zum - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

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zum - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
Mitbestimmung und Technologieberatung > Info 1/2008
Rechtzeitige und umfassende Unterrichtung
des Wirtschaftsausschusses
in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach § 106 BetrVG
›So ist das aber nicht
gemeint …‹
›
Das Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG) hat in § 106 hierzu
bestimmt:
§ 106 Wirtschaftsausschuss
›Alles ist streng vertraulich und außerdem geht Sie das sowieso nichts an…‹
Viele Mitglieder von Wirtschaftsausschüssen können ein
Lied davon singen – ihre Geschäftsführung informiert
sie über relevante wirtschaftliche Vorgänge in ihrem
Unternehmen entweder überhaupt nicht oder erst so
spät, dass sie kaum noch angemessen darauf reagieren
können. Doch selbst wenn sie generell in Kenntnis
gesetzt wurden, so werden ihre weitergehenden Fragen oft
nicht erschöpfend beantwortet.
Wie soll man darauf reagieren? Welche Rechte hat
der Wirtschaftsausschuss in dieser Sache überhaupt?
(2) Der Unternehmer hat den
Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die
wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter
Vorlage der erforderlichen
Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht
die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus
ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung
darzustellen.
›Was will uns der Autor
damit sagen …?‹
‹
Was heißt ›rechtzeitig‹ und ›umfassend‹ in der Praxis?
Die Bedeutung dieser Definitionen lässt sich umso
leichter nachvollziehen, wenn man diese Bestimmung
näher untersucht. § 106 BetrVG soll die Zusammenar■ Deshalb soll an dieser Stelle auf
beit in wirtschaftlichen Fragen zwischen Unternehmer
(und nicht dem Arbeitgeber) und dem Betriebsrat
folgende Fragen eingegangen werden:
bzw. dem Wirtschaftsausschuss als speziellem
1 . Bis wann ist die rechtzeitige Information des
Wirtschaftsausschusses gewährleistet?
Gremium des Betriebsrats für wirtschaftliche Fragen
2. Wann ist der Wirtschaftsausschuss umfassend informiert? fördern, indem
■ eine Beratung mit dem Unternehmer
3. Was kann der Betriebsrat tun, wenn er nicht
■ und eine Information durch den Unternehmer
rechtzeitig und/oder umfassend informiert wird?
stattfindet.
Arbeitnehmerkammer
Bremen
www.arbeitnehmerkammer.de/mitbestimmung/
Mitbestimmung und Technologieberatung > Info 1/2007
›Ja, aber …‹
Das Informationsbegehren des Wirtschaftsausschusses muss nicht
begründet werden (also ganz im Gegensatz zu Informationswünschen z. B. nach § 80 II BetrVG).
›Und wie geht das?‹
›Wem die Stunde schlägt ...‹
Der Arbeitgeber hat den Wirtschaftsausschuss unaufgefordert und
von sich aus laufend über alle relevanten Vorgänge im Unternehmen
zu informieren.
Dies hat durch die Gestattung der Einsichtnahme in geeignete
Unterlagen zu erfolgen.
Dabei stehen die Ansprüche des Wirtschaftsausschusses aus
dem § 106 BetrVG neben eventuell weiteren bestehenden
Beteiligungsansprüchen des Betriebsrates aus anderen Normen.
Dies eröffnet dem Betriebsrat/Wirtschaftsausschuss
die taktische Möglichkeit, die Vor- und Nachteile
unterschiedlicher Ansprüche zu kombinieren.
Die nachfolgende Übersicht soll Klarheit zur Frage der
Rechtzeitigkeit der Information bringen. Dabei wurden
die üblicherweise ablaufenden Phasen bei der Planung
einer Maßnahme in sechs Stufen differenziert (›Ziele setzen‹ Was soll mit der geplanten Maßnahme erreicht werden? – ›Aufgaben abgrenzen‹ Was ergibt sich aus der
Zielsetzung für das Unternehmen? – ›Suche nach Alternativen‹ Welche generellen Lösungsmöglichkeiten bestehen? – ›Lösungen entwickeln‹ Welche konkreten Umsetzungsmöglichkeiten gibt es für das Unternehmen? –
›Lösung aussuchen‹ Welche Handlungsalternative ist die
Beste? und ›Lösung umsetzen‹ Realisierung der geplanten Maßnahme).
Dem stehen neben dem § 106 BetrVG exemplarisch
vier weitere Informationsrechte des Betriebsrates
gegenüber, die sich aus spezielleren Normen ergeben:
Rechtzeitigkeit der Information
■ Reines Unterrichtungsrecht
■ Unterrichtungs- und Informationsrecht
Planung einer
Maßnahme
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Ziele
setzen
§ 80 II
§90 I
§ 92 I
§ 106 I
§ 111 I
GeneralKlausel
Arbeitsplatz
Personalplanung
Wirtschaftliche
Mitbestimmung
Betriebsänderung
Aufgaben
abgrenzen
Suche nach
Alternativen
Lösungen
entwickeln
Lösung
aussuchen
Nur mit
Aufgabenbezug!
Nur mit
Aufgabenbezug!
Nur mit
Aufgabenbezug!
Ohne
Aufgabenbezug!
Lösung
umsetzen
Betriebsrat
Wirtschaftsausschuss
Nur mit
Aufgabenbezug!
BetrVG
■
Demzufolge hat ein Unternehmer den Wirtschaftsausschuss schon über den
internen Entschluss zu informieren, einem bestimmten Vorhaben näherzutreten
und sich planerisch damit zu befassen.
›Wenn wir das gewusst hätten ...‹
In der Praxis besteht zwischen Geschäftsführung und
Wirtschaftsausschuss oft darüber Streit, wie umfassend
die Information sein muss. Das bedeutet konkret:
Umfassende Information
Eine Information ist umfassend, wenn folgende
Voraussetzungen erfüllt werden:
Gleicher
Informationsstand
Unternehmer und Betriebsrat
müssen über den gleichen
Informationsstand verfügen.
Verständliche
Informationen
Die Informationen sind verständlich
(kein Fachchinesisch/
nur in deutscher Sprache).
Nachvollziehbare
Informationen
Der Betriebsrat kann anhand
der Informationen die Entscheidungen
des Unternehmers nachvollziehen.
Aussagekräftige
Informationen
Der Unternehmer muss die
konkreten Auswirkungen auf die
Belegschaft darstellen.
1.
2.
3.
4.
›Und was nun?‹
Auch ein Wirtschaftsausschuss, der seine Rechte genau
kennt, stößt bisweilen auf Granit – was kann er also tun,
um seine Rechte in der Praxis umzusetzen?
Typische Störungen
Keine
Informationen
1. Beschlussverfahren vor dem
Arbeitsgericht
2.Einstweilige
Hinweis: Die nachfolgenden Maßnahmen können nicht direkt vom Wirtschaftsausschuss, sondern nur vom jeweiligen Betriebsrat veranlasst werden,
da dieser vom Betriebsrat weisungsabhängig ist!
Zu wenige
Informationen
1. Beschlussverfahren vor dem
Arbeitsgericht
2.Einstweilige
Unvollständige
Informationen
1. Beschlussverfahren vor dem
Arbeitsgericht
2.Einstweilige
Verfügung
Verfügung
Verfügung
3.Verfahren nach
3.Verfahren nach
3.Verfahren nach
§ 23 III BetrVG
§ 23 III BetrVG
§ 23 III BetrVG
4.Vorsätzliche
Behinderung
4.Vorsätzliche
Behinderung
Zu viele
Informationen
Erhaltene Informationen ggf. mit
sachkundiger Hilfe
selektieren und
Umfang der künftigen Informationen
mit dem Arbeitgeber vereinbaren
4.Vorsätzliche
Behinderung
Nicht vorhandene Informationen müssen beschafft werden,
sofern der Aufwand hierfür nicht unverhältnismäßig ist!
‹
Exkurs:
Geheimhaltung/
Vertraulichkeit
Nur bei
objektiver und
subjektiver
Gefährdung
zulässig!
Mitbestimmung und Technologieberatung > Info 1/2007
›
Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, dass
der Wirtschaftsausschuss nicht etwa gleichwertig neben dem Betriebsrat steht, sondern
einen weisungsabhängigen Ausschuss des
Betriebsrats darstellt. Folglich hat er (außer
der bloßen Aufforderung an die Geschäftsleitung, die Informationen wunschgemäß zu
erbringen) lediglich die Möglichkeit, den
Betriebsrat einzuschalten, der seinerseits die vorgenannten Handlungsmöglichkeiten besitzt.
Gerade das Argument der Vertraulichkeit und/oder
Geheimhaltunsgbedürftigkeit ist im betrieblichen Alltag häufig ohne Bedeutung. Zum einen sind die Mitglieder von Wirtschaftsausschüssen selbst zum vertraulichen Umgang mit Informationen verpflichtet.
Zum anderen muss bei einer sogenannten ›objektiven
Gefährdung‹ tatsächlich ein Bedürfnis bestehen, einen
bestimmten Sachverhalt auch betriebsintern geheim
zu halten (z.B. geheime Produktions-/Herstellungsverfahren). Hinsichtlich eventueller bzw. behaupteter
›Lecks‹ im Wirtschaftsausschuss genügt die reine Mutmaßung nicht, vielmehr müssen in der Vergangenheit
bereits nachweisbar vertrauliche Informationen vom
Wirtschaftsausschuss oder einzelnen Mitgliedern des
Ausschusses ›durchgesickert‹ sein, um von einer ›subjektiven Gefährdung‹ zu sprechen.
‹
- Sicherlich
kann diese
Broschüre nur eine
erste Einführung in die
Thematik darstellen.
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Arbeitnehmerkammer
Bremen
Autor: Carl Zimmermann
Designbüro Möhlenkamp
Herausgeber: Arbeitnehmerkammer Bremen
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