Zeit und Ewigkeit - Landeskunde online
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Zeit und Ewigkeit - Landeskunde online
Zeit und Ewigkeit Gemeinsam mit dem Roncalli-Forum bietet die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe eine Veranstaltungsreihe an, in der einmal im Monat ausgewählte Werke der Sammlung aus theologischer und kunsthistorischer Perspektive erläutert werden. Den aktuellen Zyklus, in dem Kunstwerke unter dem Aspekt „Zeit und Ewigkeit“ beleuchtet werden, führen wir mit dem RoncalliForum und dem Deutschen Uhrenmuseum Furtwangen in Kooperation mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport durch. Als Besonderheit der neuen Reihe findet zusätzlich zu den beiden Führungen dienstags um 20 Uhr und mittwochs um 13 Uhr eine dritte, etwa halbstündige Führung mittwochs um 14 Uhr statt, an der Sie exklusiv via Internet teilnehmen können. Information und Anmeldung zur virtuellen Führung: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg Roland Bauer, [email protected] September Als stünde die Zeit still: Der angehaltene Augenblick in den Bildern Pieter de Hoochs Wir fragen uns unentwegt, was das Glück sei. Liegt das Glück im Augenblick? Liegt es in der Selbstvergessenheit? Oder aber ganz im Gegenteil in Momenten größter Bewusstheit, mit der wir Dinge plötzlich sehen wie noch nie? Können wir es herbeizwingen oder stellen sich erfüllte Momente unerwartet, wie von selbst ein? Etwa dann, wenn ein kleines Kind, umglänzt von Morgensonne, mit einem Äpfelchen in der Hand plötzlich die Tür vom Garten her zur Stube aufstößt und strahlend, voller Lebensfreude ins Zimmer tritt, die freundlich lächelnde Magd erblickt und vermutlich im nächsten Augenblick munter anfangen wird, von seinen aufregenden Entdeckungen im Garten zu berichten? Die Kunst konserviert mitunter solche alltäglichen und doch kostbaren Momente. Pieter de Hooch war einer der brillantesten Meister angehaltener Augenblicke – den geschilderten bannte er in dem Gemälde „Im Schlafzimmer“ (um 1658/60). Die Magd schüttelt gerade die Decken auf, das Mädchen betritt das Haus, und der Blick des Betrachters schweift über die behagliche Heimeligkeit einer gepflegten Stube wohlhabender niederländischer Bürger des 17. Jahrhunderts. Die Menschen in diesen Innenräumen sind tätig und zufrieden, scheinen mit sich und ihrem Dasein im Einklang. Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe besitzt neben diesem Meisterwerk noch ein weiteres aus seiner zweiten Delfter Zeit, in der de Hooch den Höhepunkt seines Schaffens erreichte. Auch in „Magd mit Eimer im Hof“ scheint es, als stünde die Zeit still, hält die junge Frau für eine kleine Ewigkeit in ihrer Tätigkeit inne und blickt versonnen vor sich hin, im höchsten Maße präsent und gleichzeitig träumerisch versunken in Gedanken, die wir nicht lesen können, aber deren Rätselhaftigkeit uns neugierig macht. Pieter de Hooch, 1629 in Rotterdam geboren, ging zunächst zu dem Haarlemer Landschaftsmaler Nicolaes Berchem in die Lehre. Im Jahr 1652 brach er erstmals nach Delft auf, wo er 1655 in die Malergilde aufgenommen wurde und bis 1660/61 seine eindrucksvollsten Bilder von stillen Interieurs, kleinen Gärten und Höfen mit Durchblicken auf andere Häuserzeilen oder die Gracht, mit fleißigen Frauen bei ihren häuslichen Verrichtungen schuf. Weder de Hooch noch diese Szenen haben etwas Faustisches und dennoch scheint es, als sprächen diese Bilder Fausts Worte aus, die dieser am Ende seines Lebens in jenem Moment äußert, als er körperlich arbeitet und endlich nach seiner lebenslangen Suche das Glück findet, das ihn zum Augenblick die Worte sagen lässt: „Verweile doch, Du bist so schön.“ Dem Maler Pieter de Hooch gelang es, die zeitlose Schönheit des Augenblicks in Kunst zu verwandeln. Führungen: Dienstag, 22.9.2009, 20 Uhr Mittwoch, 23.9.2009, 13 Uhr (Kunstimbiss) Mittwoch, 23.9.2009, 14 Uhr (Internetübertragung aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe) Dipl.-Theol. Stephan Langer und Jenny Lukat M.A. Oktober Das Diesseits und das Jenseits im Blick Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) Friedrich der Weise in Verehrung der apokalyptischen Muttergottes, um 1515 Der sächsische Kurfürst Friedrich III. (1463-1525), genannt „der Weise“, gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte zu Beginn der Neuzeit: gebildet und kunstsinnig, machtbewusst und friedliebend, eigenwillig und fromm. Er war der Schutzherr der Reformation und blieb doch stets dem alten Glauben treu. Die diesseitige und die jenseitige Welt hatte er gleichermaßen fest im Blick. Cranachs Karlsruher Gemälde macht dieses Bewusstsein für „Zeit und Ewigkeit“ eindrucksvoll anschaulich. Friedrich der Weise ist kniend vor einem Betpult dargestellt. Die mit Fingerringen geschmückten Hände hat er andächtig zusammengelegt. Er trägt ein mit Perlen besticktes Hemd, darüber eine Schaube mit Pelzkragen, gepufften Ärmeln und Goldverzierungen. Der sorgfältig gestutzte Kinnbart gehört ebenso zur vornehmen Männermode der Zeit wie die goldene Netzhaube. Hinter dem betenden Fürsten steht sein persönlicher Patron, der Apostel Bartholomäus. Mit seinen Händen hält dieser die heilige Schrift, in die er sich vertieft, und ein Messer, das an sein grausames Martyrium mahnt: Der König von Armenien ließ dem missionierenden Apostel der Legende nach vor der Enthauptung die Haut abziehen. Friedrich war stolz darauf, in seinem Reliquienschatz einen Teil der Gesichtshaut des Heiligen Bartholomäus zu besitzen. Über die Hälfte des Bildes nimmt eine Vision ein: Vor Friedrichs geistigem Auge erscheint die Gottesmutter in Gestalt des in der Offenbarung Johannis geschilderten „apokalyptischen Weibes“: Maria steht, ihr Kind im Arm, auf einer Mondsichel. Sie ist „mit der Sonne bekleidet“ – von Cranach durch die in den Goldgrund punzierten, in alle Richtungen weisenden Strahlen zum Ausdruck gebracht – und trägt als Himmelskönigin eine Krone. Durch den Wolkenkranz, in dem sich 25 Putten tummeln, ist sie als „domina angelorum“, als Herrin der Engel gekennzeichnet. Zwei Sphären – eine weltliche und eine überweltlich-heilige – durchdringen sich: Der Apostel ist in Friedrichs mit kostbarem Brokatstoff ausgeschlagenen Andachtsraum eingetreten. Das Messer – sein Attribut – und das Betpult stellen die Verbindung zu der Marienerscheinung her. Die enge Stube wird von überwirklichem Glanz erfüllt und weitet sich ins Unendliche. Friedrich der Weise war einer der einflussreichsten Fürsten des Reiches. 1519 verhalf er dem jungen Habsburger Karl V. auf den Kaiserthron. Bald danach stellte er sich schützend vor Luther und bot dem Papst die Stirn. Hier erscheint er ganz demütig – auf den Knien vor einer noch höheren Macht: der „regina coelorum“, der Himmelskönigin und ihrem Sohn, dem Weltenherrscher. Ernst und innig erweist der Kurfürst seine Verehrung. Er lässt von seinem Hofmaler Cranach jedoch auch ins Bild setzen, wie sich das Christkind ihm zuwendet, ja nach ihm zu greifen scheint. Diese Gebärde wird durch das sich zum Fürsten hin bauschende weiße Tuch noch unterstrichen: Friedrich erscheint als ein Begnadeter, er genießt den Schutz und das Wohlwollen Christi. Das Gemälde ist insofern – wie Friedrichs berühmte Reliquiensammlung – ein Zeugnis des Glaubens und der Repräsentation. Führungen: Dienstag, 20.10.2009, 20 Uhr Mittwoch, 21.10.2009, 13 Uhr (Kunstimbiss) Mittwoch, 21.10.2009, 14 Uhr (Internetübertragung aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe) Dr. Albert Käuflein und Dr. Holger Jacob-Friesen STAATLICHE KUNSTHALLE KARLSRUHE Hans-Thoma-Straße 2–6 76133 Karlsruhe Telefon 0721/926-3359 Fax 0721/926-6788 http://www.kunsthalle-karlsruhe.de Besucherinfo: Telefon 0721/926-3368 E-Mail: [email protected]