PDF-Download (396 kB )
Transcription
PDF-Download (396 kB )
18 K U L T U R B E U T E L VER.DI PUBLIK 10 OKTOBER 2008 ANSTEHEN YOU_ser: Das Jahrhundert des Konsumenten | „Jeder Mensch ist ein Künstler“, lautete Joseph Beuys’ Manifest 1972 auf der 5. documenta in Kassel. Damals klang das in vielen Ohren noch vermessen, doch in Zeiten von Computern und Internet haben Millionen Menschen auf der ganzen Welt etliche Möglichkeiten, sich kreativ auszutoben. Und Webseiten wie Myspace oder Youtube belegen jeden Tag aufs Neue, dass es schon Millionen tun. Die letzten SEHEN zwei Jahrzehnte haben deshalb nicht nur die Produktion von Kunst, sondern auch den Kunstbegriff erweitert. Für den Kunstkenner mag ein Video auf youtube nicht unbedingt Kunst sein, für die Millionen von Usern schon. Im Medienmuseum des ZKM, des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, können die Besucher diese Entwicklung noch einmal durchlaufen und – das ist das entscheidend Andere – immer wieder mit Eingriffen der Ausstellung den eigenen Kunststempel aufdrücken. PEWE ZKM, MEDIENMUSEUM, LORENZSTR. 19, KARLSRUHE, BIS 30. AUGUST 2009, MIFR 10-18 UHR, SA/SO 11-18 UHR KLICKEN www.fuereinebesserewelt.info Der pathetische Titel sollte einen nicht schrecken. Auf der Website Für eine bessere Welt – wohlgemerkt mit der seltenen Endung „.info“ – geht es journalistisch zu, im Stil eines PolitMagazins: mit einem „Aufmacher“, zahlreichen Meldungen und für sich sprechenden Rubriken. Von „Datenschutz & Demokratie“ über „Frieden & Menschenrechte“ bis zu „Wirtschaft & Finanzen“ reichen die Anliegen. „Wir möchten zeigen, dass es viele Menschen, Initiativen und Projekte gibt, die sich für eine bessere Welt einsetzen“, sagt das verantwortliche Journalisten-Ehepaar aus Hamburg, Ilona Koglin und Marek Rohde, über die kommerzfreie Plattform. Dies gelingt recht gut, das Konstruktive überwiegt und motiviert. Ein paar kleine Hänger, etwa der aus reinem Klappentext bestehende Buchtipp, werden durch gute Exklusiv-Interviews, die teils als Videoangebot vorliegen, wettgemacht. Engagierter Journalismus und lesenswert. HEST Kaiserreich, Imperialismus und der Erste Weltkrieg; Weimarer Republik, Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg | Hier biedert sich keine „Game“-Idee an, hier wird kein Multimedia-Feuerwerk abgefeuert. Alles, was die CD-ROMs dieser Reihe anbieten, ist eine didaktische und lexikalische Sortierung von Materialien und Dokumenten zur jüngeren deutschen Geschichte, wie für audiovisuelle Unterrichtsbegleitung geschaffen. Zahlreiche Texte und Originaldokumente, faksimilierte Plakate und historische Fotos sowie Audio- und Filmsequenzen lassen sich abrufen, man kann gut „stöbern“ und assoziativ lernen. Dass hier keine Links integriert sind, weder für Verknüpfungen innerhalb der CD noch zu weiteren Quellen im Netz, ist allerdings ein herbes Defizit, und das nicht nur für die heutige, an Wikipedia, Google und Youtube gewöhnte Schüler-Generation. HEST 2 CD-ROMS F. WIN. 2000/XP/VISTA (INFO-PROGRAMM GEMÄSS §14 JUSCHG) Der Film zur Krise Let’s Make Money | So. Wo ist nun all das schöne Geld? Was uns heute umtreibt, hat Filmemacher Erich Wagenhofer seit zwei Jahren recherchiert und liefert zum richtigen Zeitpunkt dringend benötigte Antworten und Bilder. Für seinen neuen Film ist er dem Geld gefolgt, auf seinem zwielichtigen Weg durch die internationalen Finanzkanäle. Wagenhofers Arbeitsweise ist seit seiner Lebensmittel-Dokumentation We Feed The World unverändert. Er holt die Gegensätze vor die Kamera. Eingefleischte Neoliberale und Globalisierungskritiker. Er fragt Präsidenten von Investmentfonds, Unternehmer, Immobilienhändler. Aber auch Geografen und Agronomen. Oder Globalisierungskritiker wie Werner Rügemer und Hermann Scheer, letztere unseren Leser/innen durchaus mit ihren Positionen vertraut. Und er stellt die Fragen mit der naiven Haltung des Papalagi: Wie kann Geld „arbeiten”? Wohin fließt es, wenn wir es der Bank anvertraut haben? Und: Wer zahlt, wenn die mit kaputten Krediten dasteht? Nun, letzteres wissen wir inzwischen. Der Film folgt den vier Säulen des Neoliberalismus und sieht sich die Konsequenzen der Deregulierung, der Liberalisierung des Handels, der Privatisierung und der Enstaatlichung in betroffenen Ländern an. Er geht zu den Goldschürfern in Ghana und zeigt, wie 97 Prozent des Gol- des in die Schweiz wandert. Drei Prozent bleiben für Afrika, das man dafür noch zahlen lässt. Mit weiteren Schulden. Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung sagt, dass Grenzen für Geld, Dienstleistungen und Waren offen sein müssen. Bei Menschen aber solle man einen Eintrittspreis verlangen, wie in einem Tennisclub. Das ist neoliberaler Autismus, wie ihn auch Investor Mark Mobius (Foto) in Singapur kultiviert. Dort sind die Bedingungen super, da nur seine Angestellten Steuern zahlen müssen. Ethik sei im Übrigen nicht die Aufgabe von Investoren. Schön ist es auch auf Jersey, der idyllischen Steueroase im Ärmelkanal. Dort nimmt man alles, Schwarzgeld, Drogengeld, Blutgeld. Weil das anstrengend ist, kommt die sonst stille Insel schon mal wegen systematischen Missbrauchs seiner Waisenkinder in die Zeitung. Und unsere Rentenbeiträge stecken teilweise in tausenden leerstehenden Wohnungen, die wie ein „Zement-Tsunami“ die spanische Küste überrollt haben. Als Geldanlage. Let's Make Money ist ein Erklärstück. Funktionskino. Und nie war das so wertvoll wie heute. Wir lernen ja gerade wieder: Vertrauen ist nicht. Hingucken ist besser. JENNY MANSCH Ö 2008. R: E. WAGENHOFER, L.: 110 MIN, KINOSTART 30.10 . LESEN PREISRÄTSEL Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir rund um High School Musical 3: DVD HSM 1/2; Pompons, Schweißbänder, Bandanas, Bilderrahmen, Trinkflaschen! Das Statistische Bundesamt hat die Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren untersucht. Auffällig sei C dass mittlerweile jeder vierte Erwerbstätige – 7,7 Millionen Menschen – atypisch beschäftigt sei, also in Teilzeit, geringfügig oder befristet P dass Männer und Frauen bei der Bezahlung gleichgezogen haben Z dass den Forderungen der Gewerkschaften zunehmend Folge geleistet wird Die heimliche Kamera-Überwachung der Beschäftigten eines großen Discounters schlug vor Monaten hohe Wellen. Jetzt wurde das Unternehmen zu einer 140-Millionen-EuroStrafe für Bespitzelung und das Fehlen von Datenschutzbeauftragten verurteilt. Welches? A Netto N Lidl W Penny Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat John McCain überraschte, als er die bis dahin praktisch unbekannte Sarah Palin zu seiner Vizekandidatin erkor. Welchen Posten hatte die 44-jährige Politikerin noch nicht inne? B Gouverneurin von Alaska X Bürgermeisterin des 7 000-Einwoh- ner-Städtchens Wasilla in Alaska H Frauenbeauftragte der Republikanischen Partei Die SPD hat schon wieder einen neuen Parteichef. Da verliert man leicht den Überblick. Wer erinnert sich an das Jahr, in dem Oskar Lafontaine SPD-Vorsitzender war und der Mann an der Spitze der CDU Wolfgang Schäuble hieß? G 1997 M 1999 O 2001 Wer hätte das gedacht? Selbst Bahn-Chef Mehdorn lässt sich durch Kritik von kundenfeindlichen Maßnahmen abbringen, wenn diese nur heftig genug vorgetragen wird. Nun gibt es doch keinen „Bedienzuschlag“ für S die Benutzung der Toiletten im Zug F das Servieren von Snacks und Getränken in den Waggons der 2. Klasse N den Verkauf von Fahrscheinen in den Reisezentren der Bahn Freiberufliche Karikaturisten, Schriftsteller oder Radioreporter können aufatmen: Vorläufig ist der Versuch von sieben Bundesländern gescheitert, den staatlichen Zuschuss zu ihrer Renten- und Krankenversicherung abzuschaffen. Diese oft überlebenswichtige Leistung erbringt E die Künstlersozialversicherung D der Freiberuflernotfonds Y die Poetenhilfskasse Nach acht Jahren hat die Bundesregierung „zur Wahrung der nationalen sicherheitspolitischen Interessen“ eine Privatisierung rückgängig gemacht. Im Staatsbesitz ist nun wieder I die Bundesbahn U die Bundesdruckerei L die Kreditanstalt für Wiederaufbau Bei den Lehman Brothers handelt es sich um R Romanfiguren Sven Regeners, des Sängers der Kultband Element of Crime J ein amerikanisches Bruderpaar, das sich als Regisseure von Filmen wie Fargo oder jüngst der CIA-Groteske Burn after Reading Ruhm erwarb E eine US-Investmentbank, deren Bankrott die Finanzkrise der Wall Street verschärfte Die Kennbuchstaben der richtigen Lösungen ergeben, neu sortiert, den Schauplatz einer historischen Wahlschlappe. Viel Spaß! Bitte schicken Sie eine Postkarte mit dem Lösungswort bis zum 5. 11. 08 (Datum des Poststempels) an: ver.di PUBLIK, Preisrätsel, 10112 Berlin. Lösungswort des letzten Preisrätsels: Kaukasus Gewonnen haben: M. Rehwald (Hanau), R. Schäfer-Baab (Erzhausen), C. Schlutow (Schwaan), R. Hagen (Bonn), U. Bloch (Kassel), H. Räder (Nürnberg), H. F. Schneider (Braubach), P. Tarke (Ulm), A. Bauer (Gera), L. Sander (Rostock). Herzlichen Glückwunsch! Maria C. Barbetta: Änderungsschneiderei Los Milagros | Die kleine Änderungsschneiderei in Buenos Aires ist ein magischer Ort. Hier werden nicht nur Hochzeitskleider geändert, sondern Lebensentwürfe ausprobiert und verworfen. Mariana, eine überbehütete junge Frau, die bei ihrer Tante Milagros als Schneiderin arbeitet, wird durch die Begegnung mit einer Kundin an ihre eigenen Träume erinnert. Das Verschwinden ihres geliebten Gerardos hat sie aus der Lebensbahn geworfen. Beim Ändern des fremden Hochzeitskleides verweben sich aber immer geheimnisvoller die Fäden von zwei Liebesgeschichten. Maria Barbetta hat mit ihrem Debüt einen magisch-realistischen und zugleich komischen Roman vorgelegt. Das Buch ist liebevoll mit so genannten „Stoffmustern“ gestaltet, die aber Ausgangspunkte für Träumereien und nicht für Schneiderkunst sind. KLIX S. FISCHER, 2008, 336 S., 19,90€ Ian Rankin: Ein Rest von Schuld | Der 25. 11. 2006 wird für John-Rebus-Fans als schwarzer Tag in die Geschichte eingehen. Da ging der Edinburgher Detektiv nämlich in Pension. In den zehn Tagen vorher wurde er vom Dienst suspendiert, galt als Hauptverdächtiger für den Mordversuch an seinem ewigen Gegenspieler, dem Unterweltboss Big Ger Cafferty und hat den Mord an einem russischen Dichter aufgeklärt. Ob das nun der endgültige Abgang des ersten und einzigen Serienhelden der Kriminalliteratur war, der in Echtzeit gealtert ist und nun nach 21 Jahren und 17 Bänden mit 60 in den gesetzlich vorge- schrieben Ruhestand geht, das kann nur Autor Ian Rankin entscheiden. „Denkbar wäre, so Rankin, die Serie mit seiner Kollegin Siobhan weiterzuführen, die sich dann Rat bei dem Rentner holen könnte, oder Rückblenden auf Rebus alte Fälle. „Was ich nicht will, so Rankin bestimmt, „ist, dass man mich entführt, ans Bett fesselt und droht die Beine zu brechen, wenn ich Rebus nicht wieder zum Leben erwecke.“ BART KRIMI, MANHATTAN, Ü: G./D. BANDINI, 541 S., 19,95 € Klaus-Werner Lobo: Uns gehört die Welt | Dieses Buch will Menschen, die für eine gerechtere Globalisierung kämpfen, mit Munition versorgen. Deshalb hat der Verfasser des Schwarzbuchs Markenfirmen nun ein Werk vorgelegt, das sich an Jugendliche richtet, aber auch für andere Aktivisten nützlich sein dürfte. Die kranken Geschäfte der Pharmaindustrie werden ebenso thematisiert wie der Krieg um Rohstoffe für die Handyproduktion. Konkret beschreibt der Autor, was unsere Geiz-ist-geil-Mentalität für Menschen anderswo bedeutet und was sich bei Markenfirmen wie Adidas, Coca-Cola oder McDonalds für Beschäftigte und Zulieferer abspielt. Die klare Botschaft lautet: Das alles kann man ändern. Das Buch gibt zahlreiche Hinweise, wie und wo man sich mit Witz und Kreativität engagieren kann. AJE SACHBUCH,HANSER-VERLAG, 192 S., 14,90 € VER.DI PUBLIK 10 OKTOBER 2008 K U L T U R B E U T E L 19 SEHEN Immer an der Wand lang Nordwand | Man nennt sie auch den Menschenfresser. Insofern kann man froh sein, dass alle an diesem Film Beteiligten heil aus der Wand des Eiger zurückgekommen sind. Regisseur Philipp Stölzl hat die dramatische Besteigung der Eiger-Nordwand durch Toni Kurz und Andi Hinterstoisser als klassischen Bergfilm in Szene gesetzt. 1936 Auch Stölzls atemberaubender Film wird vom wetterfühligen Eiger ganz und gar beherrscht. Fast scheint die fiktive Rahmenhandlung dem Wunsch geschuldet, wenigstens den Zuschauer ab und zu ins Warme zu lassen. Gegen die aufregenden, fast dokumentarischen Bilder aus der Wand und den Krawall des übellaunigen Hauptdarstellers hat sie kaum eine Chance. Ein echtes Abenteuer im Kinosessel, perfekt ergänzt durch das opulente Filmbuch des Schweizer AS-Verlags. JM D/Ö/CH 2008, R: PHILIPP STÖLZL, K: KOLJA BRANDT; D: B. FÜRMANN, F. LUKAS, U. TUKUR, J. WOKALEK, 121 MIN., KINOSTART: 23.10.08 waren die jungen Alpinisten aufgebrochen, um als erste die „Todeswand” zu durchsteigen. Beobachet von den Medien und den Touristen am Fernrohr, beginnen zwei Seilschaften den Aufstieg am 18. Juli. Vier Tage verfolgt man mit Spannung die unglaublichen Kletterkünste der bald durch Probleme vereinten Teams. Dann ist der Spuk vorbei. Anonyma – Eine Frau in Berlin Die beste Entscheidung war die Besetzung. Nina Hoss spielt einfühlsam die bis zu ihrem Tod anonym gebliebene Frau, die bei Kriegsende Tagebuch führte über das Überleben in der eroberten Stadt. Ihre Aufzeichnungen sind ein einmaliges literarisches Doku- ment dieser Zeit. Im unsentimentalpragmatischen Ton der Berlinerin schrieb die Fotojournalistin im Bombenkeller erstmals auf, was geschah: die Massenvergewaltigungen durch russische Soldaten, die Nächte der Bombardierung, den Hunger, die Gemeinheit, auch das Gemeinsame. Es ist dieser Ton, mit dem sie Distanz zwischen sich und den Schrecken zu bringen schien. Dieser Ton geht in der Verfilmung leider völlig flöten. Sie konzentriert sich auf den Schrecken der Vergewaltigungen, doch alles wirkt bedenkenschwer und unentschlossen. Das Drehbuch – und das war die schlechteste Entscheidung – endet vorzeitig mit dem Abzug der Russen aus dem Viertel. Anonymas kluge Gedanken zu Verantwortung und Sühne, die Arbeit in den Trümmern, der Hunger und die Beschaffungsmodalitäten sind ausgeblendet zugunsten eines Effekts, der die Geschichte wohl zuspitzen sollte. Letztendlich zieht er ihr nur den Zahn. Gerade das aber hat die Autorin nicht JM verdient. D/P 2008, R: MAX FÄRBERBÖCK, D: NINA HOSS, EVGENY SIDIKHIN, IRM HERMANN; L.: CA.110 MIN., KINOSTART: 23.10.08 High School Musical 3 – The Senior Years | Wie sagt Michael J. Fox in Zurück in die Zukunft zu seinem befremdeten Publikum? „Ihr findet das vielleicht schrecklich, aber eure Kinder werden es lieben!“ Ähnlich ratlos stehen weltweit die Eltern vor dem Phänomen der High-School-Musical-Filme und dem Superstar-Status sämtlicher Darsteller. Die beiden ersten Folgen des Schulmusicals waren lediglich für TV und DVD konzipiert. Doch sie hatten die Rechnung ohne die einschaltwütigen Teenies gemacht. Teil drei kommt deshalb ohne Umwege in die Kinos. Die Senior Years stehen an, der Gruppe sing- HÖREN und tanzbegeisterter Schüler droht die Trennung. Doch zum Abschied stellen sie ein weiteres Musical auf die Beine – wie üblich gegen einige Widerstände. Die Einkommensschere ihrer Eltern treibt immer mal einen Keil zwischen die Freunde, doch auch diesmal rauft man sich wieder zusammen. Die Liebesgeschichte zwischen Gabriella und Troy könnte niedlicher nicht sein, die Tanzchoreographien haben ein erstaunliches Niveau, die Songs sind der pure Pop, und die Eltern kommen ohne Lektion auch nicht davon. Das ist amerikanisches Zuckerwattenkino, unpolitisch, professionell und ohne großen intellektuellen Gehalt. Aber Ihre Kinder werden es lieben. JM USA 2008, R.: KENNY ORTEGA, D.: ZAC EFRON, VANESSA HUDGENS, ASHLEY TISDALE UND CORBIN BLEU, L.: CA. 100 MIN., KINOSTART: AB 23.10.08 FOTOS: DAVID LINK, PROMO Das Leben tut weh Rosenstolz: Die Suche geht weiter | Hören wir doch einfach mal zu: Herzen werden auf der Hand getragen, Liebe wird gefeiert, Mauern werden eingerissen. In Kissen wird gebissen und im Himmel tut sich ein Fenster auf. Das Leben muss weh tun, „denn nur wenn’s weh tut, ist es gut“. Eins, das wird schnell klar, hat sich bei Rosenstolz auch auf ihrem nun schon elften Album nicht verändert: Dem Duo aus Berlin ist keine Metapher zu abgegriffen, kein Bild zu pathetisch, kein Gefühlsausdruck zu kitschig. Und genau darauf gründet sich ihr Erfolg. Dieser Erfolg ist exorbitant. Mit Gib mir Sonne, der ersten Auskopplung aus dem neuen Album, haben Peter Plate und AnNa R. erstmals die Spitze der Single-Charts erklommen. Nummer-Eins-Alben gehören sowieso schon zum Alltag, ebenso wie ausverkaufte Tourneen. Rosenstolz sind nicht mehr Schwulen-Kult, sondern längst zum Mainstream geworden. Der Grund dafür ist simpel: Die Texte, die Plate schreibt, strotzen zwar vor geschickt ge- Deichkind: Arbeit nervt | Das Thema „Arbeitsverweigerung“ ist gerade en vogue im deutschen Pop. Tocotronic haben mit Kapitulation den Soundtrack zum Nichtstun geschrieben, Die Sterne haben dem Müßiggang als Protestform ganze Songs gewidmet, jetzt zieht die Hamburger Rabauken-Truppe Deichkind nach. Arbeit nervt heißt ihr neues Album, das ihren ohnehin schon stark gedehnten Hip-Hop-Begriff ein weiteres Mal in Frage stellt. Sie haben Country gemacht, schmalzige RockEpen, selbstironischen Rap, düsteren Elektrofunk und butterweichen Soul, mittlerweile sind Deichkind bei einer furiosen Elektro-Techno-HipHop-Mischung angekommen, die Spaß-Krawall, Großraumdiscobeats und Partykeller-Stimmung als krachigen PopBastard auf den Punkt bringt. Nein, Subtilität ist Deichkinds Sache nicht – und auch die Frage, welcher Arbeitsbegriff hier zum Thema gemacht wird, führt ins Leere. Im Video zur Single wird Deichkinds Gegenprogramm visualisiert: Eine bierselige Massenkeilerei ist die Antwort, dazu Zeilen wie „Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers“. Ihr Aufstand ist Party, ihre Musik so subversiv wie ein Frottee-Bademantel. Wer nicht mehr zum Spaßhaben braucht, der ist bei Deichkinds Volle-Pulle-Gaga-Elektro genau richtig. PESCH CD, VERTIGO / UNIVERSAL Buena Vista Social Club: At Carnegie Hall | Als die CD Buena Vista Social Club im Frühsommer 1997 erscheint, denkt niemand an den märchenhaften Erfolg, den die kubanischen Soneros in der Folge haben werden. Bis heute hat sich ihr Album weltweit acht Millionen Mal ver- tarnten Plattitüden, sind aber auch so kunstvoll kryptisch gehalten, dass sich jede und jeder, der schon einmal verliebt war, darin wiedererkennen darf. Vor allem aber distanziert er sich nicht ironisch von der großen Sehnsucht nach der Liebe, der großen Überwältigung während der Liebe und der großen Trauer nach der Liebe. Dieser Briefkastentanten-Pop kommt in der zweiten Hälfte des Albums allerdings nahezu zum Stillstand: Mit jeder neuen Ballade wird der Rhythmus noch langsamer und die Stimmungslage noch melancholischer. Das Ergebnis ist Kitsch in seiner reinsten Form, der allerdings keinen Zynismus kennt. Das ist denn auch das Alleinstellungsmerkmal von Rosenstolz: Peter Plate und AnNa R. gelingt es wie niemandem sonst hierzulande, gefühlig zu werden, ohne im Schwulst zu versinken. Unter den Händen von Rosenstolz wird Pathos zur Alltagsemotion, bekommt die Trivialität Tiefe und sogar der Allgemeinplatz erscheint plötzlich authentisch. Man muss eben nur mal zuhören. THOMAS WINKLER POP, CD ISLAND/ UNIVERSAL kauft. Ein absoluter Klassiker der World Music. Einige der Helden sind inzwischen in die ewigen Musikgründe eingekehrt. Der Club wird also nie wieder in seiner ursprünglichen Besetzung auftreten. Umso schöner, jetzt noch einmal alle „Buena Vistas“ gemeinsam zu erleben – auf dem Höhepunkt einer Tournee, bei der sie auch in einem heiligen USKonzerttempel aufspielten. Zehn Jahre nach dem wahrlich historischen Konzert in der New Yorker Carnegie Hall erscheint der Mitschnitt nun als luxuriös aufgemachtes 2-CD-Set. Inklusive 32-seitigem Booklet mit Fotos der Künstler und Statements aller an der Produktion Beteiligten. Das Album bietet fast 80 Minuten feinsten Buena-Vista-Sound und bringt selbstverständlich Perlen wie Compay Segundos Chan Chan, das berühmte, als Duett für Omara Portuondo und Ibrahim Ferrer arrangierte Dos Gardenias und den Party-Kracher Candela. Am Ende gibt's frenetischen Jubel und eine Standing Ovation in der Carnegie Hall. Dem kann man sich nur anschließen. RIX CD, WORLD CIRCUIT/INDIGO