068-020 S1 Mukoviszidose (Cystische Fibrose) Ernährung und

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068-020 S1 Mukoviszidose (Cystische Fibrose) Ernährung und
1
Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen
Medizinischen
Fachgesellschaften
AWMF online
Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE)
AWMF-Leitlinien-Register
Nr. 068/020
Entwicklungsstufe:
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Mukoviszidose (Cystische Fibrose): Ernährung und
exokrine Pankreasinsuffizienz
A. Basisinformationen und Diagnostik
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Seit Markteinführung magensäurestabiler Pankreasenzympräparate gilt der Leitsatz, daß
pankreasinsuffiziente CF-Patienten (CF = Cystische Fibrose) sich fettreich ernähren können. Um ein
normales Gedeihen zu sichern, ist die regelmäßige Kontrolle der Patienten in einem zertifizierten
Mukoviszidose-Zentrum unerläßlich. Bei jeder Visite sollte ein erfahrener Mukoviszidose-Spezialist den
Patienten sehen. Die regelmäßige Mitbetreuung durch spezialisierte Ernährungsfachkräfte ist ebenfalls
notwendig. Sie ist unerläßlich bei ersten Anzeichen einer gestörten Gewichts- und Längenentwicklung.
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Es gibt keine wissenschaftliche Evaluation zum optimalen Zeitintervall für die Kontrolluntersuchungen. Nahezu
wöchentliche Kontrollen fordert das Konsensus-Komitee der amerikanischen CF Foundation bei
neudiagnostizierten Patienten (besonders bei Säuglingen), bis ein normales Gedeihen realisiert ist.
Monatliche Kontrollen werden in Kopenhagen praktiziert. Sie haben ihren Stellenwert für die frühzeitige
Erkennung schwerwiegender pulmonaler Infekte. Für den unkomplizierten Krankheitsverlauf haben sich
allgemein dreimonatige Kontrolltermine als Standard etabliert. Zu diesen Terminen sollten die
anthropometrischen Meßdaten von erfahrenem Personal mit geeichten Instrumenten erhoben werden
(Waage mit Digitalanzeige, Genauigkeit 100 g, fest installierte Meßlatte).
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Bewertungsmaßstab für Ernährung und Wachstum (Tab. 1)
Tabelle 1 Routinekontrollen zur Bewertung des Ernährungszustandes
Parameter
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Anthropometrie
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Gewicht
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Indikation
Bei jedem Termin
Routine
Bei jedem Termin
Routine
Eßgewohnheiten - das heißt Analyse der
üblichen Tagesnahrungsaufnahme
Jährlich
Routine
4-Tage-Ernährungsprotokoll
Wenn indiziert
Bei Gewichtsverlust oder
Gedeihstörung
72-Std.-Stuhlfettausscheidung
Wenn indiziert
Bei Gewichtsverlust oder
Gedeihstörung
Enzymsubstitutionsprotokoll
Wenn indiziert
Bei Gewichtsverlust oder
Gedeihstörung,
Länge
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Minimale
Frequenz
Ernährungsanalyse
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bei Diagnose
Vorbeugende Ernährungsberatung
Jährlich
Routine, bei Diagnose
Blutbild
Jährlich
Routine
Vitamin A, D und E
Jährlich
Routine
Albumin
Bei Bedarf
Bei Gewichtsverlust oder
Gedeihstörung
Elektrolytwerte,
Säure-Basen-Haushalt
Bei Bedarf
Bei Gewichtsverlust oder
Gedeihstörung, sommerliche
Hitze
Labordiagnostik
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Gewichts- und Längenwerte werden in die aktuellen Perzentilenkurven für Kinder und Jugendliche bis zum
18. Lebensjahr eingetragen. Aus den erhobenen Daten ist das Längen-Soll-Gewicht (LSG) nach folgender
Formel zu berechnen (Reinken & van Oost, 1992):
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Aktuelles Körpergewicht x 100
LSG (in Prozent) =
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Körpergewichtsäquivalent zur Längenperzentile
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Für erwachsene Patienten wird der Ernährungszustand als Body Mass Index (BMI) ausgedrückt und nach
folgender Formel berechnet:
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Körpergewicht (kg)
BMI=
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Körperlänge (m )
Als Normbereich gelten allgemein 90 - 100 % des LSG. 85 - 89 % gelten als Untergewicht, 80 - 84 %
werden als leichte Mangelernährung, 75 - 79 % als mäßige Mangelernährung und ein Wert von < 75 % als
schwere Mangelernährung definiert. Der Normbereich des BMI liegt zwischen 18,5 (bzw. für die
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Qualitätssicherung Mukoviszidose Deutschland 19) und 24,9 kg/m (Müller, 1993; Stern et al., 2004).
Neuerdings sind auch für Kinder BMI-Werte publiziert (Kromeyer-Hauschild, 2001) worden. Bei ihrer
Anwendung ist folgendes zu bedenken. Die Werte wurden zur Bewertung von Fettleibigkeit entwickelt und
können daher nur begrenzt zur Bewertung von Untergewichtigkeit herangezogen werden. Bei pubertierenden
Jugendlichen, die möglicherweise ein dysproportioniertes Wachstum (schnelleres Längenwachstum der
Extremitäten) zeigen, wird die Bewertung des BMI fälschlicherweise eine Untergewichtigkeit aufzeigen. LSG
und BMI erfassen gleichermaßen die Situation eines "Stunting" nicht adäquat. Die erhobenen Daten müssen,
eingetragen in Perzentilenkurven, einer longitudinalen Analyse unterzogen werden.
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Bei pubertierenden CF-Patienten dürfen Gewichtszunahme und Wachstumsgeschwindigkeit nur im Kontext
mit dem aktuellen Pubertätsstadium bewertet werden. Eine exakte Analyse und Dokumentation des
Pubertätsstadiums und des Menarchedatums muß daher bis zum Abschluß der Pubertät und des Wachstums
erfolgen. Bei Bewertungsproblemen kann die Bestimmung der Skelettreife hilfreich sein. Als weitere
Meßverfahren zur Bewertung des Ernährungszustandes sind die Bestimmung der Oberarmzirkumferenz und
Messungen der Hautfaltendicke mittels Kaliper zu nennen. Nur bei kontinuierlicher Messung durch erfahrenes
Personal sind mit diesen Methoden verläßliche Werte zu erheben.
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Bestimmungsmethoden, die die Körperzusammensetzung messen, wie zum Beispiel DEXA (dual energy
X-ray absorptiometry), bioelektrische Impedanz-Messung oder Ganzkörperkaliumbestimmung können bei
wissenschaftlichen Fragestellungen Anwendung finden. Dagegen sind sie für die Routinediagnostik zu
aufwendig.
Es ist wünschenswert, die DEXA zur Bestimmung der Knochendichte routinemäßig bei Patienten über 10
Jahren jährlich anzuwenden. Bei Kindern und Jugendlichen müssen die vorhandenen Normwerte kritisch
verglichen werden.
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Als Bewertungskriterien für eine Mangelernährung wurden von den europäischen und den US-amerikanischen
Konsensus-Komitees (Borowitz et al., 2002; Sinaasappel et al., 2002; vgl. auch Tab. 2 Leitlinien
Ernährungsintervention) folgende Definitionen festgelegt:
1. Vorschulkinder (< 5 Jahre )
LSG unter 85 %, anhaltender Gewichtsverlust über einen Zeitraum von 2 - 3 Monaten oder mehr oder
Gewichtsstillstand über einen Zeitraum von 2 - 3 Monaten oder mehr.
2. Schulkinder (5 - 18 Jahre)
LSG unter 85 %, anhaltender Gewichtsverlust über einen Zeitraum von 2 - 3 Monaten oder
Gewichtsstillstand über einen Zeitraum von 6 Monaten oder mehr.
3. Patienten über 18 Jahre
BMI unter 18,5, Gewichtsverlust von = 5 % des gewöhnlichen Gewichtes für einen Zeitraum von mehr
als 2 Monaten.
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Routinemäßige Laborkontrollen
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Es existieren keine wissenschaftlichen Analysen, die aufzeigen welche Laborwerte in welchem Zeitintervall
zur optimalen Führung der CF-Patienten regelmäßig bestimmt werden sollten. Vorgeschlagen werden von
der CF Foundation und vom Europäischen Konsensus jährliche Kontrollen des Blutbildes, des Albumins und
der Vitamine A und E. Der Europäische Konsensus ergänzt das Vitamin D. Der Vitamin-B12-Spiegel sollte
nach Ileumresektion kontrolliert werden. Bei Zeichen einer Malnutrition sollten Elektrolytwerte (Serum und
Urin), Säure-Basen-Haushalt und Harnstoff kontrolliert werden.
Diagnostik der Pankreasinsuffizienz und Monitoring der
Pankreasenzymsubstitution
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Als Ursache mangelnden Gedeihens steht bei CF-Patienten die exokrine Pankreas-insuffizienz im
Vordergrund. Ca. 20 - 25 % der neugeborenen CF-Patienten sind jedoch pankreassuffizient. Die Klärung der
Pankreasfunktion ist bei jedem neu diagnostizierten CF-Patienten daher unerläßlich. Als Screening-Methode
hat sich die Bestimmung der Elastase I im Stuhl bewährt. Wegen der großen Variationsbreite der
Pankreasfunktion und aufgrund methodischer Begrenzungen gibt diese Bestimmung nur einen groben Anhalt.
Bei jedem neu diagnostizierten CF-Patienten, der einen pathologischen Elastase-Wert bietet, sollte daher als
Goldstandard eine 72-Std.-Stuhlfettbestimmung erfolgen. Die normale Stuhlfettausscheidung beträgt bei
Kleinkindern und Schulkindern zwischen 2 und 4 g Fett pro Tag. Sie liegt bei Erwachsenen bei maximal 7 g
pro Tag. Dies entspricht bei Erwachsenen einem Fettabsorptionskoeffizienten von etwa 93 %.
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Zur optimalen Einstellung und Überwachung der Pankreasenzymsubstitution sollten in regelmäßigen
Abständen (jährlich im Kindesalter, später 3jährlich) und zusätzlich bei mangelndem Gedeihen ein 4-TageErnährungsprotokoll, ein Enzym-Protokoll und eine Fettbilanzierung, wenn indiziert unter stationärer
Überwachung, erhoben werden.
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Aus den gewonnenen Daten können betreuender Arzt und Ernährungsfachkräfte rasch erkennen, ob das
mangelnde Gedeihen durch eine ungenügende Enzymsubstitution bedingt ist oder ob eine ungenügende
Energiezufuhr vorliegt.
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Berechnung des Energiebedarfs
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Der Energiebedarf von CF-Patienten unterscheidet sich zum Teil erheblich von dem Gesunder. Besonders
bei fortgeschrittener Schädigung der Lunge sind die Patienten oft nicht in der Lage, den dann auf 130 - 150
% der Norm gesteigerten Bedarf an Energie durch eine reguläre Nahrungsaufnahme zu decken. Der
Ruhegrundumsatz wurde von verschiedenen Autoren um 5 - 35 % erhöht gemessen. Gesteigerte
Atemarbeit, schwere chronische Entzündung und Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie sind als
weitere Faktoren eines gesteigerten Bedarfs zu nennen.
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Anderweitige Ursachen einer Malnutrition bei CF
Als Ursachen ungenügender Energieaufnahme bei CF-Patienten ist in erster Linie die zunehmende
Inappetenz bei fortschreitender pulmonaler Manifestation zu nennen. Inappetenz kann aber auch
medikamentös (z. B. durch die Antibiotikatherapie) bedingt sein oder psychogene Ursachen haben.
Eßfehlverhalten steht hier bei jüngeren Kindern im Vordergrund, während bei älteren Patienten nicht selten
eine depressive Eßstörung vorliegt. Wenn trotz ausreichender Energieaufnahme dennoch eine Malnutrition
besteht, so findet sich häufig als Ursache eine ungenügende oder fehlerhafte Pankreasenzymeinnahme.
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Bei therapieresistenter Malnutrition müssen andere Faktoren ausgeschlossen werden. Bei Patienten mit
Zustand nach Mekonium-Ileus und langstreckiger Ileumresektion kann dies ein Vitamin-B12-Mangel, eventuell
auch das Syndrom der blinden Schlinge sein. Zusätzliche Krankheitsbilder sind ebenso in Betracht zu ziehen
wie der Beginn eines CF-bedingten Diabetes mellitus. Die bei einem geringen Teil der CF-Patienten
beobachtete generalisierte Leberzirrhose geht nahezu obligat mit einer Gedeihstörung, bei jugendlichen
Patienten vor allem auch mit einer Wachstumsstörung einher.
B. Therapie
Therapie: Ernährung
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Negative Energiebilanz und Ernährungsdefizite sind zentrale Probleme in der Behandlung der Mukoviszidose
mit unmittelbarer prognostischer Bedeutung für Lebensqualität und Lebenserwartung (Hodson & Geddes,
2000; Reinhardt et al., 2001; Stern et al., 2004). Prävention der Mangelernährung und frühe Intervention bei
Auftreten eines Defizits sind Grundlage des praktischen Vorgehens. Ältere Ansätze (Ramsey et al., 1992;
Koletzko et al., 1994; Dockter, 1997; Ballmann & Smaczny, 1998) gingen von erhöhter Energiezufuhr bis zu
130 % der altersbezogenen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE,
DACH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr) aus. Ein Stufenplan beschrieb die verschiedenen Einzelschritte
von der kalorischen Aufstockung der Normalkost über den Einsatz fettreicher Supplemente bis hin zur Zufuhr
energiereicher Sondennahrung mittels perkutan endoskopischer Gastrostomie (PEG) in Abhängigkeit vom
Grad des Ernährungsdefizits. Dieser Stufenplan war ein wichtiger erster Schritt. Internationale
Konsensuskonferenzen führten danach zur Formulierung einer flexibleren therapeutischen Strategie, die die
Dynamik der Veränderungen mitberücksichtigt (Sinaasappel et al., 2002; Borowitz et al., 2002). Diese sind
die Basis der vorliegenden Leitlinien. Ihr Evidenzgrad bleibt niedrig (Evidenzgrad IV, Ärztliche Zentralstelle für
Qualitätssicherung; The Cochrane Library 2003). Der Wert der Ernährungstherapie ist dennoch unumstritten
(Jelalian et al., 1998).
Energiezufuhr
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Die negative Energiebilanz bei Mukoviszidose basiert auf der verminderten Zufuhr und auf dem vermehrten
Energiebedarf. Zusätzlich bestehen spezifische Mangelzustände für essentielle Fettsäuren, für fettlösliche
Vitamine, für Mineralien, Spurenelemente und Antioxidantien. Allerdings sind biochemisch meßbare
Mangelzustände nicht immer mit klinischen Mangelsymptomen verbunden.
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Frühdiagnose, Zentrumsbetreuung, Prävention der Mangelernährung und Frühintervention sind für die
erfolgreiche Ernährungstherapie der Mukoviszidose entscheidend. Basis der Ernährung bei Mukoviszidose ist
eine fettreiche und ballaststoffreiche Nahrung, die bis zu 130 % der Empfehlungen für die Energiezufuhr der
DACH-Referenzwerte enthält. Für Säuglinge ist Muttermilch vorzuziehen, Säuglingsnahrung auf
Kuhmilchbasis ist bei Stillhindernis akzeptabel. Frühzeitig ist der Einsatz von Energiezusätzen (Zufütterung)
bei Zeichen der Malnutrition erforderlich. Parenterale Ernährung wird nur für spezielle Indikationen
empfohlen. Eine erfolgreiche Ernährungstherapie ist bei zusätzlicher frühzeitiger und effektiver Behandlung
der bronchopulmonalen Infektionen möglich. Physiotherapie und Sportprogramme unterstützen die
Ernährungstherapie vor allem im Adoleszenten- und Erwachsenenalter.
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Für die verschiedenen Altersgruppen werden je nach Schweregrad des Ernährungsdefizits verschiedene
Schritte der Ernährungsintervention definiert (Tab. 2). An erster Stelle steht dabei die Prävention, und als
erster praktischer Schritt erfolgt die Erhöhung der Energiezufuhr auf normalem Wege (Kaloriendichte), bevor
Supplementnahrungen eingesetzt werden. Besondere Beachtung müssen die Patienten finden, die einen
Kleinwuchs unterhalb der 3. Perzentile aufweisen.
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Tabelle 2 Leitlinien Ernährungsintervention
< 2 Jahre
*
Normaler
Ernährungszustand
Präventive
Ernährungsberatung
LSG 90 - 110
Spezielle
Ernährungsberatung
Supplemente
Gedeihstörung
2 - 18 Jahre
LSG 90 - 110
< 18 Jahre
**
BMI 18.5 - 25
kein Gewichtsverlust
LSG 85 - 89
Gewichtsverlust4 - 6
Monate
BMI < 18.5
Gewichtsverlust 5 %
über 2 Monate
Stillstand 6 Monate
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Invasiver
Ernährungssupport
*
**
trotz Supplement:
Gedeihstörung
trotz Supplement:
LSG < 85
trotz Supplement: BMI
< 18.5
Gewichtsverlust 2
Perzentilen
Gewichtsverlust 5 %
über 2 Monate
LSG - Längen-Soll-Gewicht (definiert wie in Stern et al., 2004, angegeben)
BMI - Body Mass Index
Nach einem neueren Konsensuspapier (Borowitz et al., 2002) werden die dynamischen aktuellen Daten wie
Gewichtsstillstand und Gewichtsverlust zusätzlich für die Festlegung der notwendigen Ernährungsschritte
berücksichtigt. Die Maßnahmen reichen von der präventiven Beratung über verstärkte Ernährungsberatung,
Einsatz von oralen Supplementen bis hin zum invasiven Ernährungssupport, zum Beispiel mittels PEG
(perkutane endoskopische Gastrostomie).
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Fettlösliche Vitamine
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Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K müssen bei Pankreasinsuffizienz zusätzlich zur Pankreasenzymgabe
substituiert werden. Dosisempfehlungen finden sich in Tab. 3. Eine Substitution von Vitamin B12 sollte nur
nach Ileumresektion und bei pathologischem Serumspiegel erfolgen. Weitere wasserlösliche Vitamine
müssen nur bei verminderter Zufuhr durch die Nahrung substituiert werden.
Tabelle 3 Empfehlungen Vitaminsupplemente (Empfehlungsklasse C)
Supplement erforderlich
Fettlösliche Vitamine
A
D
E
K
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*
PI
PI
Immer
PI, Cholestase
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Anfangsdosis
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4000 - 10000 IE /d
500 - 1000 IE/d
100 - 400 IE/d
1 mg/d - 10 mg/Woche
Wasserlösliche Vitamine
B12
Darmresektion
100 µg i.m./Monat
Nur bei verminderter Zufuhr mit der Nahrung
Andere
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PI - Pankreasinsuffizienz
IE - Pharmacopoea Europaea Einheiten
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Mineralien, Spurenelemente, weitere
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Wie für die Vitaminsupplementierung erreichen die Empfehlungen für Mineralien und Spurenelemente
lediglich die Empfehlungsklasse C (Evidenzgrad IV). So müssen Natrium und Chlorid bei Säuglingen in
besonderer Situation zugesetzt werden (hohe Außentemperatur, Fieber, Tachypnoe, Schwitzen, Erbrechen,
Durchfall). In allen Altersstufen muß Kochsalz bei Anstrengung im heißen Klima (Auslandsaufenthalte) ersetzt
werden. Calcium muß bei verminderter Zufuhr durch die Nahrung und Magnesium bei schwerer
Malabsorption und bei langzeitparenteraler Behandlung mit Aminoglykosiden ersetzt werden. Für die Zufuhr
essentieller Fettsäuren und langkettiger, vielfach ungesättigter Fettsäuren gelten folgende Leitlinien:
ausreichende Zufuhr von Energie (s. o.), balancierte Zufuhr von vielfach ungesättigten Fettsäuren und
Antioxidantien.
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Praktisches Vorgehen - Malnutrition im Säuglings- und Kindesalter
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Im ersten Lebensjahr ist die Muttermilchernährung mit häufigem Anlegen und gegebenenfalls mit
Energieanreicherung vorzuziehen. Bei Stillhindernis sind Säuglingsnahrungen mit Energiezusatz akzeptabel.
100 ml Trinknahrung sollten 5 g Fett und 10 - 12 g Kohlenhydrate enthalten. Häufig muß das Trinkvolumen
gesteigert werden. Bei Spezialproblemen wie Kurzdarm und Kuhmilchallergie sind therapeutische
Proteinhydrolysatnahrungen einzusetzen. Die Gabe von Säuglingsnahrung mit Zusatz von mittelkettigen
Triglyzeriden empfiehlt sich bei Cholestase, bei unkontrollierter Steatorrhoe und beim Kurzdarm-Syndrom.
Kochsalzverluste sind auszugleichen. Ab dem vierten bis sechsten Monat ist normale bis fettreiche Beikost
einzusetzen, ab dem 2. Jahr dann normale bis fettreiche Kleinkinderkost sowie spezifische, für Kinder
geeignete Supplementnahrungen. Ab dem Alter von fünf Jahren sind energieangereicherte
Supplementnahrungen für Erwachsene geeignet. Der Einsatz hochkalorischer Sondennahrungen über den
nasogastrischen Weg oder auch PEG ist der nächste Schritt bei nachgewiesener Unterernährung. Die
totalparenterale Ernährung sollte nur kurzzeitig in spezifischer Indikation (z. B. postoperativ) eingesetzt
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werden.
Praktisches Vorgehen - Malnutrition im Erwachsenenalter
Mit zunehmendem Alter nimmt die Komplikationsrate und das Auftreten von Sonderproblemen bei CF zu.
Ebenfalls steigt das Risiko einer Mangelernährung durch ein Voranschreiten der Lungenerkrankung und eine
Zunahme der Pankreasinsuffizienz. Um dem Problem einer Mangelernährung entgegen zu steuern sind eine
Überwachung der Gewichtsentwicklung, die Prävention des Untergewichtes und eine entsprechende
Therapie erforderlich. Auch nach Abschluß des Wachstums sind weiterhin regelmäßige Gewichtskontrollen
(alle drei Monate) im Rahmen der Visiten in der CF-Ambulanz vorzunehmen und zu dokumentieren. Im
Rahmen der Prävention ist bei pankreasinsuffizienten CF-Patienten eine regelmäßige (1x/Jahr) Erstellung
eines quantitativen Ernährungsprotokolls über vier bis sieben Tage mit detaillierten Angaben zur
Pankreasenzymsubstitution und gleichzeitiger Messung der Fettausscheidung im dreitägigen Sammelstuhl
anzustreben. Mit diesen Maßnahmen können die Kalorienzufuhr und die Pankreasenzymsubstitution
überwacht und gegebenenfalls frühzeitig korrigiert werden. Bei bereits aufgetretenem Gewichtsverlust ist die
Durchführung von Ernährungsprotokollen, wie oben beschrieben, dringend erforderlich. Bei
pankreassuffizienten CF-Patienten sind jährliche Kontrollen der Elastase im Stuhl zum Ausschluß oder für die
Früherkennung einer beginnenden sekundär eintretenden exokrinen Pankreasinsuffizienz erforderlich.
Letztere muß vor Beginn einer Pankreasenzymsubstitution mittels Stuhlfettbestimmung verifiziert werden.
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Für Erwachsene reicht das Spektrum der Ernährungstherapie vom Einsatz hochkalorischer fettreicher Kost
(Fettanteil in der Nahrung ca. 40 % der Energiezufuhr und hoher Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren)
über die zusätzliche Zufuhr kaloriendichter oraler Supplemente bis hin zum Einsatz hochkalorischer
Sondennahrungen nasogastrisch und via PEG. Bei einem notwendigen Einsatz einer oralen hochkalorischen
Zusatznahrung ist darauf zu achten, daß diese Supplementation tatsächlich als "Zusatz" und nicht als "Ersatz"
der normalen Kost angewendet wird.
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Ernährungsberatungen von Adoleszenten oder jungen Erwachsenen mit Mukoviszidose sollten immer die
Freude und den Spaß am Essen unterstützen. Hier ist auf das Essen als auf ein besonders erfreuliches
gesellschaftliches Ereignis hinzuweisen. Mit Hilfestellung beim Einkaufen und Kochen bei Patienten in der
"Verselbständigungs- und/oder Abnabelungsphase" vom Elternhaus kann einer ungünstigen
Gewichtsentwicklung entgegengewirkt werden. Modetrends und aktuelle Vorbilder aus der Werbung stellen
wichtige, möglicherweise negative Einflüsse auf das Eßverhalten junger CF-Patienten dar. In der
Differentialdiagnostik bei Gewichtsverlust besonders bei CF-Frauen sollten auch psychische Aspekte bis hin
zu einer Anorexie bei der Diagnostik und Ernährungstherapie berücksichtigt werden.
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Bleiben hochkalorische Ernährung und Supplementnahrungen erfolglos, so ist die hyperkalorische Ernährung
auf nasogastrischem Wege oder via PEG durchzuführen. Die Indikationsstellung für eine invasive
Ernährungstherapie via PEG muß die respiratorische Lage des Patienten berücksichtigen. Bei
respiratorischer Globalinsuffizienz kann eine hyperkalorische kohlenhydratreiche Kost zur verstärkten
CO2-Retention führen. Die totalparenterale Ernährung bleibt auch bei erwachsenen CF-Patienten
besonderen Indikationen vorbehalten. Begleitmaßnahmen wie umfassender Ernährungssupport und
Muskeltrainingsprogramm, Behandlung psychosozialer Probleme und frühzeitige Behandlung
bronchopulmonaler Infekte sind im Erwachsenenalter besonders wichtig.
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Therapie: Pankreasenzymsubstitution
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Ziel der Pankreasenzymsubstitution ist bei Steatorrhoe die Erreichung eines Fettabsorptionskoeffizienten von
85 - 95 %. Die Pankreasenzymgabe muß auf die Nahrungsfettzufuhr abgestimmt werden. Die
Pankreasenzyme werden fraktioniert, über die Nahrungsaufnahme verteilt, gegeben (Borowitz et al.,1995;
Sinaasappel et al., 2002; Schönfelder, 2003). Es werden magensaftresistente Mikropellets und
Mikrotabletten eingesetzt (Tab. 4). Die genannten Produkte sind Präparate aus Schweinepankreas, in einem
Fall Rizolipase sowie Protease und Amylase aus Aspergillus oryzae.
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Tabelle 4 Pankreasenzympräparate (Enzymgehalt pro Kapsel/Dosierlöffel)
Name
®
Cotazym
10000
20/30/40000
6
Hersteller
Lipase
Protease
Amylase
Thiemann
*
10000 IE
375 IE
6250 IE
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7
Kreon®
10000
25/40000
für Kinder
Solvay
® **
®
***
8000 IE
5000 IE
200 IE
3600 IE
10000 IE
500 IE
9000 IE
20000 IE
1000 IE
18000 IE
***
Asche
Nortase
**
600 IE
Knoll
Panzytrat
10000
25/40000
ok
*
10000 IE
7000 FIP-E
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10000 FIP-E 700 FIP-E
IE - Pharmacopoea Europaea Einheiten
Eudragitüberzug
FIP-E - Fédération Internationale Pharmaceutique - Einheiten
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Die erforderliche Dosis kann zwischen 500 und 4000 IE Lipase pro Gramm Nahrungsfett variieren. Wenn
mehr als 10000 IE Lipase pro kg und Tag benötigt werden und die Steatorrhoe noch nicht vollständig
kontrolliert ist, muß eine ausführliche gastroenterologische Zusatzdiagnostik erfolgen (s. o.).
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Bei Säuglingen werden 2500 IE Lipase pro 120 ml Säuglingsnahrung eingesetzt. Die weitere
Dosisanpassung erfolgt unter Kontrolle von Stuhlfettausscheidung und Gewichtsentwicklung. 10000 IE
Lipase pro kg und Tag sollten möglichst nicht kontinuierlich überschritten werden. Für die Ermittlung der
Nahrungsfettzufuhr sind spezielle Tabellen hilfreich (Schönfelder, 2003). Seltene Nebenwirkungen der
Pankreasenzymgabe sind Hyperurikämie und Hyperurikosurie sowie allergische Reaktionen und perianale
Irritation. Bei Überdosis ist sehr selten die fibrosierende Colonopathie als Nebenwirkung beschrieben
(Borowitz et al., 1995; Sinaasappel et al., 2002).
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Bei weiterhin mangelhaftem Effekt der Pankreasenzymsubstitution ist der Einsatz von Säureblockern sowie
von Taurin unter Stuhlfettkontrolle sinnvoll. Der Versuch, ein Drittel der Lipasedosis in Form der
säureresistenten Rizolipase einzusetzen, ist angezeigt, aber nur zusätzlich zur konventionellen
Pankreasenzymgabe. Keinesfalls ist eine Selbstdosierung lediglich unter Berücksichtigung des
Beschwerdebildes (Völlegefühl, Meteorismus, Bauchschmerzen, Stuhlverhalten) geeignet.
Literatur
G
a
l
e
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The Cochrane Library 2003. www.cochrane.org/index0.htm (externer Link).
Verfahren zur Konsensbildung:
Expertenkommission:
H.-G. Posselt (Frankfurt/Main)
C. Smaczny (Frankfurt/Main)
M. Stern (Tübingen)
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verabschiedet vom Vorstand der GPGE am 19.10.2005
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Federführend:
Prof. Dr. M. Stern
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Hoppe-Seyler-Str. 1
72076 Tübingen
Tel. 07071-2983781; Telefax 07071-295477
Email: [email protected]
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Erstellungsdatum:
19. 10. 2005
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Überarbeitung:
Überprüfung geplant:
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Stand der letzten Aktualisierung: 10/2005
© Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung
Autorisiert für elektronische Publikation: AWMF online
HTML-Code aktualisiert: 20.12.2005; 11:01:08
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