Liebesgedichte
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Liebesgedichte
Liebesgedichte 1.Rainer Maria Rilke – „Alles ist eins“ Einmal, am Rande des Hains, stehn wir einsam beisammen und sind festlich, wie Flammen fühlen: Alles ist Eins. Halten uns fest umfaßt; werden im lauschenden Lande durch die weichen Gewande wachsen wie Ast an Ast. Wiegt ein erwachender Hauch die Dolden des Oleanders: sieh, wir sind nicht mehr anders, und wir wiegen uns auch. Meine Seele spürt, daß wir am Tore tasten. Und sie fragt dich im Rasten: Hast Du mich hergeführt? Und du lächelst darauf so herrlich und heiter und: bald wandern wir weiter: Tore gehn auf.. Und wir sind nichtmehr zag, unser Weg wird kein Weh sein, wird eine lange Allee sein aus dem vergangenen Tag. Aus: Dir zur Feier (1897/98) 3.MIT HAUT UND HAAR (1981) Ulla Hahn Ich zog dich aus der Senke deiner Jahre und tauchte dich in meinen Sommer ein ich leckte dir die Hand und Haut und Haare und schwor dir ewig mein und dein zu sein. Du wendetest mich um. Du branntest mir dein Zeichen mit sanftem Feuer in das dünne Fell. Da ließ ich von mir ab. Und schnell begann ich vor mir selbst zurückzuweichen und meinem Schwur. Anfangs blieb noch Erinnern ein schöner Überrest der nach mir rief. Da aber war ich schon in deinem Innern vor mir verborgen. Du verbargst mich tief. Bis ich ganz in dir aufgegangen war: da spucktest du mich aus mit Haut und Haar. 11.Anonym Willst du dein Herz mir schenken, So fang es heimlich an, Daß unser beider Denken Niemand erraten kann. Die Liebe muß bei beiden Allzeit verschwiegen sein, Drum schließ die größten Freuden In deinem Herze ein. Behutsam sei und schweige Und traue keiner Wand, Lieb innerlich und zeige Dich außen unbekannt. Kein Argwohn' mußt du geben, Verstellung nötig ist, Genug, daß du, mein Leben, Der Treu versichert bist. Begehre keine Blicke Von meiner Liebe nicht. Der Neid hat viele Tücke Auf unsern Bund gericht'. Du mußt die Brust verschließen, Halt deine Neigung ein, Die Lust, die wir genießen, Muß ein Geheimnis sein. Zu frei sein, sich ergehen Hat oft Gefahr gebracht. Man muß sich wohlverstehen, Weil ein falsch Auge wacht, Du mußt den Spruch bedenken, Den ich vorher getan: Willst du dein Herz mir schenken, So fang es heimlich an. um 1650 14. EIN LIEBESLIED Elke Lasker-Schüler Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen. Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam. Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen, Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen. Es öffnen Blumen sich vor allen QuellenUnd färben sich mit deiner Augen Immortellen ..... Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt. Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen. Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen Im hohen Rohre hinter dieser Welt. 17. Bei den weißen Stiefmütterchen – Sarah Kirsch Bei den weißen Stiefmütterchen Im Park wie ers mir auftrug Stehe ich unter der Weide Ungekämmte Alte blattlos Siehst du sagt sie er kommt nicht Ach sage ich er hat sich den Fuß gebrochen Eine Gräte verschluckt, eine Straße Wurde plötzlich verlegt oder Er kann seiner Frau nicht entkommen Viele Dinge hindern uns Menschen Die Weide wiegt sich und knarrt Kann auch sein er ist schon tot Sah blaß aus als er dich untern Mantel küßte Kann sein Weide kann sein So wollen wir hoffen er liebt mich nicht mehr (Aus: S.K.: Landaufenthalt.1969/1977. S. 12) 21. Du bist mein Mond – Friedrich Rückert Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Du sagst, du drehest dich um mich. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich werde In meinen Nächten hell durch dich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Sie sagen, du veränderst dich. Allein, du änderst nur die Lichtgeberde, Und liebst mich unveränderlich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Nur mein Erdschatten hindert dich, die Liebesfackel stets am Sonnenherde Zu zünden in der Nacht für mich. Friedrich Rückert (1788-1866) 22. Ich und Du – Friedrich Hebbel Wir träumten voneinander Und sind davon erwacht. Wir leben, um uns zu lieben, Und sinken zurück in die Nacht. Du tratst aus meinem Traume, Aus deinem trat ich hervor, Wir sterben, wenn sich Eines Im andern ganz verlor. Auf einer Lilie zittern Zwei Tropfen, rein und rund, Zerfließen in Eins und rollen Hinab in des Kelches Grund.