Klimaschutzpolitik durch Gebote und Verbote

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Klimaschutzpolitik durch Gebote und Verbote
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 /
14. Wahlperiode
16. 03. 2007
1058
Antrag
der Abg. Ulrich Müller u. a. CDU
und
Stellungnahme
des Umweltministeriums
Klimaschutzpolitik durch Gebote und Verbote
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. welche Vorschriften es schon heute gibt, in denen ein bestimmtes Verhalten aus Klimaschutzgründen geboten oder verboten ist;
2. ob sie grundsätzlich der Auffassung ist, dass neben einer Klimaschutzpolitik aus Überzeugung (z. B. Öffentlichkeitsarbeit), marktwirtschaftlichen Mechanismen (z. B. Zertifikatehandel), Selbstverpflichtungen der
Wirtschaft sowie der positiven oder negativen Beeinflussung von Preisen
und Kosten (z. B. durch Steuerpolitik oder Subventionen) künftig verstärkt
das direkte und für den Staat kostenlose Mittel von Geboten und Verboten
eine größere Rolle spielen wird oder spielen soll;
3. auf welchen Gebieten Gebote und Verbote im Interesse des Klimaschutzes
international, national und auf Landesebene diskutiert werden (z. B. zur
Nutzung regenerativer Energien, Vorgaben zur energetischen Sanierung,
Nutzungsverbote z. B. für Glühbirnen, Vorschriften zur Reduzierung des
Stand-by-Verbrauchs, Vorgaben für CO2-Emissionen in einzelnen Sektoren);
4. inwieweit sie sich zu den diskutierten Vorschlägen bereits ein Urteil gebildet hat, vor allem, soweit es um Fragen geht, die in der Kompetenz der
Kommunen, des Landes und des Bundes liegen.
14. 03. 2007
Müller, Jägel, Lusche, Raab,
Schätzle, Schebesta, Scheuermann CDU
Eingegangen: 16. 03. 2007 / Ausgegeben: 19. 04. 2007
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
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Begründung
Im gesamten „Instrumentenkasten“ der Umweltpolitik allgemein, der Klimaschutzpolitik speziell, hat in den vergangenen Jahren das Instrument des
schlichten staatlich angeordneten Ge- und Verbots eine eher geringe Rolle
gespielt, weil es gegen dieses Instrument richtigerweise auch Bedenken gibt,
so z. B. die Gefahr der Investitionslenkung, des Freiheitsverlustes, der geringen Akzeptanz, der fehlenden Treffsicherheit, unangemessener Nebenfolgen
oder der Bürokratisierung. Angesichts der Herausforderungen im Klimaschutz stellt sich nun aber wieder vermehrt die Frage, ob nicht alle möglichen
Instrumente der Klimaschutzpolitik zum Einsatz kommen müssen. Dies vor
dem Hintergrund, dass manche Instrumente nur bedingt gegriffen haben bzw.
die öffentliche Hand viel Geld kosten. Nicht jedes erwünschte Verhalten
muss belohnt oder durch Subventionen für den Betreffenden erträglich gemacht werden. Eine Neujustierung der einzelnen Strategien unter Einschluss
einer klassischen Strategie staatlichen Handelns erscheint daher angezeigt.
Der Antrag will die Diskussion dazu anstoßen.
Stellungnahme
Mit Schreiben vom 11. April 2007 Nr. 22–4513/12 nimmt das Umweltministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum zu dem Antrag wie folgt Stellung:
1. welche Vorschriften es schon heute gibt, in denen ein bestimmtes Verhalten
aus Klimaschutzgründen geboten oder verboten ist;
Vorab ist festzuhalten, dass nur wenige Rechtsvorschriften als Zweckbestimmung den Klimaschutz ausdrücklich benennen. Der Fall ist dies beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den Regelungen des Emissionshandels,
des Treibhausgasemissionshandelsgesetzes (TEHG) und des Zuteilungsgesetzes (ZUG). Diese Gesetze werden jedoch als preisliche bzw. marktwirtschaftliche Instrumente zumeist nicht dem durch Ge- und Verbote bestimmten Ordnungsrecht zugerechnet. Darüber hinaus gibt es z. B. in einschlägigen (landwirtschaftlichen) Fachgesetzen Vorschriften, wie das Einarbeitungsverbot für
Gülle und weitere bestimmte Düngemittel, die für den Klimaschutz relevant
sind.
Es gibt jedoch eine Reihe an Vorschriften, in denen ein bestimmtes Verhalten
zumindest auch aus Klimaschutzgründen geboten oder verboten ist:
– Am 1. Februar 2002 ist die Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV) auf der Grundlage des Gesetzes zur Einsparung von
Energie in Gebäuden (Energieeinsparungsgesetz – EnEG) in Kraft getreten.
Hauptanliegen der Energieeinsparverordnung ist es, den Heizenergieverbrauch bei Neubauten um etwa 30 % auf Niedrigenergiehaus-Standard zu
senken und damit auch zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen beizutragen. Die Verordnung schreibt vor, dass ein Neubau so errichtet werden
muss, dass er grundsätzlich einen bestimmten, rechnerisch ermittelten Bedarf an Primärenergie für Heizung, Lüftung und Warmwasser nicht überschreitet. Dabei muss ein gewisses bau- und anlagentechnisches Mindestniveau eingehalten werden. Für bestehende Gebäude wird eine Verpflichtung zur zusätzlichen Dämmung begründet, wenn bestimmte Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus verlangt die
Verordnung, dass alte Öl- und Gasheizkessel unter bestimmten Voraussetzungen ausgetauscht werden müssen. Der aktuelle Novellierungsvorschlag
der Bundesregierung sieht die Einführung von Energieausweisen auch für
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Neubauten vor. Damit soll die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie in nationales
Recht umgesetzt werden.
– § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) Baugesetzbuch sieht die Möglichkeit vor, dass die
Kommunen aus städtebaulichen Gründen im Bebauungsplan Gebiete festsetzen, in denen bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche
Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien, insbesondere die Solarenergie, getroffen werden müssen.
– Auf der Ebene des Kommunalrechts können die Gemeinden in BadenWürttemberg gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung Baden-Württemberg bei einem öffentlichen Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes einen Anschluss- und Benutzungszwang regeln.
Diese Ermächtigung betrifft u. a. die Versorgung mit Nah- und Fernwärme
sowie ähnliche, dem Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens einschließlich des Klima- und Ressourcenschutzes dienende Einrichtungen.
– Auf Bundesebene ist zum 1. Januar 2007 das Gesetz zur Einführung einer
Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wurde eine
Quote für die Mindestbeimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel eingeführt, die stufenweise ansteigt.
– Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) sind Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig an ihr
Netz anzuschließen und den gesamten aus diesen Anlagen angebotenen
Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen und zu übertragen. Gemäß § 5 Abs. 1 EEG sind die Netzbetreiber verpflichtet, Strom, der
in Anlagen gewonnen wird, die ausschließlich erneuerbare Energien einsetzen und den sie abgenommen haben, in bestimmter Höhe zu vergüten.
Die Zweckbestimmung in § 1 EEG umfasst auch den Klimaschutz.
– Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und
den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz)
sind Netzbetreiber verpflichtet, KWK-Anlagen im Sinne des Gesetzes an
ihr Netz anzuschließen und den in diesen Anlagen erzeugten KWK-Strom
abzunehmen. § 4 Abs. 3 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz regelt die Verpflichtung zur Vergütung von KWK-Strom durch den Netzbetreiber. Zweck
des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ist die Minderung der jährlichen
CO2-Emissionen in einer bestimmten Größenordnung (vgl. § 1 KraftWärme-Kopplungsgesetz).
– Die Energieverbrauchshöchstwerteverordnung (EnVHV) setzt Höchstwerte
für den Energieverbrauch von netzbetriebenen Haushaltskühl- und Gefriergeräten sowie für Vorschaltgeräte von Leuchtstofflampen fest. Die Verordnung setzt EU-Richtlinien in nationales Recht um.
– Im Jahr 2004 ist die Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen (PkwEnergieverbrauchskennzeichnungsverordnung) in Kraft getreten.
2. ob sie grundsätzlich der Auffassung ist, dass neben einer Klimaschutzpolitik aus Überzeugung (z. B. Öffentlichkeitsarbeit), marktwirtschaftlichen
Mechanismen (z. B. Zertifikatehandel), Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sowie der positiven oder negativen Beeinflussung von Preisen und
Kosten (z. B. durch Steuerpolitik oder Subventionen) künftig verstärkt das
direkte und für den Staat kostenlose Mittel von Geboten und Verboten eine
größere Rolle spielen wird oder spielen soll;
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Langfristiger Erfolg im Klimaschutz erfordert den Einsatz unterschiedlicher
Instrumente. So sind Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Information
unverzichtbar, um die Bevölkerung für die Problematik des Klimawandels
und die bestehenden Handlungsmöglichkeiten zu sensibilisieren. Beispiele
hierfür sind das Impulsprogramm Altbau, das Hauseigentümer über die Möglichkeiten zur energetischen Sanierung informiert und zur Durchführung
konkreter Sanierungsmaßnahmen motiviert sowie das Internetangebot „KlimaNet für Kids“, mit dem Schüler und Jugendliche langfristig an die Thematik des Klimaschutzes einschließlich der möglichen Handlungsoptionen herangeführt werden.
Zur Unterstützung der freiwilligen Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen
haben sich darüber hinaus finanzielle Anreize bewährt, wie sie in zahlreichen
Förderprogrammen auf Bundes- und auf Landesebene angeboten werden. In
Baden-Württemberg ist hier insbesondere das erfolgreiche Förderprogramm
„KlimaschutzPlus“ zu nennen. Die finanzielle Ausstattung und damit der Erfolg von Förderprogrammen hängen jedoch entscheidend von der jeweiligen
Haushaltslage ab. So hat sich beim Marktanreizprogramm des Bundes zur
Förderung erneuerbarer Energien in den vergangenen Jahren ein deutlicher
Stop-and-go-Effekt eingestellt, der zu einer erheblichen Planungsunsicherheit
bei den Antragstellern und in der Folge bei Handwerk und Anlagenherstellern
führen kann. Dabei wurde auch deutlich, dass eine Förderung umso eher an finanzielle Grenzen stößt, wenn eine echte Breitenanwendung bezweckt wird.
Ökonomische Instrumente des Klimaschutzes sind neben Förderprogrammen
auch Steuern und der Emissionshandel. Die beiden letztgenannten Instrumente haben den Vorteil, dass sie die Kosten der Umweltbelastung abbilden
und dadurch zu umweltfreundlichem bzw. klimafreundlichem Verhalten beitragen können. Entscheidend für den Erfolg solcher Instrumente ist ihre jeweilige Ausgestaltung. So enthält z. B. die sogenannte „Öko-Steuer“ erhebliche Inkonsistenzen im Hinblick auf die monetäre Bewertung der CO2-Wirkung einzelner Energieträger.
Der auf europäischer Ebene 2005 für energieintensive Anlagen eingeführte
CO2-Emissionshandel hat trotz Anlaufschwierigkeiten in der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 seine grundsätzliche Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Allerdings hat sich gezeigt, dass bei zu weit gefassten CO2Obergrenzen für den Emissionshandelssektor (Energiewirtschaft und Industrie) die Vorteile dieses Instruments nicht voll zur Geltung kommen und sich
die Belastungen in anderen Sektoren wie Verkehr und Haushalte überproportional erhöhen. Deshalb hat sich die Landesregierung für weitere Verbesserungen, wie etwa die Versteigerung eines Teils der Emissionsrechte, ausgesprochen. Dadurch kann sich der Emissionshandel zu einem kostengünstigen
und flexiblen Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen entwickeln, in
das andere Sektoren, wie z. B. der Luftverkehr und u. U. auch der Straßenverkehr, einbezogen werden können. Das Europäische Emissionshandelssystem ermöglicht prinzipiell eine Teilnahme durch weitere Staaten. Dies ist
für die Weiterentwicklung der internationalen Klimaschutzverpflichtungen
nach 2012 von Bedeutung.
Als weiteres Klimaschutzinstrument können Selbstverpflichtungen der Industrie angesehen werden. Die Selbstverpflichtungen beim Ausbau der KraftWärme-Kopplung in Deutschland und bei der Reduzierung der CO2-Emissionen innerhalb der europäischen Pkw-Flotten zeigen jedoch, dass die Zielerreichung nicht immer garantiert ist.
Im Klimaschutz können auch ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Beispiele dafür sind unter Ziffer 1 genannt. Der Europäische Rat hat am
8./9. März 2007 weitergehende Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 beschlossen. Danach sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber
1990 um 30 %, sofern sich andere Industrieländer zu vergleichbaren Emis-
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sionsreduzierungen verpflichten, mindestens aber um 20 % gesenkt werden.
Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Zielsetzung in den nächsten
Jahren zu einer intensiven Diskussion über die weiter zu ergreifenden Klimaschutzinstrumente unter Einschluss ordnungsrechtlicher Ansätze führen wird.
Solche Ansätze werden zudem dann verstärkt in die Diskussion gebracht,
wenn der Eindruck vorherrscht, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zu
wenig Erfolge bewirkt haben oder wenn einzelne Sektoren möglicherweise
nicht ausreichend von den geltenden Instrumenten erfasst werden.
Der Einsatz ordnungsrechtlicher Instrumente im Klimaschutz sollte jedoch
bei dem betroffenen Adressatenkreis auf ein Mindestmaß an Akzeptanz hinsichtlich der eingeführten Regelungen treffen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass zwar in dem geregelten Bereich verpflichtende Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, eine insgesamt ablehnende Haltung jedoch den
Gesamtspielraum für Klimaschutzmaßnahmen langfristig eher verringert.
Nach neuen Umfrageergebnissen scheint die allgemeine Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung hoch ausgeprägt zu sein. So sind
nach einer Umfrage der ARD-Tagesthemen und der Stuttgarter Zeitung 88 %
der Befragten bereit, Heizenergie zu sparen und den Stromverbrauch zu drosseln, 80 % wollen durch selteneres oder sparsameres Autofahren Benzin sparen, 57 % der Befragten sind bereit, zugunsten des Klimas auf Flugreisen zu
verzichten (Stuttgarter Zeitung vom 2. März 2007). Andererseits wurde in
den vergangenen Monaten in den Medien zum Teil deutliche Kritik an einer
möglicherweise überzogenen Einmischung des Staates in private Lebensbereiche – etwa unter dem Schlagwort „Sylt statt Seychellen“ in Bezug auf Urlaubsreisen – geführt. Diese Kritik zeigt, dass verpflichtende Ansätze im Klimaschutz durchaus emotional und kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert
werden.
Darüber hinaus sollten ordnungsrechtliche Regelungen auf klare, überschaubare Regelungsbereiche konzentriert werden, um Überregulierungen zu vermeiden und festgelegte Ziele tatsächlich erreichen zu können. Ordnungsrechtliche Regelungen müssen aber auch vollziehbar sein, d. h. ihre Einhaltung muss wirksam kontrolliert werden. Sämtliche Aspekte sind bei der Entscheidung über den Einsatz von ordnungsrechtlichen Klimaschutzinstrumenten zu beachten. Ziel muss es sein, in der Gesamtschau einen zielführenden,
effizienten und praktikablen Mix aus den im Klimaschutz zur Verfügung stehenden Instrumenten zu erreichen.
3. auf welchen Gebieten Gebote und Verbote im Interesse des Klimaschutzes
international, national und auf Landesebene diskutiert werden (z. B. zur
Nutzung regenerativer Energien, Vorgaben zur energetischen Sanierung,
Nutzungsverbote z. B. für Glühbirnen, Vorschriften zur Reduzierung des
Stand-by-Verbrauchs, Vorgaben für CO2-Emissionen in einzelnen Sektoren);
4. inwieweit sie sich zu den diskutierten Vorschlägen bereits ein Urteil gebildet hat, vor allem, soweit es um Fragen geht, die in der Kompetenz der
Kommunen, des Landes und des Bundes liegen.
In den letzten Wochen wurde in der Presse über vielfältige ordnungsrechtliche Regelungsvorschläge berichtet. Ordnungsrechtliche Lösungen im Bereich des Klimaschutzes standen in den vergangenen Jahren selten im Vordergrund der Diskussion, da solche Ansätze in einem Spannungsfeld mit Zielen
der Entbürokratisierung und Deregulierung stehen. Ausnahmecharakter hatte
die im Jahr 2002 erfolgte Novellierung der EnEV, die von der Landesregierung unterstützt wurde. Andere Vorhaben auf Bundesebene, wie eine Quotenregelung zugunsten des Einsatzes der Kraft-Wärme-Kopplung, wurden nach
einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft zurückgestellt. In jüngster Zeit
wurde, wie erwähnt, mit dem Biokraftstoffquotengesetz eine ordnungsrechtliche Regelung geschaffen.
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Nach Presseberichten plant die Bundesregierung eine Verschärfung der Energieverbrauchsgrenzen für Neubauten. Solche Pläne sind allerdings bislang
offiziell nicht bekannt. Die von der Bundesregierung im Rahmen der Energieeinsparverordnung vorgeschlagene Einführung von Gebäudeausweisen
auch für Neubauten wird grundsätzlich begrüßt.
Vor Einführung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes wurde in Deutschland als
Alternative ein Quotenmodell ernsthaft diskutiert. Obwohl die Ergebnisse beim
Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zum Teil kritisch bewertet werden, wird
überwiegend eine Verbesserung der geltenden KWK-Förderung empfohlen.
Eine Quotenregelung wäre nach wie vor ein erwägenswerter Ansatz, ein vollständiger Systemwechsel wäre jedoch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
In der Öffentlichkeit wurden in jüngster Zeit insbesondere folgende Vorschläge zur Stromeinsparung diskutiert, die letztlich eine Pflichtlösung beinhalten: Ein Verbot von Glühbirnen und ein Verbot des Stand-by-Betriebs
(bzw. Pflicht zum Einbau von Ein-Aus-Schaltern in Elektrogeräten) sowie
die Einführung eines sogenannten Top-Runner-Modells zur Förderung sparsamer Haushaltsgeräte. Ein flächendeckender Austausch von Glühlampen
durch Energiesparlampen in privaten Haushalten würde für Baden-Württemberg ein Einsparpotenzial von ca. 1,6 TWh pro Jahr (ca. 2,3 % des NettoStromverbrauchs) bedeuten. Auch in der Industrie und in gewerblichen Bürogebäuden bestehen erhebliche Einsparpotenziale. Der Einsatz von Glühlampen durch Leuchtstofflampen ist im Normalfall wirtschaftlich. Dennoch entscheiden sich immer noch viele Verbraucher für den Kauf von herkömmlichen Glühlampen, die in der Anschaffung günstiger sind. Stromsparmaßnahmen an Beleuchtungsanlagen in Nicht-Wohngebäuden werden in BadenWürttemberg seit dem Jahr 2000 im Rahmen des Förderprogramms „Klimaschutz Plus“ gefördert. Ein generelles Verbot von Glühlampen dürfte aufgrund des europäischen Binnenmarktes nur europaweit möglich sein. Denkbare Alternativen auf Bundesebene bzw. Landesebene wären die weitere
Unterstützung von Informationskampagnen und finanzielle Anreize zum
Kauf von Energiesparlampen.
Das Einsparpotenzial für Baden-Württemberg im Bereich der Leerlaufverluste
liegt mit 2,2 TWh jährlich noch etwas höher als bei dem Austausch von
Glühlampen. Für den einzelnen Verbraucher ergeben sich Einsparpotenziale
von bis zu 90 € pro Jahr. Ein generelles Verbot von Leerlaufverlusten, das
ebenfalls nur europaweit möglich wäre, ist auch aus technischen Gründen
problematisch. Bei vielen Geräten der Kommunikationstechnologie würde
das generelle Verbot von Leerlaufverlusten eine starke Nutzungseinschränkung bedeuten. Sinnvoller wäre es deshalb, gerätespezifische Standards für
Leerlaufverluste in Form von maximalen Leistungen festzulegen (z. B.
1 Watt). Darüber hinaus sollte jedes Gerät mit einem leicht zugänglichen
Netzschalter ausgestattet werden. Technische Vorgaben zur Vermeidung von
Leerlaufverlusten könnten gut innerhalb des Top-Runner-Ansatzes verwirklicht werden. Im Vorfeld einer europaweiten Regelung könnte ein eigenes
Stand-by-Label zur Gerätekennzeichnung entwickelt werden.
Ein genereller – ebenfalls nur europaweit umzusetzender – Lösungsansatz für
sämtliche Elektrogeräte ist der Top-Runner-Ansatz, bei dem das jeweils verbrauchsärmste Modell eines bestimmten Produktes innerhalb weniger Jahre
zum verbindlichen Standard für alle anderen Produkte dieser Art wird. Dieser
Ansatz kann leicht auf alle Elektrogeräte ausgedehnt werden und bietet wirksame Anreize für Produzenten, besonders effiziente Produkte anzubieten.
Allerdings müsste die Anpassung der Standards europaweit transparent und
kontinuierlich durchgeführt werden. Die vorliegenden Erfahrungen mit der
Gerätekennzeichnung in Effizienzklassen ist insoweit nicht ermutigend.
Das Bundesumweltministerium hat in einem Konsultationspapier zur Entwicklung eines Instruments zur Förderung der erneuerbaren Energien im
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Wärmemarkt vom 24. Mai 2006 folgende Instrumente vorgestellt: Investitionszuschüsse/Sonderabschreibungen, Bonusmodell und Nutzungsmodell
(Pflichtmodell). Das Bundesumweltministerium plant derzeit allerdings nur
ein sogenanntes Fördergesetz, mit dem das Marktanreizprogramm verstetigt
werden soll. Das Umweltministerium Baden-Württemberg prüft die Möglichkeiten eines Pflichtmodells auf Landesebene.
In ihrer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament vom 7. Februar
2007 – KOM(2007) 19 – kommt die Europäische Kommission zum Ergebnis,
dass die freiwilligen Verpflichtungen der Verbände der europä-ischen, japanischen und koreanischen Kraftfahrzeughersteller (140 g CO2/km bis 2008 bzw.
2009) nicht erfolgreich waren. Im Jahr 2004 lagen die Emissionen eines
durchschnittlichen Neuwagens bei 163 g CO2/km. Die Kommission kommt
weiter zu dem Ergebnis, dass ohne zusätzliche Maßnahmen das EU-Ziel von
120 g CO2/km bis zum Jahr 2012 nicht zu erreichen sein werde. Die Kommission will deshalb, wenn möglich 2007 und spätestens Mitte 2008, einen rechtlichen Rahmen zur Erreichung des EU-Ziels von 120 g/km CO2 vorschlagen,
bei dem der Schwerpunkt auf einer verpflichtenden Verringerung der CO2Emissionen zur Erreichung des Ziels von durchschnittlich 130 g/km für neuverkaufte Fahrzeuge durch Fahrzeugmotortechnologie sowie einer weiteren
Verringerung von 10 g/km CO2 durch andere technische Verbesserungen und
einen erhöhten Einsatz von Biokraftstoffen liegt. Bei der EU-Ratstagung
(Umwelt) am 20. Februar 2007 wurde der Kommissionsansatz begrüßt. Das
Umweltministerium Baden-Württemberg teilt diese Auffassung.
In der politischen Diskussion wurde verschiedentlich die Möglichkeit eines
Tempolimits auf Autobahnen angesprochen. Die Bundesregierung hat diesen
Vorschlag unter Hinweis auf den geringen Gesamteffekt (Senkung der CO2Gesamtemissionen um 0,3 % bei einem Tempolimit von 120 km/h) zurückgewiesen.
Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene wird derzeit die
Einführung eines Zertifizierungssystems zur Sicherstellung eines mit den
Zielen des Klimaschutzes konformen Anbaus und der Verarbeitung von Biomasse für die energetische Nutzung vorbereitet. Mit der Einführung eines
Zertifizierungssystems würde die Einhaltung bestimmter Produktionsstandards geboten bzw. bestimmte Maßnahmen verboten werden, damit z. B. nur
entsprechende – tatsächlich klimafreundliche – Biokraftstoffe in Deutschland
steuerlich gefördert bzw. auf die Mindestquote angerechnet werden können.
Die Einführung eines Zertifizierungssystems für Biomasse ist – insbesondere
auch unter dem Aspekt der besonderen Förderung (Steuern, Tarife, Umsatzmöglichkeiten) – vom Grundsatz her notwendig. Dabei dürfen im Bereich
der Landwirtschaft die damit verbundenen Anforderungen nicht über den
EU-Anforderungen, wie sie z. B. bei der Produktion von Lebensmitteln
durch die Cross-Compliance-Vorgaben gegeben sind, liegen. Im Bereich der
Forstwirtschaft bzw. bei Biomasse aus der Forstwirtschaft könnte man z. B.
auf die bereits bestehenden Zertifizierungssysteme für eine nachhaltige
Forstwirtschaft zurückgreifen bzw. diese akzeptieren. Insgesamt ist es aber
eine große Herausforderung, ein wirksames und gleichzeitig einfaches Kontroll- und Bewertungssystem zu konzipieren und insbesondere weltweit dafür
die erforderliche Akzeptanz zu schaffen, es global zu installieren und die Anwendung und Einhaltung sicherzustellen.
Gönner
Umweltministerin
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