Nedenstående fortælling er fra Jean de Mandeville`s rejsebog
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Nedenstående fortælling er fra Jean de Mandeville`s rejsebog
Mandeville: Der Drache auf der Insel. Die untenstehende Erzählung stammt aus dem Reisebuch des Ritters Jean de Mandeville. Der Verfasser, dessen Identät nicht ganz geklärt ist, soll gelebt haben von ca. 1300 bis ca. 1372. Er war Engländer und wird auch John Mandeville genannt. Er schrieb in französischer Sprache ein fantastisches und fantasievolles Buch über seine Reisen durch das Heilige Land, Indien und China. Das Buch wurde ein Riesenerfolg und wurde in viele europäische Sprachen übersetzt, natürlich auch ins Lateinische. Ob Mandeville tatsächlich diese Reisen unternommen, oder ob er nur die Reiseschilderungen anderer abgeschrieben hat, wird seit mindestens hundert Jahren diskutiert. Folgende kleine Geschichte, eine Art Vorläufer des europäischen Märchens, habe ich gefunden in der Arbeit des Schweden Sven Martinsson: ”Itinerarium Orientale. Mandevilles Reisebeschreibung in mittelniedeutscher Übersetzung“ (Lund 1918), S. 27-28. Die Fassung, die Martinsson herausgegeben hat, ist in einer Handschrift der Stadtbibliothek Hamburg, von ca. 1420, überliefert. Diese Handschrift enthält eine bearbeitete niederdeutsche Fassung der hochdeutschen Mandeville-Übersetzung des Otto von Diemeringen (gest. 1398). [Mandeville beschreibt Reiserouten im griechischen Inselmeer] Danach kommt man zu einer Insel, die heißt Colos1, und es gibt eine andere, die heißt Lango2, und über diese Inseln herrschte früher Ipocras. Und von den Wundern in diesem Lande will ich von einem großen Wunder3 berichten, von dem man meint, dass es noch heute da ist, und zwar von der Tochter des vorgenannten Ipocras. Man sagt, auf der Insel Lango lebe noch heute die Tochter des Ipocras in der Gestalt eines Drachen, und der Drache sei wohl hundert Klafter lang. Ich habe ihn aber nicht gesehen. Und die Leute auf der Insel nennen ihn „die Herrscherin des Landes“, und er liegt in einer gar alten Burg in einer öden Gegend und geht alle Jahre zwei oder dreimal Mal hinaus, und er schädigt niemanden, wenn man ihn nicht erzürnt. Und man meint, das Ungeheuer sei früher eine schöne Jungfrau gewesen, und sie sei von einer Göttin Dyana in einen Drachen verwandelt worden, und man meint es werde sich wieder in eine Frau verwandeln, wenn ein Ritter so tapfer 1 Colos: ist die Insel Kos; andere Handschriften schreiben Cohos. Der Arzt Hippokrates (in unserem Text der Herrscher Ipokras) stammte aus Kos, und die Insel war wegen ihres Schlangenkultes bekannt, welches wohl den Hintergrund für die Drachengeschichte dieses Textes geliefert hat. 2 Lango: ist keine andere Insel, sondern der italienische Name der Insel Kos. Kos wurde 1204 von den Venezianern erobert. 3 Wunder, n.: gemeint ist ein Ungeheuer. und männlich ist, dass er es wagt, den Drachen auf den Mund zu küssen, und wenn das geschieht, so wird sie nicht mehr lange leben4. Es gab einen tapferen Ritter aus dem Orden der Johanniter von der Insel Rody5, der unternahm es, den Drachen zu küssen und ritt in die Höhle, wo er lag. Da hob der Drache den Kopf und wandte sich dem Ritter zu. Als der Ritter sah, wie schrecklich der Drache war, erschraken er und sein Ross sehr. Das Ross sprang mit dem Ritter auf einen Felsen. Der Felsen ragte über das Meer hinaus, und das Ross stürzte sich aus Furcht vor dem Drachen ins Meer, und so ertranken Ross und Mann. Es war ein junger Geselle, der sollte über das Meer fahren, und als die Seeleute ruhten, geschah es, dass das Schiff an den Strand fuhr, und der junge Mann ging an Land, um sich umzusehen, und er wusste nichts von dem Drachen und kam zufällig zu einem Ort, wo er zwischen alten verfallenen Mauern ein schönes Mädchen sah, das sich die Haare bürstete und sich spiegelte. Und er meinte, das sei ein gutes armes Mädchen, das da auf seine Freundinnen wartete. Und als sie ihn sah – er guckte in den Spiegel – da kehrte sie sich um und fragte ihn, was er wolle. Da sagte er, er wolle ihr Liebhaber sein. Sie fragte, ob er Ritter sei. Er sagte nein. Da sagte sie: „Du kannst nicht mein Liebhaber werden, es sei denn, du bist ein Ritter. Laufe zu deinen Freunden, lasse dich zum Ritter schlagen, und komme morgen wieder. Ich will zu dir kommen aus dieser Höhle, und du sollst kommen und mich auf den Mund küssen. Dann bin ich erlöst, und ich bin dein, und dieser große Schatz und dieses Land werden dir gehören. Obwohl du mich dann in einer anderen Gestalt sehen wirst, sollst du dich nicht fürchten. Ich werde dir kein Leids tun, denn ich bin verzaubert und kann nur so erlöst werden.“ Der junge Mann ging zurück zu seinen Freunden im Schiff und erzählte ihnen das Ereignis und wurde Ritter und kam am folgenden Tag wieder zurück. Da kam aber der Drache ihm entgegen. Bei diesem schrecklichen Anblick erschrak er und floh davon. Der Drache schrie laut, und als er sah, dass der junge Mann nicht zurückkam, da schrie er noch lauter und jämmerlicher und kehrte zurück, und der junge Ritter lebte nicht lange mehr, aber ein Ritter, der den Drachen zu küssen wagt, der wird König im Lande, so wie sie6 das sagen und für wahr halten. Übersetzung aus dem Mittelniederdeutschen durch Poul E. Jørgensen, Aalborg/ Dänemark E-Mail: [email protected] 4 5 6 so wird sie nicht mehr lange leben: - muss heißen, dass sie uralt ist. Rody: die Insel Rhodos. Rhodos wurde 1309 von den Johanniter-Rittern erobert. sie: die Einwohner von Kos.