1 Computerspiele in der Jugendarbeit Nicht erst mit den

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1 Computerspiele in der Jugendarbeit Nicht erst mit den
Computerspiele in der Jugendarbeit
jugend.rlp- die Informationsplattform für Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz
Computerspiele in der Jugendarbeit
Von Silke Krauss, Projekt LOKAL GLOBAL, 15.05.2003
Nicht erst mit den Neuerungen des Jugendschutzgesetzes und des JugendmedienschutzStaatsvertrags der Länder seit April 2003 wird das Thema Computerspiele und LAN-Partys
in der Jugendarbeit diskutiert. Es ist schon lange Thema für die Jugendarbeit, denn seit geraumer Zeit wollen Kinder und Jugendliche im Jugendzentrum gemeinsam im Netz spielen
bzw. die Räumlichkeiten der Jugendeinrichtungen als Veranstaltungsort für LAN-Events
nutzen.
Die Thematik hat hierbei unterschiedliche Ebenen: Einmal die rechtliche Seite, d.h. was ist
unter Jugendschutzaspekten zu beachten und welche rechtlichen Regelungen zu Computerspielen und LAN-Events gibt es? Gleichzeitig muß das Thema aber auch von der pädagogischen Seite her untersucht werden: Wie können Computerspiele sinnvoll in die (medien)pädagogische Arbeit eingebunden werden bzw. in wie weit will sich Jugendarbeit auf
Computerspiele einlassen?
Die zweite Frage ist vielleicht die interessantere – aber die rechtliche Seite drängt sich erstmal in den Vordergrund. Deshalb aus der Sicht unserer Redaktion einige Anmerkungen und
Hnweise dazu.
Rechtliches
Das neue Jugendschutzgesetz vom April 2003 sagt zu Computerspielen folgendes:
•
Computerspiele müssen seit dem 01. April 2003 – ebenso wie Filme und Videos bisher
schon – mit einer rechtsverbindlichen Altersfreigabe versehen werden. Diese Alters freigabe muß auf allen Computerspielen (sowohl auf der CD-Hülle als auch auf der CDRom selbst) sichtbar angebracht sein.
•
Die Altersfreigaben haben hierbei per Gesetz die folgende Staffelung:
Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Freigegeben ab 6 Jahren
Freigegeben ab 12 Jahren
Freigegeben ab 16 Jahren
Keine Jugendfreigabe
•
Die Altersfreigaben werden von einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle (USK –
UnterhaltungssoftwareSelbstKontrolle) nach Gutachten erteilt. Bis April 2003 hat die
USK lediglich Altersempfehlungen vergeben, die nur auf freiwilliger Basis auf manchen
CD-Roms angebracht waren. Die bisherigen Altersempfehlungen der USK wurden jedoch ab April 2003 zu rechtsverbindlichen Altersfreigaben. Das heißt: Wurde ein
Computerspiel bisher z.B. aufgrund seiner Komplexität als „geeignet ab 12 Jahren“
empfohlen, gilt es jetzt rechtsverbindlich als erst ab 12 Jahren freigegeben – und darf
(zumindest in der Öffentlichkeit) nur von Kindern ab 12 Jahren gespielt werden. Da hakt
es ein wenig im System, denn eine Altersempfehlung ist nun mal etwas anderes als eine
Altersfreigabe, und nicht ausreichend begründbare Beschränkungen machen die Diskussion mit Kindern über Spiele nicht leichter. (allerdings handelt es sich bei diesem wie
bei dem folgenden Problem um Schwierigkeiten des Übergangs, sie werden sich mit der
Zeit auflösen).
•
Noch Problematischer ist die Regelung für Computerspiele, die (noch) nicht gekennzeichnet sind, denn sie werden behandelt wie Spiele mit der Kennzeichnung „Keine Jugendfreigabe“. Diese Spiele dürfen
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einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder
sonst zugänglich gemacht werden,
nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen
Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen, oder im Versandhandel
angeboten oder überlassen werden.
•
Das Spielen von indizierten Computerspielen in der Öffentlichkeit ist für Kinder und
Jugendliche prinzipiell verboten – gleichgültig, ob es unter pädagogischer Aufsicht oder
Betreuung stattfindet oder nicht. Es ist auch dann verboten, wenn die Eltern ihre Einverständniserklärung dazu geben.
•
Computerspiele werden indiziert (d.h. sie kommen auf die Liste der jugendgefährdenden
Medien der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien), wenn sie
• einen Tatbestand des Strafgesetzbuches erfüllen,
• den Krieg verherrlichen,
• Menschen, die sterben oder schweren körperlichen bzw. seelischen Leiden ausgesetzt sind in einer die Menschenwürde verletzenden Weise
darstellen,
• Kinder und Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen
• offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.
Für die alltägliche medienpädagogische Praxis bedeutet dies:
•
In Jugendeinrichtungen dürfen Kinder und Jugendliche indizierte Spiele prinzipiell nicht
spielen. Auch dann nicht, wenn die Eltern ihre Einverständniserklärung dazu geben.
•
Kinder und Jugendliche dürfen in Jugendeinrichtungen nur Computerspiele spielen, die
eine für ihr Alter entsprechende Altersfreigabe haben. Kolleginnen und Kollegen aus der
Jugendarbeit müssen auf die Einhaltung dieser Vorschrift achten. (Hier ist gerade im
Hinblick auf die Problematik Altersempfehlung/Altersfreigabe und im Hinblick auf die
Möglichkeit, pädagogisch betreute Projekte durchzuführen, noch Diskussionsbedarf).
•
Noch nicht gekennzeichnete Spiele werden behandelt wie mit „Keine Jugendfreigabe“
gekennzeichnete Computerspiele. Sie dürfen Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich
gemacht werden (d.h. sie dürfen in Jugendeinrichtungen nicht gespielt werden).
•
Eigentlich liegt die Nachweispflicht für die Altersfreigaben beim Anbieter. Das Jugendschutzgesetz sagt hier: Anbieter von Telemedien, die Filme, Film- und Spielprogramme
verbreiten, müssen auf die vorhandene Kennzeichnung in ihrem Angebot deutlich hinweisen (§12 Jugendschutzgesetz). Allerdings sieht die pädagogische Praxis wohl eher
so aus: Ein Jugendlicher kommt mit einem älteren Computerspiel (ohne entsprechenden
Altersfreigabeaufdruck) in die Jugendeinrichtung und möchte das Spiel spielen. Am
schnellsten kann man sich dann im Internet über die jeweilige Altersfreigabe von Computerspielen informieren – und zwar u.a. hier:
www.bpb.de/snp
Computerspieledatenbank der Bundeszentrale für
politische Bildung
In dieser Datenbank mit ausführlichen Kommentaren
zu den Spielen kann man auch recherchieren, ob
ein Spiel indiziert ist. Allerdings erhebt die Datenbank keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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www.usk.de
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Computerspieledatenbank der Unterhaltungssofware Selbstkontrolle (nur Angaben zum Prüfdatum und
zur Altersfreigabe)
Jugendeinrichtungen als (Mit)Veranstalter bzw. Austragungsorte von LAN-Partys
Begibt man sich auf den nächst höheren Level der Computerspiele - zu den LAN-Partys
(d.h. das Spielen von Computerspielen mit mehreren Mitspielern in einem lokalen Netzwerk)
– wird die ganze Sache noch komplexer. Hier spielen nicht nur die gesetzlichen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes in Bezug auf die Medien eine Rolle, sondern auch Aspekte
wie Aufsichtspflicht, Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen bei öffentlichen Veranstaltungen, Genuß von Alkohol und Tabak in der Öffentlichkeit und möglicherweise auch Vorschriften zum Urheberrecht eine Rolle.
Nach unserer Beobachtung werden LAN-Partys in der rheinland-pfälzischen Jugendarbeit
unterschiedlich behandelt. Einige Kommunen und Jugendeinrichtungen treten bereits als
Mit- oder Alleinveranstalter von LAN-Events auf, in anderen Einrichtungen ist man aus den
verschiedensten Gründen noch abwartend. Was auch verständlich ist: Da es bezüglich der
(Mit)Veranstaltung von LAN-Partys noch keine Äußerungen oder Empfehlungen von öffentlicher oder Landesseite gibt, bewegt man sich noch in einem recht unsicheren Raum. Allerdings legt das Jugendschutzgesetz generelle Regelungen fest, die auch LAN-Partys betreffen:
•
Entsprechend §12 JuSchG dürfen auch bei LAN-Partys nur solche Computerspiele gespielt werden, die für die Altersgruppe der SpielerInnen freigegeben sind. Dies bedeutet,
daß die Veranstalter dafür Sorge tragen müssen, daß bei einer LAN-Party, bei der
Spiele beispielsweise mit einer Altersfreigabe „ab 16“ gespielt werden, alle SpielerInnen
mindestens 16 Jahre alt sind.
•
Werden bei einer LAN-Party Computerspiele ohne Altersfreigabe der USK oder Spiele
mit der Altersfreigabe „Keine Jugendfreigabe“ gespielt, müssen alle SpielerInnen volljährig sein, um an der Veranstaltung teilnehmen zu können.
•
Es dürfen prinzipiell keine indizierten Computerspiele gespielt werden, wenn die SpielerInnen unter 18 Jahren sind.
•
Selbst wenn die Eltern ihre Einverständniserklärung geben, dürfen Kinder und Jugendliche indizierte Computerspiele in der Öffentlichkeit nicht spielen.
Darüber hinaus macht das neue Jugendschutzgesetz keine weiteren expliziten Aussagen zu
Computerspielen bzw. LAN-Partys, d.h. es gibt keine Regelungen beispielsweise über die
Länge des erlaubten Aufenthaltes für Kinder und Jugendlichen bei solchen Veranstaltungen
(die gibt es nur für den Besuch von Gaststätten und Tanzveranstaltungen). Öffentliche LANPartys, die von kommerziellen Anbietern für große Besuchergruppen angeboten werden,
regeln diese rechtlichen Unsicherheiten daher häufig damit, daß sie ihre Veranstaltungen
erst ab 18 Jahren zugänglich machen. Da die Klientel von Jugendeinrichtungen in der Regel
schon allein vom Alter her nicht die Möglichkeit hat, an den kommerziellen LAN-Partys teilzunehmen, macht es um so mehr Sinn, sie im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit anzubieten. Entscheidet man sich für die (Mit)Veranstaltung von LAN-Partys in der Jugendarbeit
muß man jedoch einiges beachten (außer den schon oben dargestellten Regelungen des
Jugendschutzgesetzes in Bezug auf Medien):
•
Es dürfen auch bei LAN-Partys keine alkoholischen Getränke an Kinder und Jugendliche
unter 16 Jahren abgegeben und auch der Verzehr darf nicht gestattet werden.
•
Das Rauchen in der Öffentlichkeit darf Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden.
•
LAN-Partys sind häufig für 24 Stunden oder mehrere Tage konzipiert. Das Jugendschutzgesetz macht aber keine expliziten Aussagen zum Aufenthalt von Kindern und
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Jugendlichen bei LAN-Partys. Geregelt sind nur der Aufenthalt in Gaststätten (§4), der
Aufenthalt bei Tanzveranstaltungen (§5), Aufenthalt in Spielhallen (§6), Aufenthalt bei
jugendgefährdende Veranstaltungen (§7), Aufenthalt an jugendgefährdenden Orten (§8)
sowie bei Filmveranstaltungen (§11). Um eine schriftliche Einverständniserklärung
kommt man bei unter 18jährigen TeilnehmerInnen nicht herum – ob diese allerdings
rechtlich ausreicht, sagt das Jugendschutzgesetz nicht. Nach unserer Kenntnis existieren auch noch keine Fallbeispiele oder Urteile zur Altersproblematik bei LAN-Partys, so
dass man sich hier rechtlich nicht wirklich absichern kann.
•
Als (Mit)Veranstalter von LAN-Partys muß man weiterhin darauf achten, dass nur lizensierte Originalspiele gespielt werden (also keine Raubkopien), um nicht gegen das Urheberrecht zu verstoßen und sich damit ggfs. (mit)strafbar zu machen.
•
Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Kontrolle der Dinge, die neben oder „unter“
dem Computerspiel ablaufen. Da ein LAN ein Netzwerk ist, innerhalb dessen die Computer miteinander verbunden sind, können (neben dem Spiel) auch andere Daten von
Computer zu Computer ausgetauscht werden. Der (Mit)Veranstalter einer LAN-Party hat
darauf zu achten, dass keine strafrechtlich relevanten oder jugendschutzrelevanten Daten während des LANs ausgetauscht werden. Also z.B. pornographisches, gewaltve rherrlichendes oder rechtsradikales Material bzw. Raubkopien von Programmen oder
Spielen, indizierte Spiele oder auch Raubkopien musikalischer Art.
Was heißt das nun für die pädagogische Praxis?
Als (Mit)Veranstalter von LAN-Partys muß die Jugendarbeit – neben den allgemeinen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes zu Alkohol- und Tabakkonsum von Kindern und
Jugendlichen – auf folgendes achten (wenn die LAN-Party für unter 18jährige zugänglich
sein soll):
•
Ist die LAN-Party für unter 18jährige konzipiert und erstreckt sich auf Zeiten, zu denen
Kinder und Jugendliche sich auch nicht bei Veranstaltungen eines anerkannten Trägers
der Jugendhilfe aufhalten dürfen, braucht man schon allein wegen der Aufsichtspflicht
und des Aufenthaltsbestimmungsrechtes eine Einverständniserklärung der Eltern. Das
Vorhandensein dieser Einverständniserklärung muß vor Beginn der Veranstaltung geprüft werden, was Einlaßkontrollen und vorherige Anmeldungen zur Veranstaltung unerläßlich macht.
•
Der (Mit)Veranstalter muß technisch, personell und organisatorisch sicher stellen, daß
keine indizierten Computerspiele gespielt werden. Ebenso muß er gewährleisten, daß
die Computerspiele dem Alter der Kinder und Jugendlichen entsprechen und prinzipiell
eine Altersfreigabe haben.
•
Weiterhin muß er prüfen, daß nur lizensierte Originalspiele genutzt werden und keine
Raubkopien.
•
Und er muß sicher stellen, daß keine verbotenen oder jugendgefährdende Daten und
Inhalte über das Netzwerk während des LANs verbreitet werden.
Darüber, wie oder wie weit die o.g. Aspekte von Veranstalterseite her geprüft und sichergestellt werden müssen, gibt es zur Zeit noch keine verbindlichen Aussagen – weder vom Gesetzgeber noch von Verwaltungsseite.
Es gibt natürlich einige Möglichkeiten die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten – auf einer
relativ sicheren rechtlichen Seite befindet man sich, wenn man
•
bei der LAN-Party das Mitbringen von Computern ausschließt und jugendeinrichtungseigene Computer mit vorinstallierten Spielen den Kindern und Jugendlichen zur Verfügung
stellt.
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•
falls die Kinder und Jugendlichen ihre eigenen Rechner mitbringen, diese zuvor auf Herz
und Nieren prüfen (was natürlich die Anzahl der TeilnehmerInnen wegen des Arbeitsaufwandes erheblich reduzieren würde).
•
die LAN-Party nicht in die üblichen Abend- und Nachtstunden legt, sondern sie beispielsweise samstags und sonntags von 10-18 Uhr anbietet (die Übernachtung würde
dann auch wegfallen).
•
bei altersgemischten Gruppen eine Trennung der Räumlichkeiten vornimmt (ähnlich wie
in der Videothek: Bereiche für unter 18 bzw. über 18jährige, die sowohl bezüglich der
Einsichtigkeit als auch bezüglich der Akustik getrennt sind).
Wieweit diese Restriktionen den Spaß an der LAN-Party einschränken, hängt sicherlich einmal von den Kindern und Jugendlichen und ihren Vorerfahrungen und Vorlieben ab, zum
anderen aber auch von der Inszenierung der LAN-Party selbst.
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