Zwerg Nase - Waldorfbuch.de

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Zwerg Nase - Waldorfbuch.de
Zwerg Nase
nach dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff
von Gabriele Nachtrieb
PERSONEN
Alte, Kräuterhexe
Eichhörnchen, ihre Helferinnen
(und andere Nagetiere)
Vater (Franz), Schuster
Mutter (Hanne), seine Frau
Jakob, ihr Sohn
Frau Abele
Marktfrauen
Kinder: Susanne, Hans, Maria, Karl
Nachtwächter
3 Erzähler
Andere Kinder: Anna, Ulla, Lena
Bettler Hinkebein
Priester Antonius
Barbier Urban
Herzog Maximilian von Witzighausen
Herzogin Juliane von Witzighausen
Chefkoch
Oberküchenmeister
Küchenmeister
Frühstückskoch
Oberkellnerin
2 Wachen
Fürst von Soltau Fürstin von Soltau Diener des Fürsten von Soltau
Mimi, eine Gans
Gute Geister (stumm)
1 I. AKT
1. Bild
Instrumentalmusik, rhythmisch. Eurythmie. Alte mit langer Nase, Kopftuch, Schürze und Flasche
mit Kräutersaft kommt schlurfend, gebückt, auf den Stock gestützt, in die Mitte der Bühne.
Alte
Feen, Zauberer und Hexen
sollte man nicht unterschätzen.
Ich bin die alte Ischgurill,
ich mache immer, was ich will.
Denn meine Kräutlein, meine Säfte,
die geben mir besondre Kräfte.
Trinkt aus der Flasche. Pfiff (Trillerpfeife oder Ähnliches): Eichhörnchen
oder verschiedene Nagetiere tippeln auf Zehenspitzen herein und stellen sich
im Halbkreis auf.
Eichhörnchen
Zu Diensten, holde Ischgurill, …
machen Männchen
… jawohl, jawohl Frau Ischgurill.
verneigen sich unterwürfig.
Alte
Wirft Flasche, Stock, Kopftuch und Schürze weg, die Eichhörnchen räumen
das mit viel Getue auf – jetzt ist sie jung und beweglich. – Zaubertanz!
Eine Wand zur Verwandlung.
Alte und
Eichhörnchen
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
bringt herbei, herbei sie gleich.
Hucke, schlucke Ischgurill,
Ischgurill macht, was sie will.
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
machen flugs die Wangen bleich.
Eichhörnchen mit weißen Masken.
Hucke, schlucke Ischgurill
Ischgurill macht, was sie will.
2 Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
schwupp di wupp – schon bist du reich.
Goldstücke fallen aus den Ärmeln.
Hucke, schlucke Ischgurill,
Ischgurill macht, was sie will.
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
macht selbst harte Stäbe weich.
Stäbe werden schlapprig.
Hucke, schlucke Ischgurill,
Ischgurill macht, was sie will.
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
macht dich feder-, federleicht.
Ein Eichhörnchen wird hochgehoben.
Hucke, schlucke Ischgurill,
Ischgurill macht, was sie will.
Licht aus. – Instrumentalmusik verschwimmend.
I. Akt, 2. Bild
Vor dem Vorhang. Vater, Mutter und Jakob beladen den Wagen für den Markt.
Vater (Franz)
So, mein lieber Jakob, nun hilf deiner Mutter wieder fleißig, das Gemüse
und das Obst auf den Markt zu fahren.
Jakob
Ja, Vater, gern!
Mutter (Hanne)
Leg die Früchte sorgfältig hinein, dass sie keine Macken bekommen und
schön frisch bleiben.
3 Jakob
nimmt Papier, das er zwischen das Obst legt.
Ist es so recht?
Mutter
Ja, so bin ich zufrieden, so sind sie gut versorgt und werden auf der Fahrt
nicht verpoltert.
Vater
Heute kann ich euch keine Lasten abnehmen. Ein wichtiger Kunde hat sich
angemeldet. Dem soll ich neue Schuhe anmessen. Wie froh bin ich, nicht
immer nur flicken, und sohlen zu müssen.
legt die Arme um beider Schultern.
Mit dem Geld, was er uns dafür bezahlt, wird unser Leben etwas leichter
werden!
im Gehen
Vielleicht komme ich euch abholen?!
Jakob
Ich glaube, heute wird ganz sicher ein besonderer Tag. Wir werden alles
Gemüse und alle Früchte verkaufen und heute Abend können wir uns dann
glücklich zum Abendbrot zusammensetzen.
Vater begleitet sie ein Stück, sie winken.
I. Akt, 3. Bild
Lied. Alle in entsprechenden Kostümen. 4. Bild ist bereits aufgebaut. Vorhang auf.
Alle
Hört euch an die Geschichte
von Jakob, dem braven Sohn,
Vater ist ein armer Schuster
er erhält nur wenig Lohn.
Vor dem Städtchen in dem Gärtchen
Mutter baut Gemüse an,
und der gute, kleine Jakob
hilft ihr gerne wo er kann.
Höret, was sich zugetragen
eines Tages in der Stadt,
als die böse, alte Hexe
kam an Mutter Jakobs Stand.
4 I. Akt, 4. Bild
Marktszene. Kinder: Karl, Maria, Hans, Susanne spielen, jonglieren. Frau Abele, eine alte Frau,
am Stand von Frau Hanne.
Frau Abele
Schöne Ware haben Sie wieder, Frau Hanne! Es ist doch immer eine Freude,
bei Ihnen einzukaufen!
Hanne
Heute haben wir die ersten Birnen aus unserem Garten. Mein Jakob hat sie
ganz besonders sorgfältig eingepackt, dass sie lange halten.
Frau Abele
Da nehm ich noch zwei Pfund davon mit, die passen gerade noch in meinen
Korb.
bezahlt.
Hanne
Frau Abele, warten Sie, mein Sohn Jakob wird Ihnen den schweren Korb
nach Hause tragen. – Komm, Jakob!
Jakob ist nicht gerade froh darüber, aber gefügig.
Susanne
Lass uns zum Herzogspalast gehen, dort kenn' ich einen guten Platz zum
Spielen.
Hans
Fragen wir den Jakob, ob er auch mitgehen möchte!
Maria
Der muss doch am Marktstand helfen. Schau, er trägt den Korb für eine
Frau!
Jakob geht ab.
Karl
Schade, das letzte Mal hat er uns so schöne Kunststücke gezeigt.
Susanne
Also los, gehen wir!
Die Kinder werfen sich Jonglierbälle zu, nehmen ihre Sachen und gehen
lärmend ab. – Jakob kommt zurück, mit einer Brezel, stellt sich wieder hinter
den Stand.
Jakob
Hierher, ihr Herren, seht, welch schöner Kohl, ganz frische Kräuter aus dem
eigenen Garten! Frühbirnen, ihr Frauen, und saftige Äpfel, Aprikosen und
Pfirsiche! Wer kauft? Kommt hierher!
Das Licht verändert sich.
Alte
Seid Ihr die Gemüsehändlerin Hanne?
5 Hanne
Ja, die bin ich. Ist Euch etwas gefällig? Wünscht Ihr etwas zu kaufen?
Alte
Wollen sehen! Wollen sehen! Kräutlein schauen, Kräutlein schauen: ob du
hast, was ich brauche.
Wühlt im Korb, Geste der Empörung bei Hanne, Aufbegehren bei Jakob.
Schlechtes Zeug, schlechtes Kraut, nichts von allem, was ich will. War viel
besser vor fünfzig Jahren, schlechtes Zeug, schlechtes Zeug!
Jakob
Du bist ein unverschämtes altes Weib! Erst fährst du mit deinen garstigen
braunen Fingern in die schönen, frischen Kräuter hinein und drückst sie
zusammen, dann hältst du sie an deine lange Nase, dass sie niemand mehr
kaufen mag, wer zugesehen hat, und jetzt schimpfst du noch unsere Ware
schlechtes Zeug, und doch kauft selbst der Koch des Herzogs alles bei uns!
Alte
Söhnchen! Söhnchen! Also gefällt dir meine Nase, meine schöne lange
Nase!? Sollst auch eine haben mitten im Gesicht, bis übers Kinn herab!
Nimmt einen Kohlkopf heraus, drückt ihn, wirft ihn zurück.
Schlechte Ware, schlechter Kohl!
Jakob
Wackle nur nicht so garstig mit dem Kopf hin und her. Dein Hals ist ja so
dünne wie ein Kohlstängel, der könnte leicht abbrechen! Dann fiele dein
Kopf hinein in den Korb, wer wollte dann noch kaufen!
Alte
Gefallen sie dir nicht, die dünnen Hälse? Sollst gar keinen haben, Kopf soll
in den Schultern stecken, dass er nicht herabfällt vom kleinen Körperlein!
Hanne
Schwatz doch nicht so unnützes Zeug mit dem Kleinen da! Wenn Ihr etwas
kaufen wollt, so tut es, Ihr verscheucht mir ja die anderen Kunden.
Kunden haben einen Bogen um Hannes Stand gemacht.
Alte
Gut, es sei, wie du sagst. Ich will dir diese sechs Kohlhäupter abkaufen.
Aber seht, ich muss mich auf den Stab stützen und kann nichts tragen.
Erlaube deinem Söhnlein, dass er mir die Ware nach Hause bringt. Ich will
ihn dafür belohnen.
Jakob will ansetzen, nein zu sagen, doch Hanne nickt, und widerwillig trägt
Jakob der Alten die Waren hinterher. Hanne ist nachdenklich. Der Markt
leert sich, alle bauen ab, nur noch Hannes Stand steht. Es dunkelt.
Hanne
Wo er nur so lange bleibt? Mir kommen ganz seltsame Gedanken!
6 Fängt an zusammenzuräumen.
Vater
Da bist du ja! Ich habe mir Sorgen gemacht, deshalb komm ich her. –Aber
wo ist Jakob?
Hanne
Das ist es ja! Er hat einer alten Frau den Korb nach Hause getragen.
Aber er ist schon über zwei Stunden weg!
leise
Eine seltsame Frau, ich mach mir solche Vorwürfe!
Vater
Es wird schon irgendeinen Grund haben. Liebe Frau, mach dir keine Sorgen,
unser Jaköbchen ist doch ein so vernünftiger Junge. Lass uns nach Hause
gehen, vielleicht ist er schon daheim, weil er sich – weiß Gott warum –
verspätet hat.
Sie packen vollends zusammen und gehen ab.
Nachtwächter
Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen,
unsre Glock hat zehn geschlagen!
Zehn Gebote setzt Gott ein,
gib, dass wir gehorsam sein!
Menschenwachen kann nichts nützen,
Gott muss wachen, Gott muss schützen.
Herr, durch deine Güt und Macht
schenk uns eine gute Nacht.
Hört, ihr Herrn und lasst euch sagen,
unsre Glock hat elf geschlagen!
Elf der Jünger blieben treu,
Mensch sei du wie sie so treu.
Menschenwachen kann nichts nützen,
Gott muss wachen, Gott muss schützen.
Herr, durch deine Güt und Macht
schenk uns eine gute Nacht.
Hört, ihr Herrn und lasst euch sagen,
unsre Glock hat zwölf geschlagen!
Zwölf, das ist das Ziel der Zeit,
Mensch, bedenk die Ewigkeit!
Menschenwachen kann nichts nützen,
Gott muss wachen, Gott muss schützen.
Herr, durch deine Güt’ und Macht
schenk uns eine gute Nacht.
Vorhang.
7 I. Akt, 5. Bild
Währenddessen Umbau für Bild 6.
1. Erzähler
Was war mit Jakob geschehen? Widerwillig, halb weinend, folgte Jakob.
Ihm graute vor der hässlichen Frau. Aber die Mutter hatte es ihm ja so
ernstlich befohlen, weil sie es für eine Sünde hielt, der alten schwächlichen
Frau die Last alleine aufzubürden.
2. Erzähler
Sie kamen endlich, in einem ganz entlegenen Teil der Stadt, vor ein kleines
baufälliges Haus. Dort zog die Alte einen rostigen Haken aus der Tasche,
fuhr damit geschickt in ein kleines Loch in der Türe, und plötzlich sprang
diese krachend auf. Aber wie war der kleine Jakob überrascht!
3. Erzähler
Von Marmor waren Decken und Wände. Die Gerätschaften von schönstem
Ebenholz, mit Gold und Edelsteinen eingelegt, der Boden aber war von Glas
und so glatt, dass Jakob einigemal ausrutschte und hinfiel.
II. AKT
1. Bild
Haus der Alten.
Alte
Setze dich – ruhe dich aus hier!
Sollst haben deinen Lohn von mir!
Will dir kochen ein Süppchen!
Will dir brocken ein Stückchen!
Wie 1. Akt, 1. Bild, Musik.
Pfiff: Eichhörnchen oder verschiedene Nagetiere tippeln auf Zehenspitzen
herein, stellen sich im Halbkreis auf.
Eichhörnchen
Zu Diensten, holde Ischgurill,
machen Männchen.
jawohl, jawohl Frau Ischgurill.
verneigen sich unterwürfig.
Alte
Wo habt ihr meine Pantoffeln, schlechtes Gesinde!
8 Schwingt den Stock, Eichhörnchen springen.
Wie lange soll ich noch so dastehen?
Eichhörnchen
Pantoffel eins, Pantoffel zwei!
Jawohl, jawohl Frau Ischgurill.
Frau Ischgurill zu Diensten!
Alte
Lasst uns mit der Prozedur beginnen!
Musik.
Alte und
Eichhörnchen
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein vom Unkenteich:
bringt herbei, herbei sie gleich.
Hucke, schlucke Ischgurill,
Ischgurill macht, was sie will.
Rühre, rühre hin und her,
rühre, kreuz und rühre quer,
rühre auf und rühre ab,
rühr und rühr im Zaubertakt.
Wurzelsaft und Essigkraut,
Bärenmilch auf Schweinehaut,
Kräutlein fein, Kräutlein fein,
Spinnenfuß jetzt noch hinein!
Alte
Iss dies Süppchen, Söhnchen, iss!
werden sollst du nach meinem Bild!
Meisterkoch soll deine Berufung sein,
doch das Kräutlein sollst niemals du finden –nein!
Iss dies Süppchen, Söhnchen, iss!
Werden sollst du nach meinem Bild!
Jakob löffelt zunächst zögerlich, es mundet ihm zunehmend. Er wird müde.
Musik. Eichhörnchen bringen Räucherstäbchen, ziehen ihn um zu einem
Eichhörnchen.
Traumlicht. Eurythmischer Tanz: Jakob, Eichhörnchen und Alte.
Alle ab außer der Alten und Jakob.
Alte
1. Jahr
Her nun zu mir, putz mir die Schuh,
Schusterleins Sohn kann das wohl gut.
Ein langes Jahr putz meine Schuh.
9 Er tut es, es fällt ihm leicht, da er es gewöhnt ist.
2. Jahr
Ein Jahr ist um, nun eile hinaus
und bringe mir Sonnenstaub ins Haus,
es soll das Allerbeste sein
zum Backen mir mein Brot gar fein.
3. Jahr
Ein Jahr ist um, mit der Nussschale hier
schöpfe den Tau aus der Rose mir.
Mein Durst ist groß und unersättlich,
er soll gestillet werden täglich.
4. Jahr
Ein Jahr ist um, nun wisch mir pünktlich
die Böden alle, rein und gründlich.
5. Jahr
Das vierte Jahr ist nun zu Ende,
geh in die Küche und übe behände
zu kochen und zu braten,
das soll dir im Leben wohl geraten!
7. Jahr
Um sind sieben lange Jahre.
Nun ist die Zeit gekommen.
Mein Diener, bring’ mir Korb und Stock.
Rupf ein Hühnchen, füll ’s mit Kräutern,
Die Alte zeigt ihm einen Korb mit Kräutern, der etwas abseits steht.
… sollst nun bald tragen den eigenen Rock!
Er zieht das Eichhörnchen-Kostüm aus und legt wieder seine bürgerlichen
Kleider an. Dann geht er zum Kräuterkorb und riecht hinein. Dabei
„wächst“ ihm eine lange Nase.
Licht dunkel, Musik, Jakob schläft, er muss kräftig niesen.
Traumlicht aus, helles Licht.
Jakob
Nein, wie man nur so lebhaft träumen kann! Ich hätte schwören wollen, ich
sei ein Eichhörnchen gewesen und dabei ein guter Koch geworden. Wie wird
die Mutter lachen, wenn ich ihr alles erzähle! Hoffentlich schimpft sie nicht,
weil ich in einem fremden Hause eingeschlafen bin, anstatt ihr auf dem
Markt zu helfen!
Reibt sich die Augen, geht nach vorne, Vorhang.
10 III. AKT
1. Bild
Vor dem geschlossenen Vorhang. Kinder, Bettler, Priester gehen vorbei. Aufbau von Bild 2.
Anna
Iih! Ein hässlicher Zwerg! Wo kommt der her?
Ulla
Schaut an, was der für eine lange Nase hat! Und wie ihm der Kopf zwischen
den Schultern steckt!
Lena
Der hat ja überhaupt keinen Hals. Puh! Seht die braunen, hässlichen Hände!
Rennen lachend weg.
Jakob
Ein Zwerg, wo mag da nur ein Zwerg sein? Ich jedenfalls sehe keinen
Zwerg!
Priester
Gesegnet seist du arme, bedauernswerte Kreatur. Gerne würde ich dir helfen.
Ich kann nur für dich beten.
Jakob schüttelt verständnislos den Kopf.
Priester
zu sich
Manchmal sind Gottes Wege wahrhaft unergründlich!
Bettler
sitzt am Bühnenrand, beim Abgehen gibt ihm Jakob ein Geldstück.
Und wenn ich's recht bedenke, so bin ich im Vergleich zu seinem Los ein
Prinz. Ich fühl' mich wie ein Prinz! Ich bin ein Prinz!
Geht fröhlich ab und wirft die Münze in die Luft.
III. Akt, 2. Bild
Markt wie I, 4. Links Schusterstube, rechts Barbier. Hanne sitzt ganz traurig an ihrem Stand.
Jakob kommt und überlegt, was er machen soll. Dann schleicht er sich von der Seite an und legt
den Arm um seine Mutter.
Jakob
Mütterchen, was fehlt dir? Bist du böse auf mich?
Mutter
Was willst du von mir, hässlicher Zwerg? Fort, fort, ich kann dergleichen
Possenspiele nicht leiden.
11 Jakob
Aber, Mutter, was hast du, warum willst du denn deinen Sohn wegjagen?
Mutter
Geh deines Weges! Bei mir kannst du mit deinen Späßen kein Geld
verdienen. Pack dich, du hässliche Missgeburt!
Jakob
für sich
Hat sie den Verstand verloren? Was fange ich nur an? – Lieb Mütterchen, so
sei doch vernünftig, so sieh mich doch nur recht an, ich bin ja dein Sohn,
dein Jakob!
Mutter
zur Nachbarin
Nein, jetzt wird mir der Spaß zu unverschämt! Seht diesen hässlichen Zwerg
da, steht da und vertreibt mir alle Kunden. Und spottet mit meinem Unglück.
Sagt zu mir: ich bin ja dein Sohn, dein Jakob! Der Unverschämte!
Marktfrauen
Verschwinde, Quäle die arme Frau Hanne nicht so! Ihr Sohn wurde ihr vor
sieben Jahren gestohlen. Pack dich, du garstiger Zwerg! Mach dich nicht
über anderer Leute Unglück lustig! Verschwinde!
Jakob
flieht nach vorne an die Rampe
„Arme Hanne“, „ihr Sohn vor sieben Jahren geraubt“, „garstiger Zwerg“!
Sind sie denn alle verrückt geworden, was ist bloß mit mir geschehen?
hält die Hände vors Gesicht und betastet dabei seine Nase!
Ich muss zum Vater!
geht zum Vater.
Vater
Um Gottes Willen! Was ist das? Was ist das?
Jakob
Guten Morgen, Meister, wie geht es Euch?
Vater
Schlecht! Ehrlich gesagt schlecht! Ich habe niemanden, der mir hilft,
und einen Gesellen kann ich mir nicht leisten, er wäre zu teuer.
Jakob
Habt ihr denn keinen Sohn, der euch zur Hand gehen kann?
Vater
Ich hatte einen Sohn. Der müsste jetzt ein schlanker, gewandter junger Mann
von zwanzig Jahren sein. Der könnte mir sicher helfen. Schon mit zwölf
Jahren stellte er sich bei allen Dingen geschickt an.
Jakob
Wo ist denn aber euer Sohn?
Vater
Das weiß Gott! Vor sieben Jahren wurde er vom Markt weggestohlen.
12 Jakob
Vor sieben Jahren!?
Vater
Jakob hat immer geholfen, den Kunden ihre schweren Körbe nach Hause zu
tragen. Ich habe es nie gerne gesehen. Aber die Kunden mochten unseren
hilfsbereiten Jakob und beschenkten ihn jedes Mal. Doch vor sieben Jahren
kam ein altes Weib auf den Markt und hat ihn mitgenommen. Eine steinalte
Frau, die schon weit über 90 Jahre alt ist, meinte, es könnte die böse
Kräuterhexe Ischgurill gewesen sein. Die soll nur alle 50 Jahre einmal in die
Stadt kommen, um einzukaufen. Ist Euch etwas von meiner Arbeit gefällig,
junger Herr? Ein Paar neue Pantoffeln? Oder vielleicht ein Futteral für Eure
Nase? Ich hätte schönes rosafarbenes Glanzleder da! Freilich würde man
mindestens eine Elle dazu brauchen.
Jakob
Meister, habt Ihr einen Spiegel, in dem ich mich einmal anschauen könnte?
Vater
Ihr habt keine Gestalt, die euch eitel machen sollte! – Ich besitze keinen
Spiegel, geht zum Barbier da drüben.
Jakob geht zum Barbier.
Jakob
Guten Tag, Barbier Urban, darf ich mich in Eurem Spiegel einmal
anschauen?
Barbier
spöttisch
Aber gerne, hier betrachtet Euer wunderbares Spiegelbild, man könnte ja
direkt neidisch werden, wenn man Euch so ansieht!
Jakob betrachtet sich im Spiegel.
Ihr gäbt einen guten Lockvogel für mein Geschäft ab. Mein Nachbar hat
einen Riesen gefunden, der ihm die Leute durch sein Aussehen heranzieht.
Ihr aber würdet den Riesen bei weitem übertreffen! Bleibt bei mir um Kost
und Wohnung, stellt Euch vor mein Geschäft, und schon bald werden wir
uns vor Kunden nicht mehr retten können!
Jakob hält sich die Ohren zu, schüttelt den Kopf. Vor zur Rampe.
Dann langsam nochmals zum Stand der Mutter.
Jakob
Frau Hanne, hört mich an. Ich sehe zwar nicht aus wie Euer Sohn, aber ich
bin es trotzdem. Vor sieben Jahren hat mich die böse Fee Ischgurill entführt.
Ich diente ihr in ihrem Haus, sie hat mich in diese Gestalt verzaubert,
deshalb erkennt Ihr mich nicht.
Mutter
Unmöglich! Es gibt keine Feen. Komm, wir gehen zu meinem Mann.
nimmt Körbe, sie gehen zum Schuster.
13 Mutter
Sieh, Franz, dieses Geschöpf behauptet unser Sohn Jakob zu sein. Er
erzählte mir, er wäre von einer Kräuterfee geraubt und verzaubert worden.
Vater
So, hat er!? Vor einer Stunde hab ich ihm alles erzählt. Jetzt geht er hin, um
dich zu foppen! So verzaubert hat man dich! Ich werde dich gleich
entzaubern!
Schlägt Jakob mit Lederriemen. Jakob rennt nach vorne. Vorhang.
Jakob
Sieben Jahre meines Lebens hat sie mir gestohlen! Vater und Mutter
verstoßen mich! Ich habe niemanden in der Welt! Was fang ich bloß an?
Sackt verzweifelt auf einen Klotz. Nach einer Weile richtet er sich
entschlossen auf.
Aber etwas habe ich gelernt! Ich kann kochen!
Ab.
IV. AKT
1. Bild
Herzogspalast. Festlicher Speisetisch, auf einer Seite die Küche, auf der anderen Seite
Wachsoldaten, die den Eingang des Palastes andeuten. Herzog und Herzogin am Tisch, Chefkoch
in der Küche.
Herzog
klingelt, Chefkoch kommt.
Jetzt reicht es mir endgültig! So etwas will Chefkoch des Herzogs von
Witzighausen sein. Fort, fort mit dir, du Rühreikoch! Du wagst es, mir, dem
größten Feinschmecker, ein solches Gericht vorzusetzen? Du bist auf der
Stelle entlassen!
Herzogin
Pack dein Bündel, aus meinen Augen!
Beide zornig ab. Chefkoch holt sein Bündel. Oberküchenmeister,
Küchenmeister, Oberkellnerin und Frühstückskoch bilden, rangmäßig, eine
Reihe und verabschieden den Chefkoch.
Oberküchenmeister
Es ist wahrlich eine Kunst, unseren Herrn zufriedenzustellen. Lebe
wohl!
Chefkoch
Auf Wiedersehen Oberküchenmeister!
14 Küchenmeister
Ich hab immer mein Bestes gegeben!
Chefkoch
Auf Wiedersehen, Küchenmeister! Auf Wiedersehen, Oberkellnerin!
Oberkellnerin
Hoffentlich ist dein nächster Herr nicht gar so streng. Auf Wiedersehen!
Chefkoch
Lebe wohl Frühstückskoch. Hoffentlich geht es dir nicht auch so wie mir.
Frühstückskoch nickt vertraulich. Ehrfurchtsvolles Schweigen, alle begleiten
ihn bis zum Tor. Jakob kommt seitwärts herein. Der Chefkoch schaut ihm
lachend nach.
Er ist wahrlich noch schlechter dran als ich!
Weiteres Personal kommt hinzu.
IV. Akt, 2. Bild
1. Wache
Schau einmal, was da kommt denn da am frühen Morgen!
2. Wache
Haha, ein richtiger Zwerg, ein Zwerg, ein richtiger Zwerg kommt hierher!
1. Wache
So etwas hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen.
2. Wache
Was willst du hier?
Jakob
Ich begehre freundlich den Oberküchenmeister zu sprechen. Ich bin ein guter
Koch.
1. Wache
Dir würde die Stellung eines herzoglichen Leibzwerges eher anstehen.
2. Wache
In dieser Stellung könntest du vielleicht den Herzog und die Herzogin
bespaßen.
1. Wache
Als Schlossgespenst gäbe er auch eine treffliche Figur ab.
Lachen.
2. Wache
Aber – jeder nach seinem Willen!
Führt Jakob hinein, klopft, der Oberküchenmeister kommt. Jakob verneigt
sich so tief, dass seine Nase den Boden berührt.
Jakob
Gnädiger Herr, braucht ihr keinen geschickten Koch?
15 Oberküchenmeister
Oh Kleiner, wer dich zu mir geschickt hat, der will dich zum Narren
halten.
Jakob
bleibt standhaft
Gebt mir eine Chance, gnädiger Herr!
Oberküchenmeister
Jakob
Ich glaube kaum, dass du überhaupt in die Töpfe hineinschauen kannst.
Gebt mir irgendeine leckerhafte Speise zu bereiten auf. Sie soll vor euren
Augen schnell bereitet sein, und ihr werdet sagen müssen: „Er ist ein Koch
nach allen Regeln der Zunft.“
Oberküchenmeister
Wohlan, es sei um des Spaßes willen.
Er klatscht in die Hände.
Der Frühstückskoch, der Küchenmeister und die Oberkellnerin kommen.
Was hat der Herr heute zum Frühstück befohlen?
Alle stehen mit offenen Mündern da.
Frühstückskoch
Dänische Suppe hat er geruht zu befehlen und rote Hamburger Klößchen.
Alle
Oh! Verdammt schwierig.
Oberküchenmeister
Du hast´s gehört, Dänische Suppe und rote Hamburger Klößchen.
Getraust du dir diese schwierige Speise zu bereiten, auch die Klößchen?
Jakob
Nichts leichter als das!
Alle
Oh!
Er kocht, sie schauen ihm argwöhnisch zu.
IV. Akt, 3. Bild
Herzog und Herzogin beim Frühstück.
Herzogin
Hoffentlich findest du schnell wieder einen Koch. Der Fürst und die Fürstin
von Soltau haben doch ihren Besuch für übermorgen angesagt. Hast du es
vergessen?
Herzog
Ich weiß, ich weiß, er rühmt sich, ein größerer Feinschmecker zu sein als
ich. Wir werden sehen.
16 klingelt.
Das Frühstück!
Oberkellnerin trägt auf, alle gespannt.
energisch
Wer hat diese Suppe gekocht?
Oberküchenmeister
verlegen
Das ist eine wunderliche Geschichte ...
Herzog
So köstlich war sie noch nie. Sage mir, wer?
Jakob wird geholt, verneigt sich.
Was bist du für eine seltsame Gestalt?
Jakob
Ich bin ohne Vater und Mutter. Bei einer alten Frau habe ich das Kochen
gelernt.
Herzog
Bleibe hier. Wir brauchen dringend einen guten Koch. Du sollst guten Lohn
erhalten.
Herzogin
Für übermorgen hat sich hoher Besuch angemeldet: der Fürst und die Fürstin
von Soltau! Der Fürst rühmt sich, einer der größten Feinschmecker zu sein!
Herzog
Jeder im Palast erhält von mir einen eigenen Namen.
Du sollst Zwerg Nase heißen!
Vorhang.
IV. Akt, 4. Bild
Auf der Vorbühne. Vorhang ist geschlossen. Jakob kommt gut gekleidet von der Seite, die Wache
verneigt sich ehrerbietig.
Jakob
Nun habe ich für das Festessen diese drei Gänse auf dem Markt gekauft,
doch eine davon scheint krank zu sein, sie gackert und schnattert nicht, ich
will sie als erste schlachten.
Gans Mimi
Stichst du mich,
so beiß ich dich,
drückst du mir die Kehle ab,
bring ich dich ins frühe Grab.
17 Jakob
Ei, wie ist das möglich, dass eine Gans spricht.
Mimi
Stichst du mich,
so beiß ich dich,
drückst du mir die Kehle ab,
bring ich dich ins frühe Grab.
Jakob
Aber bin ich nicht selbst einmal ein Eichhörnchen gewesen. Ab mit euch in
den Stall!
Er sperrt die beiden anderen ein, legt seinen Arm um Mimi, schaut, dass sie
nicht beobachtet werden.
leise
Wer bist du, dass du sprechen kannst?
Mimi
Ach ich bin des großen Zauberer Wetterbocks Tochter, doch eine böse Fee
hat mich verzaubert. Töte mich nicht!
Jakob
Nein, ich werde dich nicht töten, das verspreche ich dir. Du musst wissen,
auch ich stehe nicht in meiner eigenen Gestalt vor dir. Eine Kräuterfee hat
mich erst in ein Eichhörnchen und dann in diese Missgestalt verzaubert.
Mimi
Ich bin nicht unerfahren in Zauberdingen. Von meinem Vater weiß ich so
manches. Du bist wohl auf ein bestimmtes Kraut verzaubert worden, und
wenn du dieses findest, kannst du erlöst werden.
Jakob
Wirklich!? Ich werde dich verstecken, und wann immer ich Zeit habe,
besuche ich dich.
Er versteckt sie in der Nähe der Küche und geht hinter den geschlossenen
Vorhang.
IV. Akt, 5. Bild
Vorhang auf. Küche und Speisetafel. Bei den Wachen kommen die Gäste an.
Diener
meldet
Der Fürst und die Fürstin von Soltau!
Wachen verneigen sich. Der Herzog und Herzogin kommen den Gästen zur
Begrüßung entgegen. Alle zu Tisch.
Herzog
Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise?
18 Fürst
Wir haben uns doch eine neue Kutsche angeschafft, die macht das Reisen
sehr bequem.
Herzogin
So!?
Fürstin
Es ist dasselbe Modell, das auch der König von Frankreich fährt.
Fürst
Mit allen Raffinessen: Klappverdeck aus Hirschleder, Bezüge aus
Leopardenfell, und – der letzte Schrei – Plattfederung. Wirklich sehr
angenehm!
Herzogin
neidisch
Wie der König von Frankreich?
Fürst
Nun, werter Herzog von Witzighausen, was gibt es Neues bei Ihnen? Wie
steht es in Eurer Küche? Wollt Ihr noch immer behaupten, dass Ihr die
besten Köche habt?
Herzog
Die allerbesten, wartet ’s ab.
Fürstin
zur Herzogin
Ich hoffe nur, dass wir uns nicht wieder im Streit trennen wie das letzte Mal,
nur wegen des Essens.
Herzogin
Ich bin überzeugt, dieses Mal werden unsere Köche euren Gatten
überzeugen!
Die Speisen werden aufgetragen. Die Herrschaften tafeln.
Fürst
Ein Lob deinem Koch! Er versteht sein Handwerk trefflich: jede Speise eine
andere Nuance, jede Soße raffinierter als die andere. – Aber warum hat er bis
jetzt noch nicht die Königin der Speisen gebracht – die Pastete Souzeraine?
Herzog
Morgen Abend!
Licht aus über dem Tisch. Herzog geht in die Küche.
zu Jakob
Zwerg Nase, du hast vortrefflich gekocht, aber mein Gast vermisste die
Königin der Speisen, die Pastete Souzeraine.
ändert den Ton.
Morgen Abend wirst du sie servieren! Hörst du! Sonst gnade dir Gott!
Alle ab außer Jakob.
19 Jakob
abends alleine in der Küche.
Weh mir, nun ist der Tag meiner Schande gekommen! Ich bin verloren! Ich
habe noch nie von der Pastete Souzeraine gehört. Ich kann sie nicht kochen.
Mimi
hüpft herbei.
Habe alles mitgehört. „Pastete Souzeraine“, nichts leichter als das! Oft kam
sie auf meines Vaters Tisch, ich weiß ungefähr, wie man sie macht.
Hantieren in der Küche, die Nacht vergeht, mit Licht. Licht über dem Tisch
geht wieder an. Die Pastete wird von der Oberkellnerin und dem
Oberküchenmeister serviert.
Herzog
Ah! ah! ah! Mit Recht nennt man dies die Königin der Speisen; mein Zwerg
Nase ist aber auch der König aller Köche! Nicht wahr, lieber Freund?
Der Fürst probiert, lächelt und nickt, Herzog strahlt, doch dann:
Fürst
Es ist ganz artig gemacht, aber die Souzeraine ist es doch nicht ganz.
Der Herzog runzelt die Stirn, Wut steigt in ihm auf.
Herzogin
Oberküchenmeister
klingelt. Der Oberküchenmeister kommt herein.
Zwerg Nase!
Zu Ihren Diensten, gnädige Frau.
Jakob kommt.
Herzog
Hund von einem Zwerg! Wie wagst du es, deinem Herrn dies anzutun? Soll
ich dir deinen großen Kopf abhacken lassen zur Strafe für deine schlechte
Kocherei?
Jakob
bittet kniend
Ich habe die Pastete nach allen Regeln der Kunst zubereitet. Sagt mir doch,
was daran noch fehlt? Lasst mich nicht sterben wegen einer Handvoll
Fleisch oder Mehl!
Fürst
überheblich
Es wird dir wenig nützen, auch wenn ich's dir sage. Es fehlt das Kräutlein
Nies-mit-Lust. Hierzulande ist es aber gänzlich unbekannt.
Herzog
Und doch!
steht dabei auf.
Ich schwöre bei meiner herzoglichen Ehre: Entweder Ihr esst morgen die
Pastete, wie Ihr sie verlangt, oder ich zeige Euch den Kopf dieses Burschen,
aufgespießt auf dem Tor meines Palastes.
Geh, du Hund! Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Zeit!
Alle ab. Jakob in die Küche.
20 5. AKT
1. Bild
In der Küche.
Jakob
Es ist aus! Ich muss sterben! Von diesem Kraut habe ich noch nie gehört.
Mimi
hüpft herein.
Nies-mit-Lust, unter einer Bedingung kann ich dir helfen. Du musst wissen,
ich kenne nämlich alle Kräuter, die es gibt, das wenigstens hat mir mein
Vater beigebracht! Wo steht der Mond heute?
Jakob
Was aber ist die Bedingung?
Mimi
Wo steht der Mond heute?
Jakob
Die Nacht ist sternenklar, vom Mond ist kein Zipfel zu sehen. Sage mir doch
die Bedingung!
Mimi
Zu einer anderen Zeit wärst du des Todes gewesen. Glücklicherweise ist
heute Neumond, und um diese Zeit blüht das Kräutlein Nies-mit-Lust, sonst
ist es nicht zu sehen.
Jakob
Heute ist Neumond, das ist gewiss.
Mimi
Sind alte Kastanien in der Nähe des Palastes?
Jakob
Oh ja, eine ganze Gruppe, unten am See.
Mimi
Lass uns eilen, bevor es dunkel wird.
Jakob wirft einen Gegenstand, um die Wachen abzulenken. Diese rennen dem
Gegenstand nach. Jakob und Mimi schleichen auf der anderen Seite hinaus.
Vorhang.
V. Akt, 2. Bild
Vor dem geschlossenen Vorhang. Ein Baum ist angedeutet, es wird dunkler. Mimi sucht, ohne
Erfolg. Sie und Jakob setzen sich verzweifelt auf einen Stumpf.
Mimi
Es ist hoffnungslos, wir finden es nicht. Es ist schon zu dunkel. Ich habe
unter allen Kastanien gesucht.
21 Jakob
Es sei! Ich werde mich in den See stürzen, das ist allemal besser als geköpft
zu werden.
Steht auf, geht ein paar Schritte in Richtung See. Traurig, sinnend schaut er
ins Leere über das Publikum.
Doch schau, drüben über dem See, da steht noch eine uralte Kastanie. Ein
letzter Versuch.
Mimi geht hinter das Publikum, hält plötzlich an und hält das Kraut in den
Händen. Kommt zurück.
Mimi
Das ist das Kräutlein! Dort drüben ist noch viel mehr davon.
Hält ihm das Kraut unter die Nase.
Jakob
überwältigt
Oh! ah! ah! Welch ein Wunder! Gelobt sei Gott! Welches Wunder!
Ichglaube, es ist dasselbe Kraut, das mich aus einem Eichhörnchen in diese
schändliche Gestalt verwandelte. Ich will es versuchen und seinen Duft
kräftig einatmen!!
Verwandlung: Musik, Vorhang öffnet sich einen Spalt, drei gute Geister
kommen tanzend heraus. Jakob atmet tief ein und niest kräftig. Jakob
erscheint in seiner ursprünglichen Gestalt, die guten Geister helfen ihm.
Geister ab. Musik aus.
Mimi
Ha wie bist du groß, wie bist du schön.
Jakob
Eins fehlt mir noch zum Glück: Du! Auf zu deinem Vater, dem Zauberer
Wetterbock. Wer ein rechter Zauberer ist, der wird doch wohl eine Gans in
meine Braut verwandeln können.
Gewiss!
Mimi
Vorhang ganz auf.
V. Akt, 3. Bild
Fürst
Du Lügner, du Aufschneider. Entwischt ist dir dein Königskoch.
Herzog
Hinaus aus meinem Haus!
Herzogin
Wache!
Die Wache befördert die Gäste hinaus.
22 Fürstin
Rührt mich nicht an, sonst beiße ich!
Den Arm, mein Fürst!
Gehen hochnäsig nach vorne ab. Herzog und Herzogin ab.
Von links Jakobs Vater und Mutter mit Körben, von rechts Peter und Mimi,
jetzt als hübsches Mädchen.
Jakob
Mutter!
Umarmen sich.
Vater
Jakob!
Umarmen sich.
Jakob
Meine Braut!
Alle umarmen sich.
Vater
Das muss gefeiert werden. Kommt!
Sie gehen nach hinten in die Bühne. Vorhang. Tanzmusik.
ENDE
Bearbeitung für eine 5. Klasse: Fritz Nollenberger, 2001/2002 FWS Heilbronn.
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