Kondition und Ausdauer im WingTsun
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Kondition und Ausdauer im WingTsun
Technikerarbeit für die Erlangung des 3. Lehrergrades Kondition und Ausdauer im WingTsun Wie Konditionstraining dem WingTsun nutzen kann Es ist früh am morgen. Es ist dunkel, die Morgendämmerung ist kaum wahrzunehmen. Eigentlich hätte ich gestern schon laufen müssen. Dazu konnte ich mich nicht mehr aufraffen. Da war ich schon zu müde. Und außerdem musste ich noch andere Sachen erledigen, die viel wichtiger waren. Ob ich erst morgen laufe und heute nochmal ausruhe? Beim nächsten mal klappt das Training sicher viel besser. Stimmt, nur wenn man motiviert ist, sollte man auch zum Training gehen. Aber nein! Geht nicht. Sicher fühle ich mich den ganzen Tag unausgeglichen und unzufrieden. Immerhin wollte ich ja laufen. Und der nächste Wettkampf steht schon vor der Tür. Das Ziel will ich doch unbedingt erreichen. Na los, fang einfach an. Dann packe ich meine Sachen und trabe langsam los. Einfach so, ohne nachdenken. Ist gar nicht so schlecht. Die kühle Luft, diese Ruhe. Und der gleichmäßige Rhythmus meiner Atmung. Macht sogar ein wenig Spaß. Und so beschleunige ich meine Schritte und absolviere eine gute Einheit. Ich fühle mich danach richtig prima. Eigentlich eine tolle Sache dieses Lauftraining. 1. Einleitung Diese Gedanken kennen alle Ausdauersportler. Aber nicht nur die. Die meisten Menschen stehen im inneren Konflikt gegenüber Tätigkeiten, die anstrengend und langwierig sind und bauen solche Hemmnisse auf. Das gilt nicht nur für die berufliche Tätigkeit oder den familiären und häuslichen Pflichten, sondern auch für die eigentlich angenehmen Dinge im Leben. Der innere Schweinehund ist eben immer da. Man muss sich aufraffen, etwas zu tun. Und nicht nur das. Auch die Tätigkeiten an sich sind begleitet von dem Bestreben schnell fertig zu werden. Nur selten gelingt es viel Spaß zu entwickeln und sich so in eine Sache zu vertiefen, dass man buchstäblich die Zeit vergisst. Das ist schon durch die natürlich begründete Eigenschaft der Ermüdung zu verstehen. Um eine Tätigkeit zu Ende zu bringen braucht man neben vielen Eigenschaften auch Ausdauer und Kondition. Aber was hat dieser Monolog mit WingTsun zu tun? Obwohl WingTsun in Europa erst seit etwa 40 Jahren bekannt ist, wird es mittlerweile von einer großen Anzahl begeisterter Kampfkünstler praktiziert. Gegenüber anderen etablierten Kampf1 sportarten wie Judo oder Karate unterliegt das WingTsun erst seit wenigen Jahren einer wissenschaftlichen Überprüfung. Das in Europa gegenüber klassischen Kampfsportsystemen relativ junge WingTsun wird zwar von professionellen und hochqualifizierten Großmeistern und Meistern betrieben, kann aber hinsichtlich der sportwissenschaftlichen Begleitung nicht auf die Vielzahl trainingsmethodischer, medizinischer und sportphysiologischer Untersuchungen zurückgreifen, so wie die etablierten Sportarten. Die klassischen Wettkampfsportarten besitzen zudem den Vorteil als olympische Disziplinen teilweise so das gesellschaftliche Interesse hervorzurufen. Somit ist es auch verständlich, dass das Trainings- und Wettkampfsystem an den Hochschulen und Universitäten, sowie an speziellen Sportinstituten intensiven wissenschaftlichen Analysen unterliegt. Hinzu kommen umfangreiche Lern- und Lehrsysteme, die neben zahlreichen privaten Förderstellen auch staatliche Unterstützung findet. Ergänzt um eine Verknüpfung mit anderen Gebieten der Forschung, wie z.B. Wirtschaftlichkeit, Marketing, Soziologie usw. können die meisten Sportarten so den Anspruch einer Wissenschaftlichkeit für sich erheben. Im WingTsun finden in den letzten Jahren zunehmend wissenschaftliche Untersuchungen statt. Um das gesamte System des WingTsun zu erfassen, zu vermitteln und weiterzuentwickeln muss es auf eine wissenschaftlichen Ebene gehoben werden. Dies wird vor allem von Großmeister Prof. Dr. Keith R. Kernspecht (10. Grad im WingTsun) vorangetrieben, der vor einigen Jahren begonnen hat sein Wissen zum WingTsun-Kampfkunstsystem in Zusammenarbeit mit Sportwissenschaftlern der Universität Plovdiv zu akademisieren. Wie er in einem Editorial schon im Jahre 2006 feststellte, hat die Verwissenschaftlichung „ ... das WingTsun vorangebracht und wird es in der Zukunft noch mehr voranbringen.“ [2] Ein Ergebnis dieses Prozesses ist die Möglichkeit eines akademischen Studiums an der staatlichen Paisij-Hilendarski-Universität in Plovdiv. Neben diesem Magisterstudium gibt es weitere Möglichkeiten das WingTsun zu studieren. So sind international anerkannte Abschlüsse als Bachelor z. B. in Derby-Buxton (England) möglich. Das hat zur Folge, dass sich WingTsun im Rahmen der Möglichkeiten des Studiums auch den sportwissenschaftlichen Erkenntnissen aus Forschung und Praxis stellen muss. Ziel dieser Arbeit sollen einige Aspekte bzw. Gedanken zur Bedeutung von Kondition und Ausdauer im WingTsun sein. Dabei ist Kondition (lat. condicio: Voraussetzung, Bedingung) gegenüber der meist rein physisch verstandenen Ausdauer weiter gefasst. Ausdauer ist all das, was man braucht, um Dinge lange durchzuhalten, und so einer Ermüdung zu widerstehen. Ausgehend von den Erkenntnissen der Sportwissenschaften möchte ich Zusammenhänge zu meinen Erfahrungen des Erlernens und Betreibens des WT darstellen, sowie einige Thesen formulieren, die 2 die Bedeutung der Kondition und Ausdauer im WT deutlich machen sollen. Dabei liegt mein besonderes Augenmerk auf den möglichen Einfluss einer entwickelten Langzeitausdauer auf das Erlernen und Praktizieren des WingTsun. Ein Grund für die Beschäftigung mit diesem Thema ist meine langjährige Praktizierung von Ausdauersport. Ich laufe seit über 10 Jahren etwa zweimal Marathon im Jahr. Hinzu kommen unzählige Läufe über die halbe Marathondistanz und über kürzere Distanzen. Mein Interesse gilt der Untersuchung des Einflusses der mit dem Ausdauertraining im Zusammenhang stehenden Effekte auf das WingTsun-Training. Ein zweiter Grund, der mich schon oft zum Nachdenken über dieses Thema anregte, ist die von mir immer wieder bei anderen Teilnehmern zu beobachtenden skeptischen, ablehnenden bis hin zu negativen Einschätzungen der Ausdauer im Zusammenhang mit WingTsun. Sicher hat die Ausdauer und somit die physische Kondition im direkten Kampf eine untergeordnete Bedeutung. Die Aktionen dauern nicht sehr lange, es wird nicht viel gefightet. Der Gegner soll in kürzester Zeit kampfunfähig gemacht werden oder zumindest soll die Konfrontation für mich ein schnelles positives Ende nehmen. Insofern gebe ich den Meinungen recht, wenn hier keine oder wenig Ausdauer notwendig ist. WingTsun ist aber mehr als der reale Kampf. Schon im Zehner- und spätestens im Zwölferprogramm merken die Schüler ganz schnell, dass es ohne Ausdauer und Kondition nicht geht. Ich sehe die eigentliche Bedeutung der Ausdauer eher im Erlernen des WingTsun. Hier sind Effekte der Ausdauer aus meiner Sicht sehr von Vorteil, damit das System erfolgreich erlernt werden kann. Die Beobachtung an unseren Meistern im WingTsun geben mir dabei recht, die in hohem professionellen Maße ausdauernd WingTsun betreiben. Die hier niedergeschriebenen Sachverhalte resultieren überwiegend aus meiner Erfahrung als Marathonläufer und WingTsun-Lehrer. Ergänzt werden meine Thesen durch das Studium entsprechender Fachliteratur anderer Sportarten. Ich erhebe auf meine Thesen allerdings nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Überprüfung. 2. Begriffe und Grundlagen des Ausdauersports Unter Ausdauer versteht man, die Fähigkeit, eine gegebene Leistung über einen möglichst langen Zeitraum aufrecht erhalten zu können. Gleichfalls drückt sich die Ausdauer in der Fähigkeit aus, nach Belastungen schnell wieder erholt zu sein. Somit beinhaltet eine hohe Ausdauer neben der Widerstandsfähigkeit gegenüber Ermüdung auch eine schnelle Regenerationsfähigkeit. (Dr. Peter Wastl, Institut für Sportwissenschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Dabei spielt der Energiestoffwechsel in hohem Maße eine Rolle. Ausdauer ist nur ein Teilaspekt der Kondition. Sie 3 umfasst alle Komponenten (siehe unten) des Leistungszustandes eines Sportlers. Das ein Langstreckenläufer Ausdauer braucht ist sicher unbestritten. Aber diese Langzeitausdauer ist nur eine Seite der Ausdauer. Ausdauer ist weder ausschließlich bei langandauernder noch ausschließlich bei hoher oder niedriger Belastung nötig. Auch der Kurzstreckenläufer benötigt Ausdauer, sogar der Gewichtheber und der Sportschütze. Somit ist Ausdauer ein grundlegendes Phänomen eines jeden Sportlers. Unterschiede bestehen lediglich in der speziellen Ausrichtung, also in den speziellen Ausdauereigenschaften und damit in der speziellen Ausdauer im Training. Die unterschiedlichen Formen der Ausdauer werden auch in den verschiedenen Ausdauereigenschaften deutlich. So gibt es neben der Langzeitausdauer (aerobe Ausdauer) die Mittelzeitausdauer, Kurzzeitausdauer, Schnelligkeits- und Kraftausdauer. Somit sollte auch für den WTler Ausdauer von großer Bedeutung sein. Schnelle Einigkeit herrscht sicher in der Auffassung der Notwendigkeit der Schnelligkeits- und Kraftausdauer im WT. Ich möchte aber zeigen, dass die speziellen Trainingsmethoden eines Langzeitausdauersportlers und die daraus resultierenden Eigenschaften auch positive Effekte für das Betreiben von WingTsun haben können. Ausdauer und Kondition werden in der Sportwissenschaft unterschiedlich definiert. Ausdauer ist nur ein Teilaspekt der Kondition. Neben der reinen Ausdauer und seinen einzelnen Ausprägungen braucht man jedoch noch Kraft, Beweglichkeit, Koordination, Schnelligkeit um hohe Leistungen zu erzielen. Diese fünf konditionellen Grundeigenschaften werden unter dem erweiterten Konditionsbegriff zusammengefasst. Der einfache Konditionsbegriff wird um die motorischen Eigenschaften der Beweglichkeit und Bewegungskoordination reduziert. Die einfache Kondition beschreibt also in erster Linie rein physische Faktoren. Diese sind Voraussetzung für Bewegung und somit auch dem Erlernen von technischen Abläufen. Für die Bewältigung von Ausdauerleistungen ist aber auch eine psychische bzw. motivationale Bereitschaft erforderlich, Leistungen lange durchzuhalten. Dazu gehören Disziplin, Beharrlichkeit, Geduld, also durchaus Faktoren, die generell für ein erfolgreiches Leben von Bedeutung sind. All diese Aspekte möchte ich bei der Betrachtung der Kondition mit berücksichtigen. Diese erweiterten Faktoren fasse ich ebenfalls unter dem Begriff der Kondition zusammen. Ohne im Rahmen dieser Arbeit einen umfassenden und vollständigen Überblick über die einzelnen Klassifizierungen und Taxonomien der Kondition geben zu können, kann man feststellen, dass die Kondition als Grobziel eines jeden Trainings auch die Grundlage und Teil des WingTsun-Trainings spielen. Kondition und Ausdauer sind also neben dem Technik- und Taktiktraining ein wichtiger 4 Baustein für das Erlernen des WingTsun. Welche Möglichkeiten ergeben sich für das WT, wenn man bestimmte Dinge sehr lange tut? Als erstes möchte ich auf die Verbesserung der eigentlichen rein physischen Ausdauer eingehen. Danach sollen die umfassenderen Faktoren der Kondition betrachtet werden. Durch mein Marathontraining habe ich bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten gewonnen, die ich für das Erlernen und betreiben des WT als Vorteil ansehe. Zum einen ist die oben schon erwähnte rein physiologische Verbesserung der Ausdauer ein Vorteil. Die biologischen Effekte eines Ausdauertrainings sind hinlänglich bekannt. Durch entsprechendes Training kann das HerzKreislaufsystem, die Muskulatur, die Gelenke, Sehnen und Bänder und auch der Stoffwechsel gestärkt werden. Somit können Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit verbessert werden. Durch langanhaltendes Ausdauertraining wird die Grundlagenausdauer verbessert. Der Anteil der aeroben Energiebereitstellung kann gegenüber der anaeroben bis zum vierfachen Wert gesteigert werden. Das hilft bei normaler Ausdauerbelastung der Übersäuerung der Muskulatur entgegenzuwirken. Die Folge ist eine Anhebung der individuellen Sauerstoffdauerleistungsgrenze und damit der aerobanaeroben Schwelle. Man ist nicht mehr so oft in der Sauerstoffschuld bzw. wird die Sauerstoffschuld bei starker Ausdauerbelastung schneller abgebaut. Der Sportler wird insgesamt leistungsfähiger und fühlt sich besser. Die negativen Auswirkungen dieser metabolischen Azidose sind ausführlich in [1] beschrieben. Ein verbesserter Stoffwechsel gibt dem WTler die Möglichkeit Trainingsphasen mit hoher physischer Beanspruchung auch am Ende noch mit hoher Qualität zu absolvieren. Mir ist das auf den Lehrgängen sehr bewusst geworden, weil ich immer erstaunt war, wie ausdauernd die hochgraduierten Meister über viele Stunden hohe Qualität abliefern. Ich hatte oft beobachtet, dass gerade Anfänger, aber oft auch höher graduierte Schüler viele Pausen brauchen. Und nicht alle waren Raucher. Sicher hat eine gute Physis da ihren Anteil. Aber ich sehe noch weitere Faktoren. Momentan sitze ich an einem sehr heißen Tag und schreibe diese Arbeit. Beim gestrigen langen Lauf kamen mir wieder diese Gedanken. Man lernt beim Laufen sich durchzubeißen, den Schweinhund zu überwinden, zu kämpfen. Ein nicht zu vernachlässigender Vorteil für das WT. Wenn es bei einigen Übungen schwer wird und andere schon wegen mangelnder Ausdauer schwächeln, kann ich erst richtig loslegen. Diese hohen physischen Belastungen fordern mich geradezu heraus. Ich habe oft gemerkt, wie erschreckend schlecht die Einstellung einiger Schüler gegenüber hoher physischer Belastung ist. Bodenkampf – ach nein, heute nicht, ich fühle mich nicht so, lieber etwas ruhiges. Aber gerade im Bodenkampf zeigt sich, wer Biss hat und sich überwinden kann. Die psychische Härte, die beim langen Dauerlauf von Nöten ist, kann ich im WT hervorragend einsetzen. Der Biss, den man braucht, um den Schwächen entgegenzuwirken, lernt man in 5 besonderer Weise beim Laufen. Man sagt nicht umsonst, Laufen ist Kopfsache. Man muss geduldig seine Bahnen ziehen, manchmal über Stunden hinweg. Sicher kann man auch lange Autofahren oder Spazieren gehen, aber beim Laufen ist die körperliche Belastung höher, so dass Ermüdungserscheinungen und Schwächemomente überwunden werden müssen. Nur wenn man an sein Limit geht, wird man besser. Das gilt auch für die psychischen Grenzen. Ich liebe Übungen im WT, die über viele Minuten immer wieder die gleichen Techniken und Bewegungen trainieren. Eine Folge des Marathontrainings?? Aber auch die eben erwähnte Geduld ist eine wichtige Eigenschaft, die das Erlernen des WT vereinfachen kann. Früher war ich ungeduldig, wollte möglichst viel auf Lehrgängen erlernen, war unzufrieden, wenn es nicht gleich klappt. Falsch! Diese Ungeduld hemmt einen, macht einen hart und verkrampft. Im Marathon muss man geduldig sein, sich an kleinen Schritten erfreuen, immer das Gleiche tun und trotzdem Erfolge wahrnehmen. Einfach machen. Sicher spielen Alter und Mentalität eines jeden Menschen eine Rolle. Ich will auch nicht ausschließen, dass man auch ohne Ausdauersport ein erfolgreicher WTler werden kann. Geduld kann ja auf viele Weisen entwickelt werden. Man kann Schwächen durch Stärken ausgleichen. Die großen Sieben verdeutlichen das in besonderer Weise. Aber unterstützend für das Betreiben des WingTsun kann ein hohes Maß an Geduld sicher sein. Ein weiterer Aspekt, der aus meiner Sicht auch im WT besonders stark zum Tragen kommt und durch langes Ausdauertraining verbessert werden kann, ist der Umgang mit Niederlagen. Gerade im Laufen sind Misserfolge schnell möglich. Auch ein verlorenes Tennisspiel kann einen ärgern. Beim Laufen ist der zeitliche und körperliche Aufwand groß. Und das Bewusstwerden des Misserfolges wird während des Laufens wegen des großen Zeitumfangs besonders deutlich. Wenn man an den Zwischenzeiten merkt, dass es heute nichts wird, wenn man schlecht ist, es nicht so läuft, dann gibt es wenig Hoffnung auf Verbesserung. Anders in Sportspielen, wo man nach jedem verlorenen Punkt oder Gegentor die Hoffnung hat, doch noch zu gewinnen, das Spiel zu drehen. Beim Laufen ist der Misserfolg bei einer Schwäche garantiert. Und dann trotzdem nach vorn zu schauen, weiter zu machen, nicht aufzugeben und die Sache zu Ende zu bringen, ist eine wertvolle Eigenschaft. Auch im WT verliert man. Schon wenn der Lehrer einem zeigt, wie es geht. Und da gewinnt das Prinzip 'Mach dich frei von deiner Kraft!' eine ganz andere Bedeutung. Na und, ich mache eben weiter. Ich denke, in Trainingssituationen, die physisch und psychisch sehr belastend sind oder gar in realen Situationen, kann es nur von Vorteil sein, dass man trotz drohendem, vermuteten oder schon erfolgtem Misserfolg weitermacht. Eine Niederlage kann nur Ansporn für noch mehr Anstrengung sein. So ist es beim Laufen und im WT. 6 Neben vielen Vorteilen, die das Ausdauertraining für das WT hervorbringen kann, möchte ich auch nicht die Nachteile vergessen. Der enorme Zeitaufwand für das Lauftraining ist für die meisten WTler, die ja oft beruflich und familiär eingebunden sind, kaum zu realisieren. Um die Effekte des Ausdauertrainings auf Körper und Geist wirklich zu entwickeln reicht es nicht, einmal pro Woche für 20 Minuten durch den Stadtpark zu joggen. Wer sich aber sein Tagesablauf so organisieren kann, dass er regelmäßig laufen kann, der sollte auch bald positive Änderungen für sich wahrnehmen können. Ein zweiter Punkt, der mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist die aus langem Ausdauertraining resultierende Veränderung der Muskeln. Ausdauersportler benutzen ihre Muskeln nicht für explosive starke Bewegungen. Die Muskeln werden sich so verändern, dass möglicherweise die Schnellkraft und Explosivität ein wenig eingeschränkt wird. Das wäre dann ein nachteiliger Effekt. Ich persönlich kann diesen Effekt nicht wirklich an mir feststellen. Vielleicht auch, weil ich besonders intensiv die Formen übe, um so einem möglichen Verlust der Explosivität und Schnelligkeit meiner Bewegungen entgegenzuwirken. Wie stark diese Veränderungen sind und ob sie nicht vielleicht von anderen positiven Veränderungen aufgehoben werden, bleibt im Rahmen dieser Arbeit offen. WT ist eine komplexe Folge von vielen Bewegungen. Somit kann eine Beeinträchtigung einer Komponente durch die Verbesserung anderer ausgeglichen werden. Abschließend möchte ich die formulierten Erkenntnissen in Form von Thesen zusammenfassen. 3. Thesen Bei der Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Kondition bzw. Ausdauer auf das Erlernen und Betreiben des WingTsun ist folgendes festzuhalten: 1. Eine allgemeine physische Verbesserung der Leistungsfähigkeit lässt den WT-Schüler Übungen länger durchhalten und Erholungsphasen verkürzen. Die Widerstandsfähigkeit steigt. Knochen und Muskelsystem werden gestärkt. 2. Eine gute Kondition erhöht die Disziplin, Dinge zu tun, die lange dauern. Man lernt eine Motivation durch das 'Tun an sich' aufzubauen (intrinsische Motivation). Dadurch können Übungen länger mit hoher Qualität durchgeführt werden. 3. Die Entwicklung der Geduld wird gefördert. Laufen trainiert dies in besonderem Maße. 4. Laufen geht nicht immer gut. Ein Misserfolg im Wettkampf stellt sich relativ zeitig ein. Schwächen oder gar mangelnde Vorbereitung führen mit Sicherheit zu einer Niederlage. Trotzdem läuft man zu Ende und verarbeitet die Niederlage. Man lernt, danach noch 7 motivierter zu sein. Das lässt sich im WT gut anwenden. Ein Kampf gegen mehrere Angreifer, wo man schnell die Kontrolle verlieren kann, darf nicht zu einem Aufgeben führen. Misserfolge im Training müssen zu noch mehr Anstrengung führen. 5. Allerdings erfordert Lauftraining viel Zeit, die für viele WTler gar nicht oder nur bedingt aufzubringen ist. Verlangsamung der Muskulatur und daher Nachteile in der Schnellkraft können Nachteile für das WT hervorbringen. 4. Fazit Nach den formulierten Thesen möchte ich feststellen, dass eine gute physische Ausdauer und Kondition, welche durch Ausdauertraining entwickelt werden, für das Erlernen und Betreiben des WingTsun positive Auswirkungen haben kann. Daher sollten WT-Lehrer darauf achten, dass die Schüler zu Ausdauerübungen angehalten werden. Dies kann im Training erfolgen (die WT-Schule Strausberg unter Leitung von Sifu Oliver C. Pfannenstiel, 4. TG, hat z.B. ein extra Power-WTTermin, in dem überwiegend konditionelle WT-Übungen trainiert werden) oder zumindest darüber hinaus angeboten werden. So wie in jedem sportwissenschaftlichem Studium der Aspekt der Ausdauer im Speziellen und Kondition im Allgemeinen untersucht und vermittelt werden, sollte dies auch zu einer umfassenden Lehre des WingTsun gehören. Ich bin sicher, dass viele WT-Lehrer ihrer Verantwortung dahingehend gerecht werden. Daher sollte für eine wirkliche Professionalisierung als WT-Lehrer ein umfassendes wissenschaftliches Studium unbedingt dazugehören. 5. Quellen 1. Werde nicht sauer!, Editorial 10/2005, www.wingtsunwelt.com/editorial/werde-nicht-sauer 2. „Si-Fu, Du machst hier doch mit allen das Gleiche!“, Editorial 8/2006, http://www.wingtsunwelt.com/editorial/si-fu-du-machst-hier-doch-mit-allen-das-gleiche 3. Neue Studiengänge, WingTsun Heft Ausgabe Nr. 35, S. 16 ff 4. Manfred Letzelter, Trainingsgrundlagen, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1978, ISBN 3499170248 5. Hans Eberspächer (HG.), Handlexikon Sportwissenschaft, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1992, ISBN 3499170000 6. Gerhard Lehmann, Ausdauertraining in Kampfsportarten, Philippka Sportverlag, 2000, ISBN 389417-092-1 8 9