A.Schließer GPS

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A.Schließer GPS
GPS-Systemgrundlagen *
Von A. Schließer, München
GPS - genauer NAVSTAR-GPS - wurde von den US-Streitkräften ent­
wickelt als
Navigation System with Time and Ranging - Global Positioning System.
Als universelles militärisches Navigationssystem wird es vom Department of
Defense (DoD) betrieben. Die zivile Nutzung ist lediglich ein Nebenprodukt.
Die Ortung als Navigationslösung ist eine Einzelpunktbestimmung in einem
globalen Koordinatensystem. Das GPS-Prinzip ist sehr einfach. Die Strecken
R zwischen einem Empfänger und den Satelliten werden nach dem Ver­
fahren der elektronischen Distanzmessung mit Mikrowellen bestimmt. Aus
der Messung nach drei Satelliten mit bekannten Koordinaten ergeben sich
über einen räumlichen Bogenschnitt die unbekannten Koordinaten X, Y, Z
des Empfängers. Durch das Einwegverfahren der Streckenmessung (Satellit­
Empfänger) erhält man als Meßwerte lediglich die »Pseudoentfernungen«
PR. Wegen des Synchronisationsfehlers zwischen der (hochpräzisen) Satel­
litenuhr und der (weniger genauen) Empfängeruhr ist an allen Strecken noch
eine »Nullpunktskorrektion« U anzubringen. Zu ihrer Bestimmung als vierte
Unbekannte ist die Beobachtung eines vierten Satelliten notwendig (Abb. 1 ).
R =PR+ U
Abb. 1: Einzelbestimmung und Uhrfehler (2D-Darstellung)
*
Nach einem Vortrag, gehalten beim Seminar >>Einführung in die Praxis der GPS-Messungen<<
des DVW-Landesverein Bayern am 15. März 1996 in München
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Gravierende systembedingte Fehlereinflüsse, z. B. verfälschte Satelliten­
koordinaten, wirken sich auf benachbarte Bodenpunkte annähernd gleich
aus (Abb. 2). Die Nachbarschaftsgenauigkeit ist damit sehr viel höher als die
Absolutgenauigkeit der Navigationslösung. Bei geodätischen Anwendungen
macht man sich dies zunutze durch simultane Messung mit mindestens zwei
Empfängern und eine gemeinsame Auswertung ihrer Beobachtungsdaten.
Auch bei einer Entfernung von I 0 km können zwei Stationen noch ohne
weiteres als »benachbart« gelten. Eine gegenseitige Sicht ist nicht notwen­
dig; die Verbindung erfolgt über die Satelliten.
l:. b « L:.R
Abb. 2: Basislinie und Fehlerreduktion (2D-Darstellung)
Beim Differentiellen GPS (DGPS) werden auf einer festen Referenzstation
die Änderungen der Pseudostrecken bzw. der daraus resultierenden Stati­
onskoordinaten permanent bestimmt und zur Korrektion über Datenfunk an
einen mobilen Empfänger übertragen. So wird die Genauigkeit bis zum
Bereich I m und besser gesteigert.
Beim Relativen GPS werden statt der Koordinaten X, Y, Z eines Punktes die
Koordinatendifferenzen öX, öY, öZ zwischen zwei Stationen als Unbe­
kannte eingeführt. Das Ergebnis ist also eine Strecke und ihre räumliche
Richtung, d. h. ein Vektor oder im allgemeinen Sprachgebrauch: eine
Basislinie b
Dies ist heute das Standardverfahren für vermessungstechnische Anwen­
dungen; Relativgenauigkeiten von wenigen mm/km sind erreichbar.
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Historische Entwicklung
Die Zeitrechnung für die Satellitengeodäsie beginnt am 4. Okt. 1957 mit
Sputnik I. Für die Erdmessung ergaben sich aus der Beobachtung der Satel­
litenbahnen neue Erkenntnisse über die Gravitation und Rotation der Erde.
Ein genaues globales, geozentrisches Koordinatensystem konnte definiert
werden und eine Verbindung der kontinentalen Festpunktnetze wurde mög­
lich. Ohne diese Grundlagenforschung wäre die praktische Anwendung von
Satellitensystemen in der Landesvermessung, später bei der Netzverdichtung
und heute gar zur Detailvermessung, nicht denkbar.
- Bereits 1 958 (!) begann die Entwicklung des TRANSIT Navy Naviga­
tion Satellite System (NNSS) der US-Marine mit bis zu acht Satelliten
auf Polbahnen in rund I 000 km Höhe. Beobachtungsgrößen waren die
DOPPLER-Frequenzverschiebungen der Satellitensignale. TRANSIT
war 1964 für militärische Zwecke verfügbar, wurde 1967 auch für die
zivile Nutzung freigegeben und bis in die 80er Jahre zum Aufbau und zur
Kontrolle von geodätischen Grundlagennetzen eingesetzt.
- Die Konzeption für das wesentlich verbesserte NAVST AR-GPS (Abb. 3)
wurde ab 1 973 erarbeitet: mehr Satelliten auf höheren, systematisch
angeordneten und umfassend kontrollierten Bahnen, sowie hochstabile,
strukturierte Satellitensignale zur Laufzeitmessung. Bis zu sieben
»Block I« Satelliten standen bereits während der Entwicklungsphase
1978 - 1985 zur Verfügung. Nach einer längeren Verzögerung infolge
der Challenger-Katastrophe erreichten ab 1989 in schneller Folge 24
operative Satelliten »Block II!IIA« ihre Umlaufbahnen. Seit März
1 994 ist das System vollständig aufgebaut, eine Weiterentwicklung
(»Block IIR«) ist bereits in Angriff genommen. Für zivile Nutzer wird
vom Betreiber garantiert:
Initial Operational Capability (IOC): Betrieb bis mindestens 01.01 .2005
Standard Positioning Service (SPS): (Navigations-) Genauigkeit""1 00 m
Schon 1 983 waren die ersten GPS-Vermessungssysteme auf dem Markt.
Danach wurden Hard- und Software in großen Schritten weiterent­
wickelt, sie wurden immer handlicher und bedienungsfreundlicher. Vor
allem aber konnten, bei gleichbleibender Genauigkeit, die Meßzeiten
drastisch verkürzt werden:
um 1985
um 1990
um 1995
Statische Verfahren
Schnelle Statische Verfahren
Stop and Go-Echtzeitverfahren
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I - 2 Stunden
I 0 - 20 Minuten
wenige Sekunden
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Zeit
GPS-Anwendung
GPS- Aufbau
04.10.57
erster künstlicher Satellit: Sputnik I
20.07.69
Mondlandung Apollo 11
1970
Programmbeschluß
1975
Konzeptionsphase
erster Block I Satellit
1980
Entwicklungsghase
zivile Nutzung
(unter Vorbehalt)
1985
28.01.86
Landesvermessung
übergeordnete Netze
"Static"
7 Satelliten
Challenger-Katastrophe
erster Block 1/
1 IIA Satellit
Netzverdichtung
"Rapid Static"
1990
Ausbauphase
offizielle zivile Freigabe
IOC/ SPS
Detailvermessung
"Real Time"
1995
24 Satelliten
Abb. 3: GPS-Zeittafel
- Das russische GLONASS (Globalnaya Navigatsionnaya Sputnikovaya
Sistema) ist mit GPS vergleichbar u.nd ebenfalls weitgehend ausgebaut
(z. Z. 24 aktive Satelliten), es fehlen jedoch kommerzielle Meß- und
Auswertesysteme.
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- Ein ziviles Projekt PRARE (Precise Range and Range Rate Equipment)
der europäischen Weltraumbehörde ESA steht noch ganz am Anfang.
Satellitenvermessung bedeutet also noch auf längere Sicht Abhängigkeit
von einer Großtechnologie unter militärischer Verfügungsgewalt
Satelliten und Satellitensignale
Die Satelliten bilden das GPS-Raumsegment. Sie sind mit Antennen sowie
Sende- und Empfangseinrichtungen zur Datenkommunikation ausgestattet
und besitzen ein Antriebssystem zur Korrektur ihrer Bahnposition. Ein
Uhrensystem aus mehreren Rubidium-, Caesium- und Quarzoszillatoren
dient zur Stabilisierung der Satellitensignale und arbeitet mit einer Relativ­
genauigkeit in der Größenordnung 10·13•
Abb. 4: GPS-Satellit (Schematische Darstellung nach Seeber)
Ein Satellit der heutigen Generation (Block II) wiegt etwa 1500 kg, die Son­
nenkollektoren zur Energieversorgung haben eine Fläche von 7 m2 (Abb. 4).
Die Funktionsdauer wird mit 7,5 Jahren veranschlagt. Es ist also eine fort­
laufende Pflege und Ergänzung des Systems notwendig.
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Satellitenkonstellation
Die 24 Satelliten umrunden die Erde in 6 Bahnebenen, die den Äquator in
einem gleichmäßigen Abstand von 60° und unter einem Inklinationswinkel
von 55° schneiden. Die Bahnen sind fast kreisförmig, die Flughöhe beträgt
rund 20 200 km. Das entspricht einer Umlaufzeit von I I h 58 min (= 12 h
Sternzeit). Wegen der Erdabplattung wandern die Spuren der Satellitenbah­
nen täglich geringfügig westwärts. Man kann trotzdem davon ausgehen, daß
sich die Satellitenkonstellation für einen Beobachter auf der Erde an aufein­
anderfolgenden Tagen nahezu wiederholt.
Abb. 5: Satellitenbahnen über München (<!>= 48° 10')
Überall auf der Welt und zu jeder Zeit kann man mindestens vier (im güstig­
sten Fall bis zu acht) GPS-Satelliten mit einem Höhenwinkel über !5° beob­
achten. Wegen der geneigten Bahnen entstehen allerdings über den Polen
Lücken in der Satellitenüberdeckung. Deshalb fehlen in unseren Breiten
Satelliten in den nördlichen Bereichen des sichtbaren Horizonts (Abb. 5).
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Satellitennachricht
Die notwendigen Informationen zur Nutzung von GPS erhält jeder Empfän­
ger über eine Nachricht (Satellite Message), die von den Satelliten laufend
ausgestrahlt wird.
Die Ephemeriden der beobachteten Satelliten,
d. h. die Keplerschen Bahnelemente und ihre zeitlichen Änderungen zur
Berechnung der aktuellen Satellitenposition werden im 30 s-Takt übertra­
gen, ebenso Korrekturparameter für die Satellitenuhren und für die Einflüs­
se der Ionosphäre. Diese Daten werden für die Auswertung von GPS-Mes­
sungen benötigt und zusammen mit den eigentlichen Beobachtungsgrößen
abgespeichert.
Der Almanach des Gesamtsystems
mit genäherten Bahndaten aller verfügbaren Satelliten und Informationen
über ihren technischen Zustand wird vor allem zur Beobachtungsplanung
gebraucht. Die Übertragungszeit für den gesamten »Fahrplan« dauert
immerhin 12,5 min. Er wird gewöhnlich in einer eigenen Datei abgelegt.
Satellitensignale
Die Präzisionsoszillatoren in den Satelliten erzeugen eine Grundfrequenz
f0
=
I 0,23 MHz.
Daraus werden durch Integer-Multiplikation alle Satellitensignale abgeleitet
(Abb. 6): zwei Trägerwellen L1 und L2 im Mikrowellenbereich (L-Band) mit
den Frequenzen f1 und f2, denen als Zeitskalen zwei binäre Pseudo-Zufalls­
Codes oder Pseudo Random Noises (PRN) aufgeprägt sind:
Wellenlänae il und Frequenz f
I
il = c I f
Ausbreitungsgeschwindigkeit c
c " 300 000 000 m/s
Satellitennachricht (Messaqe)
10 = 10,23 MHz
LLfJ
�
�
C/A-Code
Träger L,
Träger L2
fc1A=1 ,023MHz
ActA"300m
f1=1575,42MHz
f2=1227,60MHz
il2"0,24m
I
ii,"0,19m
C/A
I
1'
p�y
1'
><I
P�v
T
Abb. 6: GPS-Signalstruktur
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Lf=J
P-Code
fp=1 0,23MHz
f.p"30m
I
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Coarse/Aquisition (C/A-Code) auf der Trägerwelle L1,
Precise (P- bzw. Y -Code) auf beiden Trägerwellen L1 und L2•
Ihre »Frequenzen« (Code-bits pro Sekunde) fctA und fP sind wesentlich nied­
riger als die Trägerfrequenzen.
Die Modulation erfolgt durch 1 80°-Phasensprünge (Abb. 7). Der C/A-Code
wiederholt sich jede Millisekunde. Die Wiederholungsrate des P-Codes
beträgt 267 Tage, jeder Satellit sendet davon ein 7 Tage langes Teilstück.
Der Code-Ausschnitt dient auch zur Identifizierung der Satelliten mit ihrer
PRN-Nummer.
Trägerwelle
modulierte Trägerwelle
0
Code-Chip
0
0
-+-----r----�--�L-
Code-Struktur
1 bi!
=
Ac
Abb. 7: Trägerwelle und Code
Signalrestriktionen
Aus Sicherheitsgründen wird für den Standard Positioning Service (SPS)
das hohe Genauigkeitspotential des Systems künstlich verschlechtert:
- Selective Availability (SA)
Die Grundfrequenz wird verfälscht (dithering, 8-Prozess), ebenso die
mit den Ephemeriden übertragenen Bahndaten und Uhrparameter
(€-Prozess).
- Anti-Spoofing (A-S)
Der P-Code wird durch Überlagerung mit einem geheimen W-Code ver­
schlüsselt. Der resultierende Y-Code ist dadurch ebenfalls geheim.
Bei den geodätischen Relativverfahren sind diese Einschränkungen fast
unschädlich.
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Signalausbreitung
Die Refraktion der Erdatmosphäre (Troposphäre bis etwa 50 km und Ionos­
phäre bis I 000 km Höhe) hat Auswirkungen auf die Ausbreitungsgeschwin­
digkeit der Mikrowellen. Sie sind bei flachen »Visuren« sehr groß, deshalb
werden Satelliten mit einem Höhenwinkel unter 15° gewöhnlich von den
Beobachtungen ausgeschlossen.
- Troposphärische Refraktion abhängig von Luftdruck, -temperatur,
-feuchtigkeit:
Eine Messung dieser Werte am Empfänger ist wenig repräsentativ. Des­
halb rechnet man in der Praxis meist mit den Standarddaten der Auswer­
tesoftware.
- lonosphärische Refraktion abhängig von der Elektronendichte (Sonne!):
Der Effekt kann durch Kombination von L,- und L2-Messungen (Disper­
sion) oder mit den Informationen der Satellitennachricht bestimmt wer­
den. Für höchste Genauigkeitsansprüche werden Nachtmessungen emp­
fohlen.
Auch die Refraktionseinflüsse werden durch Relativmessungen weitgehend
eliminiert, da die Signalwege zu beiden Basisendpunkten...nahezu gleich
sind.
Satellitenkontrolle
Zur Kontrolle der Satelliten benötigt man Bodenpunkte, deren Koordinaten
durch Verfahren der »kosmischen« Geodäsie wie Satellite Laser Ranging
(SLR), Lunar Laser Ranging (LLR) oder Very Long Baseline Interferometry
(VLBI) genau bekannt sind. Sie bilden den Bezugsrahmen des gesamten
Systems. Durch laufende Beobachtung auf diesen Punkten mit speziellen
Meßeinrichtungen können dann - in Umkehrung der GPS-Navigations­
lösung - die aktuellen Bahndaten der Satelliten und weitere Unbekannte,
z. B. Korrektionsparameter für die Satellitenuhren und für die ionosphä­
rische Refraktion, ermittelt werden.
GPS-Kontrollsegment
Fünf solche Stationen, die rund um die Erde auf einem breiten Äquatorgür­
tel gleichmäßig verteilt sind, dienen als Kontroll- oder Bodensegment des
Setreibers (Abb. 8).
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Hawaii
•
Abb. 8: Das GPS-Kontrollsegment
Aus den Daten aller Meßstationen (Monitor Stations) werden in der Haupt­
kontrollstation (Master Control Station) die genauen »Precise« Ephemeri­
den berechnet und eine Vorhersage über die Satellitenbahnen und das Uhr­
verhalten extrapoliert. Die Ergebnisse werden täglich von den Datenüber­
mittlungsstationen (Ground Antennas) an alle GPS-Satelliten weitergegeben
(Abb. 9). Damit stehen sie den Nutzern in der Satellitennachricht als »Broad­
cast« Ephemeriden zur Verfügung. Die Extrapolation bewirkt natürlich auch ohne künstliche Verschlechterung - einen gewissen Genauigkeitsver­
lust, der bei Relativmessungen aber in der Regel vernachlässigbar ist.
Bahn- und Uhrenverhalten
3
Master
r-------3�Grou n
Control Station
Beobachtung
Vorausberechnung
Übertragung
Abb. 9: Datenfluß zur Satellitenkontrolle
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Das Bodensegment ist außerdem für die allgemeine Systemkontrolle zustän­
dig. Es überwacht die Satellitenfunktionen und kann nötigenfalls Bahnkor­
rekturen veranlassen. Auch die Systemsicherungen SA und A-S werden von
hier aus gesteuert.
Zivile Kontrolleinrichtungen
Unabhängige Kontrollsysteme wurden durch internationale Zusammenar­
beit ziviler geodätischer Institutionen eingerichtet. Sie können natürlich
nicht aktiv in das System eingreifen, sondern lediglich den aktuellen Status
(u. U. sehr genau) registrieren. Ein Beispiel ist das ClONET (Cooperative
International GPS Network) unter Federführung des US National Geodetic
Survey (NOS). An diesem Programm ist auch die Satellitenstation Wettzell
(Bayer. Wald) des deutschen Instituts für Allgewandte Geodäsie (IfAG)
beteiligt. Präzise Ephemeriden und weitere Ergebnisse dieser Aktivitäten
sind - im Gegensatz zu entsprechenden Daten des offiziellen (militäri­
schen) Kontrollsegments - der Öffentlichkeit zugänglich. Man kann sie
z. B. über Internet vom GPS-Informations- und Beobachtungssystem GIBS
abrufen unter der Adresse:
http://gibs.leipzig.ifag.de/.
GPS-Empfanger
Sämtliche Arten von GPS-Empfängern werden unter dem Begriff Hutzer­
segment zusammengefaßt. Unter den zivilen Nutzern ist, zumindest in
Deutschland, das Vermessungswesen ein Hauptanwender mit inzwischen
schon mehrjähriger Erfahrung.
Geodätische Empfänger
Wichtigstes Kriterium für geodätische Empfänger ist eine hohe Genauigkeit.
Kurze Meßzeiten und Datenverarbeitung vor Ort erhöhen die Wirtschaft­
lichkeit. Kompatibilität mit vorhandenen Vermessungsausrüstungen ist vor­
teilhaft; dies gilt für Hardware (Aufstellung, Zentrierung) und Software
(Schnittstellen, Datenformat).
Ein modularer Aufbau aus den Komponenten Antenne, Empfänger und
Kontrolleinheit (Kontrollrechner mit Datenspeicher) ist möglich, aber auch
eine mehr oder weniger integrierte Bauweise (Abb. 10, 11 ). MehrkanalempMitteilungsblatt DVW-Bayem 4/1996
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Empfänger
Abb. 10: GPS-Empfänger (Schematischer Aufbau)
fänger sind heute Standard. Anforderungen an die Antenne sind ein stabiles
Phasenzentrum und eine gute Abschirmung gegen unerwünschte Mehrweg­
effekte. Entscheidend für geodätische Genauigkeitsanforderungen ist, daß
außer Code-Messungen auch Trägerphasenmessungen möglich sind. Ein
deutlicher Preis- und Leistungsunterschied besteht zwischen
- Einfrequenzempfängern für die Frequenz L1 und den Code C/A
- Zweifrequenzempfängern für beide Frequenzen L1, L2 und beide Codes
C/A, P(Y).
Die Methoden zur Signalrekonstruktion auch unter A-S, also mit dem
geheimen Y-Code, werden von den Empfängerherstellern laufend ver­
bessert.
�
Aotonno
Antenne
+Empfänger
Empfänger
+ Controller
Antenne
+Empfänger
+Controller
+Speicher
+Akku
Controller
�
+Speicher
Akkc
Abb. 11: Empfänger-Konfigurationen
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Auf kurzen Basislinien (bis"" I 0 km) ist die erreichbare Genauigkeit mit bei­
den Empfängertypen etwa gleich. Man kann jedoch mit Zweifrequenz­
empfängern die Beobachtungszeiten deutlich abkürzen bis hin zur Echt­
zeitmessung und on-line Koordinatenberechnung. Dazu ist allerdings eine
Datenfunkverbindung zwischen den Empfängern notwendig. Bei großen
Stationsentfernungen kann durch Messung mit zwei Frequenzen die Wir­
kung der ionosphärischen Refraktion eliminiert werden.
Geodätische Empfangssysteme kosten zwischen DM 20 000 und 60 000,
mindestens zwei braucht man für Relativmessungen. Dazu kommt noch die
Auswertesoftware in einer Größenordnung von DM 10 000 bis 20 000. Bei
deutlich steigender Leistung ist die Preistendenz eher stabil. Anbieter auf
dem deutschen Markt sind z. B. die Firmen Ashtech, Geotronics, Leica, Sok­
kia, Trimble Navigation und Zeiss.
DGPS-Anlagen
Das Differentielle GPS mit fest installierten Referenzstationen hat den Vor­
teil, daß beliebig viele Nutzer ihre Messungen darauf beziehen können und
nur einen eigenen (Rover-) Empfänger benötigen. Die Vermessungsverwal­
tungen (AdV) sind deshalb dabei, in verschiedenen Genauigkeitsstufen ein
flächendeckendes System von Referenzstationen mit hoher Verfügbarkeit
aufzubauen; auch in Bayern sind erste Schritte bereits realisiert.
Beobachtungsgrößen
Im Empfänger wird durch Präzisionsoszillator und Signalprozessor
(Abb. 10) ein Duplikat des GPS-Signals erzeugt. Es dient als Referenz für
das ankommende Satellitensignal, das schon 20 200 km zurückgelegt und
damit rund 0,067 s »Verspätung« hat. Beim Vergleich von Referenz- und
Satellitensignal darf allerdings - wie bereits zu Anfang efwähnt - der
Synchronisationsfehler dt der Empfängeruhr und die daraus resultierende
Nullpunktskorrektion U nicht vernachlässigt werden:
u
=
c . dt,
Signalgeschwindigkeit c "" 300 000 km/s.
Wenn z. B. die Uhr im Empfänger um 1 J..LS »nachgeht«, wird die gemesse­
ne Pseudoentfemung PR gegenüber der richtigen Entfernung R bereits um
U"" 300 m zu kurz. (Weitere kleinere Fehlereinflüsse, die bei geodätischen
Anwendungen im Auswerteverfahren mitbestimmt oder eliminiert werden,
sollen vorerst außer Betracht bleiben.)
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Die Einzelmessungen werden gewöhnlich zu Meßreihen zusammengefaßt
(Epochenlänge z. B. 15 s) und als komprimierte Werte (compacted) abge­
speichert.
Code-Messungen
Die Code-Messung entspricht der Impulsentfernungsmessung in der kon­
ventionellen Vermessungstechnik. Die Zeitmarken für die Laufzeitmessung
sind durch den PRN-Code festgelegt. Das Referenzsignal wird im Emp­
fänger schrittweise so lange zurückgesetzt, bis es im Satellitensignal »ein­
rastet« (Abb. 12). Mathematisch kann man diesen Vorgang, der in wenigen
Sekunden abläuft, als Kreuzkorrelation beschreiben. Als Ergebnis hat man
die Zeitverschiebung �T und damit die Pseudoentfemung PR bzw. die kor­
rigierte Entfernung R
PR c �T � R PR + U .
=
=
·
dt
6T
einschalten - sofort messen
Genauigkeit (differentiell): dm...m
Abb. 12: Code-Messung
Die Auflösung auf 1 % eines Code-Elements (»Wellenlänge«) ist leicht
möglich, also beim ClA-Code auf 3 m und beim (nicht mehr verfügbaren)
P-Code auf 0,3 m.
Phasenmessungen
Das Prinzip der Phasenmessung ist ebenfalls aus der elektronischen
Streckenmessung bekannt. Die Messung erfolgt auf der rekonstruierten Trä­
gerwelle wiederum durch Vergleich von Satelliten- und Referenzsignal,
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dabei ergibt sich zu einem Zeitpunkt t1 (epoch) als eigentliche Meßgröße
die Phasenlage <j>(t1) des Streckensignals (Abb. 13). Mit der Trägerwellen­
länge 'A erhält man die Pseudostrecke PR(t1) und daraus die Strecke R(t1)
PR(t1)
=
<j>(t1) + N 'A
�
·
R(t)
=
PR(t1) + U .
einschalten - lnitialisierungsphase - messen
Genauigkeit (relativ): mm...cm
Abb. 13: Phasenmessung
Eine zusätzliche Unbekannte ist die Anzahl der ganzen Wellenlängen zwi­
schen Empfänger und Satellit, die Mehrdeutigkeit N (ambiguity). Zur Ambi­
guitätenlösung sind zusätzliche Beobachtungen notwendig. Während der
Weitermessung wird im Empfänger die Anzahl n der einlaufenden vollen
Perioden (Nulldurchgänge) mitgezählt und mit einer Phase <j>(t2) zum Zeit­
punkt t2 ergibt sich entsprechend
PR(t2)
=
<j>(t2) + N
·
'A + n 'A
·
�
R(t1)
=
PR(t1) + U .
mit der gleichen Anfangsambiguität N. Zur zuverlässigen Ermittlung der
(ganzzahligen) Mehrdeutigkeit ist eine gewisse Initialisierungszeit notwen­
dig, erst dann kann man Pseudoentfernungen aus Phasenmessungen ablei­
ten. Dafür sind diese sehr genau; eine Auflösung von I %der Wellenlänge
entspricht 2 mm! Signalunterbrechungen (cycle slips) verlängern u. U. die
Meßzeit, denn sie erfordern in der Regel eine Neubestimmung der Ambi­
guität.
Eine Verbesserung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Ambiguitätenlö­
sung (fast ambiguity resolution), möglichst auch bei bewegtem Empfänger
(on the fly), ist deshalb nach wie vor ein aktuelles Entwicklungsziel auf dem
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geodätischen GPS-Sektor. Die mit Trägerphasenmessungen erreichte Ge­
nauigkeit entspricht schon heute den meisten Anforderungen des Vermes­
sungsalltags. Real-time-Systeme der neuesten Generation ermöglichen end­
lich die vollständige Bearbeitung der Messungen vor Ort. Handlichkeit und
Benutzerfreundlichkeit nähern sich immer mehr dem von der herkömmli­
chen Tachymetrie gewohnten Standard an. Deshalb werden GPS-Messun­
gen die klassischen Verfahren bei Aufnahme und Absteckung zwar nicht
vollständig ersetzen, aber in vielen Bereichen sinnvoll ergänzen (Abb. 14).
Der Zeitpunkt ist wohl nicht mehr allzu fern, wo zur Ausrüstung eines
Meßtrupps ganz selbstverständich auch der GPS-Empfänger gehört, viel­
leicht sogar die kombinierte GPS-Totalstation.
Abb. 14: Noch Probleme? (Cartoon: Konrad Cremer)
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Grundlagen von GPS.
Veröffentl. der FHT Stuttgart,Band 26 ( 1994).
Mitteilungsblatt DVW-Bayern 411996
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