Hauptpastorin Pröpstin Kirsten Fehrs

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Hauptpastorin Pröpstin Kirsten Fehrs
Hauptpastorin Pröpstin
Kirsten Fehrs
Gottesdienst zur Verabschiedung
von Pastor Klaus Reinhard Petrick
St. Jacobi – 22. Mai 2011, 10 Uhr
Ansprache und Segnung durch Pröpstin Fehrs
Gruß
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen
Liebe Gemeinde, lieber Klaus!
Von Mark Twain gibt es ein Bonmot, das auf mich normalerweise immer anspornende Wirkung
hat, wenn ich als Pröpstin einen „meiner“ PastorInnen in den Ruhestand verabschiede: „Eine
gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende – und beides sollte möglichst dicht beieinander liegen…“
Oje, dachte ich im Blick auf ein so reiches Berufsleben wie das deinige, sollte Twain damit etwa
auch eine Abschiedsrede für Klaus Petrick gemeint haben? Sollte in nur wenige Minuten hineinpassen, was einer in 34 Jahren geprägt, gelenkt, gepredigt, geliebt, und was er alles angestellt hat? Und zwar alles in einer Gemeinde. Wie soll das gehen, gerade wenn es ein Pastor ist
wie du, der mit so viel Ernst, Hingabe und Liebe zu Jacobi seinen Dienst ausgefüllt hat? Der von
sich sogar sagt: Jacobi ist mein Leben! Wie soll ich dich da hinaus bloß verabschieden, lieber
Klaus…?
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Zum Glück hast du, wie immer, schon selbst eine Antwort parat. Ein Gedicht, wie so oft. Mit
der Musik von Mahler, wie so geliebt von dir. Und mit einem Titel, der wie stets bei dir kein Auge trocken lässt: „Ich bin der Welt abhanden gekommen…“
Fraglos, Klaus, du hast Humor.
Wunderbaren Humor mit der leicht englischen Note, die sich selbst zu ironisieren versteht.
Humor, der den Ernst auch nicht zu kurz kommen lässt. Wo kämen wir sonst hin! Nicht umsonst heißt heute wie stets bei deinen Gottesdiensten der Schlussakkord: In dir ist Freude – in
allem Leide.
Ich habe mich oft gefragt, wie dein Anfangsakkord geklungen haben mag. Was in dir geklungen hat, als du nach einem Zwischenstopp in Literatur- und Theaterwissenschaften das Theologiestudium und Vikariat beendet hattest. Du kamst in einer skandalumwitterten Zeit nach St.
Jacobi. Pastor Schulz hatte gerade sein Lehrzuchtsverfahren hinter sich und die Fundamente St.
Jacobis bebten noch…Doch das scheint dich unbeeindruckt gelassen zu haben. Jedenfalls wirkt
es so, wenn man sich Fotographien von dir in dieser Zeit anschaut: etwas anders frisiert, im
Großen und Ganzen eher der Langhaarepoche der 70er verschworen, immer angetan mit dem
obligatorischen Rollkragenpullover (ich habe dich, glaube ich, noch niemals in einem Hemd gesehen, nur in einem weißen Anzug). Und auf den sehr ehrwürdigen, total „lockeren“ Kirchenvorstandsfotographien bist du oft der einzige, dem es gelingt zu lachen. Und zwar „in echt“! Ja.
In dir ist Freude – unbedingt. Und Witz. Mit Tiefgang. Weil du eben auch die Tiefe kennst, mag
sein das Leiden: das Versenken, das Alleinsein, die Zweifel hinterm schönen Schein. All das
kennst du, und ich hatte doch richtig vermutet (siehe deine Predigt), dass du Rückerts Gedicht
besonders wegen dieser Zeilen liebst:
Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh' in einem stillen Gebiet!
Ich leb' allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!
Ich glaube, bei dir kam immer schon dies beides zusammen: Eine ganz stille eigene Welt und
das lärmende Getümmel. Die scharfsichtig Analyse und die Sprache der Sehnsucht. Das Freuen
können und Leidenmüssen. Das Glauben und Zweifeln. Die Suche nach Nähe und die Sicherheit
in der Distanz. Und es zeichnet dich aus, lieber Klaus, dass du diesen Spannungen und Widersprüchen deiner, was sag ich: überhaupt menschlicher Existenz nie ausgewichen bist. Sondern
dich ihnen mit großer Nachdenklichkeit und theologischer Klugheit gestellt hast. In Vorträgen
zu Lyrik und Wagner, Meditation und Kunstausstellungen. Vor allem aber in Predigten. Feinfühlig und aufmerksam hast du – nicht nur Karfreitag - das Wort vom Kreuz ausgelegt, das dir
wirklich so oft ein Kreuz war. Du hast dich gestellt und nicht schön geredet und damit viele
Menschen getröstet. Denn du verstehst sie gut, sie, die Anfragen an unseren Glauben haben,
die neu nachdenken wollen und auf der Suche sind nach Glaubwürdigkeit. Und viele haben sie
bei dir gefunden. Durch deinen ganz individuellen Akkord hier in dieser Kirche. Ein Akkord, der
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viele Töne zusammen bringt: Annahme und innere Sammlung, Verdichtung in der Dichtung,
mutige Worte und stimmungsvolle Sprache – wir haben es eben erlebt.
Und du hast es, glaube ich, auch so erlebt. Hast dankbar gefühlt, all die Jahre, dass du an einer
Hauptkirche wie St. Jacobi - und St. Katharinen - genau am richtigen Platz bist. „In der Tat“,
antwortet dir heute die Gemeinde und wir, die Kollegen, „das ist so.“ Auch wir sind dankbar für
eine reiche Zeit mit dir als Gemeindepastor. Und danken dir persönlich für alles, was du uns geschenkt hast: Für Rilkes Stundenbuch. Für Tristan und Isolde. Die zahllosen Rogers-Abende. Und
Literatur-Ausflüge. Deine Adventsgeschichten, bei denen wir uns den Bauch halten mussten.
Die heißen Debatten in manchmal sehr heißen Räumen. Wir danken dir für deine Stille. Deine
Kraft. Dein Schauspiel. Dein Jacobusbuch. Deinen Mut. Manchmal auch deinen Unmut… Ach,
Klaus, Segen sei mit dir, wie du uns ein Segen warst.
Welche Geschichte gibt man jemanden auf den Weg, der selbst eine Geschichte ist? Welche
könnte zu ihm gehören, dass sie ihn annimmt und empfängt? Eine Geschichte für Klaus Petrick
kann nur eine mit Petrus sein. Und eine, die dialogisch ist – wie Petricks Predigten es oft waren.
Eine, die die Frage kennt und den Zweifel, die Freude und das Versinken: Und Jesus kam zu ihnen, heißt es im Matthäusevangelium, und er ging auf dem See und sprach zu den erschrockenen Jüngern: Seid getrost. Fürchtet euch nicht. Ich bin`s. Und Petrus, er zuallererst, antwortete
ihm freudig: Herr du bist es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und Jesus
sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser. Doch als ihm gewahr wurde, wie stark der Wind war, erschrak er - und begann zu sinken. Jesus aber ergriff seine Hand, hob ihn ins Boot und sprach: Warum hast du gezweifelt?“
Du hast, lieber Klaus, ja immer dem berühmten Theologen Bultmann samt seiner Entmythologisierung (insbesondere von Wundern) angehangen und gern den Witz erzählt von drei namhaften Theologen, die glaubensfroh und traumwandlerisch in der Lage waren, auf dem Wasser zu
gehen. Als der Frömmste von ihnen es schließlich auch versucht, versinkt er – wie Petrus. Sagt
Bultmann zu seinem Kollegen: Vielleicht hätten wir ihm doch sagen sollen, wo die Steine liegen?!
Wir müssen dir nicht sagen, lieber Klaus, wo die Steine liegen. Ich bin sicher, du weißt - dass
es sie nicht gibt. Dass es vielmehr ein Risiko einzugehen gilt, das „Leben“ heißt. Z.B. wenn man
nach über 34 Jahren in eine neue Umgebung zieht. Gar nicht weit weg zwar, doch weg von
dem, was vertraut war. Wenn man jetzt Zeit hat. Um zu lesen, mit der Freundin essen zu gehen.
Oder endlich mal ins Theater. Oder in Tristan und Isolde. Soweit die Katzen es erlauben, versteht
sich.
Bei all dem, was starker Wind von vorn sein kann: Sei getrost und fürchte dich nicht, sagt Jesus
und reicht dir die Hand, ins Boot zu kommen. Ein Boot, das du noch nicht kennst und das dich
ganz gewiss an andere Ufer bringen wird. Sei getrost. Du bist getragen von einer Kraft, die keiner schöner in Worte fassen könnte als „dein“ Rainer Maria Rilke:
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Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht.
Dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh er beginnt,
diese wolkigen Worte sind:
Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand.
…
Lass dir alles geschehn – Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehen – kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land, das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen an seinem Ernste.
Gib mir die Hand.
Du bist gesegnet, lieber Klaus, von allem Anfang an. So geh nun getrost in weites Land. Amen

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