Stellungnahme der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre eV (SdK)

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Stellungnahme der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre eV (SdK)
Stellungnahme der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. (SdK) zum
Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des
Anfechtungsrechts
Massive Kritik der SdK: Unter dem Deckmantel des Anlegerschutzes werden
Aktionärsrechte eingeschränkt
Vorbemerkung
Mit dem am 28.01.2004 vorgelegten Entwurf soll zugleich Punkt 1 des 10-PunkteProgramms der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des
Anlegerschutzes umgesetzt werden1. Der erste Punkt dieses Programms hieß damals
noch „Persönliche Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der
Gesellschaft, Verbesserung des Klagerechts der Aktionäre.“
Von diesem hehren Ziel ist nichts mehr übergeblieben, wie sich schon aus der
Namenswahl des UMAG ergibt. Es geht nicht mehr um die Verbesserung des
Klagerechts der Aktionäre, sondern nun um eine Modernisierung des
Anfechtungsrechts. Mit Modernisierung verbindet der unbefangene Betrachter eine
Verbesserung des Anfechtungsrechts. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die sowieso
schon nicht sonderlich ausgeprägten Rechte der Aktionäre sollen durch den Entwurf
weiter eingeschränkt werden. Auch die propagierte Stärkung des Anlegerschutzes durch
die Herabsetzung der Quoren ist nur eine vermeintliche Verbesserung, denn mit der
Herabsetzung der Quoren wurden auf der anderen Seite solche Hürden eingebaut, dass
Vorstand und Aufsichtsrat weiterhin in ihrer bisherigen Sicherheit ruhen können. Mit
Klagen werden sie weiterhin kaum zu rechnen haben, wenn der Entwurf tatsächlich
Gesetz werden sollte.
Genauso verfehlt ist der Hinweis, dass die Unternehmensintegrität verbessert werden
soll. Es muss nicht die Integrität der Unternehmen verbessert werden, sondern die der
Organe. Diese müssen dazu angehalten werden, endlich zu erkennen, dass sie
Sachwalter der Aktionäre sind und nicht selbst das Unternehmen. Das UMAG wird
diesbezüglich keine Verbesserungen bringen. Anstatt die Haftung zu verschärfen
gewährt man den Organen im Gegenteil Haftungserleichterungen.
An dieser Stelle ist auf einen weiteren grundsätzlichen Missstand der Gesetzgebung
hinzuweisen: das „Outsorcing“ von Gesetzgebungsarbeiten.
Mit großem Befremden hat die SdK zur Kenntnis genommen, dass dieser Entwurf
zumindest in wesentlichen Teilen von Herrn Dr. Carsten Schütz, einem Partner von
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Nachzulesen
unter
http://www.bundesjustizministerium.de/enid/fcf2a7b96fa589ca6dd7ada0b75e48bb,1349a670726573
7365617274696b656c5f6964092d09313539093a096d795f79656172092d0932303033093a096d795f
6d6f6e7468092d093032/58.html
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Nörr Stiefenhofer Lutz, stammt und dass die Stellungnahmen von einem Partner der
Kanzlei Linklaters eingearbeitet werden sollen. Unabhängig von der Qualifikation der
beteiligten Personen, die sicherlich vorhanden ist, hält es die SdK für sehr bedenklich,
wenn jetzt bereits Teile der Gesetzgebungsarbeit in die Hände von Dritten gelegt
werden. Es ist doch mehr als nachvollziehbar, dass diese Dritten- sei es bewusst oder
unbewusst - die Interessen ihrer beruflichen Auftraggeber wahrnehmen bzw. durch ihre
jahrelange Tätigkeit auf diesem Gebiet deren Sichtweise übernehmen. Leider sind
bisher weder Nörr Stiefenhofer Lutz noch Linklaters als herausragende Vertreter von
Aktionärsinteressen aufgefallen. Das Gegenteil ist hingegen häufiger der Fall. Beide
Kanzleien vertreten häufig die Gesellschaften gegen deren Aktionäre. Dabei werden sie
von den Organen der Gesellschaften beauftragt, so dass sie auf deren Wohlwollen
angewiesen sind bzw. davon überzeugt sind, dass die Ansichten der Organe zutreffend
sind. Vor diesem Hintergrund ist dann auch nicht verwunderlich, dass das Gesetz in
vielen Punkte auf die Interessen der Organe und Großaktionäre zugeschnitten ist.
Aus der Sicht der SdK ist besonders verwerflich, dass unter dem Deckmantel des
Anlegerschutzes Regelungen eingeführt werden sollen, die die ohnehin schon geringen
Rechte der Aktionäre weiter einschränken. Den Aktionären werden „Steine statt Brot
gegeben“. Auf der anderen Seite können sich die Organe weiterhin bequem
zurücklegen. Sie haben auch zukünftig nichts zu befürchten.
Sollte der vorliegende Entwurf Gesetz werden, wird das Vertrauen der Aktionäre in die
Aktiengesellschaften weiter reduziert, denn die Organe werden weiterhin für ihr
Fehlverhalten kaum zur Rechenschaft gezogen werden können. Aktionäre werden
nunmehr endgültig den Eindruck erhalten, dass der Satz, der dem Baron von
Fürstenberg zugeschrieben wird, zutreffend ist:„Aktionäre sind dumm und frech. Dumm
weil sie den Gesellschaften ihr Geld geben und frech, weil sie dafür auch noch etwas
haben wollen.“
Das UMAG lässt sich in drei große Blöcke teilen: (1.) Haftung der Organe, (2.) die
„Reform“ der Hauptversammlung und (3.) die „Modernisierung des
Anfechtungsrechts“.
Zu den einzelnen Änderungen:
I.)
Die „Haftung“ der Organe gegenüber der Gesellschaft
Eines ist vorab noch klarzustellen: Das UMAG enthält keine Regeln, die die Haftung
der Organe gegenüber den Aktionären betreffen (Außenhaftung), sondern nur
Regelungen, die sich auf die Haftung der Organe gegenüber den Gesellschaften
beziehen (Innenverhältnis).
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Es geht also nicht um das Problem der Haftung von Vorstand und Unternehmen für
fehlerhafte Unternehmensmeldungen. Diese Problematik soll in einem gesonderten
Gesetz geregelt werden.
1.) Einführung der so genannten „Business Judgement Rule“ in das Gesetz sollen Arbeitnehmer wirklich stärker haften als Vorstände?
Das UMAG sieht vor, dass Organe keine Pflichtverletzung mehr begehen, wenn sie bei
einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durften, auf
der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Aus der Begründung des Entwurfs geht hervor, dass man mit dieser Regelung
gewissermaßen ein Gegengewicht zur Erleichterung der Haftungsklage schaffen will.
Man will den Organen offensichtlich nicht zu viel zumuten.
Die SdK hat immer geäußert, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass falsche
Markteinschätzungen, bspw. der immer wieder zitierte Kauf der UMTS-Lizenzen, keine
Haftung des Vorstands begründen können. Jede unternehmerische Tätigkeit ist mit dem
Risiko von falschen Markteinschätzungen verbunden. Dies nehmen die Aktionäre auch
bewusst in Kauf, wenn sie sich an Unternehmen beteiligen. Was sie aber von jedem
ihrer Angestellten erwarten, ist ein sorgfältiges Abwägen der Situation, dies gilt sowohl
für den Vorstand, wie auch für jeden Angestellten. Grundsätzlich handelt es sich daher
bei der Business Judgement Rule um eine Selbstverständlichkeit. Da es sich um eine
solche Selbstverständlichkeit handelt, haben solche Fälle bisher auch so gut wie nie die
Gerichte beschäftigt und zwar selbst bei solchen (nichtbörsennotierten) Gesellschaften
nicht, bei denen es durchaus Großaktionäre gab, die schon nach dem heute geltenden
Recht hätten klagen können. Bisher hat man in der Praxis immer mit den Vorgaben
gearbeitet, die der Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung
aufgestellt hat. Es geht dabei letztlich um die Frage, wann das unternehmerische
Ermessen überschritten wird.
Nun sieht das UMAG aber eine Haftung nur dann vor, wenn der Vorstand
grobfahrlässig gehandelt hat. Der Haftungsmaßstab verschiebt sich also ganz
entscheidend. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletzt ist, mit anderen Worten, dass nicht
beachtet ist, was jedem hätte einleuchten müssen.
Hiermit geht das UMAG über die bisher geltende Rechtslage im Hinblick auf die
Freistellung der Organe deutlich hinaus. Bisher haben die Vorstände bereits für einfache
Fahrlässigkeit gehaftet, wogegen sie sich selbstverständlich auf Kosten der Gesellschaft
über eine so genannte D & O Versicherung versichert haben. Eine persönliche Haftung
haben heute die Organe daher so gut wie nie zu befürchten, auch wenn sie Gegenteiliges
immer wieder behaupten.
Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit sieht das Zivilrecht vor allem
für solche Fälle vor, in denen jemand entweder unentgeltlich oder überwiegend im
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Interesse eines anderen tätig ist. So haften z.B. der Schenker und der Finder nur für
grobe Fahrlässigkeit.
Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass diese Situationen keinesfalls mit den hier
relevanten Situationen vergleichbar sind. Die Organe werden für ihre Tätigkeit gut
bezahlt und haben zudem die Möglichkeit, sich gegen die Risiken auf Kosten der
Gesellschaft zu versichern.
Es ist aber noch viel gravierender, wenn man sich den Vorschlag des UMAG im
Hinblick auf die allgemeine Arbeitnehmerhaftung ansieht. Arbeitnehmer haften nämlich
bereits bei einer so genannten „mittleren“ Fahrlässigkeit, ohne dabei die Möglichkeit zu
haben, sich auf Kosten der Gesellschaft zu versichern und ohne dafür extrem hohe
Gehälter zu erhalten. Diese Ungleichbehandlung ist durch nichts zu rechtfertigen.
Hinzu kommt, dass die Organe durch die ihnen drohende Haftung auch motiviert
werden sollen, die nötige Sorgfalt walten zu lassen. Je geringer das Haftungsrisiko ist,
desto geringer wird auch die Bereitschaft zu sorgfältigem Verhalten sein. Man muss
daher auch eine Regelung dahin treffen, dass die Organe für den Fall, dass sie sich
gegen eine solche Haftung auf Kosten der Gesellschaft versichern, einen genügend
hohen Selbstbehalt zu tragen haben.
Andererseits sieht die SdK auch durchaus die Gefahr einer unbegrenzten Haftung der
Organe bereits für einfache Fahrlässigkeit. Die SdK könnte sich daher vorstellen, dass
die Haftung der Organe für einfache Fahrlässigkeit im Bereich der „unternehmerischen
Entscheidungen“ der Höhe nach begrenzt wird. Zu denken wäre hier bspw. an zwei
Jahresgehälter des jeweiligen Organs.
Die SdK fordert daher, dass die Beschränkung der Haftung der Organe auf grobe
Fahrlässigkeit gestrichen wird. Sie könnte sich vorstellen, für einfache Fahrlässigkeit
eine Haftungshöchstgrenze einzuführen.
2.) Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch Aktionäre
Als geradezu revolutionär wird die Neuregelung der Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen durch die Aktionäre verkauft. Neu geregelt werden die
Sonderprüfung und die klageweise Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch
Aktionäre der Gesellschaft.
a) Die Sonderprüfung nach § 142 AktG
Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die Herabsetzung der Quoren. Nunmehr
sollen antragsberechtigt bereits die Aktionäre sein, die entweder 1 % der Aktien an der
Gesellschaft haben oder aber Aktien, deren Börsenwert mehr als 100.000 Euro beträgt.
Dieser Schritt ist notwendig, da gerade bei Gesellschaften, die von einem Großaktionär
beherrscht werden, die Gefahr von nachteiligen Maßnahmen zu Lasten der
Minderheitsaktionäre besonders groß ist. Bei diesen Gesellschaften ist es jedoch häufig
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schwierig, die bisher erforderlichen Quoren zu erreichen. Dies dürfte nunmehr deutlich
leichter sein, was sicher dazu führen wird, dass die Großaktionäre sich genauer
überlegen werden, ob sie bestimmte Maßnahmen durchführen.
Völlig verfehlt ist im Zusammenhang mit der Sonderprüfung die Neufassung des § 145
Abs. 4 AktG, wonach das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass dem
Sonderprüfer bestimmte Auskünfte nicht gegeben werden müssen, soweit überwiegende
Belange der Gesellschaft dies gebieten. Dies wird in der Praxis dazu führen, dass die
Vorstände endgültig gegenüber dem Sonderprüfer „mauern“ werden. Sie werden
zunächst in streitigen Situationen behaupten, dass bestimmte Informationen der
Gesellschaft schaden werden, wenn diese dem Sonderprüfer zugänglich gemacht
werden. Man muss sich vor diesem Hintergrund die Position des Sonderprüfers
verdeutlichen. Dieser handelt im Unternehmensinteresse, somit im Interesse aller
Aktionäre. Selbstverständlich muss er daher die Möglichkeit haben, sämtliche
Informationen zu erhalten. Welche Informationen dann der Allgemeinheit und auch den
anderen Aktionären zugänglich gemacht werden, ist eine davon zu trennende Frage.
Hier wird man sicher Kompromisse finden können.
Geändert werden müssen auch die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung
eines Sonderprüfers. Bisher sieht das Gesetz und auch der Entwurf des UMAG vor, dass
das Gericht einen Sonderprüfer zu bestellen hat, wenn Tatsachen vorliegen, die den
Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen
des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Damit wird der Anwendungsbereich
der Sonderprüfung zu stark eingeengt. Die Sonderprüfung hat zum Ziel,
Schadensersatzansprüche gegen die beteiligten Organe vorzubereiten. Diese haften
jedoch nicht nur bei Unredlichkeit und grober Verletzung von Satzung oder Gesetz,
sondern bei jeder Pflichtverletzung. Daher muss auch für die gerichtliche Bestellung
eines Sonderprüfers ausreichend sein, dass der Verdacht einer Pflichtwidrigkeit besteht.
Man kann in diesem Zusammenhang jedoch eine zusätzliche Hürde einbauen, nämlich
die, dass der Aufsichtsrat nach Aufforderung durch die Minderheit nicht von sich aus
eine Sonderprüfung durchführt. Insoweit hätte man eine gewisse Parallele zu § 147a
AktG (dazu später).
Verfehlt ist auch die Regelung, dass der Antragsteller die Aktien bis zur Entscheidung
über den Antrag auf Sonderprüfung nicht veräußern darf. Das UMAG sieht insoweit
alternativ zur bisher erforderlichen gerichtlichen Hinterlegung auch die Option vor, dass
der Antragsteller eine Bescheinigung seines depotführenden Kreditinstituts vorlegt,
wonach die Aktien bis zur Entscheidung über den Sonderprüfungsantrag nicht veräußert
werden. Durch diese Regelung werden viele Aktionäre von einer Antragstellung
abgehalten, da sie das Risiko eingehen müssen, ihre Aktien während der Dauer des
Verfahrens nicht veräußern zu können und zwar selbst dann nicht, wenn sich das
Unternehmen auf Grund des Eintritts neuer, u. U. ad-hoc-pflichtiger Umstände schlecht
entwickelt. Dieses Risiko geht kein institutioneller Anleger ein, gerade nicht bei
Unternehmen, wo eine Sonderprüfung beantragt wird, weil davon ausgegangen wird,
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dass in diesem Unternehmen nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Das
Veräußerungsverbot muss daher aufgehoben werden. Es muss ausreichend sein, dass
das relevante Quorum bei Antragstellung erfüllt ist.
Völlig verfehlt ist auch die Regelung der Kostenerstattung in § 146 AktG. Danach soll
nämlich künftig auch der Antragsteller für die gesamten Kosten der Sonderprüfung
haften, der die gerichtliche Bestellung des Sonderprüfers durch grobfahrlässigen
Vortrag erwirkt. Bisher ist es so, dass der Antragsteller nur dann für die Kosten der
Sonderprüfung einzustehen hat, wenn er vorsätzlich handelt. Nach der Begründung ist
es ein Ziel dieser Regelung, den potentiellen Antragstellern ein spürbares Kostenrisiko
vor Augen zu halten. Dies klingt auf den ersten Blick einleuchtend, ist es aber nicht. Der
Antragsteller handelt gerade nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse
aller anderen Mitaktionäre, denn die Ergebnisse einer Sonderprüfung bereiten
regelmäßig Schadensersatzprozesse gegen die Organe vor, an denen dann alle Aktionäre
partizipieren. Es besteht daher kaum eine Gefahr des Missbrauchs dieses Instituts.
Wenn nun aber den potentiellen Antragstellern, die im Gegensatz zu den Organen keine
genauen Kenntnisse über den Sachverhalt haben, (sie vermuten ja lediglich
pflichtwidriges Verhalten) und zudem selbst nur im geringen Masse an einem späteren
Schadensersatzprozess teilhaben, das gesamte Kostenrisiko vor Augen geführt wird und
zwar auch bereits bei grobfahrlässiger Verhaltensweise, so wird es so gut wie
niemanden geben, der das Risiko eingeht, eine Sonderprüfung zu beantragen. Es würde
damit zu einem Rückschritt gegenüber der bisherigen Regelung kommen.
b) Klagezulassungsverfahren gem. §§ 147, 147 a AktG
Auf der ersten Blick erscheinen die Neuregelungen in der Tat für eine erhebliche
Verbesserung der Situation der Anleger zu sorgen. Auf den zweiten Blick relativiert
sich dies jedoch merklich.
Wie bereits ausgeführt, ist die Herabsetzung des Quorums für die klageweise
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für die Gesellschaft gegenüber den
Organen zu begrüßen. Insbesondere die Harmonisierung mit den Vorschriften zur
Sonderprüfung sind zu begrüßen.
ba) Die Voraussetzungen des § 147 a AktG nach dem Entwurf des UMAG
Leider werden diese positiven Ansätze jedoch durch die konkrete Ausgestaltung des §
147 a AktG verwässert. Der Entwurf des UMAG sieht vor, dass Aktionäre deren
Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen den einhundertsten Teil des
Grundkapitals oder einen Börsenwert von 100.000 Euro erreichen, beantragen können,
im eigenen Namen die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG genannten Ansprüche geltend zu
machen. Das Gericht soll die Klage zulassen, wenn
(1) die Aktionäre die Aktien erworben haben, bevor sie von den
beanstandeten Pflichtverstößen Kenntnis erlangt haben,
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(2) sie die Gesellschaft unter Fristsetzung aufgefordert haben, selbst
Klage zu erheben,
(3) Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der
Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des
Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist und
(4) der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs keine
überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen.
Aus der Begründung des Entwurfes wird ersichtlich, dass alles getan werden soll, damit
für die so genannten „räuberischen Aktionäre“ kein neues Spielfeld geschaffen wird.
Man befürchtet wohl seitens der Unternehmensverbände, dass die Herabsetzung des
Quorums zu einer Flut von Anträgen nach § 147 a AktG führen wird. Hiervor sollen die
Gesellschaften geschützt werden.
Diese zunächst eingängige Argumentation übersieht jedoch etwas Grundlegendes. Es
geht vorliegend darum, dass ein Aktionär auf eigenes Kostenrisiko Ansprüche der
Gesellschaft durchzusetzen versucht. Er selbst profitiert nur zu einem sehr geringen Teil
von einer etwaigen Schadensersatzzahlung, nämlich in dem Umfang, in dem er selbst
am Unternehmen beteiligt ist. Ein solches im Dienste aller Aktionäre liegendes
Verhalten ist nach Ansicht der SdK per se zunächst einmal positiv. Das „räuberische
Potential“ ist bei diesen Klagen daher sehr begrenzt, nämlich auf die Anwaltsgebühren.
Weiter muss man wissen, dass der Bundesgerichtshof in der ARAG/GarmenbeckEntscheidung darauf hingewiesen hat, dass der Aufsichtsrat, wenn er von Umständen
erfährt, die zu einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Vorstand
führen, grundsätzlich verpflichtet ist, diesen Schaden geltend zu machen, wenn er sich
nicht seinerseits schadensersatzpflichtig und unter Umständen sogar strafbar machen
möchte.
Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Voraussetzungen, die § 147a AktG enthalten
soll, kritisch zu hinterfragen. Dabei kommt man zu dem Ergebnis, dass allein die
Anforderung, dass die Gesellschaft innerhalb angemessener Frist den Schadensersatz
nicht geltend gemacht hat, berechtigt ist. Denn grundsätzlich ist die „Gewaltenteilung“
innerhalb der AG so, dass der Vorstand gegen den Aufsichtsrat und der Aufsichtsrat
gegen den Vorstand vorzugehen hat. Erst wenn dieses System nicht funktioniert, soll
der Aktionär eingreifen können, da dann die große Gefahr besteht, dass zwischen
Vorstand und Aufsichtsrat eine zu enge Nähe gegeben ist.
Alle anderen Voraussetzungen sind hingegen entweder überflüssig oder aber fehlerhaft
ausgestaltet und nur vor dem Hintergrund verständlich, dass man den so genannten
„räuberischen Aktionären“ kein Forum bieten möchte.
So leuchtet es zunächst ein, dass nur derjenige zur Klageerhebung berechtigt sein soll,
der die Aktien bereits vor Kenntnis von der Pflichtverletzung erworben hat, da bei
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anderen der Verdacht besteht, diese hätte ihre Aktien nur erworben, um eine Klage
anhängig zu machen. Dabei würde man jedoch übersehen, dass dieser Aktionär
zugunsten der Gesellschaft handelt. Er versucht nämlich von den Organen
Schadensersatz zu erhalten. Hiervon profitieren letztlich alle. Da ist es doch wirklich
irrelevant, wann die Aktien erworben wurden (diesbezüglich besteht ein Unterschied
zur Anfechtungsklage).
Völlig absurd ist die Voraussetzung, dass Tatsachen vorliegen müssen, die den
Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder eine grobe
Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist. Wie bereits
dargelegt, haften die Organe grundsätzlich auch für einfache Fahrlässigkeit. Wenn
bspw. der Aufsichtsrat Kenntnis von einem solch fahrlässigen Verhalten des Vorstands
erhält, so ist er nach den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung
grundsätzlich zur Geltendmachung des Schadens verpflichtet. Macht er dies nicht, setzt
er sich selbst einer Haftung aus. Wenn der Aufsichtsrat dieser Verpflichtung also trotz
Aufforderung durch einen Aktionär oder einer Aktionärsgruppe nicht nachkommt, soll
die Aktionärsminderheit keine Möglichkeit haben, den Schadensersatzanspruch für die
Gesellschaft geltend zu machen? Wenn dies wirklich so gewollt ist (und das steht in der
Begründung) wird das gute Zusammenspiel zwischen Vorstand und Aufsichtsrat weiter
funktionieren. Ausreichend muss es daher sein, wenn Tatsachen vorliegen, die den
Verdacht rechtfertigen, dass Schadensersatzansprüche gegeben sind.
Auch nicht überzeugend ist die vierte Voraussetzung. Es ist nicht erkennbar, wieso die
Geltendmachung von berechtigten Schadensersatzansprüchen überwiegende Gründe des
Gemeinwohls entgegenstehen können. Wieso ist es für eine Gesellschaft schlecht,
Schadensersatz zu erhalten?
bb) Das Verfahren und die Kostentragungspflicht
Völlig unzureichend sind auch das Verfahren und die Kostentragungspflicht
ausgestaltet. Es ist vorgesehen, dass der Antragsteller das Kostenrisiko des
Klagezulassungsverfahrens zu tragen hat. Hat er diese Stufe erst einmal überwunden,
dann erhält er allerdings die Kosten des Hauptverfahrens regelmäßig auch dann
erstattet, wenn dieses wider Erwarten doch verloren geht. Eine Prämie ist für den
Aktionär explizit ausgeschlossen.
Man verlangt also von dem einzelnen Aktionär, dass er das Kostenrisiko einer Klage,
die er für die Gesellschaft führt, trägt, ist jedoch andererseits nicht bereit, ihn an einem
eventuellen Erfolg dieser Klage zu beteiligen. Dies wird dazu führen, dass es sich um
ein sehr stumpfes Schwert handeln wird. Wer geht denn schon für eine relativ geringe
Ertragschance das Risiko ein, die gesamten Kosten zu tragen. Hier sollte eine Regelung
aufgenommen werden, dass derjenige, der tatsächlich Schadensersatz für die
Gesellschaft erstreitet, hieran auch zu einem Teil partizipiert. Dadurch wird die
Bereitschaft, dieses Zulassungsverfahren zu betreiben deutlich steigen, wodurch
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zugleich gewährleistet werden wird, dass die Kontrolle von Organen im Sinne einer
guten Corporate Governance verstärkt wird.
Auch nicht nachvollziehbar ist, wieso den Antragstellern die Kosten mehrerer
Bevollmächtigter nur dann zu erstatten sind, wenn sie zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung unterlässlich waren. Wenn in der Begründung zu lesen ist, dass zu
verhindern ist, dass die einzelnen Organmitglieder mit hohen ungerechtfertigten Kosten
belastet werden, dann zeigt dies eindrucksvoll, dass alles getan werden soll, damit die
Kontrolle durch die Aktionäre ja nicht zu intensiv wird. Man will offensichtlich lieber
Organe schützen, die zum Schadensersatz verpflichtet sind, als die Aktionäre, die
berechtigte Interessen durchsetzen wollen. Hinzu kommt, dass sich die Organe in der
Regel auf Kosten der Gesellschaft auch von verschiedenen Anwälten beraten lassen.
Wenn man eine solche Regelung schon aufnehmen möchte, dann sollte man wenigstens
Waffengleichheit herstellen und auch dem Organ, wenn es denn nicht verurteilt wird,
nur die Kosten erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig
waren.
Weiterhin muss der Aktionär, der das Hauptverfahren betreibt, zunächst auch sämtliche
Vorschüsse zunächst einmal selbst zahlen, was bei hohen Streitwerten unter Umständen
einer Klageerhebung entgegenstehen kann. Hier sollte in den § 147a Abs. 6 AktG
aufgenommen werden, dass die Gesellschaft zumindest die Vorschüsse für
Gerichtskosten und Sachverständigenkosten zu leisten hat.
Völlig unzureichend ist auch die Regelung in § 147a Abs. 5 AktG. Hier ist geregelt,
dass das Urteil auch, wenn es auf Klageabweisung lautet, für und gegen die Gesellschaft
und die übrigen Aktionäre wirkt. Entsprechendes soll für einen Vergleich gelten. Es ist
absehbar, dass sich einige Organe, wenn sie befürchten, Schadensersatzansprüchen
ausgesetzt zu werden, geeignete Aktionäre suchen, die für sie das
Klagezulassungsverfahren einleiten werden. Mit diesen wird man sich dann im
Hauptverfahren gütlich einigen oder aber den Prozess absichtlich schlecht führen, so
dass nach dem Wortlaut der Vorschrift niemand mehr etwas unternehmen kann. Dies
Ergebnis ist sicher nicht gewollt und widerspricht im übrigen auch der Regelung des §
93 Abs. 4 Satz 3 AktG.
II. Die Reform der Hauptversammlung
Im Rahmen der Verbesserung des Anlegerschutzes hat man sich auch gleich des
Themas angenommen, das vielen Organen schon lange „unter den Nägeln brennt“, die
Reform der Hauptversammlung.
Man konnte in der Vergangenheit immer wieder von verschiedenen Organen hören,
dass die Hauptversammlungen deutlich zu lange dauern und dass diese daher
grundlegend zu reformieren seien. Herausragenden Vertreter dieser Ansicht ist wohl
immer noch Rolf Breuer. Offensichtlich ist es vielen Organen schon zu viel, einmal im
Jahr ihren Eigentümern für im Schnitt knapp 7 Stunden (Dax-Gesellschaften), 4
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Stunden und 33 Minuten (M-Dax), 4 Stunden und 5 Minuten (S-Dax) sowie 3 Stunden
und 37 Minuten (TecDAX) Rede und Antwort zu stehen. Dies zeigt frappierend, wie
sehr sich viele Organe von ihrer Stellung als Angestellte entfernt haben. In einem
mittelständischen Unternehmen ist es undenkbar, dass dem Inhaber nicht jederzeit und
wenn es sein muss tagelang jedes einzelne Details der Geschäfte von der
Geschäftsführung erklärt werden.
1.) Die grundsätzlichen Mängel der Hauptversammlung
Eine Studie der SdK zur Dauer von Hauptversammlungen im Jahr 2003 hat die oben
genannten Durchschnittswerte ergeben. Sie hat weiter ergeben, dass die
Hauptversammlungen nur bei solchen Gesellschaften länger dauerten, bei denen
wirklich Probleme zu diskutierenwaren. Zu nennen sind hier für den Dax z. B. die HVB
(erster Verlust in der Unternehmensgeschichte, Wechsel vom Vorstandsvorsitzenden
zum Aufsichtsratsvorsitzenden) und MLP (intransparente Bilanzierung, strafrechtliche
Ermittlungen). In solchen Fällen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Eigentümer
ihre Angestellten etwas intensiver befragen wollen.
Aber auch die SdK ist der Ansicht, dass die Hauptversammlungen in vielen Fällen noch
deutlich kürzer sein könnten. Die Möglichkeiten hierfür liegen aber nicht in der
Reduktion der Aktionärsrechte, sondern darin, dass die Organe die Hauptversammlung
nicht zu Werbeveranstaltungen missbrauchen. Bei vielen Gesellschaften ist es so, dass
der Bericht des Vorstands einen Großteil der gesamten Hauptversammlungsdauer
einnimmt. Wenn man dann noch hinzunimmt, dass viele Abstimmungen unprofessionell
verlaufen, sieht man sofort, wo das Einsparpotential liegt.
Leider gibt es in Deutschland kaum Hauptversammlungsleiter, die auch den Vorstand
ermahnen, seine Ausführungen auf das Wesentliche zu beschränken. Hier hat man
offensichtlich Angst um das gute Verhältnis. Gegenüber dem anonymen Eigentümer tut
man sich offensichtlich leichter, wobei das auch nicht uneingeschränkt gilt. Die
Erfahrung lehrt, dass man Belegschaftsaktionäre geduldig aussprechen lässt, auch wenn
diese sich nicht unbedingt zu Fragen äußern, die unmittelbar mit der Tagesordnung zu
tun haben. Gleiches gilt für eine „Spezies“ von Aktionären, die vieles auf der
Hauptversammlung zu erzählen haben, bloß wenig, was mit der Tagesordnung zu tun
hat.
Diesbezüglich bietet bereits das heute geltenden Recht genügend Möglichkeiten, dieser
Ausuferung Herr zu werden. Sie werden bloß nicht genutzt.
Geradezu abenteuerlich empfindet die SdK die Begründung dafür, dass die
Hauptversammlung weiter begrenzt werden soll. Man erhofft sich dadurch, die Präsenz
auf den Hauptversammlungen zu erhöhen, weil insbesondere institutionelle Anleger
sich durch die Dauer der Hauptversammlungen von deren Besuch abhaltenließen. Wenn
es einen institutionellen Investoren tatsächlich interessiert, sein Stimmrecht auszuüben,
kann er dies auch über den gesellschaftseigenen Stimmrechtsvertreter machen, ohne
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anwesend zu sein. Die Erfahrung belegt zudem, dass gerade bei der
Hauptversammlungen, die lange gedauert haben, die Vertreter der institutionellen
Anleger, die das Thema wirklich interessiert haben, anwesend waren und zwar bis zum
Schluss.
Der einzige Sinn der „Reform“ der Hauptversammlung besteht dann aus Sicht der SdK
darin, den Organen ihr Leben noch einfacher zu machen. Ist man den
„vielbeschäftigten“ Aufsichtsräten schon damit entgegen gekommen, dass sie im Wege
der Bild- und Tonübertragung an der Hauptversammlung teilnehmen dürfen, so möchte
man nun noch einen Schritt weitergehen, indem man die Hauptversammlung als solche
verkürzt.
2.) Reduktion des Fragerechts
Der Entwurf zum UMAG sieht vor, dass der Hauptversammlungsleiter nunmehr auch
das Fragerecht angemessen reduzieren kann. Wenn eine Frage gestellt wird, die nach
der festgelegten Rede- und Fragezeit gestellt wurde, so braucht diese nicht mehr
beantwortet zu werden.
Unabhängig davon, dass es für die SdK schon logisch nicht nachvollziehbar ist, wie
eine Frage gestellt werden soll, wenn die Fragezeit abgelaufen war, ist diese Regelung
auch grundsätzlich verfehlt. Die Aktionäre üben nach § 118 AktG ihre Rechte in der
Hauptversammlung aus. Diese findet regelmäßig nur einmal im Jahr statt. Dann muss
der Aktionär auch die Möglichkeit haben, sich intensiv mit der vom Vorstand und
Aufsichtsrat festgelegten Tagesordnung zu beschäftigen. Eine Beschneidung dieses
Rechts würde den Aktionär in seinen Grundrechten treffen.
Zudem sollen zukünftig solche Fragen nicht mehr beantwortet werden müssen, deren
Antwort sich aus einer auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglichen Information
ergibt. Auch diese Regelung ist verfehlt. Zum einen wird kaum nachzuvollziehen sein,
ob die Antwort auf eine ganz bestimmte Frage sich im Internet befindet, so dass
Streitigkeiten vorprogrammiert sind. Wichtiger ist aber ein anderes Argument: Die
Hauptversammlung ist eine Präsenzveranstaltung. Die Aktionäre geben ihre Stimme in
der Hauptversammlung auf Grund der ihnen präsenten Informationen ab. Können sie
die Antwort auf eine Frage nicht nachvollziehen, weil sie aktuell in der
Hauptversammlung über keinen Internetzugang verfügen, so kann die Beschlussfassung
nicht ordnungsgemäß sein. Aus diesem Grund kann die Antwort auf der Internetseite
grundsätzlich die Antwort in der Hauptversammlung nicht ersetzen, eventuell aber
ergänzen.
Die SdK schlägt daher vor, dass die Veröffentlichung der Antworten im Internet
zulässig sein soll, jedoch nicht geeignet ist, die Beantwortung auf der
Hauptversammlung zu ersetzen. Es ist aber zu vermuten, dass sich die Zahl der Fragen
dann reduzieren wird, wenn die Antworten auf der Internetseite zugänglich ist, denn
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auch (Klein-)Aktionäre stellen in der Regel nicht solche Fragen, deren Antwort sie
schon kennen.
III. „Modernisierung des Anfechtungsrechts“
Die angekündigte Modernisierung des Anfechtungsrechts soll so vollzogen werden,
dass die Wirksamkeit des Anfechtungsrechts de facto beseitigt wird.
Auch hier ist die gesamte Struktur von dem Gedanken geprägt, „räuberischen
Aktionären“ ihr Betätigungsfeld zu nehmen. Leider wird auch hier Ursache und
Wirkung miteinander verwechselt.
So genannte „räuberische Aktionäre“ haben nur deshalb relativ hohe Erfolgschancen,
weil Großaktionäre, die bestimmte Unternehmensmaßnahmen durchsetzen wollen, sehr
häufig zu Lasten der Kleinaktionäre handeln. (So soll die Anzahl der
Spruchstellenverfahren, die gewonnen werden, d. h. zu einer Aufbesserung der
Zahlungen für die Aktionäre führen, bei über 90 % liegen. Das heißt im Umkehrschluss,
dass in 90 % der relevanten Verfahren der Großaktionär versucht hat, den Kleinaktionär
zu übervorteilen, was im übrigen menschlich mehr als nachvollziehbar ist.) Jeder hat
das Bestreben etwas besonders günstig zu erhalten und damit seine Rendite zu erhöhen.
Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, hier für gleiche Ausgangspositionen zu sorgen,
wenn er tatsächlich möchte, dass sich immer größere Teile der Gesellschaft am
Produktionsvermögen beteiligen.
So sehr die SdK auch „räuberische Aktionäre“ verurteilt, die mit einer Aktie bei jeder
Gesellschaft auftauchen, Widerspruch zu Protokoll geben und anschließend hoffen, dass
man ihnen die Klage abkauft, so sehr hat sie Verständnis für das berechtigte Anliegen
derer, die ihre ökonomischen Interessen mit allen Mitteln durchsetzen wollen, weil sie
den Eindruck haben, von Großaktionären übervorteilt zu werden.
Es steht zu befürchten, dass die „Modernisierung“ des Anfechtungsrechts dazu führen
wird, dass noch mehr Großaktionäre ihre Rechte zu Lasten der Kleinaktionäre nutzen,
da das Risiko für sie weiter minimiert wird. Das Gesetz macht aus der
„plünderungsoffenen“ die „plünderungseinladende“ Aktiengesellschaft. Leidtragende
werden mit Sicherheit die Kleinaktionäre sein, denen Möglichkeiten des effektiven
Rechtsschutzes genommen werden.
Vor diesem Hintergrund ist die SdK der Ansicht, dass das in § 246 a vorgesehene
Freigabeverfahren restriktiver auszugestalten ist. Soist es nicht hinnehmbar, eine
Eintragung von rechtswidrigen Beschlüssen zuzulassen, denn wie können rechtswidrige
Beschlüsse im Interesse der Gesellschaft liegen?
Völlig mißlungen ist auch die Regelung des § 243 Abs. 4, die durch das UMAG
geändert werden soll. Hiernach soll eine Anfechtungsklage nicht auf eine unrichtige,
unvollständige oder unzureichende Information über die Ermittlung, Höhe oder
Angemessenheit von Leistungen, Abfindungen, Zuzahlungen oder über sonstige
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Bewertungsfragen gestützt werden, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen die
Durchführung eines Spruchverfahrens vorsieht. Diese Regelung wird in der Praxis dazu
führen, dass fast alle Gesellschaften hinsichtlich dieser Informationen mauern werden,
da sie ja nichts zu verlieren haben. Schlimmstenfalls kommt im Spruchverfahren eine
höhere Abfindung heraus. Auf der anderen Seite ist jedoch festzuhalten, dass die
Antragsteller nach dem Spruchverfahrensneuordnungsgesetz verpflichtet sind, konkrete
Bewertungsrügen vorzutragen. Wie sie das machen sollen, ohne Fragen zu diesen
relevanten Punkten stellen zu dürfen, bleibt ein Geheimnis der Verfasser dieser
Vorschrift.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Hoffnungen, die im Frühjahr 2003 durch die
Bundesregierung geweckt worden sind, durch den Entwurf des UMAG weitestgehend
zerstört worden sind.
Wenn der Entwurf des UMAG tatsächlich Gesetz werden sollte, dann muss man sich als
Anleger wirklich fragen, ob es noch sinnvoll ist, in Aktien zu investieren.
München, 30. März 2004

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