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Königswalze:
Harley V-Rod Muscle
Supermoto-Themen:
Husaberg, ABP-KTM LC 4
5
Nr.
Mai 2009
Deutschland 4,90 E
5/2009
Österreich 5,40 E, Schweiz 9,50 CHF,
E 6,20 E, B 5,80 E, NL 5,95 E, L 5,80 E, I 6,20 E,
GR 6,90 E, FIN 7,50 E, DK 53,OO DKK,
S 62,00 SEK, H 1830,00 HUF
• Flink: Kawasaki KLX 250
Hot Shot: Triumph Speed Triple K Technik: Ducati-Umbauten K Test: BMW G 650 Xchallenge & KTM 690 Enduro; Kawasaki KLX 250; Triumph Bonneville; Moto Morini Scrambler
• Report: Die Probefahrten-Abzocker
Neu: Ducati
Streetfighter S
• Suzuki GSX-R 1000: Rahmen-Kur
• Vergleich: KTM 690 Enduro
gegen BMW G 650 Xchallenge
• Kernig: Morini Scrambler
• Mehr Grip: Neue Reifen
von Pirelli, Michelin,
Bridgestone und
Dunlop
Gemessen:
e
BMW-Superbik
S 1000 RR im
leich
Leistungsverg
e,
00 Fireblad
mit Honda CBR 10
asaki ZX-10R,
Yamaha R1, Kaw
00,
Suzuki GSX-R 10
78
10
F4
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MV Agus
Wieder da: Norton England
Günstig: BMW F 800 R
Potent: Aprilia RSV 4
TEST
DUCATI
Vittoriano Guareschi hart am Gas.
Ich stelle mir vor, er produziert die Streetfighter,
indem er 1098s in die Landschaft wirft
STREETFIGHTER
Hobby: Cage Fighting. Dusche: Wasserwerfer.
Peeling: Kiesbettkies. Sex: dreckig. MOTORRAD: STREETFIGHTER.
Wenn Sie sich auf diesem Vektor wiederfinden,
überspringen Sie diesen Test und bestellen das Motorrad
gleich jetzt sofort
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TEST
Der vordere Hall-Geber der Traktionskontrolle. Das Steuergerät
vergleicht permanent die Drehzahlkurven beider Räder
Airbox. Aufgrund kürzerer Ansaugwege bleiben der Streetfighter noch
155 PS, und aufgrund derselben radikalen Leichtbauweise wie bei den
Supersportlern bleiben ihr außerdem
166 Kilogramm Trockengewicht. In
fahrfertig transformiert, bedeutet das,
die Streetfighter wird leichter sein
als die Monster 1100 (187 Kilogramm
vollgetankt), aber 60 PS mehr haben.
Sechzig! Die Streetfighter ist damit
wie eine Monster mit einer zusätzlichen Kawasaki Versys im Antrieb,
aber ohne mehr Gewicht. Oder verkürzt: Sie ist gaga.
Diese Kombination fährt sich…
interessant. Im Maschinenraum einer
Speed Triple sitzt ein echter Dampfhammer, kein Zweifel. Die Ducati
Streetfighter jedoch hat anstelle eines
Motors eine nukleare Waffe. Daran
sind dann ein Zappellenker und ein
Ich beim Rumnudeln auf der S-Version.
Die Traktionskontrolle verhindert den Feuerball.
Empfehlenswert
S
treetfighter, so sagt der Volksmund, entstanden, als Crashpiloten die kaltverformten Überreste ihrer Supersportler von den
zerschredderten Verkleidungsteilen
befreiten, einen breiten Lenker daran
montierten und mit dem Auto ein
paar Mal ins Heck fuhren. Wie mit
allen beliebten Strömungen gab es
das natürlich bald ab Werk, und wie
mit so vielem war es auf einmal langweilig. Triumph nennt zum Beispiel
ihre Speed Triple zwar einen Streetfighter ab Werk, aber in Wirklichkeit
ist der Tripper schlicht ein gutes
Naked Bike. Dem hehren Ideal am
nächsten kommt vielleicht eine
BMW K 1300 R, aber das auch nur,
weil BMWs seit jeher ab Werk verunfallt aussehen.
Dann kam Ducati und stellte ihre
Version eines Streetfighters vor,
nicht zuletzt, weil die wassergekühlten Spezialmonster S4R in
Sachen Fahrwerk langsam ans Ende
der Fahnenstange kamen. Bei allem
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Neid muss man den Italienern eines
lassen: Sie haben es auf Anhieb richtig gemacht. Die Streetfighter sieht
tatsächlich aus, als hätte man einfach
eines der vielen 1098-Wracks, die
Testfahrer Vittoriano Guareschi in
Die Ducati erinnert
an eine schöne
Frau, die einen
grauenhaften Unfall
hinter sich hat
seinem Arbeitsalltag produziert,
nochmal kräftig mit dem Hammer
bearbeitet,
wieder
fahrbereit
gemacht und dann auf die Messe
gestellt. Dieses steile Heck, dieses
vermatschte, eingeschlagene Gesicht
mit Lampe oben und bösem LED-
Blick unten, dieser durchhängende,
gebrochen wirkende Rücken. Die
neue Duc erinnert an eine schöne
Frau, die einen grauenhaften Unfall
hatte und ihre Opfer jetzt mit einem
Gesicht schockiert, in dem rechts
eine Augenklappe sitzt und links ein
Vulkan glüht. Das, liebe Konkurrenten, das ist ein Streetfighter ab
Werk. Man erwartet fast, dass bei
den ersten paar Ausfahrten noch
Kies aus dem Bugkiel rieselt.
Das ist umso erstaunlicher, weil
Ducati zwar in die vorhandenen
Teilekisten greift, dann aber doch
fast jedes Teil etwas modifiziert,
damit die Streetfighter auch mit Segelstange gescheit fährt. Der Rahmen ist
gegenüber der 1098 modifiziert für
einen anderen Lenkkopfwinkel (nein,
er ist nicht einfach anders eingebaut),
die Schwinge ist länger, die Motorinnereien sind eine Mischung aus
Teilen von 1098 und 1198 und, und,
und. Komplett identisch ist von den
Baugruppen eigentlich nur noch die
DTC steht für „Ducati Traction Control“. Im Cockpit kann man
das System stufenweise einstellen und etwas Schlupf erlauben
paar rutschige Rasten getackert, mit
Hilfe derer man sich an das rote
Geschoss klammert, als ginge es um
Leben oder Tod, weil es tatsächlich
um Leben und Tod geht. Wenn die
Kurven auf einen zupeitschen, greift
man in eine Bremse, die in ihrer
digitalen Funktion zwischen „ gar
nicht bremsen“ und „ Gebiss im
Helm“ wenig kennt. Ducati sagt, die
Streetfighter sei „ alltagstauglicher
als die 1198“. Aber was heißt das
schon?
Ich
meine:
Offene
Schienbeinbrüche sind alltagstauglicher als die 1198. Ducati sagt außerdem, man kann dieses Motorrad
„ fast jeden Tag“ benutzen. Ja, wenn
man vollkommen wahnsinnig ist,
kann man dieses Motorrad immer
dann benutzen, wenn man Ausgang
vom Irrenhaus hat und gerade nicht
im Krankenhaus liegt. Es ist ein
Motorrad für Leute, die in der nächsten Zukunft spektakulär in einem
Feuerball sterben wollen – und dabei
echt gut aussehen.
Da Sie an dieser Stelle immer noch
lesen, haben Sie offenbar eines verstanden: Das Obige ist keineswegs
Kritik. Nein, die Streetfighter macht
ihre Sache wirklich großartig. Wer ein
Motorrad will, das weniger kann als
er, das eher Angst vor dem Fahrer hat
als umgekehrt, der kauft sich lieber
eine Hyosung Aquila 125. Die Streetfighter ist für jetzt und hier, für den
einzigen Moment, in dem das Leben
spielt, und in diesem Moment ist sie
derart arg, dass sie für den unbedingt nötigen Kontrast Leben-Tod
sorgt, der überhaupt erst für echtes
Leben sorgt. Ein glasig blickender
Kollege fasste es knackig zusammen:
„ Ich brauche dieses Teil.“
e
Desingvorgabe:
„Es soll aussehen
wie eine 1098, der
man den Schädel
eingeschlagen hat.
Mit Magnesium.“
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TEST
DATA RECORDING
Käufer der S-Versionen von Ducati erhalten
zu ihrem Spielzeug aus Metall eines für den
Computer: den Ducati Data Analyzer
otorräder sind bei ehrlicher Betrachtung Spielzeug.
Ducatis sind teures Spielzeug. Und Ducatis haben,
was vielleicht weniger bekannt ist, den zweiten Platz hinter BMW in der Rangliste „sinnfreie elektronische Spielereien“. Zu den S-Versionen seiner Renner und auch der
Streetfighter liefert Ducati ein kleines Data Recording für
Hobby-Racer mit, den „Ducati Data Analyzer“ (DDA). Der
wahrscheinlich interessanteste Part der Software ist die Spur
für die Traktionskontrolle. Da die im Regelfall recht unauffällig
funktioniert, beruhigt das DDA, indem es zeigt, wann wie
stark geregelt wurde. Weitere Datenspuren sind Geschwindigkeit, Drehzahl, Gang (errechnet aus Drehzahl und
Geschwindigkeit), Drosselklappenöffnung, Kühlmitteltemperatur, Zeit und Distanz. Letztere kann man am Lap-Timer
noch in Rundenzeiten aufteilen. Die Datensammlung aktiviert der Fahrer am Cockpit, die Maschine schreibt dann in
einen abnehmbaren Flash-Speicher im Heck der Maschine mit.
Die Kapazität des Speichers reicht für etwa drei Stunden
Aufzeichnung. Danach steckt man sie an einen USB-Port
und importiert die Daten mit der DDA-Software. Zum Posen
oder Vergleichen kann man seine Fahrten als Datei speichern
und weitergeben. Leider fehlt dem System eine Erweiterungsmöglichkeit, um etwa ein GPS-Modul anzustecken. Aller-
M
Ducati Streetfighter S in schwarz: Das Motorrad für den Gentleman unter den komplett ausgerückten Vollgasjunkies
Von nahem betrachtet ist auch die
neueste Duc die typisch italienische
Mischung aus wunderbar gemachten
Teilen und billiger Schlamperei.
Dieses Gold an der Lampe vorne
zum Beispiel, das ist kein Playmobilplastik: „ Whenever you see deez
colour on a Ducati, eet eez always
magneesium.“ Die CAN-Elektrik
mit elegant wenigen Kabeln sieht
auch sauber verlegt aus. Weniger
schön sind die sprotzeligen Schweißnähte am Rahmen und dieser billige
Hühnerdraht, der überall in Belüftungslöcher geklebt wird. Dass eine
Ducati gut fährt, wundert jetzt weniger. Beim Test war es sehr windig,
und das Fahrwerk hatte eine Antwort darauf: „ Einstellungssache.“
Glücklicherweise teilte ich mir
das Krad mit einem Rennfahrer aus
den USA, der die rutschigen Rasten
nachkerben ließ und außerdem mehr
Spurstabilität einstellte. Auch das
wundert kaum. Wenn einer für
Geradeauslauf sorgen kann, dann ein
Ami. Weitere Versuche zeigten auch,
dass das Fahrverhalten geradezu
drastisch geändert werden kann und
die Drehschräubchen einen weiten
nutzbaren Bereich haben. Wie der
Ami bewies, kann man gewünschte
Eigenschaften verstärken, und wie
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ich etwas später bewies, kann man
die Streetfighter mit wenigen Handgriffen unfahrbar machen. Wie
immer gibt es eine S-Version mit
Öhlins-Fahrwerk und Schmiederädern. Der eigentliche Clou an der
S ist jedoch, dass es sie in schwarz mit
Wenn Sie
diese Farbe an einer
Ducati sehen, dann
ist es Magnesium.
Immer
Traktionskontrolle gibt. Letztere
arbeitet auffällig unauffällig, gröbere
Eingriffe spürt man höchstens mal
an den Kerbs. Damit kann jeder aus
der Kurve grobmotorisch aufziehen,
und anders als das BMW-System
erlaubt Ducati eine stufenweise Einstellung der Regelsensibilität. Die
unteren Stufen lassen genug Schlupf
für leichtes Rühren (ich) oder gar
Drifts (mein Ami) zu. Im Heck der
S liegt ein Speicher mit USB-Port, mit
dem man im Ducati Data Analyzer
auf dem PC sehen kann, dass die
Traktionskontrolle tatsächlich da ist,
und dass man eh viel zu wenig Gas
gibt (siehe rechts).
FAZIT: Vielleicht fragen Sie sich, wie
Sie an die Streetfighter Navi und
Topcase dranbringen, wo der Wiederverkaufswert wohl liegen könnte und ob nicht die Transalp eigentlich doch das bessere Motorrad ist.
Dann haben Sie gerade zehn Minuten Ihres Lebens mit diesen Seiten
verschwendet. Macht Ihnen dagegen die Vorstellung von 155 PS im
Reaktor, Wind im Gesicht und
Schönheit im Auge des Betrachters
eine Hormondusche, sollten Sie
unbedingt Ihren Ducati-Dealer kon-
Der doppelbesteckerte Speicher im Heck der Streetfighter
reicht für etwa drei Stunden Aufzeichnung
TECHNISCHE DATEN: DUCATI STREETFIGHTER (S)
Preis: 14 790 Euro plus Nebenkosten (S-Version 18 700 Euro)
Leistung: 155 PS (114 kW) bei 9500/min, maximales Drehmoment 115 Nm bei
9500/min
Motor: Viertakt-Zweizylinder-V-Motor, wassergekühlt. Vier Ventile pro Zylinder,
dohc. Bohrung x Hub 104 x 64,7 mm, Hubraum 1099 ccm, Verdichtung 12,5.
Elektronische Benzineinspritzung, Drosselklappen-x 60 mm. Elektrostarter.
Sechsganggetriebe, Endantrieb über Dichtringkette
Fahrwerk: Stahlgitterrohrrahmen. Upside down-Telegabel, x 43 mm, voll einstellbar, Federweg 127 mm. Hinten Leichtmetalleinarmschwinge mit Monofederbein, voll einstellbar, Federweg 127 mm. Bereifung vorn 120/70ZR17, hinten
190/55ZR17. Doppelscheibenbremse vorn, x 330 mm, Scheibenbremse hinten,
x 245 mm. Lenkkopfwinkel 64,4 Grad, Nachlauf ## mm, Radstand 1475 mm,
Sitzhöhe 840 mm. Tankinhalt 16,5 Liter, zulässiges Gesamtgewicht 390 kg
Garantie und Service: Zwei Jahre Garantie mit Mobilitätsgarantie. Kundendienst
bei 1000, dann alle 12 000 km oder einmal jährlich
Fixkosten: Steuer 80,96 Euro. Versicherung Haftpflicht bei 100 Prozent Beitragsrate 264,54 Euro (Normaltarif HDI-Gerling, Regionalklasse 1)
Mit der Software wählt man später die Spuren aus, die einen
interessieren. Hier fehlt noch die Traktionskontrolle
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