhalten aus und setzen diese somit gezielt für ihre eigenen Interessen, Gesinnungen, Absichten ein. Damit kommt es zu einer Festigung von bereits bestehenden Interessen und Meinungen und schließlich von individueller und kollektiver Identität, so auch von Ethnizität. Dennoch können virtuelle Kommunikationsräume nicht als Austragungsort von kulturellen Konflikten gesehen werden, die schließlich zu einem glocal clash führen. Medien sind zwar Mittler kultureller Inhalte, können diese jedoch dem vermeintlichen Adressaten nicht oktroyieren, da dieser mit einem Klick die Verbindung kappen kann – und das für immer. Diese Form der Kommunikation entspringt der Logik des Netzes selbst. Sie spiegelt ebenso die Struktur transnationaler Jugendkulturen wider. Dabei definiert CASTELLS (2003b, S. 431) ein Netzwerk als „eine Reihe miteinander verknüpfter Knoten“. Als Knoten können dann (räumlich voneinander getrennte) lokale Realgemeinschaften begriffen werden, die sich schließlich durch das In-Beziehung-Setzen im Netz zu einer transnationalen Jugendkultur formieren. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 7. Jahrg., Heft1/2004, S. 58-70 67 Die Netzwerk-Logik wiederum wird durch die spezifische kommunikative Funktion des Netzwerkes bestimmt, die bei Jugendszenen durch das jeweilige issue gekennzeichnet ist (vgl. HITZLER/BUCHER/NIEDERBACHER 2001). Dabei kommt es zu Verknüpfungen, aber auch Überschneidungen verschiedener Jugendkulturen, sofern es die Logik des jeweiligen issue zulässt. Ein Beispiel dafür mag die Verbindung bzw. Überlappung der HipHoper mit den Skatern und den Sprayern sein. Während sich zunächst also Jugendkulturen intern netzwerkartig organisieren, indem Gruppen miteinander agieren, kommt es dann zu einer weiteren Vernetzung der verschiedenen jugendlichen Vergemeinschaftungsformen, so dass sich hier durchaus von einem Netzwerk von Netzwerken bzw. MetaNetzwerk sprechen lässt (CASTELLS 2003b, S. 532f.). Die Partizipation an netzwerkgestützter Kommunikation – und das ist entscheidend – setzt das Vorhandensein von entsprechenden Medien voraus. Begriffe wie online und offline stehen für den einfachen und rigorosen binären Mechanismus von Null oder Eins, von Inklusion oder Exklusion. Dies gilt gleichwohl für ganze Städte wie für den einzelnen Menschen. Jugend und Jugendkulturen haben das längst erkannt (vgl. WINTER 2003) und versuchen weltweit und mit wachsender Begeisterung für die neuen Medien, sich ins Netz einzuloggen. 5 Schlussbetrachtung Jugend und Jugendkulturen lassen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts weltweit im Gravitationsfeld globaler Prozesse verorten. An kultureller Globalisierung teilhaben und diese im Lokalen selbstgestalterisch erfahren zu können, ist das Ziel vieler Jugendlicher. Dafür bilden neue Informations- und Kommunikationstechnologien der westlichen Welt die materielle Grundlage. Dennoch wäre es ein Fehlschluss, kulturellen mit technologischem Fortschritt gleichzusetzen. So versteht sich der Westen in globaler Perspektive nicht nur als Zentrum technologischer Neuerungen, sondern zugleich als ein kulturelles Zentrum. Dahingegen wird Andersartigkeit in die Peripherie verlagert und kategorisch abgestuft. Der glocal clash ist schließlich Ausdruck dieser Missachtung des Fremden. Er zeigt sich z.B. an der partiellen Widerständigkeit russischer Jugendlicher gegenüber einer mcdonaldisierten global society. Die Notwendigkeit räumlicher Bewegung von Menschen für die Verbreitung kultureigener Formen scheint im Medienzeitalter mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend aufgehoben zu sein. In einer zusehends vernetzten und dadurch zeitlich und räumlich komprimierten Welt emergieren so auch lokale Realgemeinschaften Jugendlicher zu transnationalen Jugendkulturen. In diesem Bereich sind deutliche Theoriedefizite der Jugendforschung (vgl. MANSEL/GRIESE/SCHERR 2003) auszumachen. Und zu Recht benennen MERKENS und ZINNECKER (vgl. 2001) als eine zukünftige Aufgabe der Jugendforschung die zunehmende internationale und interkulturelle Orientierung. Dafür kann ein Achssprung, also die Perspektive aus der so genannten Peripherie hin zum vermeintlichen Zentrum, instruktiv sein. 68 D. Villányi/M. D. Witte: Jugendkulturen zwischen Globalisierung und Ethnisierung Anmerkungen 1 Auch heute noch, fast zwei Jahrzehnte nach dem Einsetzen des massiven Transformationsprozesses der einstigen Sowjetunion, existieren nur wenige wissenschaftliche Studien zum Thema: Jugend und Jugendkulturen in Russland für die Zeit nach der Perestrojka. Die Arbeiten von Hillary PILKINGTON (vgl. 1994, 2000) und Tatjana EGGELING (vgl. 1999) zählen zu den umfangreicheren Beiträgen in diesem Forschungsfeld. Beide Wissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass eine alleinige Beschreibung russischer Jugendwelten aus west-europäischer Sicht nur unzureichend sein kann – Materialen der russischen Jugendforschung sind unverzichtbar für den Zugang zu jugendlichen Lebensstilen (vgl. ausführlich EGGELING 1999, S. 32ff.; PILKINGTON 1994, S. 40f.). In diesem Beitrag wird, neben den wissenschaftlich-empirischen Quellen, auf Interviews, (Leser-)Briefe und Statements von russischen Jugendlichen direkt zurückgegriffen, die sich z.B. in der russischen Jugend-Zeitschrift „Птюч“ (»Hip«) finden lassen (vgl. PTJUTSCH 1999a, 1999b). Des Weiteren bieten belletristische Alltagserzählungen junger Russen Einsichten in die Lebensstile russischer Jugendlicher (vgl. ARTJOMOW 1994; MARTYNOW 1994; NOWIKOW 1994; PELEWIN 2002; IKONNIKOW 2003). In Rückgriff auf die o.g. Quellen werden zwei Lebensstile vermittels einer (re-)konstruierten alltagsweltlichen Episode polarisiert. Die Argumentationslinien der fiktiven Figuren Tamara und Sergej erfassen dabei keineswegs das gesamte Spektrum kultureller Umgangsweisen russischer Jugendlicher mit der westlichen und der eigenen Kultur, können aber als zwei wesentliche, idealtypisch aufzufassende Haltungen verstanden werden (vgl. EGGELING 1999, S. 253). Innerhalb dieser polarisierten Bilder und Vorstellungen lässt sich ein breites Spektrum anderer Lebensstile ausmachen (vgl. PILKINGTON 2000). 2 Nach Hans-Peter MÜLLER (vgl. 1992, S. 63) lässt sich der Lebensstil durch vier Dimensionen beschreiben: als ein expressives Verhalten, welches sich in den Freizeitaktivitäten und Konsummustern äußert; als interaktives Verhalten, welches direkt in den Formen der Geselligkeit zum Ausdruck kommt und indirekt in der Nutzung der Medien; als evaluatives Verhalten, das Wertorientierungen und Einstellungen erfasst und schließlich als kognitives Verhalten, das die Selbstidentifikation, Zugehörigkeit und Wahrnehmung der sozialen Welt steuert. 3 BECK bezeichnet dennoch die These von der McDonaldisierung der Welt als falsch und bezieht sich dabei auf Roland ROBERTSONs Ausführungen zur Glokalisierung (vgl. BECK 1997, S. 80ff.). 4 Dennoch muss zugestanden werden, dass sich die großen Erwartungen, die mit dem Umwälzungsprozess Russlands auf Seiten der Jugend geweckt wurden, bis heute vielfach nicht erfüllt haben. Vielmehr belegen Studien eine Verschlechterung des körperlichen, geistigen und moralischen Zustandes der Jugendlichen, ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie ihres politischen Status (vgl. ILYINSKY 1994; MELENT’EVA 2001; WINZEN 2001; WOLKOW 2001). 5 Der Begriff der Widerständigkeit wird bewusst in Abgrenzung zum Begriff des Widerstandes, der in der Regel als (rigorose) Ablehnung verstanden wird, verwendet. Mit Widerständigkeit soll hier das Graduelle des Widerstandes betont werden. 6 Da die auf Grundlage der empirischen Studien von EGGELING (vgl. 1999) und PILKINGTON (vgl. 2000) formulierten Aussagen über die Lebensstile Jugendlicher in Russland sich nicht verallgemeinern lassen, sind weitere empirische Analysen erforderlich. Literatur ANDROUTSOPOULOS, J. (2003): HipHop. Globale Kultur – lokale Praktiken. – Bielefeld. ARTJOMOW, A. (1994): Vom Marxismus zum Idealismus. Eine Chronik des Erwachsenwerdens in der Zeit von Perestroika und Glasnost. In: SCHLOTT, W. 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