Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems

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Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
Entstehung, Struktur und Steuerung des
deutschen Schulsystems
Skriptum zur Einführungsvorlesung in den Studienbereich „D“
Stand: 15. Mai 2000
Inhaltsverzeichnis
0 Zur Einführung _____________________________________________________ 3
1 Schultheoretische Grundlagen: Warum unterhalten entwickelte
Gesellschaften institutionalisierte Bildungssysteme? ________________ 4
2 Die historische Perspektive: Zur Entstehung des deutschen
Schulsystems ______________________________________________________ 5
2.1
Die Herausbildung des Schulsystems im 19. Jahrhundert _________________ 5
2.2
Modernisierungsschübe im letzten Drittel des 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts____________________________________________________ 8
2.3
Reformansätze nach 1918: Der Weimarer Schulkompromiss _____________ 11
2.4
Schule im Nationalsozialismus _____________________________________ 14
2.5
Zur Entwicklung nach 1945________________________________________ 14
3 Die strukturelle Perspektive: Struktur und Funktionsweise des
deutschen Schulsystems __________________________________________ 17
3.1
Der Aufbau des Bildungssystems am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts___ 17
3.2
Bildungsexpansion, Erfolge und Misserfolge sowie Bildungsbeteiligung _____ 19
4 Zur Steuerung des deutschen Schulsystems _______________________ 27
4.1
Das Schulwesen im kooperativen Föderalismus _______________________ 27
4.2
Instrumente zur Steuerung der Organisation Schule ____________________ 31
4.3
Qualitätssicherung als Steuerungsaufgabe ___________________________ 35
4.4
Die Sicherung qualitativer Standards durch Formen der Evaluation_________ 38
5 Qualifikation, Selektion und Legitimation als konstante Elementeder
Schulentwicklung _________________________________________________ 43
5.1
Qualifikation ___________________________________________________ 43
5.2
Selektion und Allokation __________________________________________ 44
5.3
Legitimation ___________________________________________________ 45
6 Literatur ___________________________________________________________ 46
2
0
Zur Einführung
Der folgende Text stellt eine knappe und daher vergröbernde Zusammenfassung der Vorlesung „Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems“ dar. Nach einer schultheoretisch orientierten Beschreibung der Funktionen, welche die Schulen übernommen haben (Kapitel 1), wird zunächst die historische Entwicklung des deutschen
Schulsystems vom Ende des 18. Jahrhunderts an skizziert (Kapitel 2). Daran schließt sich
eine Beschreibung der Struktur dieses Systems, so wie es am Ausgang des 20. Jahrhunderts besteht, an. Einbezogen in diese strukturelle Betrachtung ist eine Darstellung der
expansiven Bildungsbeteiligung und der schulischen Ausleseprozesse, die sich innerhalb
dieser Struktur vollzogen haben und weiter vollziehen (Kapitel 3). Nach der analysierenden Beschreibung sowohl der Geschichte wie auch der Struktur des deutschen Bildungssystems werden schließlich die Steuerung dieses Systems und der sich anbahnende
Wandel zur teilautonomen Schule und der damit verbundenen Änderungen des Steuerungssystems beschrieben (Kapitel 4). Abgeschlossen wird diese Übersicht über die Vorlesung mit einer an den einleitend vorgestellten Funktionen der Schule orientierten Zusammenfassung (Kapitel 5). Das angehängte Literaturverzeichnis bietet nicht nur die Belege, die im Text herangezogen werden, sondern zugleich auch Hinweise für ein vertiefendes Studium.
3
1
Schultheoretische Grundlagen: Warum unterhalten entwickelte
Gesellschaften institutionalisierte Bildungssysteme?
Antwort auf diese Frage, die – genereller gefasst – eine Frage nach dem Verhältnis zwischen den Bildungsinstitutionen und der Gesellschaft ist, versucht die Schultheorie zu geben (zum Gegenstandsbereich und zur Entwicklung der Schultheorie vgl.: TILLMANN
1987, DIEDERICH/TENORTH 1997). Helmut Fend (FEND 1980), auf dessen strukturellfunktional orientierten Ansatz im folgenden überwiegend Bezug genommen wird, benennt
mit Blick auf die hier formulierte Frage drei gesellschaftliche Funktionen institutionalisierter
Erziehung:
Die erste Funktion ist die der Qualifikation: Schulen dienen der Weitergabe der Qualifikationen, die eine Gesellschaft benötigt, um sich selbst immer wieder von Generation zu Generation zu reproduzieren. Im ‚Schulordnungsgesetz‘ Nordrhein-Westfalens heißt es in §
1: „Die Schule hat die Aufgabe, die Jugend auf der Grundlage des abendländischen Kulturgutes und deutschen Bildungserbes in lebendiger Beziehung zu der wirtschaftlichen
und sozialen Wirklichkeit sittlich, geistig und körperlich zu bilden und ihr das für Leben und
Arbeit erforderliche Wissen und Können zu vermitteln.“ (vgl. BASS – Bereinigte Amtliche
Sammlung der Schulvorschriften in der jeweils gültigen Fassung). In dieser Aufgabenstellung mit dem doppelten Bezug zu wirtschaftlicher und sozialer Realität sind zwei Anforderungen angesprochen, die in Vergleichstexten anderer Länder ebenfalls regelmäßig auftauchen: Schulen sollen auf das private und öffentliche Leben in der Gesellschaft und auf
das Erwerbsleben bezogenes Wissen und Können vermitteln. Sie sollen die Heranwachsenden darauf vorbereiten, ein Leben als Bürgerinnen und Bürger und als Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen zu führen.
Die zweite Funktion ist die der Selektion: Schulen tragen dazu bei, die Heranwachsenden
durch schulische Auswahlprozesse (Selektion) auf die unterschiedlichen sozialen Positionen zu verteilen (Allokation). Eng einher mit der Qualifikations- geht die Selektionsfunktion
der Schulen. Schulen wählen im Verlauf ihres Qualifikationsprozesses Schülerinnen und
Schüler aus, und zwar in Abhängigkeit von ihnen vorgegebenen Kriterien, etwa danach,
ob und inwieweit sie die gesteckten Qualifikationsziele erreichen können. Die Instrumente
des Schulsystems reichen von der Entscheidung über die generelle Zulassung zu einzelnen Bildungswegen und Institutionen, die Einschulungsfähigkeit, das Sitzenbleiben, das
Überweisen in Sonderschulen, die Aufnahme in weiterführende Schulen bis hin zu Abschlusszeugnissen. Die Schulen üben dabei ihre Selektionsfunktion in einer doppelten
Abhängigkeit aus: zum einen nämlich nach Maßgabe der ihnen gesetzten Kriterien, zum
anderen aber auch mit Blick auf das Verhältnis, das zwischen den von ihnen vergebenen
Zeugnissen, die das Erreichen bestimmter Qualifikationen bestätigen, und dem Bedarf auf
dem Markt für Qualifikationen, dem Arbeitsmarkt, besteht. Indem Schulen auf diese Weise
auswählen, kanalisieren sie ‚Schülerströme‘ und verweisen sie auf (hierarchisch) unterschiedliche gesellschaftliche Positionen (Allokation).
Die dritte Funktion ist die der Legitimation: Schulen wirken an der Weitergabe der Normen
und Werte mit, die für den Erhalt und die Fortentwicklung der jeweiligen Gesellschaft tragend sind. Neben der Qualifikation für das Leben in der jeweiligen Gesellschaft und neben
der Selektion und der mit ihr verbundenen Allokation leisten Bildungssysteme einen Beitrag zur Legitimation der in einer Gesellschaft vorherrschenden Wert- und Bewusstseinsstrukturen. Sie tun dies auf zwei parallelen Wegen: Zum einen erfüllen Schulen ihre Legitimationsfunktion über das, was sie zum Gegenstand des Unterrichts machen. Dies ist
festgelegt durch die Benennung von Gegenstandsbereichen, die das Schulwissen konstituieren (formalisiert in Stundentafeln), und durch die Inhalte, die in den einzelnen Unter4
richtsfächern zu vermitteln sind (formalisiert in Richtlinien). Zum anderen erfüllen Schulen
in entwickelten westlichen Industriegesellschaften ihre Legitimationsfunktion dadurch,
dass sie die sich in ihnen alltäglich vollziehende Selektion mit ihrer Folge, der Zuweisung
zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen, an die individuell erbrachten schulischen Leistungen koppeln. Auf diese Weise liefert die in den Schulen alltäglich erfolgende
leistungsgerechte Auswahl bzw. der proklamierte Anspruch der leistungsorientierten Auslese einen Beitrag nicht nur zur Herstellung gesellschaftlicher Ungleichheit, sondern
zugleich auch zur Legitimierung der von Generation zu Generation immer neu entstehenden Ungleichheit in dieser Gesellschaft.
2
Die historische Perspektive: Zur Entstehung des deutschen Schulsystems
Im folgenden soll in groben Zügen die deutsche Schulgeschichte skizziert werden. Dabei
bezieht sich die Darstellung (vgl. HERRLITZ u.a. 1993) exemplarisch, soweit es die Zeit
bis 1918 angeht, auf die Entwicklung in Preußen; für die Zeit danach bezieht sich der Text
auf Deutschland insgesamt bzw. – für die Jahre zwischen 1945 und 1989 – auf die beiden
deutschen Staaten.
2.1
Die Herausbildung des Schulsystems im 19. Jahrhundert
In Preußen wurde, ähnlich wie in den anderen deutschen Staaten, die allgemeine Schulpflicht im Verlauf des 18. Jahrhunderts wiederholt proklamiert (1717 ‚General Edict‘, 1763
‚Generalschulreglement‘ und 1794 ‚Allgemeines Landrecht‘). Durchgesetzt werden konnte
die Schulpflicht jedoch erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts: Während zu Beginn kaum
mehr als die Hälfte der Jugendlichen eine Schule besuchten, taten dies gegen Ende des
19. Jahrhunderts nahezu alle Jugendlichen. Innerhalb dieses Prozesses der Durchsetzung
der allgemeinen Schulpflicht entwickelten sich das höhere, das mittlere und das niedere
Schulwesen jedoch nach jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Zur Etablierung des „höheren“ Schulwesens
Die Entfaltung des modernen Bildungssystems begann in Preußen um die Wende vom 18.
zum 19. Jahrhundert „von oben“: Die preußische Regierung richtete 1787 in Berlin das
Oberschulkollegium als zentrale Aufsichts- und Planungsinstanz für das höhere Schulwesen ein und konzentrierte damit ihre Anstrengungen in der „preußischen Bildungsreform“
zunächst auf das „höhere“ Schulwesen. Die Etablierung dieses „höheren“ Schulwesens
auf der Grundlage von Lateinschulen, Gelehrtenschulen, Stadtschulen und Ritterakademien (von z.T. katastrophaler Qualität) vollzog sich innerhalb eines knappen halben Jahrhunderts überwiegend über drei Reglements, die das Abitur als Abschlussprüfung am Ende der höheren Schule betrafen:
•
1788 wurde das Abitur zum Nachweis der Studierfähigkeit als Prüfung am Ende der
"Höheren Schulen" eingeführt. Es konnte an Schulen oder an Hochschulen durchgeführt werden; es war noch nicht verbindliche Voraussetzung zum Studium, war
jedoch Voraussetzung für die Erlangung eines Stipendiums.
•
1812 wurde die Bedeutung des Abiturs verstärkt. Es war zwar nach wie vor keine
unabdingbare Studienvoraussetzung, es wurde aber – gestützt auf die Regelungen
des Jahres 1810 – in den Folgejahren zur Voraussetzung des Eintritts in den Kirchen- oder Staatsdienst bzw. der Zulassung zu einem entsprechenden Examen.
5
•
1834 schließlich wurden Abiturprüfungen zur Voraussetzung für alle Studiengänge;
lediglich die Studien in der philosophischen Fakultät, soweit sie nicht zu einem
Staatsexamen führten, konnten ohne Abitur aufgenommen werden. Die Abiturprüfungen können nur noch an Gymnasien abgelegt werden.
Abb. 1
Gymnasium (1837)
Sexta
(1 J.)
Quinta
(1 J.)
Quarta
(1 J.)
Tertia
(2 J.)
Sekunda
(2 J.)
Prima
(2 J.)
Summe
(9 J.)
Lateinisch
10
10
10
10
10
8
86
Griechisch
0
0
6
6
6
6
42
Deutsch
4
4
2
2
2
2
22
Französisch
0
0
0
2
2
2
12
Religion
2
2
2
2
2
2
18
Mathematik
0
0
3
3
4
4
Rechnen/
geom. Anschauungslehre
4
4
0
0
0
0
Naturbeschreibung
2
2
2
2
0
0
10
Physik
0
0
0
0
1
2
6
Phil. Propädeutik
0
0
0
0
0
2
4
Geschichte/ Geographie
3
3
2
3
3
2
24
Zeichnen
2
2
2
0
0
0
6
Schönschreiben
3
3
1
0
0
0
7
Gesang
2
2
2
2
0
0
10
Wöchentliche Lehrstunden
32
32
32
32
30
30
280
Hebräisch f. künftige
Theologen
0
0
0
0
2
2
288
Lehrgegenstände
33
Quelle: Reble, A. (Hg.), Zur Geschichte der höheren Schule, Bd. 2, 1975, S. 68
Am Ende dieser Entwicklung, 1834, ist das Bestehen einer Abschlussprüfung an einem
Gymnasium Voraussetzung für die Zulassung zum Studium an einer Universität. Nur junge
Männer konnten sich der Abiturprüfung stellen.
Parallel zur institutionellen Etablierung des Gymnasiums entwickelte sich ein gymnasialer
Lehrplan: Beeinflusst durch den Neuhumanismus (vgl. dazu MENZE 1975) entstand in
entschiedener Ablehnung der am Gedanken der Nützlichkeit (Utilitarismus) orientierten
6
Aufklärungspädagogik des Philanthropinismus (vgl. dazu BLANKERTZ 1985) ein Lehrplan
mit einer ausgesprochen philologischen Ausrichtung: 1837, also wenige Jahre nach Erlass
des dritten Abiturreglements, wurden mit 46% nahezu die Hälfte aller Unterrichtsstunden
eines Gymnasiasten den Fächern Latein und Griechisch gewidmet; lediglich 17,5% aller
Unterrichtsstunden galten der Mathematik und den Naturwissenschaften (vgl. Abbildung
1).
Am Ende des Prozesses der Etablierung „höherer“ Schulbildung hatte sich in der Mitte des
19. Jahrhunderts ein höheres Schulwesen herausgeschält, das durch zwei Aspekte charakterisiert ist. Zum einen durch das Berechtigungssystem: In einer staatlich kontrollierten
Prüfung nachgewiesene Schulbildung wurde zur notwendigen Voraussetzung akademischer Ausbildung und staatlicher Beamtenkarrieren. Zum andern durch das Konzept der
Allgemeinbildung: Gymnasiale Bildung war in Abgrenzung von jeder (berufsbezogenen)
Spezialbildung für die künftigen „Eliten“ in Staat und Gesellschaft inhaltlich philologisch
ausgerichtet.
Erreicht wurde damit dreierlei:
•
Die Loyalität der durch Bildung aufgestiegenen Beamtenschaft wurde erzeugt und
gesichert.
•
Die Qualifikation der ‚führenden’ Schichten wurde in staatlichen Institutionen erzeugt und durch den Staat kontrolliert.
•
Die erfolgreiche Teilhabe an höherer Bildung ermöglichte den Söhnen des Bürgertums, in Konkurrenz zu dem bis dahin privilegierten Adel zu treten und sich dadurch
aus den bis dahin engen Standesgrenzen zu befreien (Egalisierung).
Zur Etablierung des „niederen“ Schulwesens
Die Etablierung des „niederen“ Schulwesens ist in den Prozess der Durchsetzung der
Schulpflicht eingebettet. Da die breite Volksbildung ökonomisch zunächst weniger wichtig
war als die qualifizierte Beamtenbildung, entwickelte sich das „niedere“ zeitlich erst nach
dem „höheren“ Schulwesen. Diese Entwicklung fand in von der „höheren“ Bildung klar getrennten Institutionen nach deutlich unterschiedlichen Konzepten statt. Die preußische
„Volksschule“ (oder: „Elementarschule“ oder: das „niedere Schulwesen“ in Preußen) war
dabei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Prinzip der gewollten Bildungsbegrenzung bestimmt: Die Schulen waren in der Regel einklassig, die Schulbesuchszeit umfasste höchstens drei Jahre, die Lehrer verfügten nicht über eine akademische Vorbildung,
inhaltlich war der Unterricht auf Rechnen, Lesen, Schreiben und Religion beschränkt.
Gegen diese Bildungsbegrenzung wehrten sich fortschrittliche Bürger und vor allem
Volksschullehrer: Zeitgleich mit dem Versuch einer bürgerlichen Revolution in Deutschland
(Paulskirche, 1848) formulierten sie Ansätze einer Schulprogrammatik, die auch Schülern
des „niederen Schulwesens“ Bildungschancen eröffnen wollte. Nach dem Scheitern der
bürgerlichen Revolution sah die preußische Krone in den Reformtendenzen unter den
Volksschullehrern eine Ursache der „Unruhen“. Dagegen richtete sich die restaurative
Schulpolitik der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Diese Schulpolitik gipfelte in
den drei Stiehl'schen Regulativen von 1854. In diesen Erlassen wurde der Volksschulunterricht auf die elementaren Kulturtechniken und Religion zurückgeführt (vgl. Abbildung 2).
Zudem wurde die Volksschullehrerbildung so begrenzt, dass Lehrer kaum mehr als ihre
späteren Schüler lernen durften.
7
Abb.2
Normal- Lehrplan für die einklassige Elementarschulen ( 1854)
Lehrgegenstände
Wochenstunden
Religion
6
Lesen, dt. Sprache, Schreiben
12
Rechnen
5
Gesang
3
zusätzlich, wenn örtliche Verhältnisse
es zulassen:
Vaterlands - u. Naturkunde
3
Zeichnen
1
Quelle: zusammengestellt aus dem 3. Regulativ von 1854, nach: Scheibe, W. (Hg.),
Zur Geschichte der Volksschule, Bd. 2, 1974, S. 23 ff.
Mitte des 19. Jahrhunderts war damit in Preußen wie generell im deutschsprachigen
Raum ein „niederes“ Schulwesen entstanden, das mit seinem Konzept volkstümlicher Bildung von dem der humanistischen Bildung im Gymnasium deutlich abgesetzt war.
Zur Etablierung des „mittleren“ Schulwesens
Zwischen beiden Konzepten angesiedelt waren die Versuche, eine stärker auf Anwendbarkeit hin orientierte „mittlere“ Bildung zu etablieren. Die frühen Lehrplanentwürfe, an denen sich später im 19. Jahrhundert die Mittelschulen ausrichteten, stammten weitgehend
aus dem Aufklärungsdenken des 18. Jahrhunderts, insbesondere aus dem utilitaristischen
Bildungsverständnis dieser Zeit. Anders als Gymnasien und Elementarschulen bezogen
sie Mathematik, Mechanik, Ökonomie und moderne Fremdsprachen bewusst in den Lehrplan ein.
An diese Bildungskonzeption knüpften viele der Schulen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an, die nicht das Recht, ein Abitur zu vergeben, erworben hatten. Diese Schulen
bildeten die institutionelle Basis der Realschulentwicklung im 19. Jahrhundert. Ihr praxisbezogenes Programm ermöglichte es ihnen, ihre Schüler einerseits nicht bewusst „dumm“
zu halten, andererseits aber nicht ausschließlich auf akademische Karrieren hin zu orientieren. Sie bedienten damit vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der
sich die Industrialisierung stark beschleunigte, eine wachsende Nachfrage im Beschäftigungssystem.
2.2
Modernisierungsschübe im letzten Drittel des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die Diskrepanz zwischen der Schulentwicklung einerseits (höhere Bildung als neuhumanistische Bildung für Gymnasiasten, niedere
Bildung als Bildungsbegrenzung für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung) und der
8
ökonomischen Entwicklung andererseits hinderlicher. Ein „Modernitätsrückstand“ des
Schulwesens löste Modernisierungsschübe aus.
Modernisierungsschub I: In den Jahrzehnten bis 1900 („Allerhöchster Erlass“) traten neben das neuhumanistische Gymnasium (Sprachenfolge Latein, Griechisch, Französisch),
wie es bis 1834 entstanden war, in einem allmählichen Aufstiegsprozess zwei weitere
„Vollanstalten“ mit dem Recht der Vergabe der vollen Studienberechtigung: das Realgymnasium (neusprachliche Ausrichtung, Sprachenfolge Latein, Französisch, Englisch) und
die Oberrealschule (mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung, Sprachenfolge
Französisch, Englisch, ohne Latein – vgl. Abbildung 3).
Abb. 3
Oberrealschule (1901)
Lehrgegenstände
VI
V
IV
UIII
OIII
UII
OII
UI
OI
SA
Religion
3
2
2
2
2
2
2
2
2
19
4
3
3
3
4
4
4
34
Deutsch u.
Geschichtserzählungen
4+1 3+1
Französisch
6
6
6
6
6
5
4
4
4
47
Englisch
0
0
0
5
4
4
4
4
4
25
Geschichte
0
0
3
2
2
2
3
3
3
18
Erdkunde
2
2
2
2
2
1
1
1
1
14
Rechen u. Mathematik
5
5
6
6
5
5
5
5
5
47
Naturwissenschaft
2
2
2
2
4
6
6
6
6
36
Schreiben
2
2
2
0
0
0
0
0
0
6
Freihandzeichen
0
2
2
2
2
2
2
2
2
16
Quelle: Reble, A. (Hg.), Zur Geschichte der höheren Schule, Bd. 2, 1975, S. 114
Modernisierung II: Der Prozess der Anpassung der Schulen und Lehrpläne an die gesellschaftliche Entwicklung betraf auch das niedere Schulwesen: Die Politik der rigiden Bildungsbegrenzung der Stiehl’schen Regulative wurde 1872 mit den „Allgemeinen Bestimmungen“ deutlich gelockert: mehrklassige Volksschulen, kleinere Lerngruppen, ein fachlich ausdifferenzierterer Lehrplan (vgl. Abbildung 4) bestimmten von nun an die Entwicklung.
Modernisierung III: Für die Entwicklung eines eigenständigen Berufsschulwesens waren
zu Beginn des 19. Jahrhunderts drei voneinander unabhängige Voraussetzungen bedeutsam: Die Ausgrenzung ‘nützlicher’ Inhalte aus den Lehrplänen der allgemeinbildenden
Schulen, die der Neuhumanismus schulpolitisch durchgesetzt hatte, eröffnete den ‘Raum’
für eine eigenständige Schulentwicklung im Rahmen der Berufsausbildung. Des Weiteren
löste die Befreiungspolitik der preußischen Reformer mit der Bauernbefreiung und der
Gewerbefreiheit (Aufhebung des Zunftzwangs, Niederlassungsfreiheit) die berufliche Bil9
dung aus dem Kontrollbereich der Zünfte. Schließlich führten neue technologische Entwicklungen dazu, dass die ‘imitatio majorum’ als Prinzip der tradierten Berufsbildung den
Anforderungen nicht mehr genügte. Begünstigt durch diese Rahmenbedingungen, darunter insbesondere durch die Niederlassungsfreiheit, konnten ab 1811 in Preußen Lehrlinge
bei Mitgliedern einer Zunft und bei sonstigen Gewerbetreibenden ausgebildet werden. Der
damit zunächst entstehende relativ ungeregelte Zustand wurde 1845 in der preußischen
Gewerbeordnung neu geordnet: Von da an erfolgte eine Ausbildung als Lehrling auf der
Basis einer vertraglichen Regelung, im Rahmen einer in der Regel dreijährigen Lehrzeit
und mit dem Ziel einer Abschlussprüfung. Die inhaltlichen Anforderungen bei diesen Abschlussprüfungen wurden nach 1845 durch die Beschreibung von „Gesellenstücken“ nach
und nach festgelegt. Im Rahmen einer Novellierung der Gewerbeordnung ‚taucht’ dann
1849 zum ersten Mal ein schulischer Teil der Berufsausbildung auf: Die dreijährige Lehrlingszeit kann auf ein Jahr verkürzt werden, wenn der Lehrling eine gewerbliche Lehranstalt besucht hat. 1869, wieder im Rahmen der Neufassung der preußischen Gewerbeordnung, wird die Möglichkeit geschaffen, regional begrenzt den Besuch einer Berufsschule
verbindlich vorzuschreiben. Noch einmal in der Novellierung der preußischen Gewerbeordnung wird dann 1897 festgesetzt, dass die Abschlussprüfungen für Lehrlinge grundsätzlich bei den Handelskammern abgelegt werden. Damit hat sich am Ende des 19.
Jahrhunderts folgendes Gesamtbild ergeben: Ausbildungsbetrieb: Handwerk oder Handel
oder Fabrik/ Schule als Lernort: nicht zwingend vorgeschrieben, aber von zunehmender
Bedeutung/ Dauer: 3 Jahre/ Abschluss: Prüfung vor einer Handwerkskammer.
Abb. 4
Mehrklassige Volksschule (1872)
Lehrgegenstände
Unterstufe
Mittelstufe
Oberstufe
Religion
4
4
4
Deutsch
11
8
8
Rechnen
4
4
4
Raumlehre
0
0
2
Realien
0
6
6 (8)
Zeichnen
0
2
2
Singen
1
2
2
Turnen/ (Handarbeit)
2
2
2
Zusammen
22
28
30 (32)
Quelle: Scheibe, W. (Hg.), Zur Geschichte der Volksschule, Bd. 2, 1974, S. 35
Das duale System, das sich auf diese Weise im Verlauf des 19. Jahrhunderts etabliert hat,
galt aber einstweilen nur für den – insgesamt kleinen – Teil der Jugendlichen, die einen
Beruf erlernen. Der erheblich größere Teil der Jugendlichen wechselte nach Beendigung
10
der Volksschulzeit direkt in Erwerbsarbeit oder in häusliche Arbeit über. Damit waren diese
Jugendlichen vom 14. Lebensjahr an der staatlichen Beeinflussung entzogen. Diese setzte
bei den Jungen (nur diese wurden einmal wahlberechtigt) erst wieder mit dem Beginn der
Wehrpflicht ein. Im Kontext der sich entwickelnden Konfrontation zwischen Arbeiterschaft
und Regierung wurde nach Wegen gesucht, diese ‘Lücke’ zwischen Schule und Militärdienst zu überbrücken. Kerschensteiners Vorschlag, für die jungen Männer, die keine Berufsausbildung erhielten, eine Pflichtberufsschule einzuführen, um sie so für „die staatsbürgerliche Gesellschaft zu erziehen“, bahnte den Weg für die allgemeine Berufsschulpflicht, die aber erst nach 1918 durchgesetzt wurde.
Modernisierungsschub IV: Während es im niederen Schulwesen keine durchgängigen Unterschiede der Erziehung von Mädchen und Jungen gab (koedukative Schulen standen
neben reinen Mädchen- bzw. Jungenschulen), wurde im höheren Schulwesen sehr deutlich differenziert. Die Gymnasien waren reine Jungenschulen; für die Mädchen, denen der
Zugang zur Universität verwehrt blieb, gab es höhere „Töchterschulen“, an denen keine
Berechtigung vergeben wurde. Die Funktion dieser Schulen bestand in der Bildung bürgerlicher Hausfrauen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts näherte sich dann der Lehrplan
eines Teils dieser Schulen dem der Gymnasien an, aber erst 1908 (in Preußen) wurde
einem Teil dieser Schulen (von da an ‘Studienanstalten’ genannt) das Recht eingeräumt,
Abiturprüfungen durchzuführen. Seither können Frauen die Hochschulen besuchen.
2.3
Reformansätze nach 1918: Der Weimarer Schulkompromiss
Nach dem 1. Weltkrieg und nach dem Ende der Monarchie in Deutschland stand die
Schulpolitik am Anfang der Weimarer Republik vor der Frage, ob und gegebenenfalls wie
das überkommene ständische Schulsystem (vgl. Abbildung 5) der neuen republikanischen
und demokratischen Gesellschaftsordnung anzupassen sei. Da es für einen völligen Umbau des aus dem Kaiserreich überlieferten Schulsystems in der neu gewählten Nationalversammlung keine eindeutige Mehrheit gab, kam es zum „Weimarer Schulkompromiss“
(1919/20). Die wesentlichen Regelungen dieses Kompromisses bezogen sich auf die „Bekenntnisschule“ und auf die „Einheitsschule“. Hinsichtlich der konfessionellen Erziehung
einigte man sich auf die „Simultanschule“ als Regelfall (also auf Schulen mit Schülern unterschiedlicher Konfession), in denen der Religionsunterricht nach Konfessionen getrennt
erteilt werden sollte. Daneben konnten auch Bekenntnisschulen und bekenntnisfreie Schulen betrieben werden. Schüler der Klassen 1 bis 4 (mit Ausnahme der „Hilfsschüler“) sollten gemeinsam unterrichtet werden, so dass eine Trennung in niedere, mittlere und hohe
Schulen erst nach der 4. Klasse erfolgte (vgl. Abbildung 6).
Mit dem Umbau des Schulsystems entlang der vom Weimarer Schulkompromiss vorgezeichneten Linie hatten die Weimarer Parteien ihre gestalterische Kraft in der Schulpolitik
erschöpft.
11
Abb. 5: Die Schulstruktur vor 1919
Schulstruktur vor 1919
12.
8.
Hilfsschule
Mittelschule
8.
1.
_____
3.
_____
3.
Vorklassen
Volksschule
Vorklassen
1.
Gymnasium
9.
1.
1.
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
12
Abb. 6: Die Schulstruktur ab 1919
Schulstruktur ab 1919
13.
8.
Hilfsschule
Volksschuloberstufe
Gymnasium
8.
Mittelschule
10.
5.
5.
4.
Volksschulunterstufe
(Grundschule)
1.
1.
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
13
2.4
Schule im Nationalsozialismus
Nach der Machtergreifung konnte sich die nationalsozialistische Regierung auf eine an
dem Prinzip rigider Auslese orientierte Schulstruktur beziehen. Ihre am Rassebegriff, am
Eliteprinzip, am Führerprinzip und am Volksgemeinschaftsgedanken orientierte Schulpolitik konzentrierte sich daher vorrangig auf eine Veränderung der inhaltlichen Füllung der
übernommenen Strukturen. Dabei erhielt das Ausleseprinzip eine zusätzliche rassistische
Dimension (vor allem durch die Vertreibung jüdischer Schüler aus den Schulen). Das in
der Weimarer Republik aufgebrochene, aber nicht aufgehobene Prinzip der Bildungsbegrenzung richtete sich vor allem in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft gegen Mädchen und Frauen (z.B. durch die Begrenzung der Studienanfängerinnenzahlen auf maximal 10 % aller Erstsemester). Die demokratischen Lehrpläne und -bücher aus der Weimarer Republik wurden bis 1937/38 durchgängig im nationalsozialistischen Sinn überarbeitet (vgl. dazu insgesamt die Quellensammlung von FRICKE-FINKELNBURG 1989).
Die nationalsozialistische Schul- und Hochschulpolitik wurde – z.T. unter Inkaufnahme von
Widersprüchen zur direkt nach 1933 verkündeten Programmatik – ab 1937 im Verlauf der
beginnenden Kriegsvorbereitung modifiziert: Die bildungsbegrenzenden Maßnahmen wurden gelockert (z.B.: Frauen als Medizinstudentinnen), die Betonung der Loyalisierungsfunktion gegenüber der Qualifikationsfunktion der Schule wurde abgeschwächt (z.B.: Verringerung des direkten HJ-Einflusses in den Schulen), die strukturellen Übernahmen aus
der Weimarer Republik wurden modifiziert (z.B.: Verkürzung der Gymnasialzeit auf 8 Jahre zur Gewinnung eines zusätzlichen Jahrgangs von Offiziersanwärtern).
2.5
Zur Entwicklung nach 1945
Nach 1945 diktierten die Siegermächte den vier Zonen eine Demokratisierung des Bildungswesens: Die Hauptelemente der darin enthaltenen Schulprogrammatik waren im
Bereich der Ökonomie die Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit, im Bereich der Struktur die
Stufengliederung des Schulsystems und im Bereich der Inhalte neben der Entnazifizierung
die Einbeziehung staatsbürgerlicher Inhalte. Die Umsetzung dieser Grundrichtung erfolgte
in der Ostzone und späteren DDR völlig anders als in den Westzonen und in der späteren
BRD.
In der DDR wurden die unterschiedlichen Schultypen zu „Polytechnischen Oberschulen“
(Klassen 1 bis 10), die von allen Kindern gemeinsam besucht wurden und die strukturell
am Einheitsschul-Prinzip anknüpften, und zu „Erweiterten Oberschulen“ (Klassen 11 und
12) als studienvorbereitenden Schulen zusammengeführt (vgl. zur Schulentwicklung in der
DDR WATERKAMP 1987 und Abbildung 7). Nach Auflösung der DDR und nach Bildung
der neuen Bundesländer wurde dort das Bildungswesen der alten Länder der Bundesrepublik Deutschland – mit kleineren Modifikationen – übernommen.
14
Abb. 7: Schulstruktur in der DDR
12.
Oberschule
9.
1946
8.
Grundschule
1.
12.
10.
-------------------------------8.
Erweiterte
Oberschule
9.
Polytechnische
Oberschule
1959
1.
12.
11.
10.
Erweiterte Oberschule
Polytechnische
Oberschule (POS)
1965
1.
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
In der BRD setzte sich – auch unter dem Eindruck des entstehenden „kalten Krieges“ – die
Politik der Restaurierung durch. Im „Düsseldorfer Abkommen“ (1955) wurde das gegliederte Schulwesen mit der herausragenden Stellung des typisierten Gymnasiums festgeschrieben; zugleich wurde in den fünfziger Jahren die Trennung in höhere (wissenschaftspropädeutische) und in niedere (volkstümliche) Bildung beibehalten und – wie schon in der
Vergangenheit – begabungstheoretisch wie ökonomisch begründet. Erst in den sechziger
Jahren kam es in der Bundesrepublik aus ökonomischen Gründen (PICHT 1964) wie aus
demokratischen Ansprüchen (DAHRENDORF 1965) zu einer erneuerten Diskussion um
die Reform des Schulwesens. Ausgehend von der Kunstfigur des „katholischen Arbeitermädchens vom Lande“ wurden konfessions-, schicht-, geschlechts- und regionalspezifische Ungleichheiten in der Gesellschaft sowie deren Vorprägung in den Schulen diskutiert. Auf der Grundlage dieser Debatten kam es – z.T. initiiert durch Empfehlungen des
Deutschen Bildungsrates – zu Reformdebatten: Vorschläge, das gegliederte Schulwesen
durch ein einheitliches Gesamtschulsystem zu ersetzen, konnten sich nicht durchsetzen:
15
Heute bestehen in einer Reihe von Bundesländern Gesamtschulen neben den tradierten
Schulformen (vgl. Abbildung 8). Umgesetzt wurden dagegen im weiten Maß curriculare
Reformen, die Ablösung der Volksschuloberstufe und ihre Umwandlung in die Hauptschule als selbständige Schulform und die Reform der gymnasialen Oberstufe. Der Ertrag
dieser Reformjahre ist schwer zu benennen. Am ehesten trifft wohl der Satz zu: Die Bildungsreform ist nicht gescheitert, aber sie ist „steckengeblieben“ – u.a. auch in der großen
ökonomischen Krise seit Mitte der siebziger Jahre (vgl. zur Bilanzierung der westdeutschen Reformphase: KLEMM 1985).
ABB. 8: SCHULSTRUKTUR IN DER BRD AB 1969
Hochschulen
Berufsbildende Schulen
Oberstufe
Oberstufe
13
Realschule
HS / RS
Gymnasium
5
Hauptschule
Sonderschulen
9
22,8
26,3
7,1 %
29,0
Integrierte Gesamtschule
11
10
9,3 %
4
Grundschule
1
Die Prozentangaben beziehen sich auf die Verteilung der Schülerinnen und Schüler dar achten
Klasse im Schuljahr 1998 (aus: KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 1989
bis 1998 Bonn 2000 S XIX
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
16
3
Die strukturelle Perspektive: Struktur und Funktionsweise des
deutschen Schulsystems
Die Schulstruktur, die sich in Deutschland bis zum Ende des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat, die Bildungsbeteiligung, die sich im Verlauf der Expansionsjahre innerhalb dieser Struktur entwickelt hat, und die Ausleseprozesse, die sich dabei immer wieder vollziehen, lassen sich folgendermaßen charakterisieren:
3.1
Der Aufbau des Bildungssystems am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts
Vor dem Beginn der eigentlichen Vollzeitschulpflicht, die mit dem sechsten Lebensjahr
einsetzt und je nach Bundesland neun bzw. zehn Jahre beträgt, gibt es überall in Deutschland Angebote an vorschulischen Einrichtungen (vgl. zu der folgenden Strukturbeschreibung Abbildung 9 sowie ARBEITSGRUPPE BILDUNGSBERICHT 1994), die zum
Elementar-Bereich gezählt werden. In diesen Kindergärten oder vorschulischen Einrichtungen werden Kinder zwischen dem dritten Lebensjahr und dem Beginn der Schule durch
Erzieherinnen und Erzieher zumeist halbtags betreut. Der Besuch einer vorschulischen
Einrichtung ist freiwillig und kostenpflichtig. Trotz des seit einigen Jahren existierenden
Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz steht noch nicht in allen Bundesländern eine
ausreichende Anzahl von Plätzen zur Verfügung.
Die anschließende Grundschule, die in Berlin und Brandenburg sechs Jahre umfasst, in
allen übrigen Bundesländern vier, hat als einzige wirkliche ‚Gesamtschule’ den Doppelauftrag zu erfüllen, allen Kindern ein Basiswissen in den grundlegenden Kulturtechniken
zu vermitteln und muss gleichzeitig die Entscheidung über den im Anschluss zu belegenden Bildungsgang vorbereiten oder treffen.
Im Anschluss an die Grundschule stehen je nach Bundesland neben einem differenzierten
Sonderschulwesen bis zu fünf verschiedene Schularten nebeneinander bereit. In Nordrhein-Westfalen können in allen Schulformen – also in der Hauptschule, in der Realschule,
in der integrierten Gesamtschule sowie im Gymnasium – alle Abschlüsse der Sekundarstufe I erzielt werden; unter bestimmten Leistungsvoraussetzungen berechtigen diese Abschlüsse auch zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Die Sekundarstufe I umfasst in
der Regel die Jahrgangsstufen fünf bis zehn, in Berlin und Brandenburg beginnt sie erst
ab der siebten Klasse. In allen übrigen Bundesländern sind die Jahrgangsstufen fünf und
sechs als schulformabhängige oder - unabhängige Orientierungsstufe organisiert. Die
Hauptschule hat in den meisten Bundesländern – infolge ihrer sinkenden Attraktivität – seit
den sechziger Jahren eine starke Verringerung ihrer Schülerzahlen hinnehmen müssen.
Die Gesamtschule ist aus der Reformbewegung der sechziger Jahre hervorgegangen mit
dem Anspruch, das gegliederte Schulsystem zu ersetzen. Sie umfasst in der Regel die
Sekundarstufen I und II, wobei die Oberstufe sich organisatorisch nicht von der des Gymnasiums unterscheidet. Heute ist sie ergänzende Schulform innerhalb des gegliederten
Systems und von daher ist ihr Stand und ihr Ansehen abhängig von dem Konkurrenzverhältnis, in welchem sie sich zu den übrigen Schulformen befindet. Während die Gesamtschule in ländlich strukturierten Gebieten attraktiv ist, weil sie in einer Schulform alle Bildungsabschlüsse eröffnet, gerät sie besonders in großstädtischen Ballungsgebieten in
Konkurrenz zu Gymnasien und Realschulen. Dieser Konkurrenz gegenüber kann sie sich
nur über besondere pädagogische Angebote attraktiv halten.
17
Abb. 9:
Quelle: AG Bildungsbericht (Hrsg.), Das Bildungswesen in der BRD, Reinbek bei Hamburg,
1994, S. 19
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
18
Die Realschule stand und steht von ihrem Anspruch her zwischen Gymnasium und Hauptschule und bietet als originären realschultypischen Abschluss die Fachoberschulreife an.
Die Schulform Realschule war und ist in der bildungspolitischen Öffentlichkeit eine weitgehend unumstrittene Schulform, da der Realschulabschluss eine gute Voraussetzung für
den Übergang in das duale System darstellt und daher einen Einstieg in attraktive Berufe
ermöglicht. Das Gymnasium ist in allen
Abb. 10
Bundesländern die mittlerweile attrakSchüler der Klassenstufe 8
tivste Schulform: In Deutschland beVerteilung nach Schularten in Deutschland (in %)
suchten 1998 – bezogen auf die Klassenstufe 8 – 29% des entsprechenden
Jahrgangs ein Gymnasium (vgl. AbbilSchulart
1998
dung 10).
Obwohl an allen Schulformen der Sekundarstufe I in NRW ein oberstufenqualifizierender Schulabschluss erworSchularten mehrerer Bildungsgänge
7,1
ben werden kann, finden nennenswerRealschule
26,3
te Übergänge in die Oberstufe hauptsächlich vom Gymnasium und aus der
Gymnasium
29
Gesamtschule heraus statt, zumeist in
der Form der Fortsetzung der SchulIntegrierte Gesamtschule
9,3
laufbahn an derselben Schulform.
Während von den Hauptschülern nur
Freie Waldorfschule
0,6
ein sehr geringer Anteil die Schullaufbahn in einer gymnasialen Oberstufe
Sonderschule
4,8
(wenn, dann zumeist an einer Gesamtschule) fortsetzt, wechseln imZusammen
100
merhin ein Drittel der dafür qualifizierten Abgänger der Realschule in die
Quelle: KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der
Schulen 1989 bis 1998, Bonn 2000, S. XIX
Oberstufe – überwiegend eines Gymnasiums. Die Gymnasiale Oberstufe ist
als Kursstufe organisiert, in der spätestens ab der Klasse 12 in Grund- und Leistungskursen unterrichtet wird. In den meisten
Ländern wird das Abitur nach 13 Schulbesuchsjahren erworben, in Sachsen, Thüringen
und Sachsen-Anhalt bereits nach 12 Jahren. Der Abschluss wird in 9 Ländern durch
schuleigene Abiturprüfungen, in 7 Ländern durch zentrale Prüfungen vergeben. Von den
Abiturienten besuchen derzeit etwa 80% zu irgendeinem Zeitpunkt nach Beendigung ihrer
Schullaufbahn eine Hochschule.
Hauptschule
22,8
Das berufsbildende Schulwesen, das wie die gymnasialen Oberstufen von Gymnasien und
Gesamtschulen zur Sekundarstufe II zählt, gliedert sich – wenn man nur die Hauptformen
betrachtet – in die Berufsschule, die als Teilzeitschule den theoretischen Teil der Ausbildung des Dualen Systems mit den Lernorten Betrieb und Schule darstellt, in die vollzeitschulische Fachoberschule, die zur Fachhochschulreife führt, und in die Berufsfachschule,
die in vollzeitschulischer Form einen Berufsabschluss vermittelt.
3.2
Bildungsexpansion, Erfolge und Misserfolge sowie Bildungsbeteiligung
Unbeeinflusst von den Konjunkturen der Bildungspolitik ist die Entwicklung der Bildungssysteme nach 1945 in den beiden deutschen Staaten, wenn auch unterschiedlich akzentuiert, durch den Prozess der Bildungsexpansion gekennzeichnet. Dem Satz „Schick’ Dein
Kind länger auf bessere Schulen“, in den sechziger Jahren in der Bundesrepublik plaka19
tiert, folgten Eltern im Osten wie im Westen Deutschlands lange schon, bevor er formuliert
war (vgl. Abbildung 11).
Abbildung 11
Schuljahr
Verteilung der Schülerinnen und Schüler
im 7. bzw. 8. Jahrgang in der BRD
Anteile
VS/ HS
RS
GY
SoS
IGS
BRD, 8. Klasse
Früheres Bundesgebiet, 7. Jahrgang
1952/53
79,3
6,1
13,2
1,5
1953/54
79,5
6,4
14,1
1954/55
74,2
8,3
15,1
2,3
1955/56
69,5
9,6
18,4
2,6
1956/57
70,2
10,7
16,5
2,5
1957/58
69,2
12,0
15,9
2,8
1958/59
66,1
11,4
19,4
3,0
1959/60
68,6
11,3
17,2
2,9
1960/61
67,9
12,1
17,1
2,9
1961/62
67,9
12,4
16,6
3,0
1962/63
68,4
12,6
15,9
3,1
1963/64
66,9
13,1
16,4
3,6
1964/65
64,6
13,8
17,8
3,8
1965/66
64,6
14,8
16,7
3,9
1966/67
60,6
16,5
18,9
4,0
Kurzschuljahr
58,1
16,9
20,7
4,3
1967/68
56,0
18,6
21,3
4,2
1968/69
56,3
18,2
20,7
4,9
1969/70
54,2
19,6
21,7
4,5
1970/71
52,7
20,2
22,3
4,8
1971/72
50,7
20,7
21,8
5,2
1,6
1972/73
45,6
23,0
23,7
5,5
2,1
1973/74
44,9
22,1
25,0
5,3
2,6
1974/75
44,1
22,4
25,5
5,0
3,1
1975/76
43,3
22,6
25,5
5,1
3,5
1976/77
42,9
23,8
25,2
4,9
3,3
1977/78
41,5
24,5
25,5
4,9
3,6
1978/79
40,3
25,5
25,6
4,9
3,7
1979/80
38,8
26,1
26,6
4,7
3,8
1980/81
38,0
26,4
27,2
4,6
3,7
1981/82
37,4
26,8
27,4
4,4
4,0
1982/83
37,6
26,7
27,0
4,6
4,1
1983/84
37,0
26,9
27,2
4,6
4,3
1984/85
36,7
27,0
27,2
4,5
4,6
1985/86
36,0
26,9
27,4
4,7
4,9
1986/87
35,1
26,7
28,6
4,4
5,1
1987/88
33,9
26,8
29,7
4,4
5,3
1988/89
32,6
26,9
30,5
4,4
5,6
1989/90
31,7
27,1
31,2
4,1
5,9
1990/91
31,4
26,9
31,3
4,1
6,4
1991/92
30,8
26,7
29,3
5,4
7,2
1992/93
25,0
24,8
30,0
3,6
8,6
1993/94
24,5
24,9
30,0
4,5
8,5
1994/95
24,4
25,3
30,1
4,5
8,6
1995/96
24,0
25,5
29,9
4,7
8,8
1996/97
23,7
25,6
29,6
4,7
9,1
1997/98
23,4
25,9
28,9
4,8
9,3
1998/99
22,8
26,3
29,0
4,8
9,3
Quelle: Jahrbuch der Schulentwicklung, Bd. 7, Hg.: H.G: Rolff, K.O. Bauer, K. Klemm, H.Pfeiffer, 1992,
S. 61; KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 1989 bis 1998, Bonn 2000, S.XX (im Erscheinen)
20
Der Versuch, diesen hier angesprochenen Expansionsprozess darzustellen und in seinem
Ertrag zu würdigen, soll im folgenden in drei Schritten erfolgen: Zunächst wird dieser Prozess in seinem Verlauf dargestellt; sodann soll die Darstellung der expansiven Entwicklung des Bildungssystems zum einen durch einen Blick auf ihren Ertrag und zum anderen
durch die Frage nach der Chancenverteilung innerhalb des sich grundsätzlich expansiv
entwickelnden Bildungssystems analysiert werden.
Der Verlauf der Bildungsexpansion
Die Bildungsexpansion vollzog und vollzieht sich in Deutschland in zwei Bahnen (vgl.
Klemm 2000a, S. 149 ff.): zum einen, dies wird in der Regel unterschätzt, in den Bildungswegen des „niederen“ und auch „mittleren“ Schulwesens, zum anderen, daran wird
in der Regel beim Begriff „Bildungsexpansion“ gedacht, in den höheren Bildungswegen. Im
Bereich des „niederen“ Schulwesens hat sich die Expansion in erster Linie in der Verlängerung der Pflichtschulzeit niedergeschlagen:
In Westdeutschland geschah dies im Verlauf der sechziger Jahre in allen Bundesländern
durch die Einführung des verpflichtenden neunten Schuljahres der Hauptschulen (nach
der Trennung der Volksschulen in Grund- und Hauptschulen) sowie durch die Angebote
freiwilliger zehnter Hauptschuljahre in den meisten Bundesländern sowie die Einführung
des zehnten Pflichtschuljahres in einer Reihe von Ländern. Diese Ausdehnung der Schulzeit fand ihre Fortsetzung in der beruflichen Bildung, und zwar insbesondere in der Dualen
Berufsausbildung: zum einen durch die zeitliche Ausdehnung der Ausbildungszeit auf bis
zu dreieinhalb Jahre und zum anderen dadurch, dass Berufsausbildung immer mehr zum
Normalfall wurde. Dieser letzte Aspekt lässt sich sehr gut durch die vergleichende Betrachtung unterschiedlicher Altersjahrgänge verdeutlichen. Im Gebiet der alten Bundesländer erhielten aus den Geburtsjahrgängen 1906 bis 1910, die ihre Berufsausbildung in der
Weimarer Republik absolvierten, 51% keine formal abgeschlossene Berufsausbildung.
Von den Jahrgängen 1936 bis 1940, die während der fünfziger Jahre beruflich ausgebildet
wurden, blieben 25% ohne abgeschlossene Ausbildung. Von den Jahrgängen 1974 bis
1978 schließlich, die in den neunziger Jahren ausgebildet wurden, sind ’nur‘ noch 15%
ohne Berufsausbildung geblieben (vgl. BLOCK/KLEMM 1994, S. 44 und KLEMM 2000b,
S.10).
In Ostdeutschland bestand seit der Verabschiedung des „Gesetzes über die sozialistische
Entwicklung des Schulwesens in der DDR" (1959) die zehnjährige Vollzeitschulpflicht. Lediglich ein kleiner Anteil (weniger als 10 %) aller Jugendlichen eines Altersjahrgangs verließ die Polytechnische Oberschule vor dem zehnten Schuljahr (vgl. ANWEILER u.a.
1990, S.172). Auch in der DDR setzte sich die Ausdehnung der allgemeinbildenden
Schulzeit in eine Expansion der Teilhabe an Berufsausbildung fort: Von allen Erwerbstätigen des Jahres 1987 verfügten in der DDR nur 10% (Bundesrepublik 23%) über keinen
beruflichen Ausbildungsabschluss (vgl. TESSARING 1991, S.58).
Im Bereich der "mittleren" Bildung ist die Entwicklung im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik dadurch gekennzeichnet, dass parallel zum Ausbau der Volksschuloberstufe zur
Hauptschule eine Verlagerung der "Schülerströme" zu mittleren Bildungsgängen, zur Realschule also, erfolgt ist: Während 1952/53 erst 6% der Schülerinnen und Schüler aller
siebten Klassen Realschulen besuchten, taten dies 1996/97 bereits 27%. Für Ostdeutschland lässt sich feststellen, dass mit der Einführung der zehnjährigen Polytechnischen Oberschule die Unterscheidung zwischen "niederer" und "mittlerer" Bildung (bzw. in
den Begriffen Westdeutschlands zwischen Volks- und Realschule) entfallen ist.
21
Gestützt auf diese Expansionsentwicklungen im niederen und mittleren Schulwesen vollzog sich (breit wahrgenommen und kontrovers diskutiert) die Expansion "höherer" Bildung
– allerdings nur im Westen Deutschlands. Während in der DDR die Zahl der Überwechsler
in die zur Studienberechtigung führenden Bildungswege ("Erweiterte Oberschule" und "Abiturklassen in der Berufsausbildung") bei zwischen 12% und 14% eines Altersjahrgangs
verharrte (vgl. ANWEILER 1990, S.215 und S.352), erlebte die Bundesrepublik seit den
fünfziger Jahren eine rasante Ausweitung der Übergangsquoten zu Gymnasien (vgl. Tabelle 13/1): Anfang der fünfziger Jahre besuchten etwa 13% der Schüler der siebenten
Klassen Gymnasien, 1996/97 taten dies 31%. Dieser Andrang zu dem Bildungsweg der
"Höheren Schule" führte, zeitlich versetzt, zu einem ebenso deutlichen Anstieg der Abiturientenquoten: Während 1960 erst 6% eines Altersjahrgangs die Allgemeine Hochschulreife erwarb, erlangten im früheren Bundesgebiet 1994 mit 27% mehr als ein Viertel eines
Altersjahrgangs die allgemeine Studienberechtigung. Dazu kamen 1994 noch weitere 10%
eines Jahrgangs, welche die Fachhochschulreife erhielten, so dass in diesem Jahr mehr
als ein Drittel eines Jahrgangs, 37%, zur Hochschulreife geführt wurde.
An diese Expansionsentwicklung haben die neuen Bundesländer sehr schnell Anschluss
gefunden: Schon 1994 ergab sich bei der Allgemeinen Hochschulreife eine Quote von
22% und – infolge der Neueinrichtung der Fachhochschulen – von ’erst‘ 4% bei der Fachhochschulreife. Deutschland insgesamt erreichte 1997 bei der Allgemeinen Hochschulreife
eine Quote von 28% und bei der Fachhochschulreife von 9% – insgesamt also eine Hochschulberechtigtenquote von 37%.
Neben dem Anstieg der Übergänge zu Gymnasien haben zwei weitere Faktoren die Entwicklung der im historischen Vergleich sehr hohen Abiturquoten befördert: Zum einen
kann festgestellt werden, dass die Chancen derer, die zu einem Gymnasium wechselten,
auch dort das Abitur zu erreichen, im Verlauf des Expansionsprozesses deutlich zugenommen haben. HANSEN/ROLFF haben dies auf der Basis der Analyse der Schulstatistiken Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs gezeigt (1990). Die Erfolgsquote (definiert als der Anteil der Abiturienten eines Jahres an den Schülern der fünften Klassen der
Gymnasien neun Jahre zuvor) stieg z.B. in Nordrhein-Westfalen von 39% während der
fünfziger Jahre auf 73% während der achtziger Jahre (HANSEN/ROLFF 1990, S.52). Ein
Teil dieses Ansteigens der Erfolgsquote ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass immer
mehr Schüler und Schülerinnen nach der Klasse 10 aus Hauptschulen, Realschulen und
Gymnasien in gymnasiale Oberstufen wechseln und so den Verlust von Schülern während
des gymnasialen Weges von der Klasse 5 bis zur Klasse 11 tendenziell wieder rechnerisch ausgleichen. Ein weiterer Teil des Anstiegs der gymnasialen Erfolgsquote erklärt sich
daraus, dass die interne Selektion in den Gymnasien verringert wurde (z.B. durch günstigere Lernbedingungen in deutlich verkleinerten Klassen): So sank der Anteil der nichtversetzten Schülerinnen und Schüler der Gymnasien an allen Gymnasiasten z.B. in Nordrhein-Westfalen (KM-NW 1995, T 1.7) von in den sechziger Jahren noch zwischen 9% und
10% auf nur noch zwischen 4% und 4,5% zu Beginn der neunziger Jahre.
Schließlich wurde die Zahl der Abiturienten noch durch den Ausbau der Gesamtschulen,
des Zweiten Bildungsweges und der zum Abitur führenden Bildungsgänge der berufsbildenden Schulen erhöht. 1997 gilt für Deutschland insgesamt, dass von allen Absolventen
mit Abitur 88,9% aus allgemeinbildenden und 11,1% aus berufsbildenden Schulen stammen. Unter denen, die aus allgemeinbildenden Schulen kamen, hatten aber nur 90,6% ihr
Abitur in Gymnasien erworben. Von der Gesamtheit der Abiturienten dieses Jahres waren
damit nur 80,5% ’klassische’ Gymnasiasten (vgl. zu diesen Daten BMBF 1998, S.81 und
S.88f.). Die Entmonopolisierung des Gymnasiums hat damit einem Fünftel aller Abiturienten den Weg zu höherer Bildung geöffnet.
22
Ein Überblick über den Prozess der Bildungsexpansion im Gebiet der früheren Bundesrepublik vom Beginn der fünfziger Jahre bis heute zeigt, dass der Zugriff von Eltern und Kindern auf höhere Bildung weder durch Veränderungen der ökonomischen Bedingungen
noch durch politische Einflussversuche tangiert wurde. Eltern sind auf dem Expansionspfad während der Mangelsituation der Nachkriegsjahre ebenso wie in der scheinbar nicht
endenden Prosperität der sechziger Jahre gewandelt; auch die Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise seit Beginn der siebziger Jahre hat die Expansionstendenz nicht durchbrochen,
sondern lediglich mit anderen Motiven wie z.B. der Angst vor Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit unterfüttert.
Erfolge und Misserfolge im Verlauf der Bildungsexpansion
An dem so skizzierten Prozess der Bildungsexpansion konnten nicht alle Angehörigen der
jeweiligen Jahrgangskohorten teilnehmen. Im folgenden soll daher der Blick auf die
´Verlierer´ und auf die ´Gewinner´ dieses Prozesses gelenkt werden. Dies soll so geschehen, dass zunächst die Gruppe derer, die am Ende der neunziger Jahre ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung das Bildungs- und Beschäftigungssystem verlässt, näher
betrachtet wird. Daran anschließend soll die in diesem System erfolgreichste Gruppe derer, die einen Hochschulabschluss erworben hat, in den Blick genommen werden.
Junge Erwachsene ohne Berufsbildungsabschluss
Trotz der zeitlichen Ausdehnung des niederen Schulwesens und trotz der qualitativen
Verbesserungen in diesem Segment des Schulwesens ist es bis zum Ende der neunziger
Jahre nicht gelungen, allen Absolventen des Bildungs- und Ausbildungssystems eine abgeschlossene Berufsausbildung zu vermitteln. Die folgende Darstellung des Ausmaßes
von Ausbildungslosigkeit bei jungen Erwachsenen bezieht sich auf eine aktuelle Auswertung des Mikrozensus 1998 (KLEMM 2000b). Wenn man zunächst die für Deutschland
insgesamt geltenden Daten betrachtet, so ergibt sich das folgende Gesamtbild: 12%
(1.133.000) aller 20- bis unter 30jährigen sind ohne Ausbildung verblieben. Eine Analyse
der beiden gebildeten Altersuntergruppen belegt zudem: In der jüngeren Gruppe der 20bis unter 25jährigen ist in Deutschland der Anteil der Ausbildungslosen mit 14% (627.000)
deutlich höher als in der Gruppe der 25- bis 30jährigen (9% - 506.000). In dieser Differenz
zwischen den beiden Altersgruppen schlägt sich die Tatsache nieder, dass – nach Jahren
der Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt – in den vergangenen Jahren die
Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden, wieder deutlich zugenommen haben.
Eine geschlechtsspezifische Betrachtung deutet auf eine – möglicherweise – einschneidende Wende hin: Frauen sind (erstmalig) mit 10% seltener als Männer mit 12% von Ausbildungslosigkeit betroffen. Dies gilt in beiden Altersgruppen für Deutschland insgesamt,
für die alten und die neuen Bundesländer und gleichermaßen für Deutsche wie Ausländer.
Nach wie vor sind Ausländer (21%) weitaus häufiger als Deutsche (10%) ausbildungslos
geblieben – und zwar in beiden Altersgruppen. Daten aus den neuen Bundesländern sind
wegen der insgesamt kleinen Fallzahlen, die der Mikrozensus hier für den Osten Deutschlands liefert, nicht auswertbar. Eine Unterscheidung zwischen den Daten des früheren
Bundesgebietes und denen der früheren DDR verweist auf einen beachtenswerten Unterschied: Ausbildungslosigkeit ist bei den jungen Erwachsenen der alten Länder (13%) in
beiden Altersgruppen verbreiteter als bei denen der neuen Bundesländer (6%). Dieser
Unterschied ist auch in der jüngeren Altersgruppe deutlich ausgeprägt: Im Westen blieben
bei den 20- bis unter 25jährigen 15% ohne Ausbildung, im Osten ’nur’ 10%. Diese Abweichung ist nicht allein über die höheren Anteile der ausländischen Bevölkerung der alten
23
Bundesländer erklärbar: Bei den deutschen jungen Erwachsenen (der Altersgruppe 20 bis
unter 25) liegt die Quote der Ausbildungslosigkeit mit 14% ebenfalls deutlich vor der entsprechenden Quote im Gebiet der neuen Bundesländer (10%). Die Haupterklärung für die
niedrigeren Quoten der neuen Bundesländer liefert die Tatsache, dass auch in der jüngeren Altersgruppe im Frühjahr 1998 unter den bis zu 25jährigen noch junge Leute waren,
die in den Jahren der ’Wende‘, also insbesondere 1989 und 1990, ihre Ausbildung begonnen haben, zu einer Zeit, in der das bedarfsdeckende Angebot aus der DDR-Zeit noch
nicht zusammengebrochen war. Angesichts des derzeit hohen Mangels an Ausbildungsplätzen in den neuen Bundesländern muss erwartet werden, dass die Quoten der Ausbildungslosigkeit dort in den kommenden Jahren deutlich ansteigen werden, bevor sie – demographisch bedingt - nach 2005 wieder schnell sinken werden.
Junge Erwachsene mit Hochschulabschluss
Trotz der steil angestiegenen Quote der Schulabsolventen mit Hochschulreife konnte sich
die Bildungsexpansion bei der Quote der erfolgreichen Hochschulabsolventen kaum auswirken. Wiederum gestützt auf eine Auswertung von Daten des Mikrozensus 1998
(KLEMM/WEEGEN 2000) lässt sich zeigen, dass die Anteile der an Universitäten bzw. an
Fachhochschulen Qualifizierten – jeweils in Gruppen von fünf Jahrgängen zusammengefasst – in den Jahrgangsgruppen der Dreißig- bis Fünfzigjährigen weder bei den Absolventen der Universitäten noch bei denen der Fachhochschulen nicht angestiegen ist: In
der Gruppe der 30- bis 34jährigen liegt der Anteil der universitär Qualifizierten mit 9% sogar noch unter dem entsprechenden Anteil bei den 45- bis 49jährigen; bei den Fachhochschulabsolventen liegen die Quoten dieser beiden Altersgruppen bei 6% bzw. bei 5%. Die
Steigerung der Quote der Studienberechtigten konnte also in Westdeutschland – infolge
von Studienverzicht und -abbruch – nicht in eine Steigerung der Akademikerquoten umgesetzt werden.
Der Vergleich der universitären Abschlussquoten und der Abschlussquoten der Ausbildungsstätten, die in der DDR den Fachhochschulen in etwa entsprachen, zwischen dem
früheren Bundesgebiet und der ehemaligen DDR, den die Mikrozensusauswertung gestattet, wirft noch einmal ein besonderes Schlaglicht auf den westdeutschen Ertrag der Expansion der abiturführenden Bildungswege. In allen Jahrgangsgruppen der 1998 über
Dreißigjährigen liegt die universitäre Abschlussquote im Gebiet der früheren DDR höher
als in dem der damaligen Bundesrepublik – und dies, obwohl die Quote der an Universitäten Studienberechtigten zu Zeiten der DDR zwischen nur 12% bis 14% pendelte.
Chancenverteilung in der Bildungsexpansion
Die bisherige Analyse konnte darstellen, dass die Bildungsexpansion Gewinner und Verlierer kennt. Auf der einen Seite stehen all die, die auf ihrem Weg durch das Bildungs- und
Ausbildungssystem Hochschulabschlüsse erwerben konnten und die damit über die vergleichbar besten Arbeitsmarktperspektiven verfügen. Diese Gruppe hat in der Altersgruppe der 30- bis 34jährigen im Westen des Landes einen Anteil von 15% und im Osten
einen Anteil von 14%. Ihr steht die Gruppe der ‚Verlierer‘ des Expansionsprozesses gegenüber, die Gruppe der jungen Erwachsenen, die keinen Berufsbildungsabschluss erwerben konnte: Sie hält bei den 20- bis 24jährigen im Westen des Landes 15% und im
Osten Deutschlands 10%. Diese Gruppe hat im Vergleich zu den anderen Qualifikationsgruppen die geringsten Chancen zur Teilhabe an Erwerbsarbeit.
24
Die Wahrscheinlichkeit, zu einer dieser beiden hier gegenübergestellten bzw. zu den dazwischen rangierenden Gruppen zu gehören, ist nun keineswegs für alle Teilgruppen der
Gesellschaft gleich. Auch nach den Jahren der Bildungsexpansion wirkt das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem in einem hohen Maße daran mit, dass die Kinder unterschiedlicher Gruppen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen Qualifikationen gelangen (vgl. KLEMM 2000 a). Das damit angesprochene Ausmaß von Gleichheit und Ungleichheit, so wie es sich im deutschen Bildungssystem Mitte der neunziger
Jahre darstellt, lässt sich unter Bezug auf eine ‘Kunstfigur’, die in den bildungspolitischen
Debatten der sechziger Jahre eine große Rolle spielte, beschreiben. Damals galt das ‘katholische Arbeitermädchen vom Lande’ gleichsam als Inkarnation aller denkbaren Ungleichheiten im Bildungssystem. Diese Kunstfigur sollte auf vier Ungleichheiten aufmerksam machen, die das westdeutsche Schulsystem dieser Jahre charakterisierten, nämlich
auf konfessionelle, schichtspezifische, geschlechtsspezifische und regionale Unterschiede. Die Entwicklungen in diesen vier Feldern von Ungleichheit sind seither sehr unterschiedlich verlaufen. Im Vorgriff auf die folgende differenziertere Darstellung dieser Verläufe lässt sich feststellen, dass konfessionsspezifische Ungleichheit völlig an Bedeutung
verloren hat, während die Ungleichheit zwischen deutschen Kindern und Kindern fremder
Ethnien infolge der Arbeitsmigration seit den sechziger Jahren zu einem neuen und bedeutenden Element gesellschaftlicher Ungleichheit geworden ist.
Mädchen und junge Frauen auf der ‘Überholspur’
Noch in den sechziger Jahren, während der Startphase der Bildungsreform, waren Mädchen im deutschen Schulsystem eindeutig benachteiligt, wenn Benachteiligung am Erreichen von Schulabschlüssen gemessen wird. Ein wichtiger Ertrag der Expansions- und Reformjahre ist es, dass Mädchen im allgemeinbildenden Schulsystem mit den Jungen
gleichgezogen und dass sie diese z.T. auch deutlich überholt haben. Mädchen sind 1996
in Deutschland unter den Absolventen ohne Schulabschluss (35%) und mit Hauptschulabschluss (43%) deutlich unterrepräsentiert. Bei den Absolventen mit einem mittleren Schulabschluss (52%) stellen sie ebenso wie bei denen mit Allgemeiner Hochschulreife (54%)
die Mehrheit, bei denen mit Fachhochschulreife (45%) allerdings immer noch eine Minderheit (BMBF 1997, S.86 f.). Der für die Mädchen insgesamt zu beobachtende Prozess des
Gleichziehens und Überholens hat sich in allen sozialen Schichten vollzogen (vgl. BÖTTCHER 1991).
Diesen Erfolg, den Mädchen und junge Frauen im allgemeinbildenden Schulsystem erlangten, konnten sie allerdings beim Wechsel in die berufliche Ausbildung nur z.T. umsetzen: Ihr Anteil an den universitären Erstsemestern betrug 1996 bereits 52%, an denen der
Fachhochschulen aber erst 38%. Im Dualen System der Berufsausbildung finden sich geschlechtsspezifische Unterschiede bis heute am ausgeprägtesten: Mädchen bleiben inzwischen seltener als Jungen ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung (bei den 20bis 24 jährigen Frauen waren 1998 14,5% ohne abgeschlossene Ausbildung – gegenüber
16,3% der Jungen dieser Altersgruppe, vgl. KLEMM 2000 b, S. 10), die Ausbildungsplätze,
die ihnen zugänglich sind, decken im Vergleich zu denen der jungen Männer allerdings ein
schmaleres Berufsspektrum ab. Offensichtlich bewirken familiäre und schulische Sozialisation immer noch eine geschlechtsspezifische Prägung, die zu Benachteiligungen in Berufsausbildung und im Beruf beitragen. Die aktuelle Debatte um den Ertrag der Koedukation ist dafür nur ein Ausdruck.
25
Andauernde Ungleichheit zwischen den sozialen Schichten
Ein zentraler Ausgangspunkt der Schulreformbemühungen der sechziger Jahre und der
Zeit danach war die immer wieder festgestellte ungleiche Chancenverteilung zwischen den
Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Dem Anspruch des demokratischen
Sozialstaates, jedem seiner Mitglieder unabhängig von seiner Herkunft gleiche Lebenschancen zu bieten, stand die gesicherte Feststellung einer schichtspezifischen Zuteilung
von Bildungs- und damit Lebenschancen entgegen. Diese Ungleichheit ist auch Ende der
achtziger Jahre, also fünfundzwanzig Jahre nach Beginn der Reformdebatte, erheblich:
Für das Jahr 1989 – seither wird dies nicht mehr erhoben – weist der Mikrozensus aus,
dass von allen Arbeiterkindern im Alter von 13 und 14 Jahren 58% eine Hauptschule, 26%
eine Realschule und nur 11% ein Gymnasium besuchten. Dem stehen folgende Bildungsbeteiligungsquoten bei Beamtenkindern gegenüber: Hauptschule – 13%; Realschule –
24%; Gymnasium – 58% (BÖTTCHER 1991, S.153). Dieses hohe Ausmaß von schichtspezifischer Chancenungleichheit setzt sich in den Bildungswegen der Sekundarstufe II
und schließlich beim Übergang in die Universitäten fort: 1996 stammten 42% aller 18- bis
unter 21jährigen aus Arbeiterfamilien (gemessen an der Stellung des Vaters im Beruf); aus
dieser Gruppe wechselten lediglich 6% in Universitäten – bei den Beamtenkindern (9% der
18- bis unter 21jährigen stammten aus Beamtenfamilien) besuchten dagegen 54% Universitäten (DSW 1998, S. 74).
Abgeschwächte regionale Ungleichheit
Neben geschlechts- und schichtspezifischen Ungleichheiten waren es die regionalen Disparitäten, die vor dem Hintergrund des Gleichheitsgebots des Grundgesetzes Schulreformer anspornten: Durch einen "flächendeckenden" Ausbau des Schulnetzes sollte regionale Ungleichheit gemindert werden. Trotz aller Anstrengungen und trotz aller Erfolge bestehen jedoch Mitte der neunziger Jahre unverkennbare regionale Disparitäten – zwischen
den Bundesländern ebenso wie innerhalb der Länder. Vergleicht man z.B. die Abiturquoten (Anteil der Abiturienten am Altersjahrgang) der Länder untereinander, so findet sich für
1997 bei den Flächenstaaten der früheren Bundesrepublik eine Spannweite von 20%
(Bayern) über 29% (NRW) bis zu bis 31% (Hessen). Die neuen Bundesländer bewegen
sich inzwischen ausnahmslos im oberen Bereich der Werte der alten Flächenstaaten: Die
Spannweite reicht von 27% in Mecklenburg-Vorpommern bis 35% in Brandenburg (vgl. zu
diesen Daten KMK 1998, S.356).
Dass die Unterschiede zwischen den Bundesländern nicht ausschließlich Ausdruck landesspezifischer Expansionspfade sind, zeigt eine genauere regionalisierte Analyse der
Bildungsbeteiligung in unterschiedlichen Regionen ein und desselben Bundeslandes. So
ergibt z.B. eine genauere Analyse der regionalen Hauptschulquoten Bayerns für das Jahr
1996 (vgl. KLEMM/STRÜCKEN 1999), dass es dort unerwartet hohe Unterschiede gibt:
Zwischen den sieben Regierungsbezirken findet sich es eine Spannweite von 9% (Oberbayern 39%, Niederbayern 48%). Zwischen den kreisfreien Städten beträgt die größte Differenz 27% (München 32%, Hof 59%) und zwischen den Landkreisen beträgt sie 31%
(Landkreis München 24%, Landkreis Altötting 55%). Diese letztgenannte Differenz ist
zugleich die größte in ganz Bayern. Tendenziell ähnliche Disparitäten würden voraussichtlich auch Analysen anderer Flächenstaaten ergeben. Dieser Regionalvergleich zeigt, dass
die Verteilung auf die einzelnen Schularten von sehr vielen Faktoren abhängt, nur unter
anderem von den Fähigkeiten der Kinder.
26
Die neuen Benachteiligten
Die Kinder der Arbeitsmigranten: Seit dem Ende der sechziger und frühen siebziger Jahre
hat sich eine zusätzliche Gruppe gebildet, die im Schulsystem insgesamt benachteiligt ist:
Dies sind die nahezu 1,2 Millionen ausländischen Kinder und Jugendliche (1996/97), die
9% aller Schülerinnen und Schüler in Deutschlands Schulen stellen. Sie sind überproportional in Sonder- und Hauptschulen und unterproportional in Realschulen und Gymnasien
vertreten. Das Ausmaß ihrer – im Vergleich zu den Deutschen – ungleichen Bildungsbeteiligung drückt sich in den von ihnen im allgemeinbildenden Schulsystem erreichten
Schulabschlüssen aus (vgl. dazu: KLEMM 2000b, S. 11): 1997 erreichten – jeweils bezogen auf die gleichaltrige Wohnbevölkerung – 16% von ihnen keinen Schulabschluss (bei
den Deutschen betrug der Vergleichswert 8%), 36% erreichten einen Hauptschulabschluss (Deutsche: 25%), 29% einen mittleren Abschluss (Deutsche: 49%) und 12% einen
Hochschulabschluss (Deutsche: 41%). Dieses im Vergleich zur deutschen Bevölkerung
insgesamt zu beobachtende Zurückbleiben beim Erlangen von Schulabschlüssen führt –
gerade in Zeiten knapper Ausbildungsplätze – zu einem hohen Anteil junger Ausländer
ohne abgeschlossene Berufsausbildung: Die Mikrozensusauswertung 1998 zeigt, dass
20% aller 20- bis unter 25jährigen Ausländer ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung
verblieben sind (vgl. KLEMM 2000 b, S. 10).
4
Zur Steuerung des deutschen Schulsystems
Nach der Betrachtung der Entstehungsgeschichte und der Struktur des deutschen Schulsystems geht es in dem nun folgenden Kapitel um Fragen der Steuerung des Systems.
4.1
Das Schulwesen im kooperativen Föderalismus
In Fortführung einer weit in die deutsche Geschichte zurückreichenden Tradition kann der
bundesstaatliche Föderalismus, so wie er im Grundgesetz festgelegt wurde, als eines der
wichtigsten Strukturmerkmale der Bundesrepublik angesehen werden. In Artikel 30 GG
heißt es dazu: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen
Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft
oder zulässt.“ Für das Bildungswesen bedeutet dies, dass für alle Fragen der Kulturpolitik
und Kulturverwaltung – vom Rundfunk über die staatlichen Bibliotheken und Theater bis
zur Schule und Hochschule – die Länder die gesetzgebende und administrative Kompetenz haben. Mit dem Begriff ‚Kulturhoheit der Länder‘ bezeichnet man diese Kompetenzverteilung (vgl. dazu ARBEITSGRUPPE BILDUNGSBERICHT 1994, S. 79ff.).
Vorgaben des Grundgesetzes und Bundeskompetenzen
Allerdings wird diese Kulturhoheit der Länder durch einige unterschiedlich weitreichende
Bestimmungen des Grundgesetzes eingeschränkt. Die wichtigsten dieser Einschränkungen sollen im folgenden benannt und knapp charakterisiert werden:
Staatliche Schulaufsicht:
Artikel 7 (1) GG lautet: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“
Diese Regelung bezieht sich explizit (vgl. die Absätze 4 und 5 von Artikel 7 GG) auch auf
die privaten Schulen, denen in Deutschland mit 6% aller Lernenden an allgemeinbildenden
27
Schulen (1994 – früheres Bundesgebiet) allerdings nur eine quantitativ geringe Bedeutung
zukommt. Im Kommentar von JARASS/PIEROTH (1992) wird zum Begriff ‘Schulaufsicht’,
so wie er im Grundgesetz verwendet wird, ausgeführt: „Schulaufsicht wird traditionell umfassend als die Gesamtheit der staatlichen Befugnisse zur Organisation, Leitung und Planung verstanden...Dazu zählt auch die Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele...“ (S. 195).
Dieser in Artikel 7 GG formulierte Grundsatz stellt den vorläufigen Endpunkt eines langen
Weges hin zur Schule als einer überwiegend staatlichen Veranstaltung dar (vgl. NEVERMANN 1984). In dem Prozess der Verstaatlichung, der insbesondere in Preußen, aber
auch in den anderen Ländern des deutschsprachigen Raums die Schulentwicklung des
19. Jahrhunderts geprägt hat, haben sich Bildung und Erziehung befreit: von der direkten
Bevormundung durch die Kirche (die als Schulträger, als geistliche Aufsicht und oft genug
durch ihre Geistlichen auch als Lehrer auftrat), durch den Adel (dessen Mitglieder vielfach
‘Schulhalter’ waren) und durch das Besitzbürgertum (das sich Privatlehrer und Privatschulen leistete). Die mit diesem Emanzipationsprozess verbundene Indienstnahme der
Schulen durch den Staat gab diesem zugleich aber auch die Pflicht und die Möglichkeit, im
Rahmen der gewonnenen Schulaufsicht seine Vorstellung von der Aufgabe der Schulen
zu formulieren und durchzusetzen.
Chancengleichheit im Bildungswesen:
In Artikel 3(3) GG heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ In dem schon herangezogenen GGKommentar von JARASS/PIEROTH (1992) heißt es dazu: Nicht allein „formale, rechtliche
Freiheit, sondern reale, in der sozialen Wirklichkeit vorhandene Freiheit wird von der Verfassung bezweckt, neben der rechtlichen die faktische Chancengleichheit“ (S. 389).
Besoldungs- und Dienstrechtsfragen, außerschulische Berufsbildung, Hochschulbau, Ausbildungsförderung, Bildungsplanung und Forschungsförderung sind weitere Gebiete, in
denen der Bund über Kompetenzen verfügt (Artikel 70 bis 75, 91a und 91b).
Neben den Bereichen, in denen das Grundgesetz dem Bund unmittelbare Zuständigkeiten
gibt, findet sich im Grundgesetz im Zusammenhang der Bestimmungen zur „Konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes“ der Auftrag zur Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse
im Bundesgebiet: Der Bund hat dann ein eigenes Gesetzgebungsrecht, wenn „die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit
der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus“ (Artikel 72(3)) nur dadurch
sicherzustellen ist.
Im Regelfall kommen die Bundesländer dem hier implizit auch an sie gerichteten Auftrag,
für einheitliche Lebensverhältnisse zu sorgen, jedoch – bevor der Bund mit seiner Gesetzgebungskompetenz eingreifen würde – durch die Koordination ihrer Bildungspolitik nach.
Hierzu haben sie sich bereits 1949 die ‚Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder‘
(KMK) geschaffen. Damit haben die Länder ein Instrument zur Abstimmung und Koordination ihrer Bildungspolitik, ein Instrument, das im wesentlichen durch die Verabschiedung
einstimmig beschlossener Empfehlungen wirksam ist. Eine der wohl bekanntesten dieser
Empfehlungen ist die von 1972, in der die gymnasiale Oberstufe neu geordnet wurde.
Kompetenzen der Länder und Gemeinden
Alle anderen Gegenstandsbereiche des Bildungswesens fallen in die Zuständigkeit der
Länder und der Gemeinden. In Artikel 8 (3) der Verfassung des Landes Nordrhein-West28
falen, die hier exemplarisch herangezogen werden soll, heißt es dazu: „Land und Gemeinden haben die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Das gesamte Schulwesen
steht unter der Aufsicht des Landes...“. Die Aufteilung der darin enthaltenen Kompetenzen
zwischen dem jeweiligen Land und den ihm angehörigen Gemeinden (kreisfreie Städte,
Kreise, kreisangehörige Städte und Gemeinden) lässt sich – vereinfachend – mit den Begriffen ‚innere‘ und ‚äußere‘ Schulangelegenheiten beschreiben.
Unter die äußeren Schulangelegenheiten, für welche die Gemeinden als ‚Schulträger‘ zuständig sind, fallen insbesondere
•
die Errichtung und der Erhalt von Schulgebäuden,
•
die Einstellung und Finanzierung des nicht lehrenden Personals (Schulsekretariate,
Hausverwaltung) sowie
•
die kommunale Schulentwicklungsplanung mit ihrer Vorsorge dafür, dass Schulgebäude am richtigen Standort, in der richtigen Betriebsgröße und zur richtigen Zeit
zur Verfügung stehen.
Unter inneren Schulangelegenheiten, für welche die Länder zuständig sind, werden alle im
engeren Sinne pädagogischen Bereiche verstanden. Dies sind insbesondere
•
die Ziele und Inhalte des Unterrichts (Lehrpläne, Stundentafeln, Schulbücher, Versetzungen, Prüfungen),
•
die Ausbildung, Einstellung und Finanzierung des lehrenden Personals sowie
•
die strukturelle Ausgestaltung des Schulwesens (Schulformen, Schuldauer).
Das zentrale Instrument, mit denen die Länder die im Rahmen ihrer Kompetenzen jeweils
verfolgte Schulpolitik umsetzen und überwachen, ist das der Schulaufsicht. Jedes der
sechzehn Bundesländer verfügt über eine eigene Kultusadministration, welche aus mehreren Instanzen besteht und der die Schulaufsicht obliegt. Die Organisation der Schulaufsicht variiert von Bundesland zu Bundesland. Stadtstaaten verfügen über eine ein- bis
zweistufige Aufsicht (einstufig in Bremen: Senator für Bildung und Wissenschaft in Bremen; zweistufig in Berlin: Senatsverwaltung für Schule, Berufsausbildung und Sport sowie
Schulämter in den Bezirksämtern des Landes Berlin), Flächenländer über eine zwei- bis
dreistufige (zweistufig z.B. in Mecklenburg- Vorpommern: Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur, Jugend und Sport sowie Schulabteilungen bei den Regierungspräsidien,
dreistufig z.B. in Nordrhein-Westfalen: Ministerium für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung, Schulabteilungen bei den Regierungspräsidenten sowie Schulämter bei den Kreisen und Kommunen; vgl. Abbildung 12).
An der Spitze der Schulaufsicht steht in jedem Fall ein Ministerium, das neben anderen
Bereichen für die Schulen zuständig ist. Von ihm gehen die wesentlichen Vorgaben der
Schulentwicklung aus; sofern es sich dabei um zentrale Bereiche des Schulwesens handelt, müssen diese Vorgaben, so sieht es die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vor, von der Legislative, also dem jeweiligen Parlament, auf dem Wege der Gesetzgebung erlassen werden (vgl. hierzu und zum folgenden ARBEITSGRUPPE BILDUNGSBERICHT 1994, S. 98 ff). „Auf dieser gesetzlichen Grundlage erfüllt die Ministerialverwaltung ihre Gestaltungsaufgaben einmal durch die Bereitstellung von Personal,
Sach- und Finanzmitteln, vor allem aber durch Gebote und Verbote, die in den Rechtsund Verwaltungsvorschriften niedergelegt sind und die man insgesamt als ‚regulative Programme’ bezeichnet“ (ARBEITSGRUPPE BILDUNGSBERICHT 1994, S. 98). Insbesondere werden darin geregelt: Quantität und Fächerverteilung des Unterrichtsangebotes
29
(Stundentafel), Lehrpläne, Anerkennung von Lehrbüchern, Schülerkarrieren (Notengebung, Versetzung, Übergang in andere Schulformen), Klassenfrequenzen, Lehrermesszahlen.
Abb. 12
Schule zwischen Schulaufsicht und Schulträger
Modell in Nordrhein-Westfalen
Quelle:
Holtappels, Hans-Josef: Der Schulleiter zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Essen, 1991, S. 49
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
30
Die Schulaufsicht umfasst die Bereiche der Fachaufsicht – die sich auf fachliche und methodische Fragen des Unterrichtens und der Erziehung bezieht – , der Rechtsaufsicht –
welche die Rechtmäßigkeit des Handelns der Akteure zum Gegenstand hat - sowie die
Dienstaufsicht – die das dienstliche Verhalten bewertet. Im Kontext der Debatten um eine
verstärkte Dezentralisierung im Schulwesen wird von der Schulaufsicht heutzutage die
Fokussierung auf beratende und unterstützende Tätigkeiten erwartet.
Die Bildungsfinanzierung als Spiegel der Kompetenzenverteilung
Die geringen Kompetenzen des Bundes und die überragenden der Länder und (abgeschwächt) der Gemeinden werden auch in der Verteilung der öffentlich getätigten Bildungsausgaben auf die drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden deutlich:
•
Von allen Bildungsausgaben, die 1997 in Deutschland 172,6 Milliarden DM ausmachten (4,74% des Bruttoinlandsproduktes, 14,4% des öffentlichen Gesamthaushaltes), trugen der Bund 1997 lediglich 6,4%, die Länder 74,6% und die Gemeinden 19,0%. Noch deutlicher wird das Gewicht der Länder, wenn man allein die
öffentlichen Ausgaben für das Schulwesen betrachtet: 80,5% der Ausgaben leisteten 1997 die Länder, 19,5% die Gemeinden und 0% der Bund (vgl. BMBF 1998, S.
303).
•
Der hohe Anteil, der insbesondere im Schulwesen von den Landeshaushalten erbracht wird, erklärt sich in erster Linie aus der hohen Bedeutung, die den Kosten für
das Personal zukommt: Im Schulbereich sind nahezu 80% aller Ausgaben Aufwendungen für das Personal (vgl. BMBF 1997, S. 299).
4.2
Instrumente zur Steuerung der Organisation Schule
Jede einzelne Schule ist eine Organisation wie andere Organisationen (z.B. Unternehmen)
auch. Für sie trifft daher die gebräuchliche Kurzdefinition zu, der zufolge Organisationen
dauerhafte soziale Gebilde zum Zwecke der Erreichung gemeinsamer Ziele sind (vgl. dazu
MAYNTZ 1968, ROLFF 1992). Die Ziele, die in der Organisation Schule verfolgt werden,
ergeben sich auf zweierlei Weise:
Einerseits sind Ziele vorgegeben: Das jeweilige Bundesland mit seiner Zuständigkeit für
die ‚inneren Schulangelegenheiten‘ formuliert in seinen Gesetzen und Erlassen Ziele, auf
die die einzelne Schule ihre Arbeit ausrichten muss. Die materiellen Voraussetzungen zur
Verfolgung dieser Ziele sichert das jeweilige Land in Verbindung mit den Schulträgern, die
im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die ‚äußeren Schulangelegenheiten‘ tätig werden.
Andererseits entwickeln sich Ziele auch im Verlauf des Arbeitens der einzelnen Organisationen. Gerade für Schulen gilt, dass sie ihre Zielsetzungen – im Rahmen der rechtlichen
Vorgaben – im Verlauf ihres alltäglichen Handelns weiterentwickeln, insbesondere in den
Bereichen, in denen es weniger um die Weitergabe von Wissen und mehr um die Vermittlung von Einstellungen, Haltungen und Werten geht. Ziele sind in Organisationen – und
eben auch in Schulen – selbst Handlungsprodukte. „Sie werden im Handeln hervorgebracht und sind somit nicht erklärende Variable, sondern selbst erklärungsbedürftig"
(ROLFF 1992, S. 308). Die moderne Organisationstheorie begreift Organisationen daher
nicht länger als geplante monolithische Blöcke, sondern als lebendige und lernende Systeme.
31
Die Erreichung wie auch die (Weiter-)Entwicklung der Ziele einer Organisationen setzt
zwei grundlegende, aber gegensätzliche Schritte voraus: Die zur Zielerreichung erforderliche Arbeit muss in verschiedene Einzelaufgaben aufgeteilt werden und die Bearbeitung
der damit definierten Einzelaufgaben muss koordiniert werden. Die Art und Weise, in der
Organisationen diese Arbeitsteilung und deren Koordinierung regeln, macht ihre Struktur
aus. Der amerikanische Organisationssoziologe MINTZBERG formuliert dies so: „Somit
lässt sich die Struktur einer Organisation ganz einfach definieren als die Gesamtsumme
aller Mittel und Wege, die der Organisation zur Arbeitsteilung und dann zur Koordinierung
der Einzelaufgaben dienen.“ (MINTZBERG 1992, S. 17).
Die Art und Weise der Arbeitsteilung ist der Organisation Einzelschule weitgehend vorgegeben: Jede Schule ist für eine festgelegte Altersgruppe bzw. für ein Segment aus ihr zuständig. Sie verfolgt ihre Zielsetzung im Rahmen von in der Regel dem Prinzip des Fachunterrichts folgenden zeitlich begrenzten Unterrichtsstunden, die von einem fachlich spezialisiertem Personal erteilt werden. Die nicht unterrichtsbezogenen Aufgaben der Leitung
und Verwaltung werden überwiegend von dafür eingesetztem Personal erledigt (Schulleitung, Sekretariat, Hausmeister).
Die Koordinierung von Einzelaufgaben erfolgt in Organisationen – nach MINTZBERG – im
Rahmen von fünf grundlegenden und in der Regel in Kombination genutzten Möglichkeiten, die ihnen dazu zur Verfügung stehen (vgl. Abbildung 13). Dies sind die wechselseitige
Abstimmung, die persönliche Weisung, die Standardisierung der Arbeitsprozesse, die
Standardisierung der Arbeitsprodukte und die Standardisierung der Qualifikationen der
Organisationsmitarbeiter/innen (MINTZBERG 1992, S. 19). Diese fünf fundamentalen
Strukturelemente von Organisationen sollen im folgenden zunächst grundsätzlich vorgestellt und dann in Hinsicht auf die Organisation Schule betrachtet werden:
Koordinierung kann über den Prozess der wechselseitigen Abstimmung, etwa auf dem
Wege informeller Kommunikation, geschehen. Dieser Weg wird insbesondere in kleinen
Organisationen wie etwa in einem kleineren Handwerksbetrieb verfolgt. Er wird aber auch
in sehr großen Organisationen verfolgt: Dann nämlich, wenn aufgrund der Neuheit der
Aufgabenstellung noch keine formalisierbaren Routinen zur Verfügung stehen und wenn
Koordinierung durch Weisung nicht funktionieren kann, weil der Weisungsbefugte das zu
bearbeitende Problem nicht übersieht.
Koordinierung kann über die persönliche Weisung erzielt werden. Da, wo eine Führungskraft die zu erledigenden Aufgaben ebenso wie die Kompetenzen der ausführenden Mitarbeiter/innen kennt, kann die Koordinierung der Ausführung von Einzelaufgaben mit dem
Ziel der Erreichung des Organisationszieles in der Regel durch persönliche Weisungen
der Führungskraft oder zwischen Führungs- und Ausführungsebene vermittelnden Personen erfolgen.
Arbeit lässt sich jedoch nicht nur durch wechselseitige Abstimmung oder durch persönliche Weisung koordinieren, sondern auch durch Standardisierung der von den Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen verlangten Qualifikation, durch Standardisierung des Arbeitsprozesses selbst und durch Standardisierung der Arbeitsprodukte:
Standardisierung der Qualifikation der Mitarbeiter/innen: Durch eine hoch standardisierte
Ausbildung der in einer Organisation Beschäftigten können diese arbeitsteilig tätig sein,
ohne dass ein hoher Koordinierungsbedarf entsteht. MINTZBERG verdeutlicht dies am
Beispiel eines Operationsteams in einem Krankenhaus: Der Chirurg, der Anästhesist und
die OP-Schwestern wissen bei einer Routineoperation jeder für sich aufgrund ihrer wechselseitig bekannten Qualifikation sehr genau, was jede(r) von ihnen zu tun hat, ihr Abstimmungsbedarf ist minimal.
32
Koordinationsmechanismen in Organisationen
(nach Mintzberg)
1. Koordinierung über wechselseitige Abstimmung
Führungskraft
Mitarbeiter
Mitarbeiter
2. Koordinierung über persönliche Weisung
Führungskraft
Mitarbeiter
Mitarbeiter
3. bis 5.: Koordinierung durch Standardisierung
Führungskraft
Standardisierung der
Qualifikation der
Mitarbeiter/innen
(Input)
Standardisierung
der
Arbeitsprozesse
(Prozeß)
Standardisierung
der
Arbeitsprodukte
(Output)
Quelle: Mintzberg, H.: Die Mintzberg-Struktur – Organisationen effektiver gestalten, Landsberg 1992
Abb. 13
AG Bildungsforschung / -planung
AG
Bildungsforschung
/ -planung
Universität
GH Essen, FB
2
Universität GH Essen, FB 2
33
Standardisierung des Arbeitsprozesses: Da, wo der Arbeitsprozess hoch standardisiert ist
und die einzelnen Teilaufgaben für sich und in ihrem Zusammenhang untereinander detailliert festgelegt sind, erübrigt sich Koordinierung weitgehend. Ein typisches Beispiel dieser Strukturierung von Arbeitsteilung ist die Fließbandarbeit, in der die Anordnung der
Teilaufgaben am Band und der Takt des Bandes die Koordinierung übernimmt.
Standardisierung der Arbeitsprodukte: Da, wo Arbeitsprodukte genau standardisiert, also
präzise beschrieben sind, erübrigt sich ein Teil der Koordinierung, da die Mitarbeiter/innen
bei der Lösung ihrer Teilaufgabe das Endprodukt genau vor Augen haben und da dies auf
ihre Arbeit koordinierend wirkt. Der einzelne Taxifahrer eines Taxibetriebes muss nur das
Ziel seines Kunden genannt bekommen. Unter Wahrung der Vorgabe, Wegstrecke und
Transportzeit zu minimieren, kann er sein Produkt, das Transportieren seines Gastes an
den gewählten Ort, ohne weitere Koordinierung – etwa der gewählten Wegstrecke –
erstellen.
Alle arbeitsteilig vorgehenden Organisationen, so die These MINTZBERGS, strukturieren
ihre Arbeitsabläufe zum Zwecke der Aufgabenerfüllung der Organisation insgesamt unter
Nutzung der hier knapp skizzierten Koordinierungsmechanismen. Die Ausprägung, in der
dies in der Organisation Schule geschieht, soll im folgenden beschrieben werden. Dazu
werden die fünf Koordinierungsmechanismen einzeln mit Blick auf die Schule durchgemustert:
Koordinierung durch wechselseitige Abstimmung: In Schulen findet wechselseitige Abstimmung der lehrenden Mitarbeiter/innen auf zwei Wegen statt: zum einen in eher selten
stattfindenden institutionalisierten Konferenzen (allgemeine Konferenzen, Fachkonferenzen), zum anderen im Rahmen informeller Absprachen, etwa in Pausen im Lehrerzimmer.
In der überwiegenden Zahl der Schulen ist dieser Weg der Koordinierung der Lehrer/innenarbeit jedoch eher schwach entwickelt.
Koordinierung durch persönliche Weisung: Dieser Weg der Koordinierung der Erledigung
von Teilaufgaben stellt sich in Schulen als Weisungsweg von der Schulleitung zu den Mitgliedern des Kollegiums dar. Auf diesem Weg werden sowohl Weisungen der den Schulen
übergeordneten Schulaufsicht wie auch Weisungen der Schulleitung selbst weitergegeben. Dieses Instrument findet seine Begrenzung zum einen darin, dass die Schulleitung
nur in begrenztem Umfang eine Vorgesetztenfunktion hat; zum anderen ergibt sich aus
dem Beamtenstatus der Lehrenden eine Einschränkung der Durchsetzung von Weisungen
– seien es solche der Schulaufsicht oder solche der Schulleitung.
Koordinierung durch Standardisierung der Qualifikation der Mitarbeiter: Das Zusammenfließen der von den vielen einzelnen Lehrenden geleisteten Teilaufgaben im Ziel der Bildung und Ausbildung von Schülerinnen und Schülern wird im deutschen Schulsystem in
einem sehr hohen Maße durch die Standardisierung der Qualifikation der Beteiligten gesichert. Die Lehrerausbildung ist in Deutschland durchgängig eine Ausbildung an wissenschaftlichen Hochschulen und an schulpraktisch ausgerichteten Seminaren; die Qualität
der wissenschaftlichen Ausbildung sichert das jeweilige Land an den Hochschulen durch
ein Staatsexamen und durch Ordnungen, die dieses Examen sowie das darauf bezogene
Studium detailliert regeln. Die Qualität der Seminarausbildung, die in den Schulministerien
unterstehenden Seminaren erfolgt, überwacht das Land durch diese Zuordnung direkt.
Aber auch die Qualifikation der Lernenden und deren Standardisierung trägt zur Koordinierung und zur Sicherung der Qualität des ‚Produktes‘ bei: In der einzelnen Lerngruppe befinden sich Schülerinnen und Schüler, die in ihren qualifikatorischen Voraussetzungen
vorgegebenen Standards entsprechen: Die Schülerin einer achten Klasse eines Gymnasiums hat ein bestimmtes Alter, kam aufgrund bestimmter Leistungen in das Gymnasium
und erreichte die Versetzung in die Klasse 8 auf der Basis erbrachter Leistungen.
34
Koordinierung durch Standardisierung des Arbeitsprozesses: Die Erledigung von Teilaufgaben in Schulen erfolgt nach detailliert festgelegten Regeln: Die unterrichteten Fächer,
die ihnen gewidmete Unterrichtszeit, die in ihnen verfolgten Lehrpläne und die dazu verwendeten Lehrbücher sind vorgegeben bzw. – bei Lehrbüchern – unterliegen der staatlichen Kontrolle. Die Art und Weise der Unterrichtung ist durch die Taylorisierung des Unterrichts (45-Minuten-Takt), durch das – mit Ausnahme der Grund- und Sonderschulen –
dominierende Fachlehrerprinzip und durch die über die Lehrerausbildung faktisch stark
normierten Unterrichtsstile determiniert. Die Verfahren der Leistungsbewertung durch Notengebung, Versetzung und Erteilung von Schulabschlüssen sind hoch standardisiert (in
Nordrhein-Westfalen in den Abschnitten V und VI der Allgemeinen Schulordnung geregelt
– (vgl. die aktuelle Fassung in BASS). Dies alles sichert sehr gleichförmige Arbeitsprozesse.
Koordinierung durch Standardisierung der Arbeitsprodukte: Die in den unterschiedlichen
Bildungswegen zu erreichenden Bildungs- und Ausbildungsziele werden in Lehrplänen
und Richtlinien festgelegt (in NRW existieren derzeit etwa 150 derartige Richtlinien (vgl.
RAUIN u.a. 1996, S. 381). Diese Vorgaben für den Unterricht sind in der Regel nach einem vergleichbaren Muster aufgebaut: Nach der Formulierung des Bildungsauftrages für
die jeweilige Schulform werden die Bedeutung und grundlegenden Ziele des Unterrichtsfaches erläutert, Hinweise für die Benutzer des Lehrplans gegeben und die Themen mit
den Richtstundenzahlen aufgelistet. Häufig enthalten die Hinweise für die verschiedenen
Lernbereiche neben den verbindlichen Zielen und Inhalten auch unverbindliche Beispiele,
die als Anregungen für die Unterrichtsgestaltung gedacht sind und die das Niveau der erwarteten Leistungen charakterisieren (vgl. dazu RAUIN u.a. 1996). Das Ausmaß der Erreichung der Zielvorgaben wird bei Abschluss des Bildungsgangs nach einzelnen Bundesländern und nach Schultypen auf unterschiedliche Weise festgestellt: z.T. durch die Vergabe eines Abschlusszeugnisses ohne vorangehende Abschlussprüfung, z.T. durch von
der Schulaufsicht – was die Aufgabenstellung angeht – kontrollierte Abschlussprüfungen
seitens der einzelnen Schulen, z. T. durch Zentralprüfungen (vgl. KLEMM 1998). Diese
unterschiedlichen Verfahren lassen einen breiten Korridor bei der Erreichung von Standards zu.
Überblickt man die hier vorgetragene Durchmusterung der Koordinationsmechanismen der
Organisation Schule, so lässt sich das folgende Resümee ziehen: Die Koordination der in
Schulen geleisteten Teilaufgaben und die dadurch angestrebte Sicherung der Zielerreichung der Schule erfolgt schwerpunktmäßig durch die Steuerungsinstrumente ‚Standardisierung der Qualifikation‘ und ‚Standardisierung der Arbeitsprozesse‘. Die Instrumente
‚Abstimmung zwischen den Lehrenden‘, ‚Weisung durch die Schulleitung‘ und ‚Standardisierung des Produktes‘ sind dem gegenüber von nachgeordneter Bedeutung.
4.3
Qualitätssicherung als Steuerungsaufgabe
Die Ergebnisse dieser Art der Steuerung der Arbeit von Schulen sind in Deutschland in
den letzten Jahren ins Gerede gekommen. Dies wurde nicht zuletzt durch die Ergebnisse
internationaler Schulleistungsvergleiche verursacht, an denen sich Deutschland während
der neunziger Jahren – nach Jahrzehnten der Abstinenz – erstmalig wieder beteiligt hat:
an einer Studie zum Leseverständnis von Schülerinnen und Schülern der Grundschule
und der Schulen der Sekundarstufe I und an zwei Studien zu mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der Klassen 7 und 8 der Sekundarstufe I und der Abschlussklassen des Sekundarstufen II – Bereichs. In diesen Studien haben die deutschen Schülerinnen und Schüler im internationalen Feld allenfalls mittelmäßig abgeschnitten (vgl. dazu: BAUMERT u.a. 1997; BAUMERT u.a. 1998; LEH35
MANN u.a. 1995). Diese Ergebnisse, insbesondere die im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, haben Politik und Pädagogik geschockt. Dies hat wesentlich dazu
beigetragen, dass Qualität neuerdings zu einem Schlüsselbegriff der schulpolitischen ebenso wie der erziehungswissenschaftlichen Debatte geworden ist.
Was ist Schulqualität: Zu Teilaspekten des Qualitätsbegriffs
In der aktuell geführten Qualitätsdebatte ist der benutzte Qualitätsbegriff allerdings äußerst
diffus. Es soll daher im folgenden zunächst einmal versucht werden, diesen Begriff etwas
zu präzisieren. Ein vom Alltagsverständnis der Aufgaben der Schule und der Merkmale
‚guter‘ Schulen und ‚guten‘ Unterrichts ausgehender Versuch, die Qualität der Schule zu
definieren, zeigt bereits die Schwierigkeiten einer solchen Bestimmung. Qualität kann sich
in vielerlei erweisen: in einer motivierenden und leistungsförderlichen Unterrichtsatmosphäre, im Anteil erfolgreicher Schulabsolventen, im durchschnittlichen Leistungsniveau
der Absolventen, in der Häufigkeit der erfolgreichen Teilnahme einzelner Schüler und
Schülerinnen an überregionalen Wettbewerben und mangelnde Qualität entsprechend in
der Höhe des Anteils von Absolventen ohne Schulabschluss, im Anteil der Klassenwiederholer an der Gesamtzahl der Lernenden oder in fachlichen Defiziten der Lernenden.
Qualität kann aber auch ausgewiesen sein durch Merkmale des Schullebens und der
Schulkultur, etwa durch musische Aktivitäten (in Form eines aktiven Schulorchesters oder
durch regelmäßige Theateraufführungen), durch vielfältige sportliche Aktivitäten, durch
rege Kontakte zwischen Schule und Eltern, durch eine aktive Teilnahme an schulinterner
Fort- und Weiterbildung oder durch ein ausgeprägtes gesellschaftliches Engagement der
Schülerinnen und Schüler, das sich in Aktivitäten wie der Gestaltung einer Schulzeitung
oder in einer aktiven Schülervertretung ausdrücken mag. Qualität kann sich schließlich
auch in dem Klima ausdrücken, das die Lernsituation innerhalb der Klassen, die Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden, zwischen Schule und Elternhaus oder auch
im Lehrerzimmer und auf dem Schulhof bestimmt. So offensichtlich es auch sein mag,
dass einzelne der hier beispielhaft angeführten Indikatoren schulischer Qualität miteinander zusammenhängen mögen, so ungeklärt ist nicht nur die tatsächliche Stärke und die Art
und Weise des Zusammenhangs einzelner Elemente, sondern auch die Frage der wechselseitigen Verträglichkeit verschiedener Aspekte von Qualität, zwischen denen eine ‚Konkurrenz der Zielkriterien‘ auftreten kann.
Vor diesem Hintergrund ist eine Systematik erforderlich, welche die Teilaspekte der Qualität nach verschiedenen Bereichen und Dimensionen ordnet. Hierzu hat sich die Unterscheidung in drei Bereiche durchgesetzt, die mit den Begriffen Kontext, Prozess und Wirkungen bezeichnet werden können. Das mit ihnen Gemeinte lässt sich am ehesten folgendermaßen umschreiben:
•
Mit dem Begriff der Kontextqualität (manche sprechen hier auch von ‚Input‘Qualität) werden all die Merkmale der gegebenen schulischen und außerschulischen Umwelt einschließlich der materiellen und personellen Ausstattung der Schule (wie Lehrerqualifikation, Lehrerzahl, sächliche Ausstattung) angesprochen; er
schließt Merkmale der Lerngruppe ein (wie Klassengröße, die Anteile von Jungen
und Mädchen, den Anteil von Schülern mit Deutsch als Fremdsprache, das durchschnittliche Leistungsniveau, das Ausmaß von Homogenität oder Heterogenität der
Lernvoraussetzungen innerhalb der Lerngruppe). Einen Sonderstatus unter den
Kontext-Merkmalen weisen solche der Lehrerpersönlichkeit wie z.B. pädagogische
Einstellungen, Wertorientierungen, Engagement, Enthusiasmus oder Geduld auf.
Sie sind für die Schulleistungsentwicklung, vor allem aber für die Entwicklung lernund leistungsbezogener Orientierungen insbesondere jüngerer Schüler und Schüle36
rinnen von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus kommt ihnen angesichts der
Vorbildwirkung von Lehrern und Lehrerinnen eine nicht zu unterschätzende Rolle
zu. Auch wenn all diese Merkmale einen relativ großen Erklärungsabstand zu den
eigentlichen Effekten von Schule und Unterricht (wie etwa den Schulleistungen oder
motivationalen Schülermerkmalen) aufweisen, handelt es sich bei ihnen doch um
förderliche oder hinderliche Bedingungen bzw. Eingangsvoraussetzungen schulischer Zielerreichung.
•
Im Mittelpunkt der Prozessqualität stehen Merkmale des Unterrichts (z.B. Strukturierung, Zeitnutzung, didaktische Gestaltung, Passung der Unterrichts-Schwierigkeit
an die Lernvoraussetzungen seitens der Schüler und Schülerinnen), der Klassenführung sowie der Lehrer-Schüler-Interaktion. In einer neueren Studie in Münchener
Hauptschulen hat ein Forschungsteam um WEINERT und HELMKE Merkmale qualitativ hochwertigen Unterrichts herausgearbeitet, die nach ihren Forschungsbefunden zu hohen Wirkungsqualitäten führten (vgl. HELMKE 1989). Sie
haben vorab definiert, dass die Wirkung des Unterrichts dann von hoher Qualität ist,
wenn zwei Ziele zugleich erreicht werden: Wenn der Lernfortschritt hoch ist und
wenn die Leistungsunterschiede innerhalb einer Klasse beim Erreichen von insgesamt hohen Lernfortschritten nicht wachsen, sondern schrumpfen. Sie haben die
Klassen aus den von ihnen erforschten Klassen herausgegriffen, in denen dieses
Doppelziel besonders gut erreicht wurde, und haben den Unterricht in diesen Klassen (‚Optimalklassen‘) besonders intensiv auf seine Merkmale hin untersucht. Dabei
haben sie die folgenden Merkmale guten Unterrichts herausgearbeitet:
- effiziente Klassenführung: Das Unterrichtsgeschehen ist stark auf das Arbeitsziel
hin ausgerichtet, die Arbeitsschritte sind klar definiert, die Lernenden kennen die
Regeln des Unterrichts (etwa beim Wechsel von Lehrervortrag zu Gruppenarbeit
usw.)
- Lehrstofforientierung: Die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit wird intensiv für
die Behandlung des Stoffs eingesetzt (Time on task), Tätigkeiten wie Geld einsammeln, Besprechen des nächsten Wandertages... werden zeitlich zurückgedrängt.
- Klarheit und Verständlichkeit der Lehreräußerungen
- Wechsel der Arbeitsformen: Gruppenarbeit, Stillarbeit, Lehrervortrag.
- Variation der Schwierigkeiten der Anforderungen in Abhängigkeit von der Leistungsstärke der einzelnen Lernenden (Individualisierung)
- Förderungsorientierung in Richtung leistungsschwächerer Schüler (Verweis auf
Hamburger Studie)
- Bereitschaft, den Lernenden Zeit zu lassen, also Zurücknahme hoher Geschwindigkeitsanforderungen bei informationsverarbeitenden Prozessen
- diagnostische Kompetenz
•
Unter Wirkungsqualität schließlich (manche sprechen hier auch von ‚Produkt‘- oder
von ‚Output‘-Qualitäten) fasst man die vielfältigen – gewollten oder unbeabsichtigten – fachlichen und überfachlichen Wirkungen des schulischen Unterrichts zusammen, und zwar sowohl die erzieherischen Wirkungen wie auch die kognitiven
Effekte. Dazu gehören auch der Erwerb von prozeduralem Wissen (gewusst wie),
die Fähigkeit, das erworbene Fachwissen in realen Lebenszusammenhängen einzusetzen, sowie positive Lern- und Gedächtnisstrategien. Jenseits des kognitiven
Bereiches zielen Schule und Unterricht auf die Vermittlung eines breiten Spektrums
37
anderer Kompetenzen und Orientierungen, an deren Erreichung oder NichtErreichung man den Erfolg des Unterrichts und damit seine ‚Qualität‘ ebenfalls
festmachen kann: leistungsbezogene Werthaltungen (z.B. Lern- und Leistungsmotivation), Einstellungen und damit verbundene Verhaltensbereitschaften im politischen und sozialen Bereich (Unterstützung von Minderheiten, Fairness gegenüber
Schwachen, Integration ausländischer Mitschüler) sowie motivationale und emotionale Aspekte (Erwerb eines günstigen, gleichwohl aber noch realistischen Selbstvertrauens, produktiver Umgang mit Ängsten, Entwicklung stabiler fachbezogener
Interessen, Selbststeuerung der eigenen emotionalen Befindlichkeit).
Angesichts dieser vielfältigen Zielkriterien, denen meist auch ganz unterschiedliche Bedingungsfaktoren zu Grunde liegen, erscheint es unangemessen, ja aussichtslos, den Begriff
‚Qualität‘ auf eine einfache plakative Formel zu reduzieren, die als allgemein gültig und
allgemein anerkannt betrachtet werden könnte. Gleichwohl lässt sich derzeit in Deutschland eine Zuspitzung des Interesses an Qualität auf nur einen der hier entwickelten Qualitätsaspekte beobachten. Derzeit interessiert überwiegend Wirkungsqualität, und da überwiegend die Wirkung im Bereich kognitiven Lernens. Nach Jahren der Konzentration auf
Kontext-Qualitäten (z.B. auf kleine Klassen) und auf Prozessqualitäten (z.B. auf kindgemäßes Lernen) steht jetzt der kognitive Lernertrag im Mittelpunkt des Interesses an der
Schulentwicklung.
4.4
Die Sicherung qualitativer Standards durch Formen der Evaluation
Schulen, so wird in der entbrannten Qualitätsdebatte inzwischen fast widerspruchslos
festgestellt, müssen zukünftig stärker als in der Vergangenheit Rechenschaft über die Wirkung ihrer Arbeit und damit über das Ausmaß ihrer Zielerreichung legen. Schulen, so formuliert es die Fachwissenschaft, müssen sich einer kontinuierlichen Evaluation unterziehen. Dabei beschreibt der Begriff ‚Evaluation‘– in einer noch sehr allgemeinen und umfassenden Definition – den Prozess, in dessen Verlauf eine Bestandsaufnahme, eine Analyse
und eine Bewertung der Arbeit einer Schule (oder einer anderen Institution) erfolgt.
Selbst-, Meta- und Fremdevaluation
Betrachtet man die Praxis der Schul-Evaluation, die im Ausland viel stärker als in Deutschland verwurzelt ist, so lassen sich – grob – drei Typen von Evaluation unterscheiden:
Selbst-, Meta- und Fremdevaluation:
Selbstevaluation „ist ein systematischer, kontinuierlicher Lern- und Arbeitsprozess, in dem
vor Ort Informationen und Daten über das Lernen, den Unterricht und die Schule gesammelt werden, um aus ihnen Erkenntnisse zu gewinnen und sie begründet zu bewerten.
Dies dient der Selbstreflexion über die Arbeit, der Schulentwicklung, der Beteiligung von
Betroffenen oder der Selbstkontrolle und Rechenschaft“ (EIKENBUSCH 1997, S. 7). Dieses Evaluationsverständnis geht davon aus, dass eine einzelne Schule ihre Arbeit nur
dann weiterentwickeln wird, wenn sie den Entwicklungsbedarf selbst herausfindet und die
Entwicklungsrichtung selbst bestimmt – allenfalls durch externe Berater im Rahmen von
Methodenvermittlung dabei unterstützt.
Metaevaluation: Der Selbstevaluation wird entgegengehalten, dass die der einzelnen
Schule angehörigen Lehrer und Lehrerinnen, insbesondere wenn es um Wirkungsqualität
geht, ihre eigene Arbeit nicht ehrlich, nicht objektiv beurteilen und daher auch nicht verändern könnten. Eine vorsichtige und das Entwicklungspotential der Einzelschule ‚schonende‘ Reaktion auf diesen kritischen Hinweis ist in der Ergänzung der Selbstevaluation
38
um die Komponente der Metaevaluation zu sehen. Im Rahmen von Metaevaluation werden die Verfahren der Selbstevaluation einer methodenkritischen Überprüfung durch Externe unterzogen. Dies soll sicherstellen, dass Bestandsaufnahme, Analyse und Bewertung im Verlauf der Selbstevaluation fachlichen Standards genügen. Auf diese Weise sollen Ergebnisse objektiviert und mit denen anderer Schulen vergleichbar gemacht werden.
Fremdevaluation: Weitergehend noch ist der Ansatz der Fremdevaluation, der Selbst- und
Metaevaluation ersetzt oder der ergänzend an ihre Seite tritt. Bei der Fremdevaluation beurteilen Externe (die Schulaufsicht, die Abnehmer, Wissenschaftler...) die Arbeit und die
Arbeitsergebnisse einer Schule; sie geben auf der Grundlage ihrer Bestandsaufnahme
und ihrer Analyse Entwicklungsempfehlungen. So wie die Selbstevaluation sich mit dem
Vorwurf der Subjektivität und des Verschleierns von Schwächen der eigenen Institution
auseinandersetzen muss, so trifft die Fremdevaluation der Vorwurf, undifferenziert die unverwechselbare einzelne Schule an einem standardisierten Idealtyp zu messen und daher
der Einzelschule mit ihren individuellen Problemen bei der Weiterentwicklung nicht helfen
zu können.
Gründe für den Vorrang der Fremdevaluation
Obwohl es in der Fachdiskussion keinen Streit darüber gibt, dass eine allein auf Fremdevaluation setzende Steuerung der Schulen ihrer Weiterentwicklung wenig dienen wird,
setzen die meisten Landesregierungen (Nordrhein-Westfalen noch am wenigsten) derzeit
in erster Linie auf das Instrument der Fremdevaluation. Dies hat mehrere Gründe:
•
Autonomie und Sicherung der Vergleichbarkeit: Einen starken Auftrieb erhalten die
Bemühungen um verstärkte externe Evaluation der Wirkungen der Schulen derzeit
durch die Auseinanderentwicklung der Schulsysteme in Deutschland, die sich aus
der traditionellen Autonomie der Länder (Kulturhoheit der Länder) bei Fragen der
Schulentwicklung ergibt. Insbesondere nach der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten ist die Vielfalt im deutschen Schulwesen stark angewachsen: Bundesweit
schwankt die Schulpflichtzeit in allgemeinbildenden Schulen zwischen neun und
zehn Jahren, die Zeit, die bis zum Erreichen des Abiturs vergeht, reicht von 12 Jahren in einigen der neuen Bundesländer über zwölfeinhalb Jahre in Rheinland-Pfalz
bis hin zu 13 Jahren in der Mehrheit der deutschen Länder. Nicht weniger bedeutend sind die schulstrukturellen Unterschiede zwischen den Bundesländern. Im Bereich der Sekundarstufe I bestehen, wenn man die Sonderschulen nicht einbezieht,
zweigliedrige Systeme in einigen der neuen Länder, z.B. in Sachsen, neben dreigliedrigen, z.B. in Bayern, und viergliedrigen, z.B. in Nordrhein-Westfalen. Diese
Vielfältigkeit zeitlicher und struktureller Vorgaben wird sich infolge der politisch gewollten Verstärkung der Autonomie der Einzelinstitution auf die innere Schulentwicklung ausdehnen. Angesichts des schon erreichten und noch erwartbaren Ausmaßes der Ausdifferenzierung im Schulsystem wird das Bedürfnis nach Sicherung
der Vergleichbarkeit insgesamt anwachsen. Die Verstärkung der externen Evaluation, bis hin zu der durch zentral gestellte und ausgewertete Tests im Verlauf der
Schulkarrieren und durch ‘Zentralprüfungen’ an deren Abschluss, kann durchaus
als das funktionale Äquivalent des derzeit wachsenden Föderalismus und der
zugleich politisch gewollten Autonomisierung der einzelnen Schulen begriffen werden.
•
Überfüllung, Selektion und Allokation: Weiteren Auftrieb erhalten Tendenzen, den
‚Output’ schulischer Arbeit stärker zu kontrollieren, durch das Anwachsen der Bildungsbeteiligung. Der Prozess der Bildungsexpansion hat in Deutschland dazu ge39
führt, dass – gemessen an der Aufnahmekapazität der abnehmenden Systeme (z.B.
des Dualen Systems, der Hochschulen, aber auch des Beschäftigungssystems) –
ein Überangebot derer besteht, die aufgrund ihrer schulisch erworbenen und auch
zertifizierten Berechtigungen Zugang zu diesen Systemen suchen. In dieser Konstellation eines Ungleichgewichts gewinnt die These, derzufolge die Überfüllung der
nachfolgenden Systeme Folge einer Preisgabe von Standards bei der Vergabe der
Zertifikate in den Zuliefersystemen sei, zusehends Prominenz. Wenn – so wird vorgebracht – die Selbststeuerung des Gesamtsystems bei der Qualitätssicherung versage, müssten die Steuerungssysteme geändert werden: Zentrale Prüfungen als
besonders wirksame Instrumente externer Evaluation, so die These, seien geeignet, verloren gegangene Qualität und Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen
wieder herzustellen.
•
Qualitätssicherung und Berechtigungswesen: Eng verknüpft mit der Überfüllungsdiskussion, mit den Auswirkungen des Kulturföderalismus in Deutschland und mit
der Entwicklung zu mehr Autonomie der Einzelschule erschüttert die These vom
sinkenden Niveau das System dezentraler Leistungskontrollen und Abschlussprüfungen. Nicht nur die in den vergangenen Wochen wiederholt herangezogenen internationalen Schulleistungsvergleiche, sondern auch die innerdeutschen Ländervergleiche (vgl. dazu: LEHMANN u.a. – 1995 – für die Lesekompetenz deutscher
Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich, BAUMERT u.a. – 1997 –
sowie MULLIS u.a. – 1998 – und zuletzt BAUMERT u.a. – 1998 – für die Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften im internationalen und im innerdeutschen Vergleich) verweisen – so jedenfalls werden diese Studien wahrgenommen
und verarbeitet – auf erhebliche Defizite bei den erreichten Standards und zudem
auch auf die mangelnde Vergleichbarkeit erworbener Zertifikate. In ihrer Zusammenfassung deskriptiver Ergebnisse zu ‚Schülerleistungen in Mathematik und
den Naturwissenschaften am Ende der Sekundarstufe II im internationalen Vergleich‘ (TIMSS/III) belegen BAUMERT u.a. (1998) im innerdeutschen Teil ihrer
Auswertung bemerkenswerte Leistungsunterschiede: In den mathematischen
Grundkursen der Oberstufe z.B. wurde zwischen der Bundesländergruppe mit überdurchschnittlichen und der mit unterdurchschnittlichen Leistungen ein Gefälle
gemessen, das nach Aussage der Autoren dem erwartbaren Lernzuwachs von einem bis eineinhalb Schuljahren entspricht (S. 39ff.). Nicht minder beachtlich fallen
die festgestellten Bewertungsdifferenzen aus: In den mathematischen Leistungskursen der Oberstufe machten die Benotungsunterschiede zwischen Bundesländern, die mit ihren durchschnittlichen Testergebnissen im oberen Bereich liegen,
und denen, die im unteren Bereich rangieren, bei Schülerinnen und Schülern mit
gleichen durchschnittlichen Testergebnissen bis zu zwei Notenstufen aus (S. 41).
Eine Zusammenschau der hier angeführten Studien belegt in der Tat beachtliche Ausdifferenzierungen zwischen den einzelnen Bundesländern. Dies wird zum Anlass genommen,
Standards, die zur Vergabe von Berechtigungen führen, zu sichern – und zwar bevorzugt
durch Fremdevaluation.
Instrumente der Fremdevaluation
Die dabei eingesetzten Instrumente sind vielfältig. Sie reichen von den tradierten Mitteln
der Schulaufsicht über die Hinzuziehung externer Prüfer und Gutachter, über landesweite
Leistungstests im Verlauf der Schullaufbahn , über Zentralprüfungen in einzelnen Ländern
bis hin zu bundesweiten Vergleichstests. Dieses Spektrum eingesetzter Instrumente soll
im folgenden knapp skizziert werden:
40
•
Schulaufsicht: Traditionell ist es in Deutschlands Schulen die Schulaufsicht, welche
die Erreichung der Qualifikations- und Erziehungsziele durch ihre Tätigkeit sichern
soll. Die Schulaufsicht Nordrhein-Westfalens ist zur Erreichung dieses Ziels auf drei
Ebenen angesiedelt: auf der Ebene der Landesregierung im Kultusministerium mit
eher grundsätzlichen Zuständigkeiten, auf einer Mittelebene – bei den Regierungspräsidien – mit der Fach- und Dienstaufsicht über die alltäglichen Abläufe in Berufsschulen, Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen und schließlich auf der unteren Ebene mit der Fach- und Dienstaufsicht über die Grund-, Haupt- und Sonderschulen.
•
externe Fremdprüfer und -korrektoren: Da, wo es um die Sicherung der Prüfungsstandards bei Abschlussprüfungen geht, nutzt die Schulaufsicht zusätzlich die Möglichkeit des Einsatzes von Fremdprüfern als Prüfer oder als Zweitkorrektoren. Dadurch soll die Vergleichbarkeit der Standards und der darauf gestützten Benotungen zwischen den Schulen einer Schulform und zwischen unterschiedlichen
Schulformen (z.B. zwischen Gymnasien und Gesamtschulen) hergestellt bzw. gesichert werden.
•
landesweite Tests: Der Vergleichbarkeit dieser Standards dient ein in einzelnen
Ländern, bisher nicht in Nordrhein-Westfalen, neuerdings zusätzlich eingesetztes
Instrument: das der landesweiten Tests, so z.B. in Bayern, in Brandenburg, in
Hamburg oder auch demnächst in Rheinland-Pfalz.
•
Zentralprüfungen: Landesweite Leistungsüberprüfungen kennen allerdings eine
Reihe der Bundesländer seit vielen Jahren in Gestalt ihrer zentralen Abschlussprüfungen, etwa durch ein Zentralabitur. So kennen im Gebiet der früheren Bundesrepublik die Länder Baden-Württemberg, Bayern und das Saarland zentrale Abschlussprüfungen. Zu ihnen haben sich vier der neuen Bundesländer, nämlich
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, gesellt (vgl.
Abbildung 14). Eine Durchsicht durch die Regelungen dieser sieben Länder zeigt,
dass sich diese Abschlussprüfungen lediglich im Saarland ausschließlich auf die
studienberechtigenden Abiturprüfungen im Sekundarbereich II beziehen. In allen
anderen dieser sieben Bundesländer werden am Ende der Sekundarstufe I auch in
den nicht gymnasialen Bildungswegen zentrale Abschlussprüfungen durchgeführt.
Mecklenburg-Vorpommern nimmt dabei die Hauptschule aus, Bayern prüft in dieser
Schulart nur, wenn es um den qualifizierten Hauptschulabschluss geht, BadenWürttemberg in jedem Fall. In diesem Land wird darüber noch hinausgehend auch
in Klasse 10 der Gymnasien zentral geprüft (Zur Einschätzung von Zentralprüfungen vergleiche KLEMM 1998).
•
bundesweite Tests mit Ländervergleichen: Um über die Vergleichbarkeit innerhalb
eines Bundeslandes hinaus auch die innerhalb Deutschlands insgesamt herzustellen bzw. zu wahren, hat die Konferenz der Kultusminister 1997 die regelmäßige
Durchführung länderübergreifender Vergleichsuntersuchungen beschlossen. In dem
Beschluss der KMK heißt es: “Die Vergleichsstudien sollten vorrangig auf die Entwicklung grundlegender Kompetenzen ausgerichtet werden, die die Schülerinnen
und Schüler zu einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischem Leben befähigen. Entsprechend dem Beschluss
zu den ‚Standards für den mittleren Schulabschluss‘ sollten vor allem muttersprachliche, mathematische, naturwissenschaftlich-technische und fremdsprachliche
Kompetenzen Beachtung finden. Im Hinblick auf die Anforderungen in der Arbeitsund Berufswelt ist darüber hinaus die Herausbildung übergreifender personaler und
sozialer Kompetenzen (sogenannter Schlüsselqualifikationen) wie zum Beispiel
41
Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sowie die Fähigkeit zu problemlösendem Denken und selbständigen Handeln besonders zu berücksichtigen.” (MSW
1998, S. 4f.) Begleitet wird dieses auf den Ländervergleich innerhalb Deutschlands
zielende Vorhaben durch ein verstärktes deutsches Engagement bei den künftig regelmäßig durchzuführenden internationalen Leistungsvergleichen im Rahmen der
OECD.
Abb. 14 Übersicht zentraler Abschlußprüfungen nach Bundesländern und Schulform
Sekundarbereich I
Sekundarbereich II
1
2
Gesamtschule
Gymnasium
Berufsschulen
+
+
+
+
+
1
2
+
+
+
4
2
-
+
+
+
5
5
+
+
+
+
+
4
3
2
zentrale Klassenarbeiten in der 10. Klasse in ausgewählten Fächern
teilweise (zumeist Vollzeitschulen)
3
entsprechend den anderen Schulformen
4
ausgenommen: einfacher Hauptschulabschluß nach 9 Jahren
5
Sa
ch
se
n-A
nh
alt
+
+
Sa
arl
an
d
Ba
ye
rn
Schulform
Hauptschule
Realschule
Mittelschule
Sekundarschule
Regelschule
Gesamtschule
Gymnasium
Wirtschaftsschule
neue Bundesländer
Me
ckl
en
bu
rgVo
rpo
mm
ern
Sa
ch
se
n
alte Bundesländer
Bundesland
+
+
2
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
4
3
2
3
2
+ = zentrale Prüfung
- = keine zentrale Prüfung
leeres Kästchen = Schulform trifft nicht zu
gilt auch für verbundene Haupt- und Realschule
Quelle: Umfrage bei den Kultusministerien, 1998
AG Bildungsforschung / -planung
Universität GH Essen, FB 2
Qualitätssicherung in Nordrhein-Westfalen
Bei den Bemühungen um Qualitätssicherung schulischer Arbeit, die derzeit mit dem skizzierten Instrumentarium vorangetrieben werden, verfolgt Nordrhein-Westfalen im Vergleich
der Bundesländer einen umfassenden Ansatz: In einem Bericht des zuständigen Schulministeriums an den Landtag zur ‚Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit‘
(MSW 1998) wird der Bogen von Schulprogrammen, die die einzelnen Schulen entwickeln
und schulintern evaluieren müssen, über die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und
Lehrer bis hin zu der veränderten Rolle von Schulleitung und Schulaufsicht gespannt. In
ein so umfassendes Konzept zur Qualitätsentwicklung und -sicherung eingebettet finden
sich dann auch Elemente der externen Evaluation: Neben der Beteiligung des Landes an
den schon genannten länderübergreifenden Untersuchungen und an den OECD-Studien
finden sich dort Hinweise auf landesintern angelegte vergleichende Leistungsmessungen:
Dazu gehören in den Parallelklassen der einzelnen Schulen regelmäßig zu schreibende
identische Klassenarbeiten, die von den Lehrenden wechselseitig korrigiert werden. Dazu
zählen aber auch vom Schulministerium für zunächst die Jahrgangsstufe 10 herausgegebene Aufgabenbeispiele in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik – orientiert an
den bundesweit verabredeten ‚Standards für den mittleren Bildungsabschluss‘; schließlich
müssen in diesem Zusammenhang die Maßnahmen genannt werden, die 1997 zur Sicherung der Qualität des Abiturs eingeleitet wurden, nicht zuletzt die Nachkorrektur korrigierter und bewerteter Abituraufgaben aus allen Schulformen in einem von der Schulaufsicht
gesteuerten Verfahren. Die Auswertung dieser Nachkorrekturen hat das zuständige Ministerium dazu veranlasst, regelmäßig die Abiturarbeiten von Zweitkorrektoren aus jeweils
fremden Schulen bewerten zu lassen.
42
5
Qualifikation, Selektion und Legitimation als konstante Elementeder Schulentwicklung
Im Verlauf der bisherigen Darstellung wurden drei unterschiedliche Perspektiven eingenommen: Das deutsche Schulsystem wurde aus der Perspektive seiner Geschichte, aus
der seiner gegenwärtigen Struktur und schließlich aus der seiner Steuerung untersucht.
Diesem dreifachen Zugang wurde eine funktionalistische Betrachtung vorangestellt: Aus
schultheoretischer Sicht wurden die Funktionen der Qualifikation, der Selektion (und damit
verbunden der Allokation) und schließlich die der Legitimation dargestellt. Auf diese Funktionsbeschreibung soll nun abschließend - und das bisher Dargestellte zusammenfassend
- zurückgegriffen werden.
5.1
Qualifikation
Am Beispiel Preußens wurde gezeigt, dass am Beginn der Etablierung eines modernen
Schulsystems das Interesse des Staates stand, den wachsenden Bedarf qualifizierter Beamter in darauf ausgerichteten Schulen heranzubilden. Die Verankerung des Abiturs als
Abschlussprüfung der Gymnasien in den Jahren zwischen 1788 und 1834 war maßgeblich
von dem Interesse geprägt, in den höheren Schulen eine gebildete Schicht für Führungsaufgaben im Staat und – später dann – in der Wirtschaft heranzuziehen. In der Frühphase
der Industrialisierung Preußens, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, konnte es der
preußische Staat zulassen, dass sich schulische Qualifikationsanstrengungen überwiegend auf das höhere Schulwesen konzentrierten und dass sie sich am neuhumanistischen
Bildungsverständnis eines Wilhelm von Humboldt orientierten. Im Verlauf des sich beschleunigenden Industrialisierungsprozesses verwandelten sich die inhaltlichen Anforderungen an die schulische Qualifikation; zudem weitete sich das Interesse an schulisch
vermittelten Qualifikationen seitens des Staates, der im wachsenden Maße mit seiner
Schulpolitik auf die Nachfrage aus dem nicht staatlichen Teil des Beschäftigungssystems
reagieren musste, aus. Dieses gewachsene und ausgeweitete Qualifikationsinteresse
führte im auslaufenden 19. Jahrhundert zu Modernisierungsschüben: Das höhere Schulwesen erhielt mit mathematisch-naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Typen ein
curricular modernisiertes Spektrum an Bildungsangeboten; das niedere Schulwesen verlor
allmählich seine Bestimmung als Institution zur Bildungsbegrenzung und wurde fachlich
ausdifferenziert und materiell zugleich besser ausgestattet; parallel dazu wurde die Schulpflicht durchgesetzt. Schließlich entwickelten sich in den letzten Jahrzehnten des 19.
Jahrhunderts die Grundzüge des Dualen Systems der Berufsbildung. Für all dies waren
die Qualifikationsinteressen von Staat und Wirtschaft entscheidende Triebkräfte.
Es war der gleiche Bedarf an schulisch vermittelter Qualifikation, der – nach der Phase der
Bildungsbegrenzung im Dritten Reich – der Bildungsexpansion während der Reformjahre
seit der Mitte der sechziger Jahre seine Dynamik gab: Allein das öffentliche Einklagen
gleicher Bildungschancen – gestützt auf die Untersuchungen DAHRENDORFS („Bildung
ist Bürgerrecht“, 1965) – hätte in den sechziger Jahren und danach kaum ausgereicht, die
Bildungsinstitutionen so weit, wie dies seither geschehen ist, zu öffnen und diesen Öffnungsprozess auch öffentlich zu finanzieren. Der Verweis auf die „deutsche Bildungskatastrophe“ durch PICHT (1964) und auf die ökonomischen Folgen eines Mangels an ausreichend qualifizierten Beschäftigten hatte das Feld bereitet und vermochte – zusammen
mit der bürgerrechtlichen Argumentation – die Kräfte zu mobilisieren, die die einsetzende
Bildungsexpansion am Leben hielten.
43
So wie der Qualifikationsbedarf, den Wirtschaft, Politik und auch Wissenschaft in den
sechziger Jahren ausgemacht hatten, den expansiven Kurs des Bildungssystems erst ermöglichten, so ist es am Ende dieses Jahrhunderts die Sorge um den Standard der schulisch vermittelten Qualifikationen, die dazu beiträgt, dass der Expansionskurs der Reformjahre und auch der Jahre seither in Frage gestellt wird. Unter der Überschrift ‚Klasse statt
Masse’ werden Empfehlungen formuliert und politische Maßnahmen eingeleitet, deren Ziel
eine Umsteuerung ist: Die Erfolgsdaten der gestiegenen Bildungsbeteiligung verlieren an
Bedeutung, werden zum Teil auch zu Vorboten eines großen bildungspolitischen Misserfolges umgedeutet; das öffentliche Interesse richtet sich auf Indikatoren, die etwas zur
Qualität vermittelter Qualifikationen aussagen. Das gesellschaftliche Projekt der Ausweitung schulisch vermittelter Qualifikationen wird abgelöst durch das der Qualitätssicherung.
Unabhängig von all den Wechselfällen der neueren deutschen Geschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts behauptet die Funktion der Schule, Qualifikationen zu vermitteln, ihre Stellung als einer der Dreh- und Angelpunkte der Schulentwicklung – wenn auch mit unterschiedlichen, gelegentlich sogar konträren Folgen für die jeweilige Schulpolitik.
5.2
Selektion und Allokation
Eine vergleichbare Konstanz kommt der schulischen Selektions- und der mit ihr verbundenen Allokationsfunktion zu. Mit dem Ende der Ständegesellschaft, das sich in Deutschland
anders als in Frankreich mit seiner großen Revolution von 1789 weniger abrupt, sondern
eher allmählich vollzog, übernahm die Schule auch in Deutschland eine in ihrer Bedeutung
anwachsende Rolle bei der auf schulisch erbrachte Leistungen gestützten Auswahl junger
Menschen (Selektion) und bei ihrer Zuweisung zu den hierarchisch gegliederten Positionen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft (Allokation). Neben dem Qualifikationsbedarf der
Gesellschaft war es der Wechsel von der Standes- zur Leistungsgesellschaft, der der
Schule im Verlauf des 19. Und 20. Jahrhunderts ihre überragende Stellung eröffnete.
Dieser Systemwechsel, der sich überall im Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung
vollzog, wurde zwar bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert eingeleitet, fand aber erst
mit dem Ende des Kaiserreiches einen vorläufigen Abschluss. Erst mit der Einführung einer gemeinsamen Grundschule durch den Weimarer Schulkompromiss (1919) konnte sich
die Weichenstellung für unterschiedliche Schulkarrieren auf der Grundlage von in der
(Grund-)Schule erbrachten schulischen Leistungen vollziehen. Die damit gegeben Öffnung
schulischer Karrieren für Jungen und Mädchen aller sozialen Schichten machte erstmals
in der deutschen Schulgeschichte ernst mit dem Anspruch, das Erreichen gesellschaftlicher Positionen vom Erbringen schulischer Leistungen abhängig zu machen.
Es war dann die relative Erfolglosigkeit dieses Versuchs, soziale Herkunft und schulischen
Erfolg und damit gesellschaftliche sowie berufliche Karrieren zu entkoppeln, die in den
sechziger Jahren dieses Jahrhunderts – gemeinsam mit der Sorge, nicht genügend Qualifikationen zu vermitteln – der Strukturreform des westdeutschen Bildungssystems seine
Antrieb verlieh. Angesichts der Einsicht in die „Illusion der Chancengleichheit“ (so titelte
der französische Soziologe BOURDIEU) wurde ein radikaler Umbau des Bildungssystems
gefordert: Die gruppenspezifische Selektion im gegliederten Schulsystem und die damit
verbundene „Vererbung“ sozialer Chancen von Generation zu Generation sollte in einem
ungegliederten Schulsystem, in Gesamtschulen, aufgehoben, zumindest jedoch abgeschwächt werden. Der heftige Widerstand gegen diesen strukturellen Umbau erklärt sich
nicht zuletzt daraus, dass die damit verbundenen Veränderungen schulischer Auslese die
Verteilung gesellschaftlicher Chancen von Generation zu Generation in Frage gestellt hätte – zu Lasten der Mittel- und Oberschichten. Der Erfolg, den die Gegner einer Umstrukturierung des deutschen Schulsystems in Westdeutschland und nach 1989 mit der
44
Auflösung der polytechnischen Oberschulen der DDR auch in Ostdeutschland verzeichnen
konnten, wurde dadurch erleichtert und abgestützt, dass Länder mit gesamtschulähnlichen
Schulsystemen bei ihren Bemühungen, zwischen den sozialen Schichten bestehende
Chancenungleichheiten abzubauen, auch nur geringe Erfolge vorweisen konnten und
können.
Selektion und Allokation, so zeigt dieser knappe Überblick noch einmal, sind mit jeweils
wechselndem Gewicht neben der Qualifikation ein weiteres konstantes Element der
Schulentwicklung.
5.3
Legitimation
Ebenso wie auf die Qualifikations- und Selektionsfunktion führt eine Betrachtung der
Schulentwicklung immer wieder zur Legitimationsfunktion der Schule. So wie die preußischen Herrscher im 19. Jahrhundert ihre Schulen immer wieder in den Dienst von ‚Krone
und Altar’ gestellt haben (etwa bei der Bildungsbegrenzungspolitik der Stiehl’schen Regulative), so hat auch der nationalsozialistische Staat die Schulen zur Legimitation der nationalsozialistischen Diktatur und zur nationalsozialistischen Indoktrination genutzt. Auch er
tat dies zu Lasten der Qualifikation der Schülerinnen und Schüler. Die Entwicklung in
Westdeutschland nach 1945 zeigt jedoch, dass sich die Legitimation gesellschaftlicher
Verhältnisse durch die Schule mit dem Qualifikationsauftrag der Schule vertragen können:
Die Erziehung zur Demokratie, die den Schulen aufgegeben ist, geht einher mit ihrer Qualifizierungsaufgabe. Zu einem Konflikt kann es allerdings dann kommen, wenn für die Individuen trotz erfolgreicher Qualifizierung durch die Schule die Türen zum Beschäftigungssystem verschlossen bleiben. Wenn infolge eines Ungleichgewichtes zwischen dem Bildungs- und dem Beschäftigungssystem das Leistungsprinzip, auf dem die Schule des demokratischen Staates beruht, ausgehöhlt wird, dann fällt es der Schule schwer, die Legitimität des Systems insgesamt zu vermitteln.
45
6
Literatur
Bei den fett unterlegten Texten handelt es sich um Grundlagenliteratur.
•
ANWEILER, O. u.a. (Hrsg.): Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik, Köln 1990
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ARBEITSGRUPPE BILDUNGSBERICHT AM MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR BILDUNGSFORSCHUNG: Das Bildungswesen in der BRD – Strukturen und Entwicklungen im Überblick, Reinbek 1994
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BASS: Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften, Düsseldorf (fortlaufend)
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BAUMERT, J. u.a.: TIMSS - Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht im internationalen Vergleich: Deskriptive Befunde. Opladen 1997
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BAUMERT, J. u.a.: TIMSS/III – Schülerleistungen in Mathematik und den
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BILDUNGSKOMMISSION NRW: Zukunft der Bildung- Schule der Zukunft, Neuwied
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• BLANKERTZ, H.: Berufsbildung und Utilitarismus, Weinheim 1985
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des DGB)
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BLOCK, R.: Der Alphabetisierungsverlauf im Preußen des 19. Jahrhunderts. Frankfurt 1995
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BLOCK, R./Klemm, K.: Lohnt sich Schule, Reinbek 1997
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BMBF: Grund- und Strukturdaten 1998/99, Bonn 1998 (erscheint fortlaufend)
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FEND, H.: Theorie der Schule, München 1980
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Entwicklungen in der Sekundarstufe II. in: Rolff, H.-G. u.a. (Hrsg.): Jahrbuch der
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KLEMM, K./STRÜCKEN, Ch.: Regionale Disparitäten in Bayerns Hauptschullandschaft. In: Pädagogik 9/99, S. 58 und 59
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KLEMM, K.: Bildung. In: Allmendinger, J./Ludwig-Mayerhofer, W. (Hrsg.): Soziologie des Sozialstaates. Weinheim 2000 a, S. 145 – 165
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KLEMM, K.: Junge Erwachsene ohne abgeschlossene Berufsausbildung – Zustandsbeschreibung und Perspektiven. Düsseldorf 2000 b (Arbeitspapier 12 der
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KLEMM, K./WEEGEN, M.: Wie gewonnen, so zerronnen. In: Jahrbuch der Schulentwicklung 11. Weinheim 2000 ( erscheint im Herbst)
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KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 1988 bis 1997, Bonn
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LEHMANN, R. H. u.a.: Leseverständnis und Lesegewohnheiten deutscher Schüler
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MINTZBERG, H.: Die Mintzberg-Struktur – Organisationen effektiver gestalten,
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TESSARING, M.: Tendenzen des Qualifikationsbedarfs in der Bundesrepublik
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TILLMANN, K.-J. (Hrsg.): Schultheorien, Hamburg 1987
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WATERKAMP, D.: Handbuch zum Bildungswesen in der DDR, Berlin (W) 1987
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