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18 K U L T U R B E U T E L
VER.DI PUBLIK 10 OKTOBER 2008
ANSTEHEN
YOU_ser: Das Jahrhundert des
Konsumenten | „Jeder Mensch ist
ein Künstler“, lautete Joseph Beuys’
Manifest 1972 auf der 5. documenta
in Kassel. Damals klang das in vielen
Ohren noch vermessen, doch in Zeiten
von Computern und Internet haben
Millionen Menschen auf der ganzen
Welt etliche Möglichkeiten, sich kreativ
auszutoben. Und
Webseiten wie
Myspace oder
Youtube belegen
jeden Tag aufs
Neue, dass es
schon Millionen
tun. Die letzten
SEHEN
zwei Jahrzehnte haben deshalb nicht
nur die Produktion von Kunst, sondern
auch den Kunstbegriff erweitert. Für
den Kunstkenner mag ein Video auf
youtube nicht unbedingt Kunst sein,
für die Millionen von Usern schon.
Im Medienmuseum des ZKM, des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, können die Besucher
diese Entwicklung noch einmal durchlaufen und – das ist das entscheidend
Andere – immer wieder mit Eingriffen
der Ausstellung den eigenen Kunststempel aufdrücken.
PEWE
ZKM, MEDIENMUSEUM, LORENZSTR. 19,
KARLSRUHE, BIS 30. AUGUST 2009, MIFR 10-18 UHR, SA/SO 11-18 UHR
KLICKEN
www.fuereinebesserewelt.info
Der pathetische Titel sollte einen nicht
schrecken. Auf der Website Für eine
bessere Welt – wohlgemerkt mit der
seltenen Endung „.info“ – geht es
journalistisch zu, im Stil eines PolitMagazins: mit einem „Aufmacher“,
zahlreichen Meldungen und für sich
sprechenden Rubriken. Von „Datenschutz & Demokratie“ über „Frieden &
Menschenrechte“ bis zu „Wirtschaft &
Finanzen“ reichen die Anliegen. „Wir
möchten zeigen, dass es viele Menschen, Initiativen
und Projekte
gibt, die sich für
eine bessere
Welt einsetzen“,
sagt das verantwortliche Journalisten-Ehepaar
aus Hamburg, Ilona Koglin und Marek
Rohde, über die kommerzfreie Plattform. Dies gelingt recht gut, das Konstruktive überwiegt und motiviert. Ein
paar kleine Hänger, etwa der aus reinem Klappentext bestehende Buchtipp, werden durch gute Exklusiv-Interviews, die teils als Videoangebot
vorliegen, wettgemacht. Engagierter
Journalismus und lesenswert.
HEST
Kaiserreich, Imperialismus und
der Erste Weltkrieg; Weimarer
Republik, Nationalsozialismus
und der Zweite Weltkrieg | Hier
biedert sich keine „Game“-Idee an,
hier wird kein Multimedia-Feuerwerk
abgefeuert. Alles, was die CD-ROMs
dieser Reihe anbieten, ist eine didaktische und lexikalische Sortierung von
Materialien und Dokumenten zur jüngeren deutschen Geschichte, wie für
audiovisuelle Unterrichtsbegleitung
geschaffen. Zahlreiche Texte und Originaldokumente,
faksimilierte Plakate und historische Fotos sowie
Audio- und Filmsequenzen lassen
sich abrufen,
man kann gut
„stöbern“ und assoziativ lernen. Dass
hier keine Links integriert sind, weder
für Verknüpfungen innerhalb der CD
noch zu weiteren Quellen im Netz, ist
allerdings ein herbes Defizit, und das
nicht nur für die heutige, an Wikipedia, Google und Youtube gewöhnte
Schüler-Generation.
HEST
2 CD-ROMS F. WIN. 2000/XP/VISTA (INFO-PROGRAMM GEMÄSS §14 JUSCHG)
Der Film zur Krise
Let’s Make Money | So. Wo ist nun all das schöne
Geld? Was uns heute umtreibt, hat Filmemacher Erich Wagenhofer seit zwei Jahren recherchiert und liefert zum richtigen Zeitpunkt dringend benötigte Antworten und Bilder.
Für seinen neuen Film ist er dem Geld gefolgt, auf seinem
zwielichtigen Weg durch die internationalen Finanzkanäle.
Wagenhofers Arbeitsweise ist seit seiner Lebensmittel-Dokumentation We Feed The World unverändert. Er holt die
Gegensätze vor die Kamera. Eingefleischte Neoliberale und
Globalisierungskritiker. Er fragt Präsidenten von Investmentfonds, Unternehmer, Immobilienhändler. Aber auch
Geografen und Agronomen. Oder Globalisierungskritiker
wie Werner Rügemer und Hermann Scheer, letztere unseren Leser/innen durchaus mit ihren Positionen vertraut. Und
er stellt die Fragen mit der naiven Haltung des Papalagi:
Wie kann Geld „arbeiten”? Wohin fließt es, wenn wir es
der Bank anvertraut haben? Und: Wer zahlt, wenn die mit
kaputten Krediten dasteht? Nun, letzteres wissen wir inzwischen. Der Film folgt den vier Säulen des Neoliberalismus
und sieht sich die Konsequenzen der Deregulierung, der Liberalisierung des Handels, der Privatisierung und der Enstaatlichung in betroffenen Ländern an. Er geht zu den
Goldschürfern in Ghana und zeigt, wie 97 Prozent des Gol-
des in die Schweiz wandert. Drei Prozent bleiben für Afrika,
das man dafür noch zahlen lässt. Mit weiteren Schulden.
Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher
Zeitung sagt, dass Grenzen für Geld, Dienstleistungen und
Waren offen sein müssen. Bei Menschen aber solle man
einen Eintrittspreis verlangen, wie in einem Tennisclub. Das
ist neoliberaler Autismus, wie ihn auch Investor Mark Mobius (Foto) in Singapur kultiviert. Dort sind die Bedingungen
super, da nur seine Angestellten Steuern zahlen müssen.
Ethik sei im Übrigen nicht die Aufgabe von Investoren.
Schön ist es auch auf Jersey, der idyllischen Steueroase im
Ärmelkanal. Dort nimmt man alles, Schwarzgeld, Drogengeld, Blutgeld. Weil das anstrengend ist, kommt die sonst
stille Insel schon mal wegen systematischen Missbrauchs
seiner Waisenkinder in die Zeitung. Und unsere Rentenbeiträge stecken teilweise in tausenden leerstehenden Wohnungen, die wie ein „Zement-Tsunami“ die spanische Küste
überrollt haben. Als Geldanlage.
Let's Make Money ist ein Erklärstück. Funktionskino. Und
nie war das so wertvoll wie heute. Wir lernen ja gerade
wieder: Vertrauen ist nicht. Hingucken ist besser.
JENNY MANSCH
Ö 2008. R: E. WAGENHOFER, L.: 110 MIN, KINOSTART 30.10 .
LESEN
PREISRÄTSEL
Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir rund um High
School Musical
3: DVD HSM
1/2; Pompons,
Schweißbänder, Bandanas,
Bilderrahmen,
Trinkflaschen!
Das Statistische Bundesamt
hat die Veränderung der
Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland in
den vergangenen zehn Jahren untersucht. Auffällig sei
C dass mittlerweile jeder vierte
Erwerbstätige – 7,7 Millionen
Menschen – atypisch beschäftigt
sei, also in Teilzeit, geringfügig
oder befristet
P dass Männer und Frauen bei der
Bezahlung gleichgezogen haben
Z dass den Forderungen der
Gewerkschaften zunehmend
Folge geleistet wird
Die heimliche Kamera-Überwachung der Beschäftigten eines großen
Discounters schlug vor Monaten hohe
Wellen. Jetzt wurde das Unternehmen
zu einer 140-Millionen-EuroStrafe für Bespitzelung und das
Fehlen von Datenschutzbeauftragten
verurteilt. Welches?
A Netto
N Lidl
W Penny
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat John McCain überraschte, als er die bis dahin praktisch
unbekannte Sarah Palin zu seiner
Vizekandidatin erkor. Welchen
Posten hatte die 44-jährige Politikerin
noch nicht inne?
B Gouverneurin von Alaska
X Bürgermeisterin des 7 000-Einwoh-
ner-Städtchens Wasilla in Alaska
H Frauenbeauftragte der Republikanischen Partei
Die SPD hat schon wieder einen
neuen Parteichef. Da verliert man
leicht den Überblick. Wer erinnert sich
an das Jahr, in dem Oskar Lafontaine
SPD-Vorsitzender war und der Mann
an der Spitze der CDU Wolfgang
Schäuble hieß?
G 1997
M 1999
O 2001
Wer hätte das gedacht?
Selbst Bahn-Chef Mehdorn lässt sich
durch Kritik von kundenfeindlichen
Maßnahmen abbringen, wenn diese
nur heftig genug vorgetragen wird.
Nun gibt es doch keinen
„Bedienzuschlag“ für
S die Benutzung der Toiletten im Zug
F das Servieren von Snacks und
Getränken in den Waggons der
2. Klasse
N den Verkauf von Fahrscheinen in
den Reisezentren der Bahn
Freiberufliche Karikaturisten,
Schriftsteller oder Radioreporter
können aufatmen: Vorläufig ist der
Versuch von sieben Bundesländern
gescheitert, den staatlichen Zuschuss
zu ihrer Renten- und Krankenversicherung abzuschaffen. Diese oft
überlebenswichtige
Leistung erbringt
E die Künstlersozialversicherung
D der Freiberuflernotfonds
Y die Poetenhilfskasse
Nach acht Jahren hat die
Bundesregierung „zur Wahrung der
nationalen sicherheitspolitischen
Interessen“ eine Privatisierung
rückgängig gemacht.
Im Staatsbesitz ist nun wieder
I die Bundesbahn
U die Bundesdruckerei
L die Kreditanstalt für Wiederaufbau
Bei den Lehman Brothers
handelt es sich um
R Romanfiguren Sven Regeners, des
Sängers der Kultband Element of
Crime
J ein amerikanisches Bruderpaar, das
sich als Regisseure von Filmen wie
Fargo oder jüngst der CIA-Groteske Burn after Reading Ruhm erwarb
E eine US-Investmentbank, deren
Bankrott die Finanzkrise der Wall
Street verschärfte
Die Kennbuchstaben der richtigen Lösungen ergeben,
neu sortiert, den Schauplatz einer historischen
Wahlschlappe. Viel Spaß!
Bitte schicken Sie eine Postkarte mit dem Lösungswort bis zum 5. 11. 08
(Datum des Poststempels) an: ver.di PUBLIK, Preisrätsel, 10112 Berlin.
Lösungswort des letzten Preisrätsels: Kaukasus
Gewonnen haben: M. Rehwald (Hanau), R. Schäfer-Baab (Erzhausen), C. Schlutow (Schwaan), R. Hagen (Bonn), U. Bloch (Kassel), H. Räder (Nürnberg), H.
F. Schneider (Braubach), P. Tarke (Ulm), A. Bauer (Gera), L. Sander (Rostock).
Herzlichen Glückwunsch!
Maria C. Barbetta: Änderungsschneiderei Los Milagros | Die
kleine Änderungsschneiderei in Buenos Aires ist ein
magischer Ort.
Hier werden
nicht nur Hochzeitskleider geändert, sondern
Lebensentwürfe
ausprobiert und
verworfen. Mariana, eine überbehütete junge Frau, die bei ihrer Tante Milagros als Schneiderin arbeitet, wird
durch die Begegnung mit einer Kundin an ihre eigenen Träume erinnert.
Das Verschwinden ihres geliebten Gerardos hat sie aus der Lebensbahn geworfen. Beim Ändern des fremden
Hochzeitskleides verweben sich aber
immer geheimnisvoller die Fäden von
zwei Liebesgeschichten. Maria Barbetta hat mit ihrem Debüt einen magisch-realistischen und zugleich komischen Roman vorgelegt. Das Buch ist
liebevoll mit so genannten „Stoffmustern“ gestaltet, die aber Ausgangspunkte für Träumereien und nicht für
Schneiderkunst sind.
KLIX
S. FISCHER, 2008, 336 S., 19,90€
Ian Rankin: Ein Rest von
Schuld | Der 25. 11. 2006 wird für
John-Rebus-Fans als schwarzer Tag in
die Geschichte eingehen. Da ging der
Edinburgher Detektiv nämlich in Pension. In den zehn Tagen vorher wurde
er vom Dienst suspendiert, galt als
Hauptverdächtiger für den Mordversuch an seinem ewigen Gegenspieler,
dem Unterweltboss Big Ger Cafferty
und hat den Mord an einem russischen Dichter aufgeklärt. Ob das nun
der endgültige Abgang des ersten und
einzigen Serienhelden der Kriminalliteratur war, der in Echtzeit gealtert ist
und nun nach 21 Jahren und 17 Bänden mit 60 in den gesetzlich vorge-
schrieben Ruhestand geht, das kann
nur Autor Ian Rankin entscheiden.
„Denkbar wäre, so Rankin, die Serie
mit seiner Kollegin Siobhan weiterzuführen, die
sich dann Rat bei
dem Rentner holen könnte, oder
Rückblenden auf
Rebus alte Fälle.
„Was ich nicht will, so Rankin bestimmt, „ist, dass man mich entführt,
ans Bett fesselt und droht die Beine zu
brechen, wenn ich Rebus nicht wieder
zum Leben erwecke.“
BART
KRIMI, MANHATTAN, Ü: G./D. BANDINI,
541 S., 19,95 €
Klaus-Werner Lobo: Uns gehört
die Welt | Dieses Buch will Menschen, die für eine gerechtere Globalisierung kämpfen, mit Munition versorgen. Deshalb hat der Verfasser des
Schwarzbuchs Markenfirmen nun ein
Werk vorgelegt, das sich an Jugendliche richtet, aber auch für andere Aktivisten nützlich sein dürfte. Die kranken Geschäfte der Pharmaindustrie
werden ebenso thematisiert wie der
Krieg um Rohstoffe für die Handyproduktion. Konkret beschreibt der
Autor, was unsere Geiz-ist-geil-Mentalität für Menschen anderswo bedeutet
und was sich bei
Markenfirmen
wie Adidas,
Coca-Cola oder
McDonalds für
Beschäftigte und
Zulieferer abspielt. Die klare
Botschaft lautet: Das alles kann man
ändern. Das Buch gibt zahlreiche Hinweise, wie und wo man sich mit Witz
und Kreativität engagieren kann. AJE
SACHBUCH,HANSER-VERLAG, 192 S.,
14,90 €
VER.DI PUBLIK 10
OKTOBER 2008
K U L T U R B E U T E L 19
SEHEN
Immer an der Wand lang
Nordwand | Man nennt sie auch den
Menschenfresser. Insofern kann man
froh sein, dass alle an diesem Film Beteiligten heil aus der Wand des Eiger
zurückgekommen sind. Regisseur Philipp Stölzl hat die dramatische Besteigung der Eiger-Nordwand durch Toni
Kurz und Andi Hinterstoisser als klassischen Bergfilm in Szene gesetzt. 1936
Auch Stölzls atemberaubender Film
wird vom wetterfühligen Eiger ganz
und gar beherrscht. Fast scheint die
fiktive Rahmenhandlung dem Wunsch
geschuldet, wenigstens den Zuschauer
ab und zu ins Warme zu lassen. Gegen
die aufregenden, fast dokumentarischen Bilder aus der Wand und den
Krawall des übellaunigen Hauptdarstellers hat sie kaum eine Chance. Ein echtes Abenteuer im Kinosessel, perfekt
ergänzt durch das opulente Filmbuch
des Schweizer AS-Verlags.
JM
D/Ö/CH 2008, R: PHILIPP STÖLZL, K: KOLJA BRANDT; D: B. FÜRMANN, F. LUKAS,
U. TUKUR, J. WOKALEK, 121 MIN., KINOSTART: 23.10.08
waren die jungen Alpinisten aufgebrochen, um als erste die „Todeswand”
zu durchsteigen. Beobachet von den
Medien und den Touristen am Fernrohr, beginnen zwei Seilschaften den
Aufstieg am 18. Juli. Vier Tage verfolgt
man mit Spannung die unglaublichen
Kletterkünste der bald durch Probleme
vereinten Teams. Dann ist der Spuk
vorbei.
Anonyma – Eine Frau in Berlin
Die beste Entscheidung war die Besetzung. Nina Hoss spielt einfühlsam die
bis zu ihrem Tod anonym gebliebene
Frau, die bei Kriegsende Tagebuch
führte über das Überleben in der eroberten Stadt. Ihre Aufzeichnungen
sind ein einmaliges literarisches Doku-
ment dieser Zeit. Im unsentimentalpragmatischen Ton der Berlinerin
schrieb die Fotojournalistin im Bombenkeller erstmals auf, was geschah:
die Massenvergewaltigungen durch
russische Soldaten, die Nächte der
Bombardierung, den Hunger, die Gemeinheit, auch das Gemeinsame. Es
ist dieser Ton, mit dem sie Distanz
zwischen sich und
den Schrecken zu
bringen schien.
Dieser Ton geht
in der Verfilmung
leider völlig flöten.
Sie konzentriert
sich auf den
Schrecken der Vergewaltigungen, doch
alles wirkt bedenkenschwer und unentschlossen. Das Drehbuch – und das
war die schlechteste Entscheidung –
endet vorzeitig mit dem Abzug der
Russen aus dem Viertel. Anonymas
kluge Gedanken zu Verantwortung
und Sühne, die Arbeit in den Trümmern, der Hunger und die Beschaffungsmodalitäten sind ausgeblendet
zugunsten eines Effekts, der die Geschichte wohl zuspitzen sollte. Letztendlich zieht er ihr nur den Zahn. Gerade das aber hat die Autorin nicht
JM
verdient.
D/P 2008, R: MAX FÄRBERBÖCK, D: NINA
HOSS, EVGENY SIDIKHIN, IRM HERMANN;
L.: CA.110 MIN., KINOSTART: 23.10.08
High School Musical 3 – The
Senior Years | Wie sagt Michael J.
Fox in Zurück in die Zukunft zu seinem befremdeten Publikum? „Ihr findet das vielleicht schrecklich, aber eure Kinder werden es lieben!“ Ähnlich
ratlos stehen weltweit die Eltern vor
dem Phänomen der High-School-Musical-Filme und dem Superstar-Status
sämtlicher Darsteller. Die beiden ersten Folgen des Schulmusicals waren
lediglich für TV und DVD konzipiert.
Doch sie hatten die Rechnung ohne
die einschaltwütigen Teenies gemacht. Teil drei kommt deshalb ohne
Umwege in die Kinos. Die Senior
Years stehen an, der Gruppe sing-
HÖREN
und tanzbegeisterter Schüler droht die
Trennung. Doch zum Abschied stellen
sie ein weiteres Musical auf die Beine
– wie üblich gegen einige Widerstände. Die Einkommensschere ihrer Eltern
treibt immer mal einen Keil zwischen
die Freunde, doch auch diesmal rauft
man sich wieder zusammen. Die Liebesgeschichte zwischen Gabriella und
Troy könnte niedlicher nicht sein,
die Tanzchoreographien haben
ein erstaunliches
Niveau, die Songs
sind der pure Pop,
und die Eltern
kommen ohne Lektion auch nicht davon. Das ist amerikanisches Zuckerwattenkino, unpolitisch, professionell
und ohne großen intellektuellen
Gehalt. Aber Ihre Kinder werden
es lieben.
JM
USA 2008, R.: KENNY ORTEGA, D.: ZAC
EFRON, VANESSA HUDGENS, ASHLEY
TISDALE UND CORBIN BLEU, L.: CA.
100 MIN., KINOSTART: AB 23.10.08
FOTOS: DAVID LINK, PROMO
Das Leben tut weh
Rosenstolz: Die Suche geht weiter |
Hören wir doch einfach mal zu: Herzen werden
auf der Hand getragen, Liebe wird gefeiert,
Mauern werden eingerissen. In Kissen wird gebissen und im Himmel tut sich ein Fenster auf.
Das Leben muss weh tun, „denn nur wenn’s
weh tut, ist es gut“.
Eins, das wird schnell klar, hat sich bei Rosenstolz auch auf ihrem nun schon elften Album
nicht verändert: Dem Duo aus Berlin ist keine
Metapher zu abgegriffen, kein Bild zu pathetisch, kein Gefühlsausdruck zu kitschig. Und
genau darauf gründet sich ihr Erfolg.
Dieser Erfolg ist exorbitant. Mit Gib mir Sonne,
der ersten Auskopplung aus dem neuen Album, haben Peter Plate und AnNa R. erstmals
die Spitze der Single-Charts erklommen. Nummer-Eins-Alben gehören sowieso schon zum
Alltag, ebenso wie ausverkaufte Tourneen.
Rosenstolz sind nicht mehr Schwulen-Kult,
sondern längst zum Mainstream geworden.
Der Grund dafür ist simpel: Die Texte, die Plate schreibt, strotzen zwar vor geschickt ge-
Deichkind: Arbeit nervt | Das
Thema „Arbeitsverweigerung“ ist
gerade en vogue im deutschen Pop.
Tocotronic haben
mit Kapitulation
den Soundtrack
zum Nichtstun
geschrieben, Die
Sterne haben dem
Müßiggang als
Protestform ganze Songs gewidmet, jetzt zieht die
Hamburger Rabauken-Truppe Deichkind nach. Arbeit nervt heißt ihr neues Album, das ihren ohnehin schon
stark gedehnten Hip-Hop-Begriff ein
weiteres Mal in Frage stellt. Sie haben
Country gemacht, schmalzige RockEpen, selbstironischen Rap, düsteren
Elektrofunk und butterweichen Soul,
mittlerweile sind Deichkind bei einer
furiosen Elektro-Techno-HipHop-Mischung angekommen, die Spaß-Krawall, Großraumdiscobeats und Partykeller-Stimmung als krachigen PopBastard auf den Punkt bringt. Nein,
Subtilität ist Deichkinds Sache nicht –
und auch die Frage, welcher Arbeitsbegriff hier zum Thema gemacht wird,
führt ins Leere. Im Video zur Single
wird Deichkinds Gegenprogramm visualisiert: Eine bierselige Massenkeilerei ist die Antwort, dazu Zeilen wie
„Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des
Versagers“. Ihr Aufstand ist Party, ihre
Musik so subversiv wie ein Frottee-Bademantel. Wer nicht mehr zum Spaßhaben braucht, der ist bei Deichkinds
Volle-Pulle-Gaga-Elektro genau
richtig.
PESCH
CD, VERTIGO / UNIVERSAL
Buena Vista Social Club: At
Carnegie Hall | Als die CD Buena
Vista Social Club im Frühsommer
1997 erscheint, denkt niemand an
den märchenhaften Erfolg, den die
kubanischen Soneros in der Folge haben werden. Bis heute hat sich ihr Album weltweit acht Millionen Mal ver-
tarnten Plattitüden, sind aber auch so kunstvoll kryptisch gehalten, dass sich jede und jeder, der schon einmal verliebt war, darin wiedererkennen darf. Vor allem aber distanziert
er sich nicht ironisch von der großen Sehnsucht nach der Liebe, der großen Überwältigung während der Liebe und der großen
Trauer nach der Liebe.
Dieser Briefkastentanten-Pop kommt in der
zweiten Hälfte des Albums allerdings nahezu
zum Stillstand: Mit jeder neuen Ballade wird
der Rhythmus noch langsamer und die Stimmungslage noch melancholischer. Das Ergebnis
ist Kitsch in seiner reinsten Form, der allerdings
keinen Zynismus kennt. Das ist denn auch das
Alleinstellungsmerkmal von Rosenstolz: Peter
Plate und AnNa R. gelingt es wie niemandem
sonst hierzulande, gefühlig zu werden, ohne im
Schwulst zu versinken. Unter den Händen von
Rosenstolz wird Pathos zur Alltagsemotion, bekommt die Trivialität Tiefe und sogar der Allgemeinplatz erscheint plötzlich authentisch. Man
muss eben nur mal zuhören. THOMAS WINKLER
POP, CD ISLAND/ UNIVERSAL
kauft. Ein absoluter Klassiker der
World Music. Einige der Helden sind
inzwischen in die ewigen Musikgründe eingekehrt.
Der Club wird also nie wieder in
seiner ursprünglichen Besetzung
auftreten. Umso
schöner, jetzt
noch einmal alle
„Buena Vistas“ gemeinsam zu erleben
– auf dem Höhepunkt einer Tournee,
bei der sie auch in einem heiligen USKonzerttempel aufspielten. Zehn Jahre
nach dem wahrlich historischen Konzert in der New Yorker Carnegie Hall
erscheint der Mitschnitt nun als luxuriös aufgemachtes 2-CD-Set. Inklusive
32-seitigem Booklet mit Fotos der
Künstler und Statements aller an der
Produktion Beteiligten. Das Album
bietet fast 80 Minuten feinsten Buena-Vista-Sound und bringt selbstverständlich Perlen wie Compay Segundos Chan Chan, das berühmte, als
Duett für Omara Portuondo und Ibrahim Ferrer arrangierte Dos Gardenias
und den Party-Kracher Candela. Am
Ende gibt's frenetischen Jubel und
eine Standing Ovation in der Carnegie
Hall. Dem kann man sich nur anschließen.
RIX
CD, WORLD CIRCUIT/INDIGO

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