Anaerobanlage zur Vorbehandlung von salzreichem

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Anaerobanlage zur Vorbehandlung von salzreichem
Fachbeiträge
Industrieabwässer / anlagenbezogener Gewässerschutz
Anaerobanlage zur Vorbehandlung
von salzreichem Chemieabwasser
im GKW Bitterfeld-Wolfen
Adaption der Mikroorganismen und erste Betriebsergebnisse
Stefan Basse, Regina Egert (Bitterfeld-Wolfen), Karl-Erich Köppke (Bad Oeynhausen),
Christiane Schönborn (Bitterfeld-Wolfen) und Olaf Sterger (Berlin)
Zusammenfassung
In einem früheren Beitrag wurde die neue Anaerobanlage zur
Vorbehandlung von salzreichem Chemieabwasser im Gemeinschaftsklärwerk Bitterfeld-Wolfen beschrieben. Inzwischen arbeitet die Anlage seit November 2011 im kontinuierlichen Dauerbetrieb, und hier kann über die ersten Erfahrungen und Ergebnisse eines längeren Betriebszeitraums berichtet werden.
Schwerpunkt des Artikels ist die Vorgehensweise bei der Adaption der anaeroben Mikroorganismen an den hohen Salzgehalt.
Anschließend werden die wichtigsten Bemessungswerte mit
Kennziffern aus dem Dauerbetrieb der Anlage verglichen. Wichtigstes Resultat ist, dass auch extrem salzhaltige Substrate mit
einem Natriumchloridgehalt von ca. 20 bis 25 g/l anaerob behandelt werden können. Dabei lagen sowohl die CSB-Elimination als auch der Biogasertrag deutlich über den aufgrund der labor- und halbtechnischen Untersuchungen erwarteten Werten.
Allerdings konnte bislang kein Nettozuwachs an Biomasse verzeichnet werden.
Schlagwörter: Industrieabwasser, chemische Industrie, Salzbelastung,
Anaerobtechnik, Methylcellulose, Leitfähigkeit, CSB, Methan, Biomasse, Betriebserfahrungen, Bemessung
DOI: 10.3242/kae2014.01.003
Abstract
An Anaerobic Plant for the Preliminary Treatment
of Chemical Effluents from the Bitterfeld-Wolfen
Wastewater Treatment Plant
Adaptation of Microorganisms and first Operating
Results
In a former issue of this magazine, the new anaerobic pre-treatment installation for salt-rich chemical wastewater in GKW Bitterfeld-Wolfen was described. Meanwhile, the system has been
continuously working since November 2011, and we can now
report on first experiences and results over a longer operational
period. The main topic of the article is the procedure for the adaptation of anaerobic microorganisms to the high salt content.
Additionally, the most important design values are compared
with results from the continuous operation of the plant. The
most important outcome is that even extremely salty substrates
with a sodium chloride content of about 20 to 25 g/l can be
treated anaerobically. Here we showed that COD removal rates
and biogas yields are significantly higher than expected on the
basis of laboratory and pilot plant studies. However, a net increase in biomass has not been measured until now.
Key words: industrial wastewaters, chemical industry, salt loading, anaerobic technology, methyl cellulose, conductivity, COD, methane, biomass, operating experience, design
1 Vorbemerkung
Im Gemeinschaftsklärwerk (GKW) Bitterfeld-Wolfen wurde eine anaerobe Vorbehandlungsanlage für Abwasser aus der Herstellung von Methylcellulose errichtet, das im benachbarten
Chemiepark mit einem Abwasservolumenstrom von bis zu 24
m³/h und einer mittleren CSB-Konzentration von 32 g/l anfällt. Bei der Methylcelluloseproduktion entsteht als Koppelprodukt Kochsalz (NaCl), das im Prozessabwasser in Konzentrationen von 80–90 g/l vorliegt [1].
Es ist bekannt, dass derart hohe Salzkonzentrationen hohe osmotische Drücke verursachen, die zu einer Beeinträchtigung der mikrobiologischen Aktivität oder sogar zu einer Zerstörung der Zellen führen können. Hinweise auf die Abhängigkeit der Biogasproduktion beim anaeroben Abbau von der
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Salzkonzentration sind in der Literatur vergleichsweise selten
zu finden. So bemerkten Friedenberger et al., dass anaerobe
Systeme empfindlich auf einen Wechsel der Chloridkonzentration im Abwasser reagieren und die Gasausbeute schon bei
5–8 g/l Chlorid beträchtlich zurückgeht [2]. Boardman et al.
stellten anhand von Abwasser aus der Verarbeitung von Meeresmuscheln in Laborversuchen fest, dass die Methanbildungsrate bei Erhöhung der Na-Konzentration von 4,2 g/l
(entspricht 10,7 g NaCl/l) auf 12,6 g/l (entspricht 32 g
NaCl/l) auf ein Zehntel des ursprünglichen Wertes zurückging [3]. Ähnliche Auswirkungen des Salzgehalts im Abwasser auf das anaerobe Abbauverhalten ermittelten auch Sarsour [4] und Jeison et al. [5].
Jeison et al. verweisen aber auch auf den mehrjährigen
großtechnischen Betrieb eines UASB-Reaktors in Holland zur
Behandlung von Abwasser aus der Produktion von Styren und
Propenoxid bei einer Na-Konzentration in der Größenordnung
von 10 g/l (entspricht 25 g/l NaCl). Gerard und Krüger erwähnen eine anaerobe Vorreinigungsanlage für das Gesamtabwasser eines Chemieparks, die bei einer Leitfähigkeit von 22–27
mS/cm erfolgreich in Betrieb ist [6].
Im Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden wird seit 2006
Abwasser aus der Methylcelluloseherstellung gemeinsam mit
den anderen Abwässern des Industrieparks bei einer Leitfähigkeit von 8–18 mS/cm anaerob behandelt.
Von einem Hersteller von Hochleistungsanaerobreaktoren
wurde als empirischer Grenzwert für die Auslegung großtechnischer Anaerobanlagen ein Salzgehalt von 10 g/l bzw. eine
Leitfähigkeit von ca. 20 mS/cm genannt. Im GKW BitterfeldWolfen steht zwar ausreichend Kommunalabwasser zur Verfügung, um das Methylcelluloseabwasser auf einen solchen Leitfähigkeitswert einzustellen, jedoch hätte in den Wintermonaten aufgrund der geringen Temperatur des Kommunalabwassers zur Deckung des Wärmebedarfs der Anaerobanlage
zusätzliche Primärenergie eingesetzt werden müssen.
In Versuchen im Labor- und Pilotmaßstab, die in den Jahren
2007/2008 über einen Zeitraum von insgesamt 20 Monaten
hinweg durchgeführt wurden, konnte nachgewiesen werden,
dass ein stabiler anaerober Abbau des Methylcelluloseabwassers bis zu einer Leitfähigkeit von etwa 40 mS/cm möglich ist
[7, 8]. Vor diesem Hintergrund entschloss sich das GKW Bitterfeld-Wolfen zum Bau einer Demonstrationsanlage zur anaeroben Behandlung hypersaliner Abwässer und wurde dabei mit
Fördermitteln aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums unterstützt.
Die großtechnische Realisierung der Anlage wurde bereits
von Schönborn et al. in einer früheren Ausgabe dieser Zeitschrift beschrieben [1]. In dem hier vorliegenden Artikel werden die Erfahrungen bei der Adaption der Anaerobier und die
ersten Ergebnisse aus dem kontinuierlichen Betrieb der Anlage
diskutiert.
2 Adaption und Entwicklung
der anaeroben Biomasse
Die Anaerobreaktoren des GKW Bitterfeld-Wolfen arbeiten
nach dem UASB-Prinzip (Upflow Anaerobic Sludge Blanket),
das heißt, der eigentliche anaerobe Abbau findet in einem
mehr oder weniger stark expandierten Schlammbett statt, das
sich im unteren Bereich der hohen, schlanken Reaktoren befindet. Das Schlammbett besteht aus sogenannten Pellets. Dabei
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Abb. 1: Zunahme von Leitfähigkeit, CSB-Konzentration und CSBRaumbelastung während der Inbetriebnahme der Anaerobanlage
vom 27. März 2011 bis 21. Juni 2011
handelt es sich um mehr oder weniger kugelförmige Aggregationen von säure- und methanbildenden Mikroorganismen, die
durch Calciumcarbonatgerüste und extrazelluläre polymere
Substanzen stabilisiert werden. Für den Betrieb der Anaerobanlage sind folgende zwei Problembereiche entscheidend:
● Adaption der Biomasse an die hohe Salzkonzentration
● Erhalt der Biomasse bzw. der Schlammpellets im Reaktor.
2.1 Adaption der Biomasse an hohe Salzkonzentrationen
Aufgrund des Pilotcharakters der Anlage im GKW stand kein
salzadaptierter Impfschlamm zur Verfügung. Die ab I. Quartal
2011 in Betrieb genommenen Anaerobreaktoren 1 und 2 wurden hauptsächlich mit Pelletschlamm aus der Papierindustrie
beimpft, der eine Leitfähigkeit von im Mittel etwa 2 mS/cm
aufwies.
Die Adaption an die angestrebte Leitfähigkeit von 40 mS/
cm erfolgte, indem über einen Zeitraum von knapp drei Monaten hinweg die Leitfähigkeit im Zulaufabwasser zur Anaerobanlage kontinuierlich gesteigert wurde. Damit war auch eine
Zunahme der CSB-Konzentration und der CSB-Raumbelastung
verbunden (Abbildung 1).
Die in Abbildung 1 erkennbaren Schwankungen der Raumbelastung resultierten aus gelegentlichen Stillständen der Beschickungspumpen, die durch notwendige technische Optimierungen während der Inbetriebnahmephase bedingt waren.
Da keine vergleichbaren großtechnischen Erfahrungen
vorlagen, wurde bei der Festlegung der Geschwindigkeit für
die Leitfähigkeitssteigerung in erster Linie auf die eigenen
Vorversuche im Pilotmaßstab zurückgegriffen. Der mittlere
Leitfähigkeitsanstieg in der Adaptionsphase der Pilotanlage
betrug 1,8 mS/cm in der Woche. Bei der Inbetriebnahme der
großtechnischen Anlage waren es im Mittel 2,5 mS/cm in der
Woche.
Vor dem Hintergrund der in der Literatur beschriebenen
Verminderung des Biogasertrags bei hohen Salzkonzentrationen sind in Abbildung 2 für den Zeitraum vom 4. bis zum 30.
Juni 2011 die Leitfähigkeit im Zulauf und die spezifische Methanausbeute in Nm³/kg CSBabgebaut dargestellt. Der Auswertungszeitraum unterscheidet sich von dem in Abbildung 1, weil
erst ab Anfang Juni 2011 die in den BHKWs verbrannte Biogas-
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Literaturangaben in diesem Zeitraum im Mittel bereits eine
spezifische Methanausbeute von 0,33 Nm³/kg CSBabgebaut erreicht. Ein Rückgang der spezifischen Methanausbeute mit steigender Leitfähigkeit wurde nicht beobachtet. Im späteren Dauerbetrieb bei 38 bis 40 mS/cm (siehe Abschnitt 2.2.) hat sich
die spezifische Methanausbeute sogar noch auf 0,37 Nm³/kg
CSBabgebaut erhöht. Das zeigt, dass die Adaption des Pelletschlamms an den hohen Salzgehalt im Hinblick auf die anaerobe Umsetzung von CSB in Methan erfolgreich war.
2.2 Erhalt der Biomasse bzw. der Schlammpellets im Reaktor
Abb. 2: Leitfähigkeit im Zulauf und spezifische Methanausbeute
während der Inbetriebnahme der Anaerobanlage vom 4. bis 30.
Juni 2011
menge und die Methankonzentration im Biogas zuverlässig
über Online-Messungen erfasst wurden. In diesem Zeitraum
wurde die Leitfähigkeit von 32 mS/cm auf 41 mS/cm erhöht,
was einer Chloridkonzentration im Bereich von 11 bis 15 g/l
bzw. einer Natriumkonzentration im Bereich von 7,5 bis 9,6 g/l
entspricht. Dennoch wurde im Gegensatz zu den oben zitierten
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Die Mechanismen und Einflussfaktoren der Pelletbildung sind
in den letzten Jahren Gegenstand intensiver Forschungen gewesen, ohne dass es bislang gelungen ist, sie vollständig aufzuklären [9, 10]. Untersuchungen von Jeison et al. an Laborsystemen haben gezeigt, dass Na-Konzentrationen bis 12,6 g/l die
Stabilität und Größe der Pellets verringern. Als Ursache wird
die Verdrängung von Calcium durch Natrium aus dem Gerüst
der Pellets vermutet [5].
Aufgrund der geringen Wachstumsgeschwindigkeit der Anaeroborganismen ist eine zügige Inbetriebnahme einer großtechnischen Anlage nur dann möglich, wenn die Reaktoren mit
ausreichend Pelletschlamm von anderen Anlagen, die im Idealfall ein ähnliches Abwasser behandeln, beimpft werden.
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Trotz der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit der
zuvor beschriebenen Leitfähigkeitssteigerung verringerte sich
die Gesamt-oTS-Menge in den Reaktoren von knapp 46 t kurz
nach Abschluss der Befüllung beider Reaktoren mit Pelletschlamm auf 29 t zum Ende des Probebetriebs Anfang November 2011 (Abbildung 3). Das entspricht einem Verlust von
37 %. Nach Angaben des Anlagenherstellers sind etwa 10 %
Verlust während der Inbetriebnahmephase auch ohne Salzstress als normal anzusehen [11]. Der oben genannte Verlust
war aber nicht nur auf die Anpassung an den erhöhten Salzgehalt zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Anlage
während der zweiwöchigen Leistungsfahrt von Mitte Oktober
2011 bis Anfang November 2011 mit einer Schlammbelastung
von bis zu 0,8 kg CSB/(kg oTS  d) betrieben wurde. Das sind
bis zu 60 % mehr als die Bemessungsschlammbelastung von
0,5 kg CSB/(kg oTS  d). Zum Ende der Leistungsfahrt bis etwa eine Woche nach ihrem Abschluss wurde daraufhin ein erhöhter Feststoffabtrieb gemessen.
Zu weiteren Biomasseverlusten kam es im Dezember 2011/
Januar 2012 (Abbildung 3). Die Ursache war darin zu sehen,
dass das Methylcelluloseabwasser zeitweise Stoffe enthielt, deren Abbau in den Anaerobreaktoren offenbar zu einer starken
Anreichung von Propionsäure führte. Propionsäure bewirkt in
undissoziierter Form schon in Konzentrationen von 20 mg/l eine nahezu vollständige Hemmung der Methanbildung. Das ruft
eine weitere Säureanreicherung im anaeroben Abbauprozess
hervor [12]. Dadurch stiegen die organischen Säuren kurzzeitig auf Konzentrationen von 600 bis 800 mg/l an, was vermutlich unabhängig von der Salzkonzentration zu einem teilweisen Zerfall der Pellets führte. Anfang Februar 2012 gelang es
gemeinsam mit dem Methylcellulosehersteller, einen Abwasserteilstrom, der nur phasenweise anfällt, als Ursache für die
Anstiege der organischen Säuren einzugrenzen. Dieser Strom
wird seitdem direkt der aeroben Reinigungsstufe des GKW zugeführt, wo er problemlos behandelt werden kann. Seitdem
Parameter
CSB-Zulauffracht
Raumbelastung
liegt die Konzentration der organischen Säuren in der Anaerobanlage stabil unter 300 mg/l.
Von Jahresbeginn 2012 bis Anfang September 2012
schwankte bei einer mittleren Schlammbelastung von 0,51 kg
CSB/(kg oTS  d) die Gesamtmenge an oTS in den Reaktoren
zwischen 19 und 23 t und war damit relativ stabil. In Betriebsphasen, in denen die Calcium-Konzentration durch Zugabe von
Kalkmilch im Zulauf um rechnerisch 100 mg/l auf über 200
mg/l erhöht wurde, konnte ein leichter Biomassezuwachs verzeichnet werden.
Von Mitte September bis Jahresende 2012 gab es durch Produktionsstillstände beim Methylcellulosehersteller mehrere
Phasen, während der die Anaerobanlage über einen Zeitraum
von bis zu zwei Wochen nicht oder nur minimal mit Abwasser
beschickt werden konnte. Der damit verbundene Nahrungsmangel für die Anaeroborganismen sowie das Aussetzen der
Kalkdosierung im September/Oktober 2012 führten zu einem
erneuten Pelletzerfall.
Das Hauptziel der derzeitigen Betriebsoptimierungen ist es,
weitere Pelletverluste zu verhindern bzw. langfristig einen kontinuierlichen Zuwachs an Biomasse zu erreichen. Aufgrund der
bisherigen Erfahrungen wurden dafür die folgenden Bedingungen als wesentlich herausgearbeitet, die seit Mitte Dezember
2012 neben der optimalen Einstellung von Nähr- und Spurenstoffversorgung, Temperatur und pH-Wert bei einem stabil
niedrigen Konzentrationsniveau der organischen Säuren konsequent eingehalten werden:
● Dauerhafte Dosierung von Kalkmilch, sodass am Ablauf der
Reaktoren eine mittlere Ca-Konzentration von etwa 200
mg/l vorliegt.
● Keine Überschreitung der Bemessungsschlammbelastung
von 0,5 kg CSB/(kg oTS  d), das heißt, die Schlammbelastung ist der Leitparameter für die Festlegung der CSBFracht, die der Anaerobanlage zugeführt wird.
Einheit
Auslegungswert
Mittelwert im Dauerbetrieb
kg CSB/d
20 000
10 698
kg CSB/(m³  d)
12,9
6,9
Schlammbelastung
kg CSBzugeführt/(kg oTS  d)
0,5
0,48
CSB-Abbauleistung
kg CSB/d
12 000
7361
%
60
68,7
mS/cm
35 … 45
38,5
°C
31 … 37
36,5
Nm³ Biogas/kg CSBabgebaut
0,3
0,55
Biogasanfall je Stunde
Nm³ Biogas/h
250
169
Heizwert des Biogases
kWh/Nm³
6
6,8
elektrischer Wirkungsgrad BHKW
%
38,3
35,7
thermischer Wirkungsgrad BHKW
%
49,3
45,0
t oTS
40
23
h
10,5
27,4
m/h
2 … 5,1
3,25
CSB-Abbaugrad
elektrische Leitfähigkeit
Temperatur im Anaerobreaktor
spezifische Biogasproduktion
Biomasse im Anaerobreaktor
Verweilzeit des Abwassers im Reaktor
Aufströmgeschwindigkeit
Tabelle 1: Gegenüberstellung von Bemessungswerten und tatsächlichen Betriebsdaten der Anaerobanlage im Zeitraum November
2011 bis September 2012
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● Im Fall von mehrtägigen Produktionsstillständen beim Ab-
wasserlieferanten, die nicht durch maximale Ausnutzung
des durch die Ausgleichsbehälter gegebenen Stapelvolumens überbrückt werden können, wird der Anlage eine
Mindestfracht von ca. 2 t CSB/d in Form einer handelsüblichen externen Kohlenstoffquelle zugeführt, deren anaerobe
Abbaubarkeit zuvor im Batch-Versuch nachgewiesen wurde.
● Verringerung des Leitfähigkeitszielwerts für die Einstellung
des Zulaufabwassers von 40 mS/cm auf 35 bis 36 mS/cm,
um sicherzustellen, dass es bei Messungenauigkeiten der
Online-Leitfähigkeitssonde nicht zur Überschreitung von
40 mS/cm kommt.
Abbildung 3 zeigt, dass unter Einhaltung dieser Randbedingungen seit Ende 2012 in beiden Anaerobreaktoren ein stabiles Niveau der oTS-Menge mit leicht steigender Tendenz vorliegt.
Abb. 3: Entwicklung der Menge an organischer Trockensubstanz
in den Anaerobreaktoren 1 und 2 über den bisherigen Gesamtbetriebszeitraum
3 Vergleich mit Bemessungswerten
Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf dem Bericht
über die Erfolgskontrolle der Fördermaßnahme „Errichtung einer Anlage zur anaeroben Behandlung hypersaliner Abwässer
im Gemeinschaftsklärwerk Bitterfeld-Wolfen“ [13].
Hauptzweck des vom Bundesumweltministerium geförderten Demonstrationsvorhabens war es, nachzuweisen, dass auch
extrem salzhaltige Substrate anaerob behandelt werden können. Im Zeitraum 1. November 2011 bis 30. September 2012
betrug die elektrische Leitfähigkeit im Zulauf der Anaerobanlage 38,5 mS/cm (Mittelwert). Dies entspricht einem Salzgehalt
(als Natriumchlorid) von etwa 23 g/l. Dabei erreichte der Biogasertrag mit 0,55 Nm³ Biogas/kg CSBabgebaut einen Wert, der
die Ergebnisse der labor- und halbtechnischen Untersuchungen
weit übertrifft. Die CSB-Elimination betrug im Mittel über den
oben genannten Zeitraum 68,7 %. Derzeit liegt der CSB-Abbaugrad stabil über 70 % und ist damit deutlich höher als der
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bei der Planung und Auslegung der Anlage zugrunde gelegte
Wert von 60 %.
Die wichtigsten Praxisergebnisse sind in Tabelle 1 den Auslegungswerten gegenüber gestellt.
Wie Tabelle 1 zeigt, können die bisher erzielten Ergebnisse
wie folgt zusammengefasst werden:
1. Die Anlage arbeitet stabil und hat in wesentlichen Bemessungsparametern das gestellte Ziel erreicht:
●
●
●
●
●
●
Schlammbelastung
Leitfähigkeit (als Maßstab der Salzbelastung)
Temperatur in den Anaerobreaktoren
elektrischer Wirkungsgrad BHKW
thermischer Wirkungsgrad BHKW
Aufströmgeschwindigkeit
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bzw. sogar überboten:
● CSB-Abbaugrad
● spezifische Biogasproduktion je kg abgebaute CSB-Fracht
● Heizwert des Biogases
2. Folgende Bemessungswerte wurden aufgrund der zu geringen Menge an Pelletbiomasse in den Reaktoren noch nicht erreicht:
●
●
●
●
[3]
[4]
[5]
[6]
CSB-Zulauffracht in t/d
Raumbelastung
CSB-Abbauleistung in t/d
Biogasanfall je Stunde
4 Fazit
Im Hinblick auf die erreichte CSB-Elimination und die Methanausbeute war die Adaptation des Pelletschlamms an den erhöhten Salzgehalt des Methylcelluloseabwassers erfolgreich. Als
Haupteinflussparameter für den Erhalt der anaeroben Pelletbiomasse haben sich im bisherigen Betrieb die folgenden Faktoren erwiesen:
● Einhaltung einer stabil niedrigen Konzentration der organi-
schen Säuren im Ablauf von  300 mg/l
● Einstellung einer Ca-Konzentration von . 200 mg/l
● keine Überschreitung der Bemessungsschlammbelastung
● Aufrechterhaltung einer Mindestbeschickung bei Produkti-
onsstillständen.
Obwohl einige Bemessungsparameter aufgrund der fehlenden
Biomasse noch nicht erreicht wurden, arbeitet die Anlage stabil
und wirtschaftlich und hat in Bezug auf die abwassertechnischen
Behandlungseffekte die Erwartungen in vollem Maße erfüllt.
Mit dem Demonstrationsvorhaben zur anaeroben Behandlung salzreicher Abwässer im GKW Bitterfeld-Wolfen konnte also der bis dato als gültig angesehene Anwendungsbereich für
den großtechnischen Einsatz anaerober Verfahren gemessen an
der elektrischen Leitfähigkeit erheblich ausgedehnt werden.
Literatur
[1]
Schönborn, C., Basse, S., Egert, R. Rudolph, K.-U., Balke, H., Bombeck, M.: Anaerobe Reinigung von hochsalinem Abwasser, KA –
Korrespondenz Abwasser, Abfall 2013, 60 (11), 969–975
[2]
Friedenberger, M., Beck, D., Rollin, J., Kushmaro, A., Meusel, W.: Einsatz adaptierter Mikroorganismen zur Behandlung hochbelasteter
Industrieabwässer aus dem Ramat-Hovav-Industriegebiet, www.hsanhalt.de/forschung/fttz/fachtagungen/tagungsbeitraege/friedenberger_melanie.pdf (Bericht über ein BMBF-Forschungsvorhaben,
Laufzeit 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2008)
KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2014 (61) · Nr. 1
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
Boardman, G. D., Tisinger, J. L., Gallagher, D. L.: Treatment of clam
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Blanket technology, Water Research 1995, 29 (6), 1483–1490
Sarsour, J.: Reduzierung der Belastung des Textilveredlungsabwassers durch eine kombinierte anaerobe/aerobe Behandlung hochkonzentrierter Abwasserteilströme, Dissertation, Universität Stuttgart, 2004
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November bis 1. Dezember 2009, Fulda, S. 328–344
Köppke, K.-E.: Labor- und halbtechnische Untersuchungen zur anaeroben Behandlung des Abwassers der Methylcellulose-Herstellung am Standort Bitterfeld, Ing.-Büro Dr. Köppke GmbH, Bad Oeynhausen, Mai 2008 (unveröffentlicht)
Köppke, K.-E.: Untersuchungen zum anaeroben Abbau von salzreichem Abwasser aus der Methylcellulose-Produktion nach dem
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Batstone, D. J.: High Rate Anaerobic Treatment of Complex Wastewater, Dissertation, University of Queensland, 2000
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Betriebshandbuch für den R2S-Reaktor, Aquatyx Wassertechnik
GmbH, Ravensburg, 2011
Bischofsberger, W., Dichtl, N., Rosenwinkel, K.-H., Seyfried, C. F.,
Böhnke, B. (Hrsg.): Anaerobtechnik, 2. Aufl., Springer, Berlin, 2005
Sterger, O., Köppke, K.-E.: Abschlussbericht über die Errichtung einer Anlage zur anaeroben Behandlung hypersaliner Abwässer im
Gemeinschaftsklärwerk Bitterfeld-Wolfen, Erfolgskontrollbericht im
Auftrag des Umweltbundesamtes und der KfW-Bankengruppe, Berlin, März 2013
Autoren
Dr.-Ing. Stefan Basse, Dipl.-Ing. Regina Egert
Dr. Christiane Schönborn
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