Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde
Transcription
Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde
Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde Serie B (Geologie und Paläontologie) Herausgeber: Staatliches Museum für Naturkunde, Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart Stuttgarter Beitr. Naturk. Ser. B Nr. 303 5 S., 1 Abb. Stuttgart, 15. 3. 2001 Erstnachweis der Unterfamilie Arietitinae HYATT (Ammonoidea) aus der „Oolithenbank“ (Hettangium, Angulata-Zone) Südwestdeutschlands First proof of Arietitinae HYATT (Ammonoidea) from the “Oolithenbank” (Hettangian, Angulata Zone) in southwestern Germany Von Rudolf Schlatter, Leipzig Mit 1 Abbildung Zusammenfassung Aus der „Oolithenbank“ (Hettangium) im Wutachgebiet (Süd-Württemberg) wird mit dem Fund von Schreinbachites laqueoides (HYATT) (Ammonoidea) der erste Nachweis eines Vertreters der Arietitinae HYATT aus dieser in Württemberg charakteristischen Schicht an der Basis der Angulata-Zone (Complanata-Subzone) erbracht. Summary From the “Oolithenbank” (Hettangium) in the Wutach area (southern Württemberg) the first representative of early Arietitinae HYATT (Ammonoidea) is described. The find can be allocated to the species Schreinbachites laqueoides (HYATT). The “Oolithenbank” is a characteristic bed at the base of the Angulata-Zone (Complanata-Subzone) in Württemberg. 1. Einleitung In den Jahren 1985 bis 1991 hat der Verfasser umfangreiche Untersuchungen zur Ammonitenführung der Oolithenbank (Ober-Hettangium) zwischen Donau und Rhein durchgeführt (Klettgau, Wutachgebiet und Baar). Die systematische und biostratigraphische Auswertung der zahlenmäßig sehr reichen, horizontiert entnommenen Schlotheimia-Fauna ist noch nicht erfolgt. Das gesamte Ammonitenmaterial wird seit 1998 in der paläontologischen Sammlung des Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart aufbewahrt. Im Zusammenhang und in Ergänzung der sehr ausführlichen Dokumentation der Arietitinae HYATT aus dem Hettangium Württem- 2 stuttgarter beiträge zur naturkunde Ser. B, Nr. 303 bergs durch BLOOS (1994) soll in vorliegender Veröffentlichung der erste und nur in einem Einzelexemplar vorliegende Nachweis dieser Unterfamilie aus der Oolithenbank gesondert beschrieben werden. Dank Während der Entstehung dieser Veröffentlichung unterstützte mich Herr Dr. G. Bloos, Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart, in dankenswerter Weise mit Rat und Tat. 2. Bisheriger Kenntnisstand Frühe Arietitinae aus dem Hettangium Württembergs – inbesondere aus der Subzone der Schlotheimia complanata – hat erstmals BLOOS (1994) umfassend beschrieben. Auf der Basis von umfangreichem, horizontiert aufgesammeltem Fundgut konnte dieser Autor die bis dahin sehr beschränkte Kenntnis früher Arietitinae nicht nur für Württemberg, sondern auch für NW-Europa wesentlich erweitern. Die Funde aus Württemberg ließen sich dabei einer Gruppe zuordnen, die mit der Gattung Schreinbachites BLOOS 1994 – Typusart ist Arietites retroversicostatus CANAVARI – charakterisiert ist. Die beiden aus der Complanata-Subzone Süddeutschlands beschriebenen Arten Schreinbachites laqueoides (HYATT 1889) und die später auftretende Art Schreinbachites vaihingensis BLOOS 1994 kennzeichnen zwei verschiedene biostratigraphische Abschnitte dieser Subzone. Die von BLOOS 1994 beschriebenen Vorkommen in Württemberg liegen sämtliche – mit einer noch unsicheren Ausnahme aus der Laqueus-Subzone (Liasicus-Zone) von Stuttgart-Degerloch (ibd.: 45, Abb. 39) – lithostratigraphisch über der Oolithenbank (alpha 2 I: BLOOS 1976: 32–35). Aus der Oolithenbank selber, die in Württemberg die Basis der Angulata-Zone bildet, fehlte bis jetzt ein Nachweis. Der nun vorliegende Erstfund von Schreinbachites laqueoides (HYATT) aus der Oolithenbank des Wutachgebiets (Südbaden) erweitert somit den bisherigen Kenntnisstand. 3. Paläontologie Überfamilie Psilocerataceae HYATT 1867 Familie Arietitidae HYATT 1875 Unterfamilie Arietitinae HYATT 1875 Gattung Schreinbachites BLOOS 1994 Typusart: Arietites retroversicostatus CANAVARI 1882. Diagnose der Gattung: BLOOS 1994: 17-18. Schreinbachites laqueoides (HYATT 1889) Abb. 1 Synonymie und ausführliche Artdiagnose: BLOOS (1994: 29–30). Beschreibung des Neufunds. – Das vorliegende Exemplar zeigt im wesentlichen die arttypischen Merkmale der Spezies von HYATT recht deutlich. Herr Dr. G. Bloos, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, dem ich diesen Fund zur fach- schlatter, arietitinae aus der oolithenbank Abb. 1. 3 Schreinbachites laqueoides (HYATT), Oolithenbank, Hettangium, Angulata-Zone, Complanata-Subzone; Oberes Aubachtal bei Mundelfingen, Wutachgebiet (BadenWürttemberg).- Staatl. Museum für Naturkunde Stuttgart, Inv. Nr. 62612. a: Lateralansichten; x 1. b: vergrößerte Lateralansicht; x 2. c: Externansichten; x 1. lichen Mitbegutachtung vorlegte, hat sich zu der von ihm durchgeführten Feinpräparation, Bildherstellung und Determination freundlicherweise wie folgt geäußert (Brief vom 28. 4.1995): „Die Präparation des kleinen Arieten machte unerwartete Schwierigkeiten. Es scheint sich um ein Steinkernexemplar zu handeln. Ohne Schale als Anhaltspunkt läuft eine weitere mechanische Präparation ins Ungefähre, und eine chemische Präparation mit KOH würde das Stück zerstören. Die Folge ist, daß auch die photographischen Aufnahmen nicht optimal sind. Feinere Details sind erhaltungsbedingt nicht zu erkennen. Was die Aufnahmen an Merkmalen zeigen, ist Folgendes: das Anwachsen ist relativ langsam, die Windungsbreite ist größer als die Windungshöhe, die Berippungsdichte ist relativ hoch, die Berippung ist etwas unregelmäßig, und die Rippen sind zumindest auf dem Fragment der letzten Windung nach rückwärts geneigt. Was nicht zu sehen ist: die genaue Form der externen Endigung der Rippen, die Skulptur der innersten Windungen sowie die Lobenlinie. Nach den erkennbaren Merkmalen läßt sich das Stück ohne größere Schwierigkeit mit S[chreinbachites] laqueoides vergleichen, etwa meinem Stück [1994] Taf. 1, Fig. 8.“ Die ursprüngliche Größe des Stücks wird durch das aufsitzende Windungsfragment angedeutet; der Durchmesser läßt sich auf 25 mm schätzen, die zugehörige Nabelweite auf 14 mm. Die übrigen Gehäusemaße und ihre Relationen (s. Maßtabelle), liegen im Variationsbereich entsprechender Maße bei BLOOS 1994: 30, Tab. 1 (letzte fünf Exemplare). Maßtabelle SMNS Inv.-Nr. 62612 Dm Nw Wh Wb Wb/Wh *25 *14 (56) °5,0 °6,2 °1,24 15,4 9,0 (58) 3,3 4,1 1,24 * Näherungswerte (s. Text) ° aufsitzender Windungsteil Dm = Durchmesser, Nw = Nabelweite, Wh = Windungshöhe, Wb = Windungsbreite. Sämliche Maße sind in Millimetern angegeben. Der Klammerausdruck nach der Nabelweite bedeutet deren prozentualen Anteil am Durchmesser (Dm = 100 %). Das Windungsfragment zeigt auf der zum Nabel hin weisenden Seite Anzeichen von einer Septalfläche. Es liegt somit ein Phragmokon vor. Auf dem aufsitzenden 4 stuttgarter beiträge zur naturkunde Ser. B, Nr. 303 Windungsfragment sind neben dem Externkiel zwei deutliche, wenn auch noch seichte Furchen zu erkennen. Auf der vorhergehenden Windung sind Seitenfurchen nur angedeutet (Abb. 1c). Eine Rückwärtsneigung der Rippen ist auf dem aufsitzenden Windungsteil deutlich sichtbar; sonst stehen die Rippen radial (Abb. 1a, b). Die Rippendichte (ca. 28 Rippen pro Umgang bei 15,4 mm Durchmesser bzw. 9 mm Nabelweite) ist für die Art relativ hoch, liegt aber innerhalb von deren Variabilität (vgl. BLOOS 1994, Taf. 1, Fig. 6–10). Vergleicht man den Neufund mit Rippendichtewerten, die GUÉRIN-FRANIATTE (1990: 160, Fig. 78) von Stücken entsprechender Größe innerhalb der Gattung Gyrophioceras SPATH angibt, steht der Wert des Neufunds (Dm = 15 mm, N/2 = 17) zwischen den von der Autorin neu aufgestellten Arten G. elegans und G. inversum. Die letztere Art dürfte mit Schreinbachites laqueoides (HYATT) übereinstimmen (BLOOS 1994: 29) sowohl hinsichtlich der Berippungsdichte als auch hinsichtlich der Art der Berippung (Rückwärtsneigung, Unregelmäßigkeiten). Die systematische Zugehörigkeit der übrigen von GUÉRINFRANIATTE (1990, Taf. 30) abgebildeten und der Gattung Gyrophioceras SPATH zugeordneten Arietitidae müßte noch geprüft werden. 4. Biostratigraphie Der genaue Fundhorizont liegt 8 cm unterhalb der Oberkante der Oolithenbank im Profil des oberen Aubachtals bei Mundelfingen (Baden-Württemberg, Blatt Nr. 8116 Bonndorf, Koordinaten: R 3459.840/ H 5302.650), welche hier die Basis der Angulata-Zone bildet. Die stark eisenoolithische Kalkbank mit einer Mächtigkeit von 75±5 cm hat eine eingehende sedimentologische Beschreibung durch SCHLOZ (1972) erfahren. Ihr lithostratigraphisches Äquivalent im benachbarten Klettgau ist die Angulatus-Bank oder Badische Angulatenbank (vgl. Darstellung in SCHLATTER 1989: 153, Abb. 5). Nach bisherigem Kenntnisstand gehört die für Baden-Württemberg charakteristische Oolithenbank zur Complanata-Subzone. Im Hangenden schließen sich wenig mächtige Tone mit drei konkretionsartigen Schillbänkchen und Kalkkonkretionen an, welche nach den darin vorkommenden Schlotheimien die Depressa-Subzone und damit den obersten Bereich der Angulata-Zone charakterisieren (BLOOS 1979: 37, Abb. 7; 1997: 11–12 mit Profildarstellung Mundelfingen/oberes Aubachtal; HAHN 1971; SCHLATTER 1988: 9). Der hier vorliegende Neufund von Schreinbachites laqueoides (HYATT) aus der Oolithenbank ist der erste und zugleich lithostratigraphisch tiefste gesicherte Nachweis eines Vertreters der Arietitidae (exklusive Alsatitinae) in Baden-Württemberg. Der lithostratigraphische Horizont liegt noch unterhalb der Dachbank des Gmünder Sandsteins (alpha 2 II; Bloos 1976: 35), dem Hauptvorkommen von Schreinbachites laqueoides (HYATT), und ist somit vom noch darüber befindlichen Niveau des Schreinbachites vaihingensis BLOOS (alpha 2 III,2 bis zur Untergrenze des Hauptsandsteins) klar abgetrennt (vgl. BLOOS 1994, Abb. 19, 21, 22). Mit dem Neufund in der Oolithenbank ist die Complanata-Subzone Südwestdeutschlands durch frühe Arietitinae nunmehr weitgehend in zwei biostratigraphische Einheiten gegliedert: in einen tieferen mit Schreinbachites laqueoides und einen höheren mit Schreinbachites vaihingensis. Bei den Schlotheimien findet an der Grenze zwischen diesen beiden Abschnitten kein deutlicher Wechsel statt (Mitt. G. BLOOS). schlatter, arietitinae aus der oolithenbank 5 5. Literatur ARKELL, W. J., KUMMEL, B. & WRIGHT, C.W. (1957): Mesozoic Ammonoidea.– In: Moore, R.C.: Treatise on Invertebrate Paleontology, part L, Mollusca 4, Cephalopoda, Ammonoidea. S. L80-L492, 435 Abb.; Lawrence/Kansas. BLOOS, G. (1976): Untersuchungen über Bau und Entstehung der feinkörnigen Sandsteine des Schwarzen Jura alpha (Hettangium und tiefstes Sinemurium) im schwäbischen Sedimentationsbereich.– Arb. Inst. Geol. Paläont. Univ. Stuttgart, N.F., 71: 1–269, 27 Taf., 60+IX Abb.; Stuttgart. – (1979): Über den Jura am Großen Haßberg (Unterfranken, N-Bayern) mit Bemerkungen zum Rät.– Stuttgarter Beitr. Naturk., B, 44, 53 S., 3 Taf., 8 Abb.; Stuttgart. – (1994): Frühe Arietitidae (Ammonoidea) aus dem Hettangium (Angulata-Zone, Unt. Lias) von Württemberg (SW-Deutschland).– Stuttgarter Beitr. Naturk., B, 219, 67 S., 4 Taf., 39 Abb., 2 Tab.; Stuttgart. BLOOS, G., DIETL, G., SCHLATTER, R., SCHWEIGERT, G. & URLICHS, M. (1997): DUGW-Stratigraphische Kommission für Jura-Stratigraphie, Jahrestagung 1997 in Blumberg-Achdorf, Wutachtal (7.5.-10.5. 1997). 43 S., 37 Abb.; Stuttgart.– [Exkursionsführer; Beitrag G. BLOOS, S. 11–12, 1 Profil] DONOVAN, D.T., CALLOMON, J.H. & HOWARTH, M.K. (1981): Classification of the Jurassic Ammonitina.– In: HOUSE, M.R. & SENIOR, J.R. (Hrsg.): The Ammonoidea.– Systematics Assoc., spec. vol. 18: 101–155; London & New York. GUÉRIN-FRANIATTE, S. (1990): Ammonites du Lias inférieur de France (II): Psiloceratidae, Schlotheimiidae et premiers Arietitidae.– Mém. G.E.R.G.H. Montpellier, 29, 209 S., 30 Taf., 88 Abb.; Montpellier. HYATT, A. (1889): Genesis of the Arietidae.– Smithonian Contrib. Knowledge, 673, XI + 238 S., 14 Taf., 35 Abb., 6 Tab.; Washington. HAHN, W. (1971): Der Jura.– In: SAUER, K.F.J. & SCHNETTER, M.: Die Wutach. Naturkundliche Monographie einer Flußlandschaft.– Die Natur- u. Landschaftsschutzgebiete Baden-Württemb., 6: 117–133, Abb. 30–36; Freiburg i. Br. SCHLATTER, R. (1988): Alsatites schalchi nov. sp. (Ammonoidea) aus der Oolithenbank (Hettangium) von Pfohren (Baar, Baden-Württemberg).– Mitt. naturforsch. Ges. Schaffhausen, 33: 27–38, 4 Abb.; Schaffhausen. – (1989). Ein geologischer Querschnitt durch den Randen von Schleitheim nach Schaffhausen bis Thayngen (Exkursion H am 30. März 1989).– Jber. Mitt. oberrhein. geol. Ver., N.F., 71: 149–165, 9 Abb.; Stuttgart. SCHLOZ, W. (1972): Zur Bildungsgeschichte der Oolithenbank (Hettangium) in Baden-Württemberg.– Arb. Inst. Geol. Paläont. Univ. Stuttgart, N.F., 76: 101–212, 18 Taf., 40 Abb., 11 Tab.; Stuttgart. Anschrift des Verfassers: Dr. R. Schlatter, Naturkundemuseum, Lortzingstr. 3, D-04105 Leipzig. ISSN 0341-0153 Schriftleitung: Dr. Gert Bloos, Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart Gesamtherstellung: Gulde-Druck GmbH, D-72072 Tübingen