Infoblätter - Panchen Lama
Transcription
Infoblätter - Panchen Lama
Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama Tibets: einer der jüngsten Gewissensgefangen der Welt Das Jahr 2005 wurde zum internationalen Jahr des 11. Panchen Lama Tibets, Gedhun Choekyi Nyimas, erklärt. Am 25. April wurde er 16 Jahre alt. Dies ist nun das 10. Jahr, dass er an unbekanntem Ort in chinesischem Gewahrsam ist, seitdem er und seine Eltern am 17. Mai 1995 verschwanden. Gedhun Choekyi Nyima im Alter von sechs Jahren unmittelbar vor seiner Verschleppung durch die Chinesen Fünf Jahre nach dem Tod des 10. Panchen Lama stiess eine Gruppe Mönche - der tibetischen Tradition folgend - nach langer, sorgfältiger Suche in einem ost-tibetischen Bergdorf auf den Jungen Gedhun Choekyi Nyima. Am 14. Mai 1995 erkannte der Dalai Lama den damals sechsjährigen Jungen als die Reinkarnation des 10. Panchen Lama an. Die Regierung der VR China erklärte diese Bekanntgabe prompt für unrechtmässig und ungültig. Drei Tage später wurden Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern von Sicherheitskräften verschleppt und sind seither nie mehr gesehen worden. Die VR China unterzeichnete am 29. August 1990 die UN Konvention über die Rechte des Kindes und ratifizierte sie am 2. März 1992. Dass sie den Panchen Lama immer noch festhält, ist eine eindeutige Verletzung der Konvention über die Rechte des Kindes, zudem ein Verstoss gegen die eigenen und internationalen Gesetze. Im Oktober 2000 wurde einer britischen Delegation von den Chinesen mitgeteilt, der Junge sei „wohlauf“ und besuche eine Schule. Seine Eltern wünschten nicht, dass Besucher aus dem Ausland und die Medien Unruhe in sein Leben brächten. Zwei Fotos, die einen Knaben von annähernd demselben Alter zeigten - angeblich der Panchen Lama - wurden den britischen Delegierten gezeigt. Es war ihnen jedoch nicht möglich, den darauf abgebildeten Jungen oder den Ort, an dem er sich befindet, zu identifizieren, und die Bilder wurden auch nicht ausgehändigt. Im August 2001 bekam eine polnische Parlamentarier-Delegation, die Lhasa besuchte, auf wiederholtes Nachfragen hin zu hören, Gedhun Choekyi Nyima sei „bei guter Gesundheit“. Bilder des Jungen wurden ihr innerhalb von sechs Wochen versprochen, doch trafen diese nie ein. Später erhielt die polnische Regierung einen Brief von der chinesischen Botschaft in Warschau, in dem es erneut hiess, Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern wünschten nicht, dass ihr „friedliches Leben“ von fremden Personen gestört würde, ausserdem respektiere die chinesische Regierung die Freiheit ihrer Bürger, ihre eigene Wahl über ihre Privatsphäre zu treffen, und hoffe, das polnische Volk verstehe dieses. Im März 2002 traf eine Regierungsdelegation der Autonomen Region Tibet (TAR) mit einer Delegation des Europäischen Parlaments zusammen, wobei die TAR-Vertreter wieder betonten, Gedhun Choekyi Nyima wünsche nicht gestört zu werden. Die TAR-Delegation wollte jedoch keine Fragen hinsichtlich den der polnischen Delegation versprochenen Bilder beantworten. China weigert sich weiter, Fotos, auf denen Gedhun Choekyi Nyima eindeutig zu identifizieren wäre, zur Verfügung zu stellen oder unabhängigen Personen Zugang zu dem Jungen und seiner Familie zu gewähren. GSTF-Büro www.tibetfocus.com Binzstrasse 15 8045 Zürich Tel. 044 451 38 38 E-Mail: [email protected] Fax 044 451 38 68 PC 80-58056-6 Auch dem Panchen Lamas nahe stehende Personen erlitten ein ähnliches Schicksal. Chadrel Rinpoche, der ehemalige Abt des Stammklosters des Panchen Lama, Tashi Lhunpo, und sein Assistent Champa Chungla verschwanden am 14. Mai 1995 vom Flugplatz von Chengdu in der Provinz Sichuan. Am 21. April 1997 verurteilte ein Gericht Chadrel Rinpoche unter der Anklage der “Verschwörung zur Spaltung des Mutterlandes” und der “Weitergabe von Staatsgeheimnissen” zu sechs Jahren Gefängnis. Er wurde beschuldigt, bei der Suche nach dem 11. Panchen mit dem Dalai Lama zusammengearbeitet zu haben. Obwohl seine 6-jährige Gefängnisstrafe am 13. Mai 2001 zu Ende ging, steht er vermutlich immer noch unter Hausarrest. Über seinen genauen Aufenthaltsort oder seinen Gesundheitszustand ist nichts bekannt. Jampa Chungla wurde zu vier Jahren Gefängnis und zwei Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Sogar nach Verbüssung seiner ursprünglichen Strafe von vier Jahren wird er immer noch in Gewahrsam gehalten. Wer ist der Panchen Lama? Der Panchen Lama ist das zweithöchste religiöse Oberhaupt Tibets. Im Gegensatz zum Dalai Lama hat er jedoch traditionell ausschließlich religiöse Autorität. Für die buddhistischen Tibeter ist er die Inkarnation eines erleuchteten Menschen, des Bodhisattvas der Barmherzigkeit. Stirbt der Panchen Lama, wird sein Nachfolger nach festen religiösen Regeln gesucht. Seine endgültige Anerkennung als Reinkarnation erfolgt durch den Dalai Lama. Der Stammsitz des Panchen Lama ist seit über 300 Jahren das Taschi Lhumpo Kloster in Shigatse im südlichen Tibet. Der 10. Panchen Lama und die Politik Die rein religiöse Rolle des Panchen Lama endete 1959 mit der Flucht des Dalai Lamas, dem weltlichen Oberhaupt der Tibeter aus dem von China okkupierten Land. Die chinesischen Besatzer übertrugen daraufhin Choekyi Gyaltsen, dem 10. Panchen Lama, formell die Regierung Tibets. Zunächst verlief alles im Sinne Pekings. Der Panchen Lama führte die radikalen Umbaupläne der Kommunistischen Partei Chinas (KP) aus, damit auch Tibet am erhofften "Fortschritt" teilhaben können sollte. Stattdessen stellte sich eine verheerende Hungersnot ein. Der Panchen Lama war schockiert und verurteilte in einem langen Brief an Mao Zedong die "Reformen" in Tibet. In Folge seiner Kritik musste er sich einer Gerichtsverhandlung stellen. Er wurde verurteilt und musste die folgenden 14 Jahre in Gefangenschaft bzw. unter Hausarrest verbringen. Erst mit Beginn der liberaleren Ära nach dem Tod Maos rehabilitierte ihn die KP. Nach seiner Rückkehr nach Tibet wagte der Panchen Lama einen riskanten Balanceakt: Er kooperierte zwar erneut mit den Behörden und bezeichnete sein Land fortan als ein Teil Chinas. Zugleich versuchte er aber die Kultur seines Volkes zu retten. Er gründete Schulen für Tibeter, förderte tibetische Unternehmer und liess Klöster restaurieren. Im Januar 1989 kritisierte er in einer Festrede öffentlich die chinesische Besatzungspolitik. Zwei Tage später starb der Panchen Lama unter ungeklärten Umständen. Adaptiert nach Übersetzung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte IGFM (Adelheid Dönges, München; Angelika Mensching, Hamburg) GSTF-Büro www.tibetfocus.com Binzstrasse 15 8045 Zürich Tel. 044 451 38 38 E-Mail: [email protected] Fax 044 451 38 68 PC 80-58056-6